Kitabı oku: «Der Kurier des Kaisers», sayfa 2
Zweites Kapitel.
Ein Reiterstückchen.
Marschall Bazaine auf dem Rückzuge. – Fritz schafft sich seine Pferde zurück und muß zum zweitenmal seine Reise unterbrechen.
Wohanna sollte recht behalten. Als die Reisenden erst die Felswildnis der Nordhänge hinter sich hatten, ging der Abstieg zur Ebene auf ziemlich bequemen Wegen rasch vor sich. Kupferbuchen und Magnolien mischten sich zwischen Fichten und Eichen; die Wiesen wurden saftiger; hier und da tauchte in den Waldlichtungen eine Ansiedlung auf. Endlich sah man die staubgraue Heerstraße vor sich, und die Häuser von San Rafaelo stiegen auf.
Der Vortrab des französischen Corps, das sich in drei großen Abteilungen auf Veracruz zusammenzog, hatte San Rafaelo bereits erreicht, und aus den getroffenen Vorbereitungen ersah Fritz als Soldatenkind, daß hier ein Halt gemacht werden sollte. Auf dem freien Wiesenplatz vor dem Dorfe wurden 17 Pfähle eingerammt und durch Stricke verbunden; andre Soldaten streuten Maisstroh über den Boden und errichteten Zelte. Aus dem Dörfchen hatte sich eine Anzahl Einwohner eingefunden, die neugierig zuschauten: Männer mit braunen Gesichtern und in zerlumpter Kleidung, Mädchen und Dirnen und halbnackte Kinder. Es machte den Eindruck, als lagere eine Zigeunerbande in der Nähe.
Wagenrollen und Hufschlag erdröhnten. Eine offene Equipage, von vier Maultieren gezogen, rasselte staubaufwirbelnd die Chaussee hinab. In ihr saß ein einzelner Mann mit einem Käppi auf dem Haupte, dicht in seinen Mantel gehüllt – eine behäbige Erscheinung mit gerötetem Antlitz und jenem eigentümlichen Bartschnitt, wie ihn der Kaiser Napoleon vorbildlich für seine Offiziere gemacht hatte. Der Herr rauchte eine Cigarette und plauderte zuweilen mit diesem und jenem aus seinem Gefolge, einer Menge französischer Offiziere, die den Wagen zu Pferde umgaben.
»Pardon, mein Lieber,« wandte sich Fritz an einen der Soldaten des Vortrabs, »ist das da der Oberstkommandierende, der Marschall Bazaine?«
Der Angeredete nickte, und nun nahm unser junger Held so am Wege Aufstellung, daß der Marschall ihn sehen mußte. Das geschah denn auch. Bazaine blickte auf – sein Wagen hielt.
»He, holla, junger Mann – eine Nachricht für mich?!« fragte er hastig, in dem Glauben, einen Kurier vor sich zu haben.
Mit abgezogener Mütze und in respektvoller Haltung trat Fritz näher.
»Nein, Excellenz,« antwortete er fest in französischer Sprache, so wie er angeredet worden war; »ich bringe keine Nachricht, aber ich habe die Absicht, über eine mir von Ihren Soldaten zugefügte Unbill Klage zu führen.«
Ein Zug ärgerlicher Enttäuschung glitt über das Gesicht des Marschalls.
18 »Klage zu führen?« wiederholte er. »Über meine – meine Leute?! Mein Lieber, das muß ein Irrtum sein. Aber steigen wir aus – ich bin wie gerädert, und der Staub hat mir die Kehle förmlich ausgedörrt! . . . Danke, lieber Oberst – danke – ich komm' schon allein aus diesem Klapperkasten heraus!«
Die letzten Worte galten einem der Offiziere des Stabes, der vom Pferde gesprungen war, den Wagenschlag geöffnet hatte und nun dem Marschall beim Aussteigen behilflich sein wollte.
Bazaine reckte und streckte sich, nahm ein paar Züge aus seiner Cigarette und wandte sich hierauf von neuem an Fritz zurück.
»Also, was giebt's?« fragte er. »Aber kurz, wenn ich bitten darf!«
»Es ist mit wenigen Worten gesagt, Excellenz. Ich übernachtete mit meinem Führer in einer Höhle des Gebirges, drei Stunden von hier, und dort sind uns von einigen Ihrer Soldaten, denen ein Indianer den Weg wies, unsre Pferde gestohlen worden. Das ist die Thatsache!«
Der Marschall schüttelte den Kopf und wandte sich an die ihn im Kreise umgebenden Offiziere.
»Halten Sie das für möglich, Major Richebourg?« fragte er einen der Herren, einen hagern, lang aufgeschossenen Mann mit einem Geierprofil.
