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DAVID FOLDVARI EDITORIAL, WERBUNG

Seit einer Woche halte ich mich nun schon in Brighton auf, um David Foldvari zu treffen. Aus allerlei Umständen will es aber einfach nicht klappen. David Foldvari ist Illustrator im Editorial- und Werbebereich. Zu seinen Kunden zählen Nike, The New York Times und The Guardian.


Der Rave, die Drogen – ich nahm das Studium erst nach ein paar Jahren etwas ernster.

Vertreten wird David Foldvari durch Big Active – eine Illustratorenagentur, die unter anderem auch Jasper Godall und Genevieve Gauckler beheimatet. Sie wurde Anfang der 90er von Gerard Saint, Paul Heatherington und Mark Watkins gegründet.

Nach einem kurzen Besuch bei Big Active in London und einem missglückten Treffen in einem Bagelcafé, findet das Interview bei Foldvari zu Hause in Hove, einem Stadtteil des englischen Seebads Brighton statt.

Brighton ist ja eine wunderschöne Stadt. Einen tollen Platz zum Leben hast du dir hier ausgesucht.

Naja, ich muss sagen, dass ich immer öfter nach London flüchte. Brighton ist voll mit Babys und Müttern. Meine Londoner Freunde sind anders, dort ist viel zu viel los, um so sesshaft zu werden, wie die Leute in Brighton. Komm rein, ich hab mir gerade ne Pizza kommen lassen und nen Wein aufgemacht. Das was hier aussieht wie mein Schlafzimmer, ist im Moment mein Arbeitsplatz. Bis vor kurzem hatte ich mein Studio im „New England House“ hier in Brighton. Aber dort hat es mir nicht so gut gefallen. Ich mag diese großen Gebäude nicht. Jetzt arbeite ich im Moment eben in meinem Schlafzimmer.

Erzähl doch mal, wie es dich hierher verschlagen hat, bzw. wie du Illustrator geworden bist.

Um ganz am Anfang zu starten: Meine Schulzeit bestand nur aus Zeichnen und Skateboarden. Für die Schule selber blieb da wenig Zeit. I fucking hated school in England.

Als ich mit zwölf Jahren Budapest verlassen habe, hat es lange gedauert, bis ich mich hier eingelebt hatte. Das Zeichnen und Skateboarden war schon auch eine innere Flucht vor der neuen Situation. Als Kind wollte ich in Ungarn Schauspieler werden. Ich mag Budapest und hätte dort immer leben können … Man kann schon von einem Kulturschock sprechen, als ich hierher kam. Ungarn ist kulturell einfach dreißig Jahre hinter Europa. Inzwischen ändert sich das, aber nicht schnell genug. Popkulturell hat sich einiges getan, aber nicht in der Kunst und Grafik.

Ich wurde dann Illustrator, weil ich nichts anderes machen wollte. Als ich zum Studium hierher nach Brighton kam, war ich jung und naiv. Da war hier so viel los in den frühen Neunzigern, der Rave, die Drogen – ich nahm das Studium erst nach ein paar Jahren etwas ernster.

Du wohnst immer noch in Brighton; ist die Nähe zu London für Deinen Beruf wichtig?

In England ist es wichtig, in enger Verbindung zu London zu stehen, aber es fällt mir schwer, mein Leben mit einem unternehmerischen Blick zu betrachten. Ich gebe mein Geld immer sehr schnell für Reisen und allen möglichen Kram aus. Ich könnte auch nach San Francisco gehen, oder nach Bern, aber nicht des Geldes oder der Arbeit wegen, sondern wegen dem Wetter und den Menschen. That’s the idea. Wer sollte das nicht so wollen?


