Kitabı oku: «Die Dämonen», sayfa 11

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V.

Wir standen alle bei der Türschwelle. Es war jener Augenblick, wo Wirte und Gäste schnell die letzten, liebenswürdigsten Redensarten auszutauschen und dann befriedigt auseinanderzugehen pflegen.

»Daß der Herr heute so mürrisch ist,« warf Liputin, der schon ganz aus dem Zimmer hinausgegangen war, auf einmal noch wie beiläufig hin, »das kommt nur daher, daß er mit dem Hauptmann Lebjadkin vorhin wegen der Schwester desselben einen heftigen Zusammenstoß gehabt hat. Hauptmann Lebjadkin schlägt seine schöne, irrsinnige Schwester täglich mit der Peitsche, einer richtigen Kosakenpeitsche, morgens und abends. Aus diesem Grunde ist Alexei Nilowitsch sogar in ein Seitengebäude desselben Hauses gezogen, um davon nichts zu sehen und zu hören. Nun, auf Wiedersehen!«

»Seine Schwester? Eine Kranke? Mit der Peitsche?« schrie Stepan Trofimowitsch auf, wie wenn er selbst einen Hieb mit der Peitsche erhalten hätte. »Was für eine Schwester? Was ist das für ein Lebjadkin?«

Die frühere Angst war sofort zurückgekehrt.

»Lebjadkin? Das ist ein Hauptmann a.D.; früher bezeichnete er sich nur als Stabskapitän ...«

»Ach, was kümmert mich sein Rang? Was für eine Schwester? Mein Gott ... Sie sagen Lebjadkin? Aber bei uns war ja ein Lebjadkin ...«

»Eben der ist es, unser Lebjadkin; Sie erinnern sich wohl, er wohnte bei Wirginski?«

»Der ist ja aber mit falschen Banknoten abgefaßt worden.«

»Nun ist er zurückgekehrt, schon vor fast drei Wochen, und zwar unter ganz besonderen Umständen.«

»Aber da ist er ja ein Nichtswürdiger!«

»Als ob es bei uns keine nichtswürdigen Menschen geben könnte!« schmunzelte Liputin auf einmal und sah Stepan Trofimowitsch mit seinen listigen Augen an, wie wenn er ihn betastete.

»Ach, mein Gott, das will ich ja gar nicht sagen ... wiewohl ich übrigens über diesen Nichtswürdigen mit Ihnen durchaus einer Meinung bin, speziell mit Ihnen. Aber was weiter, was weiter? Was wollten Sie damit sagen? Sie wollen doch sicherlich damit etwas sagen!«

»Ach, das sind ja alles so unwichtige Dinge! ... Also dieser Hauptmann ist damals allem Anschein nach nicht wegen falscher Banknoten von uns weggereist, sondern lediglich, um diese seine Schwester zu suchen, die sich, wie es scheint, vor ihm an einem unbekannten Orte verborgen hielt; na, aber jetzt hat er sie hergebracht; das ist die ganze Geschichte. Warum haben Sie denn einen solchen Schreck bekommen, Stepan Trofimowitsch? Übrigens habe ich alles, was ich da sage, von ihm selbst gehört, als er in der Betrunkenheit ins Schwatzen gekommen war; wenn er nüchtern ist, schweigt er darüber. Er ist ein reizbarer Mensch und sozusagen ein militärischer Ästhetiker, der aber einen schlechten Geschmack hat. Diese Schwester aber ist nicht nur irrsinnig, sondern auch lahm. Es scheint, daß sie von jemand entehrt worden ist, und daß Herr Lebjadkin dafür schon seit vielen Jahren von dem Verführer eine jährliche Rente bezieht, wenigstens ist das aus seinem Geschwätze zu entnehmen – aber meiner Meinung nach ist das nur Gerede eines Betrunkenen. Er prahlt einfach. Das kann man allerdings auch tun, wenn man weniger Geld hat. Daß er aber bedeutende Summen besitzt, das ist ganz sicher; vor anderthalb Wochen ging er barfuß, und jetzt (das habe ich selbst gesehen) hat er Hunderte in Händen. Seine Schwester hat täglich eine Art von Anfällen; sie kreischt dann, und er ›bringt sie in Ordnung‹, nämlich mit der Peitsche. ›Einem Weibe‹, sagt er ›muß man Respekt einflößen.‹ Ich begreife nur nicht, wie Schatow noch über ihnen wohnen bleiben kann. Alexei Nilowitsch hat nur drei Tage bei ihnen gewohnt (er war mit ihm noch von Petersburg her bekannt); jetzt bewohnt er infolge der steten Aufregung ein Seitengebäude.«

»Ist das alles wahr?« wandte sich Stepan Trofimowitsch an den Ingenieur.