»Für unmöglich, Excellenz,« entgegnete dieser. »Ich habe allerdings Befehl gegeben, an Stelle der gefallenen Pferde in den umliegenden Ortschaften neue zu requirieren, aber sie sind ihrem Werte nach bezahlt worden.«
»Nun also, lieber Herr« – und Bazaine warf den Kopf zurück, während ein drohender Ausdruck in seine Züge trat, »Sie haben gehört! In den Bergen strolcht allerhand Gesindel herum, republikanische Guerillaschwärme, Banditen und was weiß ich – halten Sie sich an dieses Pack, aber beschuldigen Sie nicht meine braven Truppen! Genug davon!«
19 Er drehte Fritz den Rücken und schritt auf sein Zelt zu, das inzwischen errichtet worden war, während die Kolonne mit klingendem Spiel auf den Halteplatz rückte.
Aber Fritz ließ sich nicht so leicht einschüchtern. Er vertrat Bazaine einfach den Weg.
»Vergebung, Excellenz,« sagte er, noch immer respektvoll, »daß ich mich bei der Aussage des Herrn Majors noch nicht beruhigen kann. Der Indianer, der Ihre Soldaten führte, hat den Diebstahl mit eignen Augen gesehen – er war Mitwisser, denn man gab ihm fünfzig Pesetos dafür – – Euer Excellenz würden mich zu Danke verpflichten, wenn Sie eine Untersuchung einleiten wollten.«
Im Kreise wurden vereinzelte unmutige Ausrufe hörbar. Major Richebourg trat mit rotem Kopf dicht vor Fritz und faßte ihn an einen Knopf seines Lederkollets.
»Was soll das heißen, Kerl?« zischte er ärgerlich hervor. »Bist du des Teufels, daß du trotz meiner Erklärung deine niederträchtige Behauptung aufrecht hältst?!«
Jetzt schlug auch Fritz die Röte des Zornes in die Wangen.
»Ich bitte Sie zuvörderst um größere Höflichkeit, Herr Major,« rief er aus. »Wir stehen uns nicht auf du und du! Im übrigen bleibe ich bei meiner Aussage!«
Bazaine trat zwischen die beiden.
»Lassen Sie, lieber Richebourg,« sagte er, »wir wollen uns nicht erregen, trotzdem das Bürschlein unverschämt wird! Was sind Sie für ein Landsmann, junger Herr? Spanier oder Franzose?«
»Deutscher, Euer Excellenz zu dienen.«
Wieder ging eine Bewegung durch den Kreis der Offiziere; man flüsterte und lächelte höhnisch.
»Deutscher?« wiederholte der Marschall in fragendem Tone. »Das dürfte doch wohl nur eine – allgemeine Bezeichnung sein. Aber richtig – ich entsinne mich – es existiert ja seit Beendigung des böhmischen Krieges ein sogenannter ›Norddeutscher 20 Bund‹ – ich las davon. Also Deutscher« – und während Bazaine dies Wort eigentümlich ironisch betonte, flog ein Lächeln um seinen schnurrbärtigen Mund. Er ließ seine Cigarette fallen und zertrat sie mit der Stiefelspitze. »Eh bien,« fuhr er fort, »ich will Ihren Wunsch erfüllen und die Sache untersuchen lassen. Major Richebourg – haben Sie die Güte, den Requisitionstrupp zusammen zu berufen und Erkundigungen einzuziehen. Inzwischen, mein Herr Deutscher, dürften Sie wohl gestatten, daß wir ein wenig frühstücken.«
Er ließ Fritz stehen. Vor den Zelten und in dem umfriedigten Halteplatz, in dem die Pferde angekoppelt wurden, entspann sich ein reges militärisches Treiben. Feldtische wurden aufgeschlagen; Ordonnanzen eilten hin und her, schleppten Weinflaschen herbei, deckten die Tische und öffneten die Konservenbüchsen. Feuer wurden entzündet, die Mannschaften begannen abzukochen. Marketenderwagen rasselten heran, die Gefährte der Sanitätskolonnen, eine Batterie Geschütze. Ein Bataillon Infanterie, das in weiterer Entfernung lagern sollte, rückte salutierend vorüber. Durch den Lärm der Soldateska und das Wiehern, Schnaufen und Stampfen der Gäule, denen Futter geschüttet wurde, klangen vereinzelte Kommandos . . .
Fritz hatte sich ermüdet auf einen Stein am Wege gesetzt und sah sich jetzt erst nach Wohanna um. Der Pama hatte den Halteplatz umschritten und näherte sich Fritz mit langsamen und gemessenen Bewegungen.
»Señor,« sagte er halblaut, »ich habe unsre Pferde gesehen – sie stehen dort drüben dicht nebeneinander.«
In diesem Augenblick näherte sich auch Major Richebourg dem Tische, an dem Bazaine mit einigen Offizieren frühstückte.