Viele Menschen treffen Entscheidungen aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Es gibt so viele Menschen, die arbeiten und heben ihr Geld für ihre Rente auf. Fucked up. Ich will nicht neunzig Prozent meines Lebens damit verbringen, für meine letzten zwanzig Jahre zu arbeiten, die vielleicht die schlechtesten meines Lebens sein werden. How shit is that? Ich genieße meine Zwanziger, meine Dreißiger …

Aber um noch mal auf London zurückzukommen ... Nach dem Studium in Brighton habe ich noch zwei Jahre am „Royal College of Arts“ studiert.

Wow, das Royal College … da hätte ich auch mal gerne studiert.

Ich hasste es. Dort wird Illustration in seiner kommerziellen Ausrichtung kategorisch abgelehnt. Als ich sie fragte, wie ich denn mein Geld verdienen solle, sagten sie mir: „Arbeite in einem Café, aber zeichne nicht für kommerzielle Projekte.“

Die meisten Studenten und Professoren dort können das sagen. Sie bekommen genug Geld von Eltern oder Studierenden, um einfach Künstler zu sein. Aber ich komme nicht aus solch privilegierten Verhältnissen. Ich wollte nicht mehr hungrig sein müssen. Also habe ich nicht darauf gehört, was sie sagten. Sie hassten mich dafür.

ROYAL COLLEGE OF ART ist eine Universität für Kunst und Design in London, beheimatet im Darwin Building in der Kensington Gore, South Kensington.

Das Royal College of Art spielte eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung der modernen Schule der britischen Bildhauerei in den 1920ern mit Studenten wie Barbara Hepworth und Henry Moore und bei der Entwicklung der Pop Art in den 60ern mit Studenten wie Peter Blake und David Hockney.

Diese zwei Jahre waren nix. Die meisten Studenten kamen aus dem Ausland aus reichen Familien und hatten dadurch eine vollkommen andere Mentalität.

Ich bin dorthin gegangen, um mich mit anderen auszutauschen, und alles was ich gefunden habe, waren reiche, introvertierte Künstler, die nichts zu sagen hatten.

Aber das Royal College hilft natürlich, das muss man auch sagen. Die Leute hören von dir und bemerken dich.

Wie war es, als du versucht hast, deine ersten Aufträge zu bekommen?

Du musst jedem deine Sachen zeigen, jeden wissen lassen, was du machst, überall hingehen und präsent sein. So habe ich angefangen. Magazine und Verlage, Werbe- und Grafikagenturen, überall zeigte ich mein Portfolio und ließ ein Beispiel und meine Adresse da. Dann riefen sie tausend Jahre später an. Zum Glück bin ich jetzt in der Situation, dass ich das seit sieben Jahren nicht mehr machen muss. Das ist ein Kreislauf, je mehr von mir veröffentlicht ist, desto mehr Leute fragen bei mir an.

Ein guter Freund von mir, Jasper Godall, mit dem ich zusammen auf dem College war, meinte zu mir, ich solle meine Mappe mal Big Active zeigen. Er war dort der erste Illustrator, denn bis dahin war Big Active noch eher eine Fotografie- und Design-Repräsentanz. Ich ging also dorthin und Greg Burne, der die Illustratoren auswählt, meinte: „Schön. Komm wieder, wenn du mehr veröffentlicht hast.“

Am selben Nachmittag rief Nike aus Frankreich bei mir an und gleichzeitig Nike aus Holland bei Big Active. Beide wollten Illustrationen von mir haben. Ich rief sofort bei Greg an und die Verwirrung war erstmal groß bei so einem riesigen Zufall. Ich sagte Greg, dass ich jetzt sofort eine Agentur brauche, weil das zu kompliziert für mich alleine wird. Von da an war ich mit dabei.

Es ist sehr gut, eine Agentur zu haben, aber das große Missverständnis ist, dass viele glauben, die Agentur holt die Aufträge für dich rein. Bullshit. Das musst du immer noch selber machen. Klar zeigen sie großen Agenturen dein Portfolio, aber es geht um die Arbeit zwischen Menschen, die müssen dich erstmal selber kennen lernen.