»Sie schwatzen sehr viel, Liputin,« brummte dieser zornig.

»Geheimnisse, Heimlichkeiten! Woher gibt es nur auf einmal bei uns so viele Geheimnisse und Heimlichkeiten?« konnte Stepan Trofimowitsch sich nicht enthalten auszurufen.

Der Ingenieur machte ein finsteres Gesicht, errötete, zuckte mit den Achseln und wollte das Zimmer verlassen.

»Alexei Nilowitsch hat ihm sogar die Peitsche aus der Hand gerissen, sie zerbrochen, aus dem Fenster geworfen und sich heftig mit ihm gezankt,« fügte Liputin hinzu.

»Warum schwatzen Sie soviel, Liputin? Das ist dumm. Warum tun Sie das?« sagte Alexei Nilowitsch und drehte sich augenblicklich wieder um.

»Warum soll man denn aus Bescheidenheit die edelsten Regungen seiner Seele verbergen? Das heißt, ich rede von Ihrer Seele, nicht von meiner eigenen.«

»Wie dumm das ist ... und ganz unnötig ... Lebjadkin ist ein ganz dummer Mensch, ein Hohlkopf und für unsere Aktion nicht zu gebrauchen; er kann da nur schaden. Warum schwatzen Sie allerlei Zeug? Ich gehe weg.«

»Ach, wie schade!« rief Liputin mit heiterem Lächeln. »Sonst hätte ich Sie, Stepan Trofimowitsch, noch durch ein kleines Geschichtchen erheitert. Ich bin sogar mit der Absicht hergekommen, es Ihnen mitzuteilen, obwohl Sie es übrigens wahrscheinlich schon selbst gehört haben. Nun, dann also ein andermal; Alexei Nilowitsch hat es so eilig ... Auf Wiedersehen! Das Geschichtchen ist mir mit Warwara Petrowna passiert; sie hat mich vorgestern zum Lachen gebracht; sie ließ mich expreß rufen; es war zum Kranklachen. Auf Wiedersehen!«

Aber nun klammerte sich Stepan Trofimowitsch ordentlich an ihm fest: er faßte ihn bei der Schulter, drehte ihn kurz um, zog ihn ins Zimmer zurück und zwang ihn, sich auf einen Stuhl zu setzen. Liputin wurde beinah ängstlich.

»Nun ja,« begann er von selbst, indem er Stepan Trofimowitsch von seinem Stuhle aus vorsichtig ansah, »sie ließ mich auf einmal rufen und fragte mich ›vertraulich‹, wie ich persönlich darüber dächte: ob Nikolai Wsewolodowitsch geistesgestört sei oder seinen Verstand habe. Ist das nicht erstaunlich?«

»Sie sind verrückt geworden,« murmelte Stepan Trofimowitsch, der ganz außer sich geraten war. »Liputin, Sie wissen ganz genau, daß Sie nur deshalb hergekommen sind, um mir eine gemeine Geschichte von dieser Art mitzuteilen und ... noch etwas Schlimmeres!«

In demselben Augenblicke fiel mir seine Vermutung ein, daß Liputin in unserer Angelegenheit nicht nur mehr wisse als wir, sondern auch noch etwas, was wir selbst nie erfahren würden.

»Erbarmen Sie sich, Stepan Trofimowitsch!« murmelte Liputin, wie wenn er schreckliche Furcht hätte. »Erbarmen Sie sich ...«

»Schweigen Sie, und fangen Sie an! Herr Kirillow, ich bitte Sie dringend, ebenfalls wieder umzukehren und dabei anwesend zu sein; dringend bitte ich Sie darum! Nehmen Sie Platz! Und Sie, Liputin, fangen Sie nun an: geradezu, einfach, ohne die geringsten Umschweife!«

»Hätte ich gewußt, daß Sie das so aufregen würde, dann hätte ich überhaupt nicht davon angefangen ... Und ich dachte, es wäre Ihnen schon alles durch Warwara Petrowna selbst bekannt!«

»Das haben Sie gar nicht gedacht! Fangen Sie an, fangen Sie an, sage ich Ihnen!«

»Tun Sie mir den Gefallen und setzen Sie sich selbst hin; wie kann ich denn dasitzen, wenn Sie in solcher Aufregung vor mir hin und her laufen? Das kommt ja unpassend heraus.«

Stepan Trofimowitsch tat sich Gewalt an und ließ sich in eindrucksvoller Weise auf einen Lehnsessel nieder. Der Ingenieur starrte finster auf den Fußboden. Liputin betrachtete beide mit größtem Genusse.