Fritz sah, daß der Major eine Meldung erstattete und daß der Marschall ihm antwortete. Richebourg schritt nunmehr auf Fritz zu, der sich sofort höflich erhob.
»Meine Nachforschungen haben die Grundlosigkeit Ihrer Angaben erwiesen, junger Mann,« sagte er. »Seine Excellenz der 21 Herr Marschall lassen Sie daher ersuchen, ihn und uns nicht länger zu belästigen.«
Er faßte an sein Käppi und wandte sich wieder.
Fritz ließ ihn ruhig gehen.
»Wohanna – auf ein Wort!«
Der Indianer sprang herbei.
»Wo stehen unsre Gäule?«
»In der ersten Reihe, Señor – gesattelt und aufgeschirrt.«
»Würde es leicht sein, sie loszukoppeln?«
»Ich denke ja, Señor.«
»Gieb acht! Wenn die Franzosen uns die Pferde nicht freiwillig geben, werden wir sie uns mit Gewalt zurücknehmen. Ich werde zunächst eine kleine List versuchen. Sei jeden Moment bereit, dich in den Sattel zu schwingen und in der Carriere zu flüchten. Welche Richtung haben wir einzuschlagen?«
»Die nördliche.«
Fritz nickte und trat sodann an den Tisch Bazaines heran.
»Sacré!« rief der Marschall und setzte das erhobene Glas klirrend auf den Tisch zurück. »Ist der Mensch noch nicht zufrieden?!«
»Zu meinem Bedauern nein,« erwiderte Fritz ruhig. »Der Herr Major muß sich geirrt haben – die gestohlenen Pferde stehen dort drüben angekoppelt!«
Richebourg schnellte empor.
»Unerhört, Excellenz,« schäumte er auf, »lassen Sie den Burschen aus dem Lager jagen – ich verpfände mein Ehrenwort, daß –«
»Ruhe, Ruhe, Ruhe, mein lieber Major« – Bazaine winkte beschwichtigend mit der Hand; »fassen wir das Intermezzo als eine willkommene Abwechslung auf – wir werden uns auf dem Heimwege noch genug langweilen!« Er erhob sich. »Wer hatte das Kommando über die Requisitionsabteilung?«
»Kapitän Melville, Excellenz.«
»So rufen Sie ihn!«
22 Der Marschall winkte Fritz und schritt mit ihm zu den Pferden. Ein Dutzend Offiziere folgte.
»Nun bitte, Monsieur« – und Bazaine schaute den jungen Deutschen von oben herab an – »welches sind die Gäule, die Sie als die Ihren beanspruchen?«
»Diese beiden, Excellenz – den Rappen mit der Blesse und die braune Stute!«
»Kapitän Melville!«
»Excellenz befehlen?«
»Wo sind die Pferde her?«
»Nach Aussage von sechs Zeugen im Dorfe Los Andos rechtmäßig requiriert worden, Excellenz.«
Die Augen Bazaines flammten auf.
»Und Sie, mein Herr Deutscher,« sagte er mit starker Betonung, »wollen meine braven Leute noch weiterhin Lügen strafen?«
Fritz zuckte mit den Achseln.
»Ich – ich glaube zwar nicht, daß ich mich täuschen kann, Excellenz,« antwortete er mit gut erheuchelter Verlegenheit, »aber schließlich ist jeder Irrtum menschlich. Darf ich um eine letzte Vergünstigung bitten? Der Rappe warf im Trabe das rechte Vorderbein so merkwürdig aus dem Kniegelenk, daß ich das Pferd gar nicht verkennen kann. Würde Euer Excellenz gestatten, daß es mir einmal im Trabe vorgeführt wird?«
Bazaine nickte.
»Gut – auch das noch! Koppelt beide Gäule los und trabt sie dem jungen Herrn vor!«
Der Befehl wurde im Augenblick vollzogen.
Major Richebourg triumphierte.
»Ein schlanker Trab,« rief er mit seiner meckernden Stimme. »Keine Spur von Hahnentritt! Der Mensch lügt – ich sagte es ja!«
Fritz stand am Kopfe des Rappen, den eine Ordonnanz vorn an der Kandare hielt. Er warf einen raschen Seitenblick 23 auf Wohanna und nickte befriedigt, als er sah, daß sich der Pama dicht an der Seite der braunen Stute hielt.
»Nein, Herr Major, ich lüge nicht,« entgegnete unser Held kaltblütig; »ich sehe es auch am Gebiß des Pferdes – – – erlauben Sie einmal,« und Fritz schob die Ordonnanz beiseite und faßte selbst in die Zügel, um anscheinend das Maul des Rappen öffnen zu können.