Das wichtige ist, dass Big Active als Kollektiv uns alle stärker macht und uns Halt gibt. Hier werden die Besten der Branche vertreten und dieses Bild projizieren die Leute natürlich auf jeden Einzelnen von uns.

Ich habe mit Big Active keinen Vertrag, der mich bindet. Neue Kunden kann ich an Big Active verweisen oder auch nicht. Das kann ich ganz persönlich entscheiden. Wenn viel Geld im Spiel ist mit großen Kunden, großen Aufträgen und großen räumlichen Distanzen leite ich das ganze an Big Active weiter. Viele Kunden aus der Werbung wollen unbedingt den Ablauf über die Agentur, weil sie es so gewohnt sind. Kleinere Sachen für Zeitungen und Editorial kann ich selber bewältigen. Das wichtige ist, dass ich mich bei meiner Arbeit auf die Kreativität beschränken kann. Ich habe einen sehr guten Agenten, der sich um alles kümmert, was mit Geld zu tun hat und ich mache einfach die Kunst. Es ist fantastisch. Denn ich bin so fucking nutzlos für alles, was mit Verantwortung zu tun hat.

Gibt es auch Nachteile, von einer Agentur repräsentiert zu werden?

Manche sagen, sie würden zu viel Geld nehmen, aber ich sehe das nicht so. Sie nehmen dreißig Prozent, was sich erstmal viel anhört, aber sie schaffen es gleichzeitig zehnmal mehr zu verlangen, als ich alleine. Die Firmen fühlen sich sicherer, wenn eine Agentur mit dabei ist. Alles ist ein Tick offizieller, die Verträge und so weiter.

Hast du Kontakt mit den anderen Künstlern bei Big Active?

Ich sehe sie eher selten. Das Cover Artwork für den Musiker Beck war eines der wenigen Projekte, die von allen gemeinsam gemacht worden sind. Ansonsten sehen wir uns auf der Weihnachtsfeier und betrinken uns schrecklich.

Illustration ist Einsamkeit. Du arbeitest immer alleine. Daher werden auch diejenigen Illustrator, die gerne so arbeiten. Das Wichtigste an unserem Beruf ist die Unabhängigkeit und der Umgang mit ihr. Niemand sagt dir, was du machen sollst. Du kannst schlafen so lange du willst. Aber ohne Arbeit kein Essen. Ganz einfach. So ist das als Freelancer.

Ganz alleine bist du aber nie. Du musst mit deiner eigenen Anwesenheit klar kommen. Damit hatte ich anfangs große Schwierigkeiten, aber je älter ich werde, desto besser halte ich es mit mir aus. Ich lerne mit mir umzugehen, so wie man mit anderen Menschen, die man nicht mag, einen Umgang finden muss. Um alleine zu arbeiten, hilft die Einstellung, dass die meisten Menschen unangenehme Zeitgenossen sind. Und die Einstellung habe ich.


CHINA 5 David Foldvari, 2006 Freie Arbeit

CLUES David Foldvari, 2007 Telegraph

Du arbeitest viel im Editorialbereich, könntest du mir den Arbeitsablauf dort beschreiben?

Ja, Editorial ist im Moment wirklich der Bereich, in dem ich am liebsten arbeite. Dazu zähle ich Magazine, Tageszeitungen und Buchcover. Jeden Freitag mache ich für die Montagsausgabe von The Guardian eine Illustration für Charlie Brookers Kolumne. Die Artdirectors dachten, Brooker ist so negativ und deprimierend, aber gleichzeitig lustig und meine Zeichnungen sind ebenfalls so deprimierend, dass man uns zusammenbringen sollte. Brooker ruft mich immer freitags zum Lunch an. Meistens ist der Text noch nicht fertig, er sagt mir nur, er mache etwas über – zum Beispiel Kühe. Wir reden kurz darüber, dann lege ich los. Die Uhr läuft, denn ich habe nur sechs Stunden Zeit, bis ich die Zeichnung abgeben muss. Es ist so schnell und man muss sich so sehr konzentrieren. Aber ich mag das. It is pushing my brain.