»Ja, wie soll ich denn anfangen? Sie haben mich ganz wirr gemacht ...«

VI.

»Vorgestern schickte sie auf einmal ihren Diener zu mir: ›Die gnädige Frau‹, sagte er, ›läßt Sie morgen um zwölf Uhr zu sich bitten.‹ Können Sie sich das vorstellen? Ich ließ also gestern meine Arbeit liegen und klingelte bei ihr Punkt zwölf. Ich wurde geradeswegs in den Salon geführt; ich wartete etwa eine Minute, da kam sie; sie forderte mich auf, Platz zu nehmen, und setzte sich selbst mir gegenüber. Da saß ich nun und traute meinen eigenen Sinnen nicht; Sie wissen selbst, wie sie mich immer behandelt hat! Sie begann geradezu und ohne Umschweife zu reden, wie das stets ihre Art ist. ›Sie erinnern sich‹, sagte sie, ›daß vor vier Jahren Nikolai Wsewolodowitsch, als er krank war, einige sonderbare Handlungen begangen hat, so daß die ganze Stadt erstaunt war, bis sich alles aufklärte. Eine dieser Handlungen betraf Sie persönlich. Nikolai Wsewolodowitsch hat Ihnen damals nach seiner Genesung auf meine Bitte einen Besuch gemacht. Es ist mir auch bekannt, daß er auch früher schon mehrere Male mit Ihnen gesprochen hatte. Sagen Sie offen und ehrlich, wie Sie ...‹ (hier stockte sie ein wenig) ›wie Sie damals Nikolai Wsewolodowitsch gefunden haben. Wie haben Sie überhaupt über ihn geurteilt? Welche Meinung haben Sie sich damals über ihn gebildet, und ... welche Meinung haben Sie jetzt von ihm?‹ Hier geriet sie nun gänzlich ins Stocken, so daß sie sogar eine ganze Minute wartete und auf einmal rot wurde. Ich bekam einen Schreck. Da fing sie wieder an, nicht etwa in gerührtem Tone (der würde ihr nicht stehen), sondern so recht nachdrücklich: ›Ich wünsche,‹ sagte sie, ›daß Sie mich genau und richtig verstehen. Ich habe Sie jetzt rufen lassen, weil ich Sie für einen scharfsichtigen, klugen Menschen halte, der fähig ist, richtig zu beobachten.‹ (Was sagen Sie zu diesen Komplimenten?) ›Sie werden gewiß verstehen,‹ sagte sie, ›daß es eine Mutter ist, die mit Ihnen spricht. Nikolai Wsewolodowitsch hat in seinem Leben mancherlei Unglück und viele Umwälzungen durchgemacht. Alles das‹, sagte sie, ›konnte auf seine Geistesverfassung einwirken. Selbstverständlich‹, sagte sie, ›rede ich nicht von Irrsinn; der ist völlig ausgeschlossen!‹ Das sprach sie in festem, stolzem Tone. ›Aber es konnte sich bei ihm etwas Seltsames, Besonderes herausbilden, eine gewisse Gedankenrichtung, eine Neigung zu einer besonderen Anschauungsweise.‹ (Alles dies sind ihre eigenen Worte, und ich bin erstaunt, Stepan Trofimowitsch, mit welcher Genauigkeit Warwara Petrowna eine Sache klarzumachen versteht; sie ist eine geistig hochbegabte Dame!) ›Wenigstens‹, sagte sie, ›habe ich selbst an ihm eine beständige Unruhe und eine Richtung auf besondere Neigungen wahrgenommen. Aber ich bin die Mutter, und Sie sind ein Fremder und deshalb bei Ihrem Verstande fähig, sich eine unabhängigere Meinung zu bilden. Ich bitte Sie nun inständig,‹ (so drückte sie sich aus: ›ich bitte Sie inständig‹), ›mir die ganze Wahrheit zu sagen, ohne alle Grimassen; und wenn Sie mir dabei noch das Versprechen geben, nachher nie zu vergessen, daß ich Ihnen das im Vertrauen gesagt habe, so können Sie darauf rechnen, daß ich stets durchaus bereit sein werde, mich Ihnen bei jeder möglichen Gelegenheit dankbar zu zeigen.‹ Nun, was sagen Sie dazu?«