Im nächsten Augenblick saß er im Sattel. Ein geller Schrei benachrichtigte Wohanna.
»Auf Wiedersehn, Marschall Bazaine!«
Und in gestrecktem Galopp floh der erschreckte Gaul die Straße hinab. Wie eiserne Klammern hafteten die Schenkel des jungen Mannes auf dem Rücken des Rappen. Mit den Fäusten schlug er in Ermangelung einer Peitsche dem erregten Tier auf Hals und Kopf, die Zügel locker lassend, um eine ungehinderte Pace zu ermöglichen. Er schaute weder rechts noch links; Staubwolken wirbelten um ihn auf, und der feine Sand blendete ihn. Ein paar Schüsse krachten hinter ihm her – er achtete nicht darauf. Wie der wilde Jäger brauste er vorwärts – vorwärts . . . Nun kreuzte ein zweiter Weg die Straße. Fritz warf mit Aufbietung aller Kraft den Rappen herum und jagte nordwärts weiter, bis ihn der Schatten dicht belaubter Korkeichen umfing.
Da hörte er dicht hinter sich lautes Rufen.
»Señor – Señor! Langsamer – langsamer, bei allen Heiligen! Wir sind ja in Sicherheit!«
Das war die Stimme Wohannas! Fritz ließ, in Schweiß gebadet, keuchend und röchelnd sein Pferd in Schritt fallen, und der Indianer galoppierte heran.
»Gott sei gelobt,« stöhnte auch er, »das war eine heiße Jagd, Señor Tedescho (Deutscher)! Ich konnte nicht so rasch in den Sattel als Sie – aber ehe die faulen Franzosen an ihren Gäulen waren, war ich längst auf und davon. Eine Kugel flog dicht 24 an meinem Kopfe vorbei – eine zweite hat meine rechte Schulter gestreift . . . Diese Schufte!«
Fritz lachte lustig auf.
»Wir haben unsre Pferde wieder, und damit basta,« sagte er. »Aber wie nun weiter, Wohanna? Sind wir auf rechtem Wege?«
»Auf dem rechten, Señor. An der Tabascaschlucht müssen wir rechts abbiegen. Da liegt auch eine kleine Venta – für Flößer und Holzfäller, wo wir einen raschen Imbiß zu uns nehmen können. Vor Abend haben wir den Rio Blanco erreicht.«
Fritz nickte und streichelte seinen wie mit Milch übergossenen Rappen. Er freute sich, daß er dem Marschall Bazaine hatte ein Schnippchen schlagen können. – – –
Mit Beginn der Abenddämmerung veränderte sich die Landschaft. Sie wurde gebirgiger, ohne im allgemeinen ihren anmutigen Charakter zu verlieren. Mimosen und Tamarisken wucherten an den Rändern der Schlucht, durch die sich der Weg hinzog, und oben wuchsen Feigenbäume und Euphorbien, in deren Wipfeln die entfalteten Blüten von hundert buntfarbigen Schlinggewächsen leuchteten.
Am Rio Blanco sollte die Ansiedlung eines Nordamerikaners liegen, den man um Nachtquartier bitten wollte. Aber ein neues Abenteuer hielt die Reisenden auf.
Sie hatten soeben mit ihren müden Pferden eine steile Höhe erklommen, als sie plötzlich Uniformen und Gewehrläufe durch das Unterholz blitzen sahen. Ein donnerndes »Halt da!« in spanischer Sprache gellte ihnen entgegen, und im nächsten Moment waren sie von einem Schwarm von Soldaten umgeben.
»Keine Furcht, Señor,« rief Wohanna rasch; »es sind Kaiserliche!«
Ein dicker Wachtmeister faßte mit drohender Gebärde dem Rappen in die Zügel.
25 »Absteigen!« befahl er.
Das war aber nicht der Ton, den Fritz liebte.
»Ich denke nicht daran, dicker Caballero,« antwortete er. »Wir sind Reisende und haben keine Zeit, Ihnen Rede zu stehen.«
»Absteigen!« kommandierte der Wachtmeister abermals, und ein Hagel spanischer Flüche folgte. »Kreuzmillionendonnerwetter, die Ausrede von den friedlichen Reisenden kennt man! Jeder Spion braucht sie. Wenn ihr untersucht worden seid, könnt ihr euch weiter trollen – notabene, wenn ihr nicht baumelt!«
Fritz überlegte kurz. Widerstand wäre nutzlos gewesen – man mußte sich fügen. So winkte er denn Wohanna und sprang selbst vom Pferde. 26
Drittes Kapitel.
Im Lager der Kaiserlichen.