Ansonsten läuft es allgemein gesagt so ab: Ich mache am Montag sehr grobe Skizzen, das genügt für den ersten Schritt und am Mittwoch dann die Korrekturen und die finale Version. Das ist der Standard. Für Magazine, die meistens nur einmal im Monat erscheinen, hat man ein bisschen mehr Zeit, im Durchschnitt zwei oder drei Tage für die Ausarbeitung der ersten Idee.

SCF David Foldvari, 2007 Editorial

Editorial liebe ich wegen der Geschwindigkeit und der Intelligenz, Werbung wegen dem Geld. Dort wird am besten gezahlt. Die Musikszene hingegen finde ich furchtbar. Die Typen in den Musikfirmen und die Musiker haben keine Ahnung von Design. Ich sage denen nicht, was sie in der Mitte ihrer Songs anders machen müssen. Aber sie lassen mich Sachen pink anmalen, weil sie kein grau mögen. Zu viele Leute, die keine Ahnung haben, aber trotzdem darüber reden, führen zu keinem guten Ergebnis. Und sie zahlen sehr schlecht. Das kommt noch hinzu.

Hat sich dein Zeichenstil entwickelt, oder war er immer gleich?

Mein Stil ändert sich dauernd. Früher war ich sehr von den Graffitis auf der Straße beeinflusst, diese ganzen Buchstabenformen und Schriftzüge, auch meine Tätigkeit als DJ hat da mit reingespielt, es hat alles zusammengehört. Aber je älter ich wurde, desto weniger fand ich mich darin wieder. Ich fing an, in mir selbst zu forschen. Wo komme ich her? Was ist mein Background, der meine Identität ausmacht? Dadurch fand ich viel in meinen ungarischen und jüdischen Wurzeln, was mich in meinem Stil sehr viel weiter gebracht haben. Es ist ein konstanter Lernprozess. Sonst werden die Leute ja auch gelangweilt. Man ändert sich nicht auf einen Schlag, das ist wie bei Kleidern. Man wird nicht vom Raver zum Goth. Das ändert sich langsam.


RIOTDOUBLE David Foldvari, 2007 Sleeve

Zu früher gibt es bei mir viele Unterschiede, auch wenn das Grundsätzliche vielleicht gleich bleibt. Jetzt weiß ich besser, wie ich zeichne und dadurch weiß ich auch besser, wie ich schummeln kann. Wie ich darum herumkomme, etwas zeichnen zu müssen, oder wie ich es mir beibringen kann. Illustration ist nicht unbedingt so, dass man sich beibringt zu zeichnen, es ist vielmehr so, dass man lernt, vielfältig zu sein. Wenn du zum Besipiel jemanden zeichnen sollst, der Kricket spielt mit einer Banane im Hintern, dann kannst du dich überwinden, das zu tun.

Am Anfang habe ich alles versucht, um mich um das Zeichnen von Füßen herumzudrücken. Ich konnte es einfach nicht. Ich mag es auch nicht, Mädchen zu zeichnen, also habe ich mich auch darum gedrückt. Aber du kannst dir das alles nicht leisten, weil es dich einschränkt. Du musst einen Weg finden, alles zeichnen zu können. Wenn ich mich über Bilder ausdrücke, möchte ich dabei nicht von meinem Können eingeschränkt werden.

Sexy Girls mit riesigen Brüsten kann ich immer noch nicht. Vor kurzem wurde ich danach gefragt und ich hab nur gemeint: Piss off! Aber das ist vielleicht eher ein moralisches Ding.

Gibt es Kunden, für die du nicht arbeitest, zum Beispiel Tabakfirmen?

Ich rauche 4.000 Zigaretten am Tag, da arbeite ich auch für die Tabakindustrie. Aber ich arbeite nicht für McDonalds.

