Kitabı oku: «Heilbuch der Schamanen», sayfa 6

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Die Wirklichkeit der Schamanen

Die Seele hat ihre eigene Sprache. Aber diese kennt keine Worte. Das übersehen Philosophen ebenso regelmäßig wie Naturwissenschaftler. Ansatzweise erkannt hat diese Tatsache allenfalls die moderne Psychoanalyse.

Die nicht alltägliche Realität der Schamanen ist eine andere als die der abendländischen Denker. Sie fragt nicht nach Zusammenhängen von Ursache und Wirkung oder nach Begründungen, sondern nur nach Tatsachen. Schamanisch arbeiten bedeutet daher auch Tatsachen zu schaffen, sie zu verändern oder zu beseitigen; je nachdem, ob sie erwünscht sind oder nicht. So einfach ist das. Als Mittel dafür dient alles, was sich in der Praxis bewährt, ganz gleich, ob es nun einer wissenschaftlichen Betrachtungsweise zugänglich ist oder nicht.

Die Einheit von Wirkung und Wirklichkeit

Einige Beispiele mögen dies illustrieren. Ein Kranker wendet sich an einen Heiler, bekommt von diesem kleine weiße Kügelchen verabreicht und wird davon gesund. Der schulmedizinisch ausgebildete Arzt wird dazu meinen, dass der Kranke einem Scharlatan aufgesessen sei, denn die Kügelchen bestehen aus nichts anderem als Milchzucker, sind aus seiner Sicht also keine Arznei. Dass der Patient dennoch gesund geworden ist, schreibt der Arzt dem so genannten Placeboeffekt zu. Der Schamane dagegen nennt die Kügelchen Medizin, denn schließlich bewirkten sie, dass der Kranke jetzt gesund ist.

Arzt und Schamane sind sich nicht über die Heilung uneins, nur über den Wirkmechanismus. Der Arzt ist der Meinung, die Ursache für die Genesung liegt nicht in den Pillen, sondern in der seelischen Bereitschaft des Patienten, gesund zu werden. Dem Schamanen ist das gleich, denn für ihn zählt allein, dass der Kranke gesund wurde.

Ein Placebo ist ein Scheinmedikament, das keine Arznei enthält. Dieses kann jedoch subjektiv seelisch und dadurch heilsam wirken, weil der Patient großes Vertrauen in die scheinbare Arznei setzt.

Die Bedeutung der inneren Haltung

Wenn nun der Arzt versucht, den Patienten darüber aufzuklären, dass nicht die Arznei ihn geheilt habe, dann vernichtet er damit zugleich ihre Heilwirkung. Ein zweites Mal wird sie bei derselben Beschwerde nicht helfen. Der Schamane verhält sich genau entgegengesetzt. Er wird seinen Patienten darin bestärken, dass er genau das richtige Medikament bekommen hat. Bei einem zweiten Mal wird die innere Überzeugung des Patienten von der Wirkung der Arznei damit sogar wachsen.

Die Bedeutung der individuellen Seele

Wer nun meint, diese Haltung als Aberglauben abtun zu können, der irrt sich. Bei der Heilung dieses Kranken war weit mehr als nur ein Placeboeffekt im Spiel. Derselbe Schamane, der dem Patienten A gegen seine Leiden jene Milchzuckerkügelchen verabreichte, wird den Patienten B bei gleichartigen Beschwerden wahrscheinlich ganz anders behandeln. Das unterscheidet ihn vom Schulmediziner, der bei einem gleichartigen Befund die gleiche Arznei verordnet. Der Arzt behandelt den Körper, der Schamane heilt die individuelle Seele.

Die Kügelchen sind nur ein äußerlich sichtbares Vehikel für seine Arbeit. Er weiß, dass sie nicht aufgrund ihrer Inhaltsstoffe heilsam wirken, sondern aufgrund des Geistes, in dem er sie dem Kranken verabreicht. Dieser liebevolle Geist wirkt auf die Seele und so auf den ganzen Menschen. Niemand wird bestreiten, dass Liebe heilen kann, während Gefühlskälte krank macht oder die Gesundung behindert.

Für den Genesungsprozess des Patienten ist es sehr wichtig, dass er im tiefsten Inneren davon überzeugt ist, ein unfehlbares Heilmittel zu sich zu nehmen. Dann erst wirkt es auf seine Seele, und diese ist es, die vor allem anderen geheilt wird. Das Körperliche ergibt sich dann von selbst. Die Seele aber fragt nicht nach Logik, sie verlangt Vertrauen und Liebe.