Am Rio Blanco. – Die Lebensgeschichte Fritz Bergers. – Señor Diego stellt sich vor.
Das Thal des Rio Blanco, in dem die Kaiserlichen lagerten, war ziemlich breit. Der Fluß strömte über Sandsteinklippen und verlor sich sodann in einem schmalen Felsenpaß. Die Hänge stiegen terrassenförmig an, mit dichtem Gebüsch besetzt; nach Nordwesten zu erhob, sich tiefschwarz vom Abendhimmel abzeichnend, die Sierra Mesika ihren umbuschten Kamm.
Das Lager bestand aus einem Regiment Cazadores a Caballo, Jägern zu Pferde, und einem Bataillon Infanterie von dem fast nur aus deutschen Freiwilligen sich zusammensetzenden Regimente Hammerstein. Die Truppe hatte den Abzug der Garnison von Medellin, die sich gegen die Übermacht des Feindes nicht mehr zu halten vermochte, schützen sollen, war jedoch von Juaristischen Guerillaschwärmen aufgehalten worden und befand sich nunmehr auf dem Rückmarsche nach Puebla.
27 Die Wachtfeuer loderten. Die von den anstrengenden Märschen der letzten Tage ermüdeten Soldaten hatten sich bereits teilweise, in Mäntel oder Woylachs gehüllt, auf die Erde gestreckt, andre saßen plaudernd am Feuer, über dem die Kessel hingen, oder brieten sich ein unterwegs erlegtes Wildhuhn. Man hatte aus Vorsicht ziemlich starke Postenketten ausgestellt, obschon kaum zu fürchten war, daß man in diesem entlegenen Teile der Sierra von Gegnern überrascht werden würde.
Zwischen einigen riesenhaften Lärchenbäumen war das Zelt des Kommandierenden aufgeschlagen worden. Auch er war ein Deutscher; schon der Name – Oberst von Leuthen – besagte es. Neben ihm, einer hohen, schlanken Gestalt mit vornehmen, etwas abgespannten Gesichtszügen, saßen auf Feldstühlen zwei seiner Offiziere, der Rittmeister Alonzo Cuerna und der Lieutenant Graf Hodegg. Als Tisch diente ein dicker Baumstumpf, auf den ein Brett genagelt worden war, und auf diesem stand eine leere Flasche, in deren Halse ein brennendes Licht steckte.
Noch eine vierte Persönlichkeit befand sich in dem Zelte, ein Mann, dem man seine südländische Abstammung ohne weiteres ansah. Er saß den Offizieren gegenüber auf einem riesigen gebleichten Ochsenschädel; seine Gestalt war hager, aber sehnig und kraftvoll, das Gesicht gebräunt, mit stark hervortretenden Backenknochen, schwarzen Augen von tückischem Ausdruck und buschigen Brauen darüber. Ein kleiner, dunkler Schnurrbart beschattete die Oberlippe, die ein wenig kurz war, so daß man ständig die schneeweißen Zähne des vielleicht dreiundzwanzigjährigen Mannes sah.
»Ich habe Ihren Namen vergessen, Señor,« sagte der Oberst von Leuthen; »er thut ja allerdings nichts zur Sache, aber Sie werden begreifen, daß ich bei der Wichtigkeit Ihrer Mitteilungen wenigstens einigermaßen informiert sein muß. Es ist selbstverständlich, daß Sie auf unsre Verschwiegenheit rechnen dürfen.«
»Ich verlange dies nur in bedingtem Maße, Herr Oberst,« erwiderte der Angeredete, »nämlich bis zu dem Augenblick, da 28 mir der Zutritt in die Hacienda Panisca ermöglicht worden ist. Mein Name ist Fuerto – Diego Fuerto y Carabuenos.«
Herr von Leuthen neigte leicht den bereits ergrauten Kopf, während Graf Hodegg, sein Adjutant, den Namen des Mexikaners in sein Notizbuch eintrug.
»Und nun wiederholen Sie mir,« nahm der Oberst von neuem das Wort, »wenn ich bitten darf, nochmals Ihre Vorschläge, mein Herr!«
»Es ist rasch geschehen, Señor. Das juaristische Heer sammelt sich unter den Generalen Escobedo und Riva Palacio nördlich von Queretaro oder, besser gesagt, zwischen Queretaro und Zacatecas, um von dort aus einen gewaltigen Vorstoß gegen die Hauptstadt zu versuchen. Juarez selbst wird mit den hervorragendsten seiner Offiziere in der Hacienda Panisca Quartier nehmen. Ich bin nun bereit, die kaiserliche Armee auf Wegen, die nur mir allein bekannt sind, so nach Panisca zu führen, daß eine Überrumpelung des Gegners und die Gefangennahme des Juarez mit seinen Generalen ohne jedwede Schwierigkeit bewerkstelligt werden kann. Das ist alles.«
»Wo liegt die Hacienda Panisca?«
»Auf den nördlichen Ausläufern der Sierra Gorda, Señor, und zwar so geschützt, daß sie einer fast uneinnehmbaren Festung gleicht.«
»Und wem gehört sie?«
»Dem Don Hallstädt.«
»Das ist ein deutsch klingender Name.«
»Señor Hallstädt, mein Oheim, ist Deutscher – Rheinländer von Geburt, aber schon seit vierzig Jahren und darüber in Mexiko ansässig.«
»Gehört er zur kaiserlichen Partei?«
Señor Fuerto zog die Schultern hoch.