Ich hasse alles, wofür McDonalds steht.

Aber du arbeitest für Nike?

Ja, ich weiß von alldem, was Nike macht, aber aus meiner Sicht, ganz persönlich und aus arbeitstechnischer Perspektive muss ich sagen: Nike steckt so viel Geld in die kreative Szene, arbeitet mit so vielen Leuten zusammen, so professionell und gut – es macht aus der Sicht wirklich Spaß, für Nike zu arbeiten. Ich kann mich nicht von der materiellen Welt befreien. Ich muss weiterhin in den Supermarkt gehen und mir Computer kaufen.

Auch als Künstler …

Künstler, Designer, Illustrator … Ich sehe mich als nichts von alledem. Ich will einfach mein Leben genießen und scheiß auf solche Bezeichnungen. Was ich will, ist kein 9 to 5 Job und jeden Tag dasselbe. Ich will Unabhängigkeit. Ich will mich einfach ausdrücken. Fuck up.

Ich schaue mir viel Kunst an, wie die anderen arbeiten, aber das inspiriert mich alles nicht. Was mich inspiriert, entsteht in Unterhaltungen, kurzen Gesprächen, Beziehungen. Meine ganzen Arbeiten zeigen, was in meinem Kopf vorgeht, was mich berührt, bedrängt, das Leben, das Negative. Der Trick dabei ist, sich so ausdrücken, dass man sich nicht bloßstellt.

David Foldvari scheint von außen auf die Abläufe der Welt und des Geschäfts zu blicken. Liegt es an seinem Erfolg? Liegt es an der Betreuung durch einen Repräsentanten? Jedenfalls kann er sich im alltäglichen Arbeiten das bewahren, was seine Zeichnungen brauchen – Individualität und eine eigene Sicht der Dinge. Was er über den Umgang mit sich selbst sagt, bleibt hängen. Den Kampf mit sich selbst sieht man seinen Bildern an und vielleicht ist die unangenehme Begegnung mit sich selbst kein Einzelfall für selbstständige, freie Illustratoren.


ALGIERS David Foldvari, 2005 Buchumschlag

www.signorinah.de

RINAH LANG MODE, EDITORIAL

In der Pappelallee in Berlin, schräg gegenüber vom Club der Republik, führt eine Einfahrt in einen wunderschönen Innenhof. Durch große alte Fenster blickt man in das Atelier „Gute Gründe“, in dem mehrere Illustratoren arbeiten. Hinten in der kleinen Küche bekomme ich einen Kaffee gekocht und weil der Weg von ihrem Platz zur Eingangstür durch die Atelierräume so lang ist, steigt Rinah Lang hier durchs Fenster ein und aus. Rinah Lang arbeitete als Illustratorin für „Fornarina“ in Italien und bei „Eikes Grafischem Hort“ in Frankfurt. Inzwischen findet man ihre Zeichnungen vor allem in Magazinen wie der ZEIT, Stern oder Brigitte.


Ich komme mir schnell doof vor, nur Blümchen zu malen.

Oh Mann, ich hab heute so schlechte Laune! Sorry, wenn ich das jetzt an dir auslebe.

Was ist denn passiert?

Das ist bei mir eigentlich immer das Gleiche: Wenn ich aus dem Urlaub zurückkomme, dann will ich nicht mehr genau an dem Punkt weiter machen, an dem ich aufgehört habe. Alles soll neu sein, ich will einen neuen Stil ausprobieren – im Moment denke ich, alles ist zu naturalistisch, ich möchte gerne die Perspektive noch viel mehr aufbrechen und andere Materialien und Kompositionen ausprobieren. Wenn das dann nicht gelingt, macht mich das völlig verrückt und ich denke, ich habe alles verlernt.

Deine Zeichnungen lassen Perspektiven nur in sehr geringer Form erkennen, willst du noch weiter davon weg?