Das innere Geschehen entzieht sich der Analyse des Verstands. Hier handelt es sich um Realitäten der Seele, die sich nicht in Worte fassen lassen.

Das Wissen um die Heilwirkung auf die Seele

Der Schamane bedient sich Techniken, die in erster Linie auf die Seele eines Kranken wirken. Den einen Patienten behandelt er mit Gesang, den anderen durch Handauflegen, einen dritten durch Anschreien und seelisches Wachrütteln, einen vierten mit kleinen weißen Kügelchen.

Das Wissen um die Heilwirkung all dieser Maßnahmen bezieht der Schamane nicht aus eigener Kenntnis oder Erfahrung, denn er ist selbst nur ein Mensch, und als solcher kann er sich natürlich auch irren.

Seine Krafttiere, seine Hilfsgeister, seine spirituellen Lehrer führen ihm dieses Wissen zu. Dieses ist von ungeheurer Wichtigkeit. Wäre das schamanische Heilwissen lediglich auf Erfahrungen gestützt, dann bestünde immer noch die Möglichkeit von Unzuverlässigkeiten bei deren praktischer Umsetzung.


Iatren (Heilwirkungen) spielen sich tief im Inneren der Seele ab, wie bei dieser Pilgerin in Tschenstochau. Sie ist von der religiösen Freude sichtlich überwältigt.

Verstandene und gefühlte Wirklichkeit

Warum ist das Prinzip der Heilung über die Seele für Rationalisten und Naturwissenschaftler so schwer zu begreifen? Wer seine Welt aufmerksam wahrnimmt, begegnet doch tagtäglich Beispielen, die dieses Prinzip belegen. Da sieht ein Mensch, den starke Depressionen plagen, einen bunten Schmetterling über eine sonnenbeschienene Wiese gaukeln. Freude erfüllt ihn bei diesem Anblick, vielleicht beginnt er vor Glück sogar darüber zu weinen und ist von seiner Niedergeschlagenheit geheilt. Vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus ist dieses Phänomen unbegreiflich, schließlich ist einem Schmetterling keine objektive Heilwirkung auf ein depressives Gemüt nachzuweisen.

Der Schamane hingegen wird sagen: »Der Geist des Schmetterlings hat die Seele des Kranken geheilt.« Ist das bloß Aberglaube? Begreift man den Satz wortwörtlich, dann vielleicht. Doch genau wortwörtlich will der Schamane auch gar nicht verstanden werden. Er spricht einfach in der Sprache der Seele, die den Verstand überhaupt nicht mehr erreicht. Und doch hat er in seiner verstandesfremden Sprache nichts anderes als beobachtbare Wirklichkeit beschrieben: »Hier war ein depressiver Mensch. Dann kam ein Schmetterling. Sein Anblick hat den Menschen von seinen Depressionen befreit.« Was an diesen Tatsachen ist also unglaublich?

Nicht jede Wirklichkeit ist nur deshalb real, weil sie sich wissenschaftlich er- und begründen lässt.

Trauma und Iatra

Nehmen wir ein anderes Beispiel, an dem deutlich wird, dass man durch künstliche Beeinflussung von außen am Verstand vorbei direkt auf die Seele einwirken kann. Traumata entstehen beispielsweise durch das Erlebnis eines schweren Unglücks, einer schweren Misshandlung, eines Unfalls. Das Wort »Trauma« bedeutet ursprünglich nichts anderes als Verletzung des Körpers wie der Seele. Um ein Trauma zu heilen, bedarf es des heilkundlichen Wissens, der Iatrik. Ich erlaube mir deshalb, der seelischen Erkrankung »Trauma« den Begriff des gezielt herbeiführbaren die Seele heilenden »Iatra« gegenüberzustellen.

Iatren sind ebenso wirklich wie Traumata. Ein Schamane ist ein Spezialist für diese Iatren. Er ruft aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten gezielt Iatren bei seinen Patienten hervor, indem er unmittelbar mit deren verletzter Seele kommuniziert und dabei den Verstand ganz bewusst umgeht oder sogar ablenkt.

Das Land der Seele

Wie sich die Realität der Seele für einen Schamanen im Vergleich zur äußeren Wirklichkeit der Sinne und der Materie darstellt, lässt sich anhand eines schamanischen Reiseprotokolls sehr deutlich zeigen. Dazu sollten wir uns im Vorfeld die wesentlichsten Aspekte des schamanischen Menschenbilds vor Augen führen.

Eine Seele, die frei und glücklich ist, kann sich in Weisheit und Zufriedenheit entfalten.