»Er hält sich geflissentlich vom politischen Leben fern, seitdem Mexiko eine Monarchie geworden ist, ist aber ein persönlicher Freund des Juarez und hat vor sieben Jahren seinen 29 ganzen Einfluß und seine reichen Mittel aufgeboten, um ihm zur Präsidentschaft zu verhelfen.«
Der Oberst ließ die Finger seiner Rechten spielend durch seinen starken Schnurrbart laufen.
»Gestatten Sie mir noch eine letzte Frage, Señor,« sagte er. »Ist wirklich der einzige Lohn, den Sie für Ihren Dienst beanspruchen, der Zutritt in die Hacienda?«
»Der einzige,« erwiderte der Mexikaner rasch, während eine leichte Röte über sein Gesicht flog. »Ich bin – aus Gründen, deren nähere Erläuterung nicht zur Sache gehört – mit meinem Onkel zerfallen. Er verwehrt mir jede Annäherung; ich würde mich der Gefahr aussetzen, mit Hunden von seinem Hofe gehetzt zu werden, wenn ich mir den Zutritt erzwingen wollte. Und doch muß ich ihn in dringenden Familienangelegenheiten sprechen! Das kann ich nur erreichen, wenn sich die Thore seiner Hacienda der bewaffneten Macht öffnen.«
Herr von Leuthen schaute sich im Kreise um.
»Was sagen die Herren zu den Vorschlägen des Don Fuerto?« fragte er.
»Ich meine, wir würden Thoren sein, wenn wir sie ablehnen wollten,« entgegnete Rittmeister Cuerna, und Graf Hodegg, ein blutjunger Österreicher mit frischem, noch halb knabenhaftem Gesicht, fügte hinzu:
»Ich teile die Meinung des Herrn Rittmeisters, möchte dem Herrn Oberst aber ganz gehorsamst zu bedenken geben, daß es vielleicht gut sein würde, die Angelegenheit zunächst dem Oberkommando zu melden.«
»Wogegen ich für mein Teil durchaus nichts einzuwenden hätte,« fiel der Mexikaner lebhaft ein. »Nur muß ich um dringende Beschleunigung bitten, da das republikanische Heer sich bereits zusammen zu ziehen beginnt.«
Der Oberst nickte.
»Wir hatten die Absicht, nach Puebla zu rücken,« sagte er, »um uns dort mit dem Corps des Generals Marquez zu 30 vereinigen. Der Plan muß aufgegeben werden. Ich halte es für zweckmäßiger, wir marschieren direkt nach Queretaro, wo die Generale Mejia und Miramon den Hauptteil unsrer Armee zusammengezogen haben. General Miramon hat den Oberbefehl – er mag das Weitere veranlassen. Graf Hodegg, wollen Sie, bitte, veranlassen, daß um zwei Uhr nachts zum Abmarsch geblasen wird; die Truppen sollen sich daher rechtzeitig zur Ruhe legen. Wir wählen den Weg über Tlaxala und Pachuca.«
In diesem Augenblick wurde der Zeltvorhang zurückgeschlagen, ein alter, eisgrauer Wachtmeister mit gewaltigem Knebelbart trat ein.
»Was giebt's?« fragte Leuthen.
»Verzeihen Herr Oberst – die Posten haben zwei Leute, einen Deutschen, wie es scheint, und einen Indios als der Spionage verdächtig angehalten und gefangen genommen. Was soll mit den beiden geschehen?«
»Wenn es in der That Spione sind, werden wir mit ihnen nicht lange fackeln und sie an den nächsten Baum knüpfen lassen. Die Herren Juaristen pflegen mit wehrlosen Gefangenen ähnlich zu verfahren. Aber zunächst lassen Sie die beiden Strolche einmal vorführen.«
»Hierher, Colonello?«
»Ja . . . Señor Fuerto, haben Sie die Güte, sich ein Lager bereiten zu lassen. Ich denke, es wird Ihnen recht sein, daß Sie uns nach Queretaro begleiten?«
Der Mexikaner erhob sich.