Ja … Im Moment soll ich etwas zum Thema „Kaufrausch“ machen und würde gerne wieder eine Komposition wie die der „Formel 1“ Zeichnung machen und diesen roughen Stil ausbauen. Aber ich weiß nicht, ob das dann überhaupt noch mein Stil ist ...

Rinah, du hast bis vor kurzem als Illustratorin bei Fornarina gearbeitet, einem Modelabel aus Italien. Die Illustration spielt als Printmotiv in der Mode eine große Rolle, viele Illustratoren machen hin und wieder gerne ein T-Shirt in Eigenproduktion. Wie aber sind die Abläufe, wenn man richtig in die Industrie einsteigt?

Nun, der Kontakt kam zustande, als ich für das Schweizer Soda Magazin auf der Berliner Mode Messe „Bread and Butter“ deren Stand vor Ort mit Zeichnungen bekritzelte. Das sollten eigentlich mehrere machen und ich war ein wenig enttäuscht, dass ich da ganz alleine saß, weil ich mich auf den Austausch gefreut hatte, aber letztlich war das so eine Plattform für mich. Die damalige Designerin von Fornarina kam auf mich zu und wollte mich für die nächsten Kollektionen haben. Ich wusste zwar nicht genau, worauf ich mich da einlasse, aber ich bin mitgegangen nach Italien, irgendwo an den Arsch der Welt in der Nähe von Ancona. Die sitzen mitten in der Pampa. Das ist in der Mode weit verbreitet; Benetton verfährt in Italien genauso, in Deutschland ist das auch üblich.


COLLECTION 2006/07 Rinah Lang, 2006 Fornarina

Da bestand der Tag und das Leben also hauptsächlich aus Fornarina?

Ja, die umliegenden Dörfer arbeiten ausschließlich für die Firma. Nur wenn du Familie und Freunde vor Ort hast, kannst du noch ein Leben neben der Arbeit führen. Das brauche ich eigentlich total ...

Inwieweit sind denn die Illustratoren in den Produktionsprozess miteinbezogen?

Die Designerin hat in etwa die Rolle eines Artdirectors. Sie entwickelt am Anfang Konzepte und Themen, die als Impulsgeber für die Ästhetik dienen. Sie legt fest, wie viele Teile es geben wird, wie viele verschiedene T-Shirts, Pullover und sucht die Stoffe aus. Dann begleitet sie die Vorgänge, begutachtet die Schnittzeichnungen und kombiniert sie mit den Grafiken. Wir Illustratoren und Grafiker sind dann unter Druck, schließlich müssen die Motive schon gedruckt sein, bevor die Stoffe vernäht werden.

Als ich anfing, bin ich in das Ganze ziemlich reingeworfen worden. Ich konnte erst nach und nach herausfinden, wann Zeit für Inspiration und Ideenfindung ist und wann alles schnell aufs Papier gebracht werden muss. Alle um mich herum redeten italienisch, ich fragte mich dauernd: Was erwarten und wollen die von mir?

Mir war zwar ein Thema gegeben worden, aber das ist nicht zu vergleichen mit Zeitungsillustration oder so.


COLLECTION 2006/07 Rinah Lang, 2006

In der Mode heißt das dann einfach „80er“ und bezieht sich dabei rein auf die Ästhetik. Es gibt keine Inhalte, die eine Ästhetik beschreiben würden, es geht ganz naiv um Neonfarben und Dreiecke. Da hatte ich kein Gefühl, was gut und nicht gut ist. Ich konnte vor mich hinkritzeln und plötzlich hieß es „Super geil! Super geil!“

Ich hatte nicht erwartet, dass ich Probleme damit haben würde, rein ästhetisch, nur auf die Form bedacht zu malen. Mir wurde anfangs gesagt, es sei einfach, für T-Shirts zu zeichnen, wenn ich schwierige Themen behandeln könnte, dann erst recht auch schöne. Aber mir fiel da nix ein. Ich kam mir schnell doof vor, nur Blümchen zu malen. Das hatte alles nichts damit zu tun, was ich gut fand und deprimierte mich. Nach dem Weggang der Designerin, mit der ich mich wirklich sehr gut verstanden hatte, machte das für mich keinen Sinn mehr und ich bin wieder nach Deutschland zurückgekehrt.