Spuren in der Außen- und der Innenwelt

Wann immer ein Mensch etwas tut, sieht, anderweitig wahrnimmt oder empfindet, wünscht oder denkt, hinterlässt das eine Spur. Manche dieser Spuren sind groß und dauerhaft wie beispielsweise ein Haus, das jemand gebaut hat; andere fallen kaum auf, wie das flüchtige Lächeln nach einem liebevollen Gedanken, wie schamhaftes Erröten oder der für Sekundenbruchteile verhaltene Atem nach einer Überraschung. Spuren aber gibt es immer.

Doch nicht nur in der Welt der Sinne und des Verstands zeichnen sich solche Spuren ab. Jeder Mensch lebt zugleich noch in einer anderen Welt, der Welt der Seele. Die Spuren, die hier entstehen, haben andere Qualitäten als jene in der äußerlich wahrnehmbaren Welt. Sie sind dauerhafter und nach ganz anderen Maßstäben ausgerichtet.

Seelenwohnung und Seelenumgebung

Baut beispielsweise ein Architekt einen Wolkenkratzer, so muss das im Land seiner Seele gar nicht besonders auffallen. Stattdessen setzt vielleicht der flüchtige Anblick eines bunten Schmetterlings, der über einer sonnigen Blumenwiese flattert, im Seelenland eine weithin sichtbare Marke.

Weise Menschen kennen den Lebensraum ihrer Seele ganz genau. Sie wissen, ob sie in einer versteckten Hütte tief im Wald wohnt, auf einer Insel inmitten eines Sees oder in einer Etagenwohnung in einem anonymen Wohnblock. Sie wissen, ob sie gern auf Reisen geht oder lieber zu Hause bleibt. Im Land unserer Seele können wir genauso planen, bauen und gestalten wie im Land der Sinne und des Verstands. Wir können die Wohnung unserer Seele auch so einrichten, dass sie sich darin wohl fühlt, mit wohlbestellten Gärten oder Wegen zu schönen Aussichtspunkten.

Warum die Kenntnis der Seelenlandschaft so wichtig ist

Jenen weisen Menschen bleiben auch die Seelenlandschaften ihrer Mitmenschen nicht verborgen. Wenn diese es zulassen, können sie dort zuweilen sogar etwas gerade rücken oder anderweitig für Ordnung sorgen.

Wer allerdings nicht weiß, wo und wie seine Seele wohnt und womit sie sich umgibt, der muss mit einer sehr starken Seele oder einem schwachen Verstand gesegnet sein, um auf Dauer nicht krank zu werden oder nicht unter einer inneren Daseinsangst zu leiden. Viele Menschen haben vom Land ihrer Seele gar keine oder nur eine sehr vage Vorstellung, der Hauptgrund weshalb viele von Beschwerden geplagt werden.

Ein bildhaftes Beispiel führt oft schneller zum tieferen Verständnis eines Zusammenhangs als es mehr oder weniger abstrakte Ausführungen vermögen.

Bericht von einer Seelenreise

Ziel der hier aufgezeichneten Reise war es, die zahlreichen seelischen und körperlichen Leiden einer Klientin von Grund auf spirituell zu verstehen, bevor eine Behandlung beginnen konnte. Die in dem Protokoll geschilderten äußeren Umstände der Klientin entsprechen nicht eins zu eins ihren tatsächlichen Lebensumständen. Das hängt damit zusammen, dass sie eben nicht in der Sprache des Verstands, sondern gleichnishaft in Bildern der Seelensprache ihren Ausdruck fanden.

Die äußere Welt

Frau Sihet ist eine recht attraktive und in der Welt der Sinne und des Verstands sehr erfolgreiche Frau mittleren Alters. Sie stammt aus einem wohlsituierten, harmonischen Elternhaus, genoss eine gute Schulbildung, ist mit einem leitenden Angestellten verheiratet, dessen Karriere ihn bis in die Vorstandsetage führte und betreibt selbst eine gut gehende kleine Boutique.

Ihre beiden Kinder, ein älterer Sohn und eine Tochter, sind bereits erwachsen und stehen auf eigenen Füßen. Die Altersversorgung von Frau Sihet ist geregelt, eventuelle Krankheitsfälle deckt eine umfassende private Krankenversicherung ab. Andere Versicherungen schloss das Ehepaar gegen Unfall, Feuer, Sturm- und Wasserschäden, Einbruch, Diebstahl und andere mehr oder weniger wahrscheinliche Risiken des Lebens ab. Die Förderung der Kinder hat die Familie finanziell kaum belastet, denn für das Studium kam eine Ausbildungsversicherung, für die Hochzeit der Tochter eine Mitgiftversicherung auf. Rechtsschutz, Kraftfahrzeug-Schutzbriefe, private Haftpflicht-, Reiserücktritts- und Reisewetterversicherungen schlossen auch die letzten Lücken im Sicherheitsbedürfnis der Familie Sihet. Ihrem Leben konnte nichts etwas anhaben...