»Durchaus, Herr Oberst; Queretaro liegt mir wie Ihnen auf dem Wege, und wenn die militärischen Operationen richtig geleitet werden, garantiere ich Ihnen, daß die Kaiserlichen binnen heute und drei Wochen die Herren von ganz Mexiko sind . . . Darf ich Sie nur bitten, mir für die Nachtruhe ein paar Decken und für mein Pferd etwas Futter geben zu lassen. Mehr verlangen wir beide nicht,« fügte er lächelnd hinzu.
31 Der Oberst gab dem dicken Wachtmeister einige entsprechende Befehle, der sich sodann mit Señor Fuerto entfernte.
»Mir sagt der Mann nicht sonderlich zu,« bemerkte Herr von Leuthen, als der Mexikaner das Zelt verlassen hatte, »aber ich meine, wir sind jedenfalls verpflichtet, das Oberkommando von seinen Mitteilungen in Kenntnis zu setzen. Solange wir uns seiner Person versichert halten, werden wir einen Verrat von seiner Seite kaum zu fürchten haben.«
»Ich glaube auch nicht an einen solchen,« entgegnete Rittmeister Cuerna, sich eine Cigarette in Brand setzend. »Dem Manne scheint in der That lediglich daran zu liegen, Einlaß in die Hacienda Panisca zu bekommen – vielleicht will er bei dieser Gelegenheit ein persönliches Racheempfinden befriedigen – wer kann es wissen! Ich bin selbst Mexikaner und kenne meine verehrten Landsleute. Jedenfalls aber dünkt es mich angebracht, ihn auf dem Wege nach Queretaro scharf beobachten zu lassen . . .«
Der Eintritt der beiden Spione schnitt die Antwort des Obersten ab. Der gleiche Ausdruck von Erstaunen flog über die Züge der drei Offiziere, als sie die Gefangenen sahen. Es war zweifellos, daß die ganze typisch deutsche Erscheinung Fritz Bergers einen unerwartet günstigen Eindruck auf sie machte.
Während Wohanna in bescheidener Ruhe am Zelteingang stehen blieb, trat der junge Mann voll sichtlicher Erregung bis an den Tisch heran und sagte hastig in seinem schlechten Spanisch:
»Wenn ich die Ehre habe, den Kommandanten des Lagers vor mir zu haben, so bitte ich um Schutz gegen die Vergewaltigung, die man mir hat zu teil werden lassen. Ich bin kein Spion, wie man behauptet, sondern in der That ein harmloser Reisender. Seit wann ist es in Mexiko erlaubt, einen solchen, der unter Begleitung eines Führers durch das Land reist, wie einen Verbrecher zu behandeln?«
Der Oberst winkte dem Aufgeregten abwehrend mit der Hand.
»Gemach, junger Herr – nur immer gemach,« entgegnete er. »Wir leben in schwerer Kriegszeit und unter eisernen 32 Gesetzen. Wenn Ihnen unrecht geschehen ist, so wird es auch wieder gut zu machen sein. Im übrigen sehen Sie einen Landsmann vor sich – Sie können also halt schon gleich mir deutsch sprechen.«
Diese Worte übten einen sichtlich besänftigenden Eindruck auf Fritz aus. In sein blasses Gesicht kehrte langsam die Farbe zurück; er nahm die Mütze vom Kopf und verbeugte sich leicht.
»Vergebung, Herr Oberst,« erwiderte er, »wenn ich mich zu unnötiger Heftigkeit hinreißen ließ. Ich komme von Veracruz und will nach dem Norden. Bis Orizaba konnte ich die Post benutzen; von dort aus aber mußte ich zu Pferde weiter, da die Postfahrten infolge der Unruhe im Lande unterbrochen sind. Beim ersten Nachtlager wurden wir von Banditen überfallen, die uns die Pferde raubten. Diese Banditen waren freilich französische Soldaten, aber auch sie hätten uns unser Eigentum nicht wiedergegeben, wenn wir nicht eine List gebraucht haben würden. Und nun werden wir von neuem festgehalten – diesmal von Kaiserlichen – unter der wahnsinnigen Behauptung, daß wir Spione seien! Welch Unverstand!«
»Der Gefangene führt Karten und Pläne und ein an Juarez gerichtetes Schreiben bei sich,« warf der Wachtmeister ein. »Lieutenant Hauer, der Kommandeur der Vorpostenwache, hatte bestimmten Befehl gegeben, die beiden nicht eher zu entlassen, ehe sie von dem Herrn Oberst gründlich untersucht worden seien.«
»Ich stelle mich zur Verfügung,« sagte Fritz mit einem gewissen Trotz. »Die Karten, die ich bei mir trage, habe ich mir erst in Veracruz gekauft, um mich besser orientieren zu können, und das Handschreiben an Herrn Juarez, das ich zu verleugnen gar keine Ursache habe, datiert vier Jahre zurück.«
Oberst von Leuthen schüttelte den Kopf.