Sicher kein leichter Schritt, aus einer Festanstellung einfach herauszutreten.

Ja, man hat einen Festvertrag mit zugesichertem Gehalt und alles bekommt eine Konstanz. Das war für den Anfang auch angenehm, in der Mode steckt viel Geld. Aber das ist alles so trendgesteuert und hohl, und dadurch so langweilig. Zudem habe ich wieder die Vorzüge der Selbstständigkeit erkennen können. Es hat mich so aufgeregt, wenn die Arbeit ineffizient erledigt wurde, und ich es nicht ändern konnte, weil es mir eben so gesagt wurde. Ich kann mich eigentlich viel besser organisieren und durfte es dort nicht.

Als du Fornarina verlassen hast, bist du ja nicht das erste Mal in die Selbstständigkeit gegangen. Wenn du zurückdenkst, wie war das ganz am Anfang für dich?

Die ersten Jahre waren schwierig. Ich hatte während meines Illustrations-studiums in Holland noch im letzen Jahr zur Freien Kunst gewechselt und hatte darin auch meinen Abschluss gemacht. Danach war ich am Hin-u nd Herüberlegen, ob ich freie Kunst oder Illustration weiter machen sollte. Ich hätte vielleicht auch Zutritt zum holländischen Kunstmarkt gehabt, aber die Illustration lag mir näher und so bin ich in Berlin gelandet. Die Leute hier sagten zu mir „Illustration? Das gibt es in Deutschland nicht.“ In anderen Städten sind wir wohl etwas präsenter …

Die Redaktionen wollten jemanden, der schon etwas veröffentlicht hat und weiß, wie man mit Deadlines arbeitet. Das konnte ich nicht aufweisen und verdiente mir in den Anfangsjahren mein Geld mit Webdesign und in einem Copyshop. So einen Nebenjob zu bekommen war gar nicht so einfach, weil die in Berlin nur an Studenten vergeben werden. Das war ein Megakrampf – einfach nur zu überleben. Man hat das Gefühl, hier sind ganz viele Menschen, mit denen man mal was machen könnte, aber die haben alle kein Geld. Deswegen sind viele Agenturen auch gar nicht erst hierher gekommen.

Andererseits ist Berlin eine Stadt, in der man billig leben kann. Wenn man irgendwann einen Job hat, ist es super! In welcher anderen Stadt hätte ich mir sonst einen Arbeitsraum leisten können?

Hast du gleich von Anfang an das Atelier „Gute Gründe“ als Deinen Arbeitsraum genutzt?

Ja, ich war zwar nicht die Initiatorin, aber von Anfang an dabei. Sybille Hein und Marion Goedelt schauten sich bei FILU Mappen an und fragten mich, ob ich bei einer Ateliergründung mitmachen würde. Ich sagte gleich zu und wir fingen an, Räume zu suchen. So sind wir hier in der Pappelallee gelandet.

FILU ist eine (Selbst-) Vermarktungs-Plattform von Zeichnern und Fotografen. Hierzu präsentiert Filu Arbeitsproben der Künstler im Internet und in großem Rahmen auf internationalen Buchmessen und Konsumgüter-Veranstaltungen. Die Jahresgebühr beträgt 180 Euro (99 Euro ermäßigt für Studenten).

Ich war so froh, nicht alleine daheim herumsitzen zu müssen. Am Anfang zweifelt man an sich, wenn nichts passiert. Da hat es einfach gut getan, von einer so erfolgreichen Zeichnerin wie Sybille gesagt zu bekommen: „Das ist normal.“

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