Kitabı oku: «Seemannsgarn im Seemannsheim: Vol. I», sayfa 2
Ohne zu zögern, von Steuerbord aus, ging ich, gefolgt von Peter, an dem teilnahmslosen Steuermann vorbei, der immer noch neben der Tür stand und stumpfsinnig verbissen, wie in Trance, nach draußen schaute an Deck.
Das Peildeck ist das höchste Deck eines jedes Schiffes, denn höher als das sind nur noch der Kamin und die Masten.
Dort, auf fast jedem Schiff älterer Bauart, befinden sich in einer Holzkiste die Zwölf-Volt-Batterien für die Funkanlage des Schiffes.
Gerade der Scheiß hatte sich teilweise losgerissen und knallte mit dem rollenden Schiff gegen die Reling.
Wenn es nicht einfach gewesen war, auf das Peildeck zu gelangen, war es beileibe noch weniger einfach, die schwere Kiste wieder gegen die Reling zu bringen.
Der Pendelweg des Schiffes dort oben ist am stärksten und sehr gefährlich.
Mit vereinten Kräften, teilweise flach an Deck liegend, klatschenass und halb erfroren, schafften Peter und ich es aber doch nach einer Weile, die Kiste wieder gegen die Reling gedrückt zu halten.
Daraufhin knallte ich meine 110 Kilo darauf, hängte irgendwie meine Beine und Arme über die Reling und schaffte es auch, mit meinen fast eingefrorenen Arschbacken die verdammte Kiste in Position zu halten, bis Peter in dem kleinen Abstellraum im Schornstein zum Glück genügend alte Wurfleinen fand, um die verflixte Kiste an der Reling wieder festzulaschen.
„Falls die Reling auch noch vergammelt ist und nachgibt, so lade ich samt den Batterien Vierkant in den Bach und dann wird es das wohl gewesen sein!“, dachte ich grinsend, als ich wie ein Affe am Baum da am der Reling hing, während die Gischt der vorbeiziehenden Wellen mir die Fresse polierte.
Wenn von dem Brückenfenster aus der Anblick des Sturms würdevoll und überwältigend war, so sah es von dem Peildeck schlicht und ergreifend majestätisch und atemberaubend zugleich aus.
Ergriffen, fast in der tiefsten Demut, lauschte ich dort dem Konzert aus rauschenden Wassermassen, aus dem Stampfen des Schiffes gegen die anrollenden Wellen und aus den Hunderten von Violinen und Posaunen, die die Windböen durch die Aufbauten des Schiffes hindurch spielen ließen.
Aus dem manchmal ruhigen Lauf meiner Deutz-Bullen, die, sobald der Propeller aus dem Wasser kam, ihren Lauf, skandiert durch die trockenen Luftschläge der Abgasturbine, schlagartig von einem „Andante con Brio“ zu einen „Andante Furioso“ änderten, dort wurde mir auf einmal klar, dass kein Maler jemals in der Lage sein würde, solch ein Bild malen zu können.
Kein Schriftsteller, auch der begabteste nicht, so was in Worte aufs Papier zu bringen.
Kein Musiker, auch nicht der inspirierte, so eine Symphonie komponieren zu können.
So was muss man gesehen, gehört, erlebt und vor allem empfunden haben. Beschreiben mit Musiknoten, erklären mit Worten oder mit Farben, im Nachhinein jemanden nachempfinden lassen, was einer da sieht und empfindet, das kann man nicht, kein Mensch kann das.
So etwas beschreiben zu wollen, wäre nichts anderes als reiner, purer, dämlicher menschlicher Hochmut, nicht mehr und nicht weniger als das.
Viele, zu viele Schiffe sind während solcher Stürme auf See gesunken.
Viele, zu viele feine Männer haben dabei ihr Leben verloren: Gestorben auf havarierten Schiffen, erfroren im eiskalten Wasser auf See, ertrunken im Sog des sinkenden Schiffes.
Keiner dieser Männer hätte zu sterben brauchen, nicht ein einziger von denen, denn kein Schiff ist zum Sinken gebaut worden.