»Ich verstehe das nicht recht,« entgegnete er. »Wer ist der Absender respektive der Verfasser jenes Schreibens?«
»Ein Herr Giuseppe Mazzini.«
Der Oberst fuhr erstaunt zurück.
33 »Mazzini – der berüchtigte italienische Revolutionär?!«
Eine sichtliche Verlegenheit prägte sich auf dem hübschen Gesicht des jungen Deutschen aus.
»Ich hörte allerdings auch schon daheim,« sagte er, »daß Mazzini eine gefährliche Persönlichkeit sein solle. Aber seine revolutionäre Gesinnung hat mit der Angelegenheit, um derenwillen ich nach Mexiko gekommen bin und mit der sich auch der Brief an Juarez beschäftigt, nichts zu thun. Wenn der Herr Oberst die Güte haben wollen, mich in Ruhe anzuhören, bin ich bereit, Ihnen der Wahrheit gemäß die Gründe, die mich hierher geführt haben, zu erzählen. Ich möchte in diesem Falle nur bitten, mit dem Herrn Oberst allein bleiben zu dürfen.«
Graf Hodegg und Rittmeister Cuerna erhoben sich sofort. Auf einen Wink Leuthens mußten auch der Wachtmeister und der indianische Führer das Zelt verlassen, dann bat der Oberst den jungen Mann, neben ihm Platz zu nehmen.
»Nun sprechen Sie,« sagte er. »Wie ist Ihr Name?«
»Fritz Berger,« entgegnete der Angeredete, und nachdem er der Aufforderung Leuthens gefolgt war und sich neben diesen gesetzt hatte, fuhr er fort:
»Ich bin aus dem Rheinland gebürtig. Mein Vater war Offizier in hessischen Diensten, mußte aber einer Ehrensache wegen frühzeitig den Abschied nehmen. Ich selbst war damals noch ein Kind, doch es gab zu jener Zeit so aufregende Auftritte zwischen dem Vater und meiner guten Mutter, daß mir verschiedene Einzelheiten lebhaft im Gedächtnis geblieben sind. Späterhin hat meine Mutter mir freiwillig Aufschluß über die Gründe gegeben, die den Vater zur Dienstentlassung zwangen. Er war mit einem jungen Kameraden, einem Lieutenant von Hallstädt, auf das innigste befreundet. Dieser hatte ihn eines Tages um seine Unterschrift auf einen Schuldschein gebeten, und obwohl es sich um eine verhältnismäßig große Summe handelte, war der Vater doch gutmütig genug, sie ihm zu geben. Bald darauf verschwand Hallstädt, und kein Mensch wußte wohin. 34 Anfänglich hieß es, er habe Selbstmord begangen, bis es bekannt wurde, daß er nach dem Auslande geflüchtet sei. Auf allen Seiten meldeten sich Gläubiger – der gewissenlose Mensch hatte die Summe, die er bei einem Berliner Wucherer auf den Schuldschein meines als wohlhabend bekannten Vaters hin erhalten hatte, nicht zur Begleichung seiner Verpflichtungen benutzt, sondern sich mit ihr vor seiner Flucht noch ein kleines Kapital sichern wollen. Da das Vermögen meines Vaters nicht ausreichte, den Schuldschein völlig zu decken, und da er trotz aller Bemühungen auch keine andre Hilfe fand, so blieb ihm nichts übrig, als seinen Abschied zu nehmen. Die abscheuliche Handlungsweise dessen, den er für seinen besten Freund gehalten, der plötzliche Wechsel in seiner gesellschaftlichen Stellung und die Hetzjagd, die der unbefriedigt gebliebene Wucherer auf ihn veranstaltete – all das aber drückte meinen armen Vater so schmerzlich nieder, daß es auch ihn nicht länger im Lande litt, zumal er hier nicht die gewinnbringende Beschäftigung fand, die er suchte, um seine Familie erhalten zu können. So wanderte er denn aus. Von dieser Zeit ab habe ich ihn nicht wieder gesehen. Meine Mutter erhielt, anfänglich aus Tirol, später aus Italien, Frankreich und auch England eine so reichhaltige Unterstützung von ihm, daß sie mir eine gute Erziehung zu teil werden lassen konnte. Ich sollte Kaufmann werden, obwohl ich mehr Neigung zum Soldatendienst hatte, und ich nahm mich so zusammen und war so fleißig, daß ich es bald in einem großen Bonner Geschäftshause zu einer Art Vertrauensstellung brachte.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.