»Sie ... Sie haben mich so überrascht ...« stammelte Stepan Trofimowitsch, »daß ich Ihnen nicht glauben ...«

»Nein, beachten Sie dies, beachten Sie dies,« fiel Liputin ein, wie wenn er nicht gehört hätte, was Stepan Trofimowitsch sagte: »wie groß mußte ihre Aufregung und Unruhe sein, wenn sie sich mit einer solchen Frage von ihrer Höhe herab an einen solchen Menschen, wie ich, wandte und sich obendrein dazu herabließ, mich selbst um Verschwiegenheit zu bitten! Wie ist das zu erklären? Haben Sie irgendwelche unerwarteten Nachrichten über Nikolai Wsewolodowitsch erhalten?«

»Ich weiß von keinen Nachrichten ... ich bin mehrere Tage nicht mit ihr zusammengekommen; aber ... aber ich muß Ihnen doch bemerken ...« stotterte Stepan Trofimowitsch, der offenbar Mühe hatte, seine Gedanken zu sammeln, »ich muß Ihnen doch bemerken, Liputin, daß, wenn Ihnen dies im Vertrauen mitgeteilt ist und Sie jetzt vor aller Ohren ...«

»Vollständig im Vertrauen! Und Gott strafe mich, wenn ich ... Aber wenn ich hier ... was ist denn da dabei? Sind wir denn etwa Fremde, auch Alexei Nilowitsch eingeschlossen?«

»Ich kann Ihre Anschauung nicht teilen; ohne Zweifel werden wir drei hier das Geheimnis bewahren; aber was Sie, den vierten, anlangt, so habe ich da meine Befürchtungen und traue Ihnen gar nicht.«

»Aber wie können Sie nur so etwas sagen? Ich habe doch von uns allen das größte Interesse daran, daß die Sache nicht auskommt, da mir für diesen Fall lebenslängliche Dankbarkeit versprochen ist! Aber ich wollte eigentlich bei eben diesem Anlaß auf eine sehr sonderbare Tatsache hinweisen, die übrigens sozusagen mehr psychologisch interessiert als einfach sonderbar ist. Gestern abend, wo ich noch unter der Einwirkung des Gespräches mit Warwara Petrowna stand (Sie können sich vorstellen, welchen Eindruck es auf mich gemacht hattet), wandte ich mich an Alexei Nilowitsch mit der beiläufigen Frage: ›Sie haben ja‹, sagte ich, ›sowohl im Auslande als auch schon früher in Petersburg Nikolai Wsewolodowitsch gekannt; wie urteilen Sie über ihn,‹ sagte ich, ›was Verstand und geistige Fähigkeiten anlangt?‹ Da antwortete er mir so lakonisch, wie das seine Art ist, er sei ein Mensch von feinem Verstande und gesunder Urteilskraft. ›Aber haben Sie nicht im Laufe der Jahre‹, sagte ich, ›eine gewisse Schieflenkung der Ideen oder eine besondere Verdrehung der Denktätigkeit oder sozusagen eine Art von geistiger Störung an ihm bemerkt?‹ Kurz, ich wiederholte Warwara Petrownas Frage. Stellen Sie sich vor: Alexei Nilowitsch wurde auf einmal nachdenklich und runzelte die Stirn geradeso wie jetzt und sagte: ›Ja, ich habe manchmal an ihm etwas Sonderbares bemerkt.‹ Und beachten Sie dabei noch dies: wenn selbst Alexei Nilowitsch an ihm etwas Sonderbares bemerken konnte, wie mag es dann erst in Wirklichkeit gewesen sein? Nicht wahr?«

»Ist das wahr?« wandte sich Stepan Trofimowitsch an Alexei Nilowitsch.