Stürme kann man in den meisten Fällen umgehen und wenn nicht, besonders die Küsten Europas bieten für solch extreme Fälle weiß Gott genügend Landschutzmöglichkeiten, wo Schiffe einen sicheren Ankerplatz finden können.
Es ist immer und nur der Mensch, der sich selbst und andere in Gefahr bringt, sei es aus schierer Dummheit oder Unerfahrenheit, aus reiner Fahrlässigkeit oder aus Feigheit vor dem Reeder, dass nur aus einem fahrenden Schiff Gewinn für sich selbst und seine Kommanditisten zu Buche schlagen kann.
Die drei Ritter des Todes auf See heißen: Inkompetenz, Unachtsamkeit, Missmanagement.
Bei uns an Bord erschienen sie alle drei zusammen in Gestalt des Steuermann, des Kapitän und des Agenten in Holland und sie setzten sich alle drei gleichzeitig zum Ernten bereit und schauten uns stumm zu, wie wir ums nackte Überleben kämpften.
Der der Inkompetenten: Der Steuermann hatte die Pontons des Zwischendecks dem schönes Wetter wegen nicht in Position gebracht, sondern nur notdürftig übereinandergestapelt und obendrauf nicht richtig gelascht.
Der der Unachtsamen: Der Kapitän hatte seinem jungen und unerfahrenen Steuermann nicht über die Schultern geschaut und ihn nicht angewiesen, aufgrund der uns bevorstehenden langen Seereise, die Pontons, wie es sich gehörte, auf ihre dazu vorgesehenen Positionen zu setzen.
Der des Missmanagements: Welcher Trottel an Land hatte uns einen 74-jährigen alten Große-Fahrt-Kapitän ohne jeglichen Kümo-Erfahrung an Bord geschickt?
Ich persönlich, wenn ich mir überhaupt für diesen Zustand einen Vorwurf, hätte machen können, so hatte ich eventuell nur einen einzigen Fehler gemacht: Aus lauter Betriebsgewohnheit hatte ich mich auf alles und alle verlassen.
Damals aber war Markus als Kapitän an Bord und der hatte seine Augen überall, mit ihm wäre so was gewiss nicht geschehen, denn er hätte bei so einem Fall den Steuermann in den Hintern getreten und ihn sofort angewiesen, die Pontons auf ihren Plätze zu setzen.
Der Markus war aber nicht da, dafür aber waren wir an Bord tief in der Scheiße.
Nachdem wir die Batteriekisten gut gelascht hatten, halb im Liegen, durchnässt und halb erfroren, uns gegenseitig helfend, schafften wir es wieder unbehelligt und ohne Verletzungen, vom Peildeck runter zu kommen und zurück ins Steuerhaus zu gelangen.
Wir waren nicht nur nass, wir waren nicht nur vor Kälte am Zittern, wir waren auch stinksauer und hatten nur noch Mordsgedanken im Kopf.
Gerd hatte in der Zwischenzeit, wie auch immer, in der Kombüse für uns alle heißen Tee gemacht und so empfing er uns damit und das brachte uns sofort mehr oder weniger auf besseres und besonnenes Gedankengut.
Erst nach der zweiten Tasse Tee dachte ich, dass es langsam Zeit war, im Maschinenraum eine Runde zu drehen.
Der Fahrtstand auf der Brücke hatte zwar all die Parameter, die ich brauchte, um den Laufzustand der Anlage zu kontrollieren, aber ein Rundgang war sicherer. Mir war auch klar, dass die Alarmanlage in bester Ordnung war, aber ich bin nun mal ein alter Maschinenonkel, der sich immer vor Ort über den Zustand seiner Anlage vergewissern will.
So sagte ich den Herren, dass ich mal kurz in den Maschinenraum gehen wollte und ging nach unten.
„Bevor ich mich auch umziehen geh, wollte ich noch mal mit Gerd kurz in dem Laderaum nach dem Rechten schauen, könntest du noch eine Weile hier bleiben, Meister?“, fragte Peter.
„Klar, Peter, geh nur, aber sei bitte vorsichtig!“, antwortete ich.
„Aber ihr seid doch vor kaum einer Stunde dort gewesen, was soll denn das?“, fragte der Kapitän trotzig.