Die Befindlichkeit der Klientin

Frau Sihet hätte - so könnte man meinen - allen Grund, rundum glücklich zu sein. Aber sie war es ganz und gar nicht. Sie fühlte sich oft verkrampft und ausgelaugt zugleich, klagte über ständige Müdigkeit, konnte nachts dennoch kaum schlafen, litt unter Alpträumen und innerer Unruhe und wurde schließlich von einer ganzen Reihe lästiger körperlicher Probleme geplagt. Rückenschmerzen, Verdauungsschwierigkeiten und Migräneanfälle waren dabei noch die geringsten Übel. Mehr zu schaffen machten ihr immer wiederkehrende Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, gelegentliche Hautreizungen, ihre Anfälligkeit für allerlei Infektionskrankheiten sowie Herzrhythmusstörungen und Atemnot. Zwei Operationen im Darmbereich und eine Gebärmutterausschabung musste sie schon über sich ergehen lassen. Zu alledem kam die ständige Furcht vor dem Altern.

Der Klientin ist die Sicherheit in sich selbst verloren gegangen. Möglicherweise hatte sie auch niemals die Chance, diese überhaupt zu entwickeln.

Auf der Suche nach Auswegen

Frau Sihet versuchte die Ursachen für ihre diversen Leiden zu ergründen. Sie verfiel zunächst auf die Esoterik und glaubte an eine schwere karmische Belastung. Überzeugt davon, eine alte Schuld aus einem früheren Leben abtragen zu müssen, vertraute sie sich verschiedenen spirituellen Meistern an, die versuchten, ihr mit Aura- oder Chakratherapien beizukommen sowie mit so genannten Rückführungen in frühere Leben, und ihr obskure Lebensmittel verordneten.

Angetrieben von ihrem übersteigerten Sicherheitsbedürfnis und dem sie stets leitenden Grundgedanken, man dürfe nichts unversucht lassen, wenn es um die körperliche und seelische Gesundheit geht, ließ Frau Sihet diese sinn- und erfolglosen Maßnahmen über sich ergehen. Statt einer Besserung der Beschwerden stellte sich eine Verschlimmerung ein.

Das Gefühl, ein besonders schwerer, hoffnungsloser Fall zu sein, wurde ihr zur Gewissheit. Angst überwältigte sie, die wiederum Muskelverspannungen, Gefäßverengungen und neue Magen- Darm-Probleme mit sich brachte.

Fatalerweise eskalierte dieser missliche Zustand, je mehr Frau Sihet davon überzeugt war, sich nicht nur um die Gesundheit ihres Körpers, sondern auch um die ihrer Seele zu kümmern. Sie glaubte sogar, ihre Seele und deren Zustand zu kennen. In Wirklichkeit aber engte sie diese mehr und mehr ein. Ihr geschliffener Verstand, ihr starkes Sicherheitsbedürfnis und die feste Überzeugung, sie dürfe in ihrem Leben nichts dem Zufall überlassen, ließen ihrer Seele nicht mehr den geringsten Spielraum, den eigenen Lebensbereich selbst zu gestalten oder in ihm frei zu atmen. Frau Sihets Angst steigerte sich zur Verzweiflung. Sie war nicht mehr in der Lage, rhythmisch zu atmen, sondern nur noch stoßweise mit längeren Pausen.

Der schamanische Reisebericht über Frau Sihets »Seelenzimmer« stammt aus dem Buch »Der Zeitvogel und andere schamanische Erzählungen«, ebenfalls von Felix R. Paturi.

Der Einfluss der Eltern

Dass es so etwas wie das Land der Seele gibt, in dem diese ein sehr eigenständiges Leben führt, war Frau Sihet nicht bewusst. Und hätte sie das erbärmliche und heruntergekommene Zimmer auch nur einmal gesehen, in das ihre Seele eingepfercht war, dann wäre sie wohl zutiefst entsetzt gewesen.

Niemand freilich gestaltet sein Seelenland allein. So bekam Frau Sihets Seele schon bei ihrer Geburt von ihren Eltern ein freundliches kleines Zimmer als Wohnstatt zugewiesen, ohne dass Vater und Mutter sich dieses Raums allerdings tatsächlich bewusst waren. Unbewusst gestalteten sie ihn während der Kindheit des kleinen Mädchens ganz systematisch. Alles, was ihr Kind in dieser Zeit erlebte und erfuhr, hinterließ Spuren in seinem Seelenzimmer. Spuren dieser Art sind oft sehr dauerhaft und lassen sich noch lange Zeit danach betrachten.