»Ich möchte nicht gern davon sprechen,« antwortete Alexei Nilowitsch; er hob plötzlich den Kopf in die Höhe, und seine Augen blitzten. »Ich bestreite Ihnen das Recht dazu, Liputin. Sie haben kein Recht, bei dieser Sache von mir zu reden. Ich habe überhaupt nicht meine ganze Meinung ausgesprochen. Wenn ich auch in Petersburg mit ihm bekannt war, so ist das doch schon lange her; und wenn ich ihn auch jetzt getroffen habe, so kenne ich Nikolai Stawrogin doch nur sehr wenig. Ich bitte Sie, mich aus dem Spiele zu lassen, und ... das alles sieht wie ein elender Klatsch aus.«

Liputin breitete die Arme auseinander, wie wenn er eine verfolgte Unschuld wäre.

»Ich ein Klatschbruder! Warum nicht auch ein Spion? Sie haben gut kritisieren, Alexei Nilowitsch, wenn Sie selbst sich von der ganzen Sache fernhalten. Aber Sie können gar nicht glauben, Stepan Trofimowitsch, was für ein Mensch dieser Hauptmann Lebjadkin ist; er ist so dumm wie ... man schämt sich ordentlich, auch nur zu sagen, wie dumm; es gibt im Russischen einen Vergleich, der diesen höchsten Grad bezeichnet. Er meint auch von Nikolai Wsewolodowitsch beleidigt zu sein, wiewohl er dem Scharfsinne desselben Bewunderung zollt; ›ich bin über diesen Menschen ganz erstaunt,‹ sagte er; ›er ist klug wie eine Schlange‹ (das sind seine eigenen Worte). Also zu dem sagte ich, immer noch unter der Einwirkung des gestrigen Gespräches mit Warwara Petrowna und erst nach dem Gespräche mit Alexei Nilowitsch: ›Hören Sie mal, Hauptmann,‹ sagte ich, ›wie urteilen Sie Ihrerseits darüber: ist Ihre kluge Schlange verrückt oder nicht?‹ Da war es doch (können Sie es glauben?), als ob ich ihm hinterrücks ohne seine Erlaubnis einen Peitschenschlag versetzt hätte; er sprang geradezu von seinem Sitze auf. ›Ja,‹ sagte er, ›ja,‹ sagte er, ›aber das kann keinen Einfluß darauf haben‹ ... aber worauf es keinen Einfluß haben könne, das sagte er nicht. Und dann verfiel er in ein solches Nachdenken, in ein so trübes Nachdenken, daß sogar sein Rausch davon verflog. Ich saß mit ihm in dem Filippowschen Restaurant. Und erst nach einer halben Stunde schlug er auf einmal mit der Faust auf den Tisch: ›Ja,‹ sagte er, ›vielleicht ist er auch verrückt; aber das kann keinen Einfluß darauf haben‹, und er sagte wieder nicht worauf. Ich gebe Ihnen natürlich nur einen Extrakt aus dem Gespräche; aber der Sinn desselben ist ja verständlich. Man mag fragen, wen man will, allen kommt sofort ein und derselbe Gedanke, auch wenn er vorher keinem von ihnen durch den Kopf gegangen ist: ›Ja,‹ sagen sie, ›er ist verrückt; ein sehr kluger Mensch, aber vielleicht dabei auch verrückt.‹«

Stepan Trofimowitsch saß in Gedanken versunken da und überlegte angestrengt.

»Aber woher weiß Lebjadkin das?«

»Ist es Ihnen vielleicht gefällig, danach Alexei Nilowitsch zu fragen, der mich soeben hier einen Spion genannt hat? Ich bin ein Spion und weiß nichts; aber Alexei Nilowitsch kennt das ganze Geheimnis und schweigt.«

»Ich weiß nichts oder doch nur wenig,« antwortete der Ingenieur in demselben gereizten Tone. »Sie machen Lebjadkin betrunken, um etwas zu erfahren. Sie haben auch mich hierher geführt, um mich zum Reden zu bringen und etwas zu erfahren. Mithin sind Sie ein Spion!«

»Ich habe ihm noch nichts zu trinken gegeben, und er ist auch mit all seinen Geheimnissen nicht so viel Geld wert; so viel« (er schnippte mit den Fingern) »sind mir seine Geheimnisse wert; wieviel sie Ihnen wert sind, weiß ich nicht. Im Gegenteil ist er es, der mit Geld um sich wirft, während er vor zwölf Tagen zu mir kam, um mich um fünfzehn Kopeken zu bitten; und jetzt traktiert er mich mit Champagner, nicht ich ihn. Aber Sie bringen mich da auf einen guten Gedanken, und wenn es nötig sein sollte, werde ich ihn betrunken machen, speziell um all Ihre kleinen Geheimnisse zu erfahren, und vielleicht wird mir das auch gelingen,« antwortete Liputin boshaft und bissig.