„Verdammt noch mal, sind Sie denn so sicher, dass die Scheißpontons noch festgelascht sind? Es ist doch Ihre Schuld, wenn wir in Seenot sind, und beten Sie zu Gott, dass, falls wir es schaffen, heil aus dieser Scheiße rauszukommen, ich Sie nicht bei der Seefahrtinspektion bei uns zu Hause in Holland anzeige!“, fauchte ihn Peter sofort auf Holländisch an.
Der alte Mann verstummte auf der Stelle.
Während Peter und Gerd nach unten gingen, schenkte ich mir noch eine Tasse Tee ein und ging mit meinem Mock nach draußen auf das Steuerbordnock, um die beiden im Auge zu behalten.
„Wir haben noch ein paar Spant-schrauben und noch ein paar Ketten angebracht, wir haben auch noch mehr Holzkeile und Bretter hingesetzt, einige Pontons hatten sich doch etwas frei bewegt. Wir müssen am besten jede Stunde da unten nachschauen gehen!“, berichtete uns Peter eine halbe Stunde später, als er zusammen mit Gerd wieder auf die Brücke kam.
„Wir werden am besten Wachen aufstellen müssen, Kapitän. Ich schlage vor, dass Peter und Gerd sich jetzt schlafen legen, Martin und ich übernehmen die erste Laderaumwache bis zwanzig Uhr, danach sind Sie dann dran!“
„Ja, Chief, machen wir es so, ich bleibe sowieso hier auf der Brücke“, antwortete der Mann, der doch in ein paar Stunden um Jahre gealtert zu sein schien.
Endlich konnten Peter und ich uns umziehen gehen. Martin hatte ich schon vorher, während die beiden im Laderaum waren, nach unten geschickt, wo er seine nasse Klamotte wechselte.
Gerd hatte sich noch, bevor er wieder auf die Brücke kam, schnell umgezogen, nun waren wir beide dran, und so gingen wir in unsere Kabinen.
Schnell zog ich mich im Badezimmer aus, ließ die nassen Sachen auf den Boden fallen, trocknete mich rasch ab und zog mir frische, saubere und vor allem trockene Klamotten an.
Luwala lag immer noch selig auf dem Rücken in meiner Koje.
Sie hatte sich zwischen die Matratze und den Schott eingekeilt, sie musste aber irgendwann aus der Koje gekommen sein, denn sie hatte auf den Boden gepisst.
„Gut für dich, dass du nicht in die Koje gepisst hast, du alte Sau!“, sagte ich ihr und ohne mich um ihre treudoofen Augen zu kümmern, legte ich ein paar Putzlappen auf ihre Pisse drauf und ging in den Maschinenraum zu den Deutz-Bullen.
Dort, wie erwartet, war alles bestens.
Vorsichtshalber aber tat ich, was ich von Anfang unserer Misere und aufgrund der übermäßigen Schaukelei hätte tun sollen: Ich stellte nämlich den Schmierölseparator ab, ließ den zweiten Hilfsdiesel anlaufen und brachte es parallel zu dem anderen aufs Netz.
Das hätte ich wirklich früher tun müssen, denn ein Blackout war das allerletzte, was wir in so einem Zustand hätten brauchen können.
Danach erinnerte ich mich, dass ich seinerzeit am Schott im Maschinenraum neben der Ballastwasserpumpe an Steuerbord eine Zehn-Millimeter-Schraube eingeschraubt gesehen hatte.
Dieser Schott ist die Trennung zwischen Maschinenund Laderaum und ich wunderte mich damals sehr, dass jemand so dämlich gewesen sein konnte, dort ein Loch zu bohren.
Ohne lange zu zögern, schraubte ich den Bolzen raus und schon hatte ich eine Verbindung zum Laderaum.
Welches wunderbare Arschloch auch immer das getan hatte, war mir Wurst, insgeheim aber bedankte ich mich bei ihm für seine Dämlichkeit, denn aus dem Loch kam kein Wasser; das Schiff war also noch dicht.
Unterwegs nach oben traf ich Peter, der gerade aus der Kombüse mit einer Plastiktüte voll mit Wurstbroten kam, und ich bat ihn, kurz mit mir in den Maschinenraum zu kommen.