Erste Spuren im Seelenraum

Die erste Maßnahme der Eltern war, dass sie die Türe des Seelenzimmers ihrer Tochter sorgsam verschlossen. Sie glaubten, so der kleinen Seele Sicherheit vor den Gefahren von außen zu geben. Wie leicht hätte sie sonst den Raum neugierig und - wovon sie überzeugt waren - leichtsinnig verlassen können. Das Seelchen drückte zwar zunächst öfter auf die Türklinke, fand sich aber bald damit ab, dass dieses nichts bewirkte und vergaß die Türe als möglichen Weg ins Freie schließlich ganz. Immerhin war das Zimmer selbst ein schöner Raum, denn er war weitgehend leer und man konnte darin nach Herzenslust herumkrabbeln, spielen und toben.

Ein Seelenzimmer wird eingerichtet

Als das Kind größer wurde, erhielt der Raum immer mehr Einrichtungsgegenstände. Seelenräume haben jedoch ein völlig anderes Mobiliar als die in der Welt der Sinne und des Verstands. Das von den Eltern sorgfältig ausgewählte Internat hinterließ beispielsweise als Spur im Seelenraum eine massive Eisenstange, die mitten im Zimmer stand und vom Boden bis zur Decke reichte. Das war ein Gegenstand, an dem man sich aufrichten und festhalten konnte. Auch sorgsam geplante Freizeitaktivitäten, die die Tage ihrer Tochter ausfüllten, zogen sich bald als straffe Stahlseile kreuz und quer durch den Raum: viele Möglichkeiten, sich festzuhalten.

Die bildhafte Zustandsbeschreibung führt unmittelbar und auf direktem Weg zur Einsicht in die schwierige Situation, in der sich die Frau befindet.

Eine Seele beginnt zu verkümmern

Die Fenster des Zimmers hatten die Eltern in der Zwischenzeit zur Hälfte verschlossen und mit uninteressanten Ausblicken bestückt. Beschränkt auf das Zimmer, suchte die Seele nach Gestaltungsmöglichkeiten. Die aber waren äußerst begrenzt. Doch selbst wenn es der Seele gelang, sich ein neues Spielzeug zu basteln, nahmen es ihr die Eltern fort. Sie sahen es als nichtsnutzig oder sogar gefährlich an. Stattdessen zogen sie neue Seile und Stangen ein. Bald konnte sich die Seele nicht mehr frei im Raum bewegen. Die Seile und Stangen machten bestimmte Teile des Zimmers unerreichbar. Dort lagen zwar noch einige interessante Dinge herum, die die Seele einst erdacht hatte, aber im Lauf der Zeit legte sich Staub darüber.


So sah ein junger Franzose das Umfeld seiner Seele auf einer schamanischen Reise.

Eigene Spuren kommen hinzu

In dem Maß, wie die sorgfältige Erziehung des Mädchens in der Welt der Sinne und des Verstands zur Freude ihrer Eltern fruchtete, hinterließ das Kind nun auch zunehmend selbst ähnliche Spuren wie die vorgegebenen in seinem Seelenzimmer. Dabei diktierte in erster Linie der Verstand, der weder um die Existenz des Seelenraums wusste, noch ihm bekannt war, was er dort anstellte.

Das Kind, das instinktiv fühlte, wie es seiner Seele mehr und mehr an Beweglichkeit fehlte, und dass diese kaum noch aufrecht stehen konnte, ohne sich an Stangen und Seile zu klammern, begann, selbst weitere Stützen und Hilfsmittel in dem immer enger werdenden Seelenraum unterzubringen.

Als die junge Frau mit großen Ehrgeiz ihr Studium absolvierte, ersetzte sie die Eisenstange im Zentrum des Raums durch eine massive Säule. Als sie ihren begüterten und beruflich erfolgreichen Mann heiratete - eine Liebesheirat war es nicht - stellte sie eine zweite Säule neben die erste. Beide waren nur so weit voneinander entfernt, dass die junge Frau Sihet sich mit jeder Hand an eine davon klammern konnte. Als dritte Säule ganz in der Nähe ragte bald die kleine Boutique im Raum empor, die ihre Eltern und ihr Mann gemeinsam finanziert hatten.

Das im Seelenzimmer installierte Geflecht vermag nicht, ein wirklicher Halt zu sein, im Gegenteil - es wird mehr und mehr zum bedrohlichen Dickicht.

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22 aralık 2023
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