Stepan Trofimowitsch blickte erstaunt die beiden Streitenden an. Beide verrieten sich selbst und, was die Hauptsache war, legten sich keinen Zwang auf. Ich hatte den Eindruck, daß Liputin diesen Alexei Nilowitsch gerade in der Absicht zu uns gebracht habe, um ihn durch eine dritte Person in ein Gespräch hineinzuziehen, das er nicht vermeiden könne – ein Lieblingsmanöver von ihm.

»Alexei Nilowitsch ist mit Nikolai Wsewolodowitsch sehr gut bekannt,« fuhr er gereizt fort; »aber er verheimlicht es. Und wenn Sie mich nach dem Hauptmann Lebjadkin fragen, so ist Nikolai Wsewolodowitsch früher als wir alle mit ihm in Petersburg bekannt gewesen, vor fünf oder sechs Jahren, in jener (wenn man sich so ausdrücken kann) halbdunklen Periode des Lebens Nikolai Wsewolodowitschs, wo er noch nicht daran dachte, uns hier mit seiner Ankunft zu beglücken. Man muß annehmen, daß unser Prinz damals einen ziemlich seltsamen Bekanntenkreis um sich gesammelt hatte. Damals ist er, wie es scheint, auch mit Alexei Nilowitsch bekannt geworden.«

»Nehmen Sie sich in acht, Liputin; ich warne Sie: Nikolai Wsewolodowitsch wollte bald selbst herkommen, und er steht seinen Mann.«

»Wofür könnte er sich an mir rächen? Ich bin der erste, der es laut ausspricht, daß er ein Mann vom größten, feinsten Verstande ist, und auch Warwara Petrowna habe ich gestern in dieser Hinsicht völlig beruhigt. ›Für seinen Charakter‹, habe ich zu ihr gesagt, ›kann ich allerdings keine Bürgschaft übernehmen.‹ Lebjadkin sprach sich gestern ebenfalls in demselben Sinne aus: ›Unter seinem Charakter‹, sagte er ›habe ich zu leiden gehabt.‹ Ach, Stepan Trofimowitsch, Sie haben gut schreien, daß ich der Klatscherei und Spionage schuldig sei; aber wohlgemerkt, Sie tun das erst, nachdem Sie selbst alles aus mir herausgefragt haben, und noch dazu mit solcher maßlosen Neugier. Aber wie machte es Warwara Petrowna? Die ging gestern gleich auf den Hauptpunkt los: ›Sie sind bei der Sache persönlich interessiert gewesen,‹ sagte sie; ›darum wende ich mich an Sie.‹ Und ob ich dabei interessiert gewesen bin! Was könnte ich also mit Klatsch und Spionage für Ziele verfolgen, da ich doch vor den Augen der ganzen Gesellschaft eine persönliche Beleidigung von Seiner Exzellenz erlitten habe? Ich möchte meinen, ich habe meine eigenen Gründe, mich für ihn zu interessieren, und bedarf keines Klatsches. Heute drückt er Ihnen die Hand, und morgen versetzt er Ihnen ohne jeden Anlaß in Gegenwart der ganzen verehrlichen Gesellschaft zum Dank für Ihre Gastfreundschaft nach Herzenslust Backenstreiche. Ihn sticht der Hafer! Aber die Hauptsache ist bei diesen Herren das weibliche Geschlecht; sie sind Schmetterlinge und tapfere Hähnchen! Gutsbesitzer mit Flügelchen, wie die antiken Amoretten, Frauenjäger à la Petschorin[15]. Sie, als fanatischer Hagestolz, Stepan Trofimowitsch, können es sich leisten, so zu reden und mich um Seiner Exzellenz willen einen Klatschbruder zu nennen. Aber wenn Sie eine junge, hübsche Frau nehmen sollten, wie Sie denn noch ein frischer, kräftiger Mann sind, dann rate ich Ihnen, vor unserm Prinzen Ihre Tür zuzuschließen und in Ihrem eigenen Hause Barrikaden zu errichten! Wahrhaftig, wäre diese Mademoiselle Lebjadkina, die mit der Peitsche geschlagen wird, nicht irrsinnig und krummbeinig, so würde ich wirklich glauben, daß auch sie ein Opfer der Begierden unseres hohen Herrn sei, und daß er selbst derjenige gewesen sei, von welchem Hauptmann Lebjadkin ›in seiner Familienehre‹ gekränkt worden ist, wie er sich selbst ausdrückt. Nur stimmt es vielleicht nicht zu seinem feinen Geschmacke; aber das macht ihm wohl nichts aus. Ihm schmeckt jede Beere, wenn sie bei ihm die richtige Stimmung trifft. Sie reden von Klatscherei; aber bin ich es denn, der schreit, wo doch schon die ganze Stadt Lärm macht und ich nur zuhöre und ja sage? Und ja zu sagen ist doch nicht verboten.«