Dort zeigte ich ihm das Loch am Schott und gleich darauf, wieder unterwegs nach oben, bat ich ihn, jede halbe Stunde während seiner Wache danach zu sehen, ob Wasser daraus kommen würde.
„Wenn ich da Wasser rauskommen sehe, dann ruf ich dich, okay?“
„Eben, dann schauen wir mal nach, wie groß das Loch im Laderaum ist. Wenn es nur ein kleines Loch ist, dann sehe ich zu, das Wasser außenbords zu pumpen und ihr dichtet es ab, wenn es zu groß ist, kommen wir nicht gegen an, dann springen eventuell alle gemeinsam samt dem Hund außenbords in die Rettungsinsel“, antwortete ich genauso lapidar.
Als ich auf die Brücke kam, war mein erster Eindruck, dass der Sturm am Nachlassen war.
Die Jungs hatten anscheinend ganz andere Sorgen im Kopf, denn als Peter denen sagte, dass er etwas zu essen mitgebracht hatte, stürzten sich die beiden wie hungrige Wölfe auf die Brote und fingen an; wie die Wilden an zu mampfen.
„Es lässt nach, Chief!“, sagte der Kapitän, nachdem er sich zum x-ten Mal bei Ouessant Radio gemeldet hatte.
„Diesen Eindruck hab ich auch, Kapitän, es scheint nur noch so gute sieben bis acht da draußen zu pusten“, pflichtete ich ihm bei.
„Es ist noch hell, wenn Sie möchten, könnten wir jetzt doch mal in den Laderaum gehen.“
„Dann nichts wie hin, Chief!“, antwortet er sofort und ohne sich um den Steuermann zu kümmern, der immer noch wie angewurzelt neben der Tür zum Steuerbordnock stand, rief er Peter am Fahrtstand.
„Bootsmann, halte den jetzigen Kurs, sollte die Ruderanlage ausfallen, so geh sofort auf Handsteuerung, versuch diesen Kurs, bis wir wiederkommen, bei zu behalten.“
„Das geht klar, Kapitän, 315° liegen an!“, bemerkte Peter. Er nahm seine Stellung am Fahrtstand an und der Alte und ich gingen in den Laderaum.
Auch dieses Mal schafften wir es ohne Probleme dorthin zu gelangen.
Wir bekamen noch nicht mal nasse Füße.
Im Laderaum hatten auch die Geräusche des Schiffes im Sturm nachgelassen.
Der Hauptmotor jaulte zwar immer noch, aber nicht mehr so oft und nicht mehr so wild, fast rabiat und laut, wie Stunden zuvor.
Beim Anblick des Raums vorne wurde der Kapitän blass.
„Danke, Chief!“, mehr sagte er nicht, für mich aber war das mehr als genug.
Dort kontrollierte ich noch den Zustand der Spannketten und Schrauben, ich fand alles wie gehabt und so zeigte ich dem alten Kapitän die abgerissenen Spannten am Schiffsrumpf. Nicht nur die zwölf Stück an Steuerbord, nein, ich zeigte ihm auch die dreizehn Stück an Backbord. Ich ließ ihn auch das abgerissene Ballastwassertank-Peilrohr nochmals an Steuerbord begutachten und machte ihm klar, dass gerade dieses Rohr höchstwahrscheinlich dazu beigetragen oder eben gerade verhindert hatte, dass einer der Pontons uns nicht glattweg durch die Wand ging.
„Wie konnte das bloß geschehen?“, fragte der Mann fassungslos.
„Sie sind immer auf großer Fahrt gewesen, Kapitän, dort haben Sie immer gute Steuerleute, gute Bootsmänner und gute Matrosen gehabt, hier an Bord haben Sie einen unerfahrenen Steuermann und zwei unerfahrene Jungs als Deckbesatzung, unser aller Betriebsgewohnheit tat den Rest, deswegen sind wir hier und heute fast zugrunde gegangen“, antwortete ich ihm.
„Mit achterlichen Seen ist dieses Schiff Weltmeister, die schaukelt zwar etwas, aber nicht so viel, die Pontons