»Die Stadt macht Geschrei? Worüber macht die Stadt Geschrei?«

»Ich meine, Hauptmann Lebjadkin macht in betrunkenem Zustande in der ganzen Stadt Geschrei; na, und ist das nicht dasselbe, wie wenn der ganze Marktplatz schriee? Was trifft mich für eine Schuld? Ich rede über diese Sache nur unter Freunden und glaube doch hier unter Freunden zu sein,« sagte er und ließ mit harmloser Miene seine Augen über uns alle hingleiten. »Da ist eine merkwürdige Geschichte passiert, denken Sie nur: es kommt heraus, daß Seine Exzellenz noch aus der Schweiz durch ein hochachtbares junges Mädchen, nämlich durch eine bescheidene Waise, die zu kennen ich die Ehre habe, dreihundert Rubel zur Aushändigung an Hauptmann Lebjadkin hergeschickt hat. Aber bald darauf hat Lebjadkin die ganz zuverlässige Nachricht erhalten (ich sage nicht von wem, aber ebenfalls von einer hochachtbaren und somit durchaus glaubwürdigen Persönlichkeit), daß nicht dreihundert, sondern tausend Rubel abgeschickt sind! ... Infolgedessen macht Lebjadkin Geschrei, das junge Mädchen habe ihm siebenhundert Rubel unterschlagen, und beabsichtigt, die Hilfe der Polizei anzurufen; wenigstens droht er damit und erhebt in der ganzen Stadt einen großen Lärm ...«

»Das ist gemein! Das ist gemein von Ihnen!« rief der Ingenieur und sprang von seinem Stuhle auf.

»Aber Sie selbst sind ja die hochachtbare Persönlichkeit, die dem Hauptmann Lebjadkin von Nikolai Wsewolodowitsch die Nachricht gebracht hat, daß nicht dreihundert, sondern tausend Rubel übersandt seien. Mir hat es ja der Hauptmann selbst in der Betrunkenheit mitgeteilt.«

»Das ... das ist ein unglückliches Mißverständnis. Irgend jemand hat sich geirrt, und nun hat es solche Folgen ... Es ist Unsinn, und Sie haben gemein gehandelt! ...«

»Auch ich will gern glauben, daß es Unsinn ist, und habe es mit Bedauern gehört, weil dadurch erstens ein hochanständiges Mädchen in die Geschichte mit den siebenhundert Rubeln hineingezogen wird und zweitens ihre intimen Beziehungen zu Nikolai Wsewolodowitsch offenkundig werden. Aber was macht sich seine Exzellenz daraus, ein anständiges Mädchen zu kompromittieren oder eine fremde Frau zu entehren, ähnlich wie er es in meinem Falle tat? Wenn ihm ein hochgesinnter Mann vorkommt, dann zwingt er ihn, fremde Sünden mit seinem ehrlichen Namen zu verdecken. Eben das habe ich erdulden müssen; ich rede von mir selbst ...«

»Nehmen Sie sich in acht, Liputin!« rief Stepan Trofimowitsch, indem er sich von seinem Lehnstuhl erhob; er war ganz blaß geworden.

»Glauben Sie es nicht, glauben Sie es nicht! Es hat sich irgend jemand geirrt, und Lebjadkin ist ein Trunkenbold!« schrie der Ingenieur in unbeschreiblicher Aufregung. »Es wird sich alles aufklären; aber ich kann nicht mehr ... und ich halte es für eine Niederträchtigkeit ... Genug davon, genug!«

Er rannte aus dem Zimmer.

»Was haben Sie denn? Ich komme ja mit Ihnen mit!« rief Liputin eilig, sprang auf und lief hinter Alexei Nilowitsch her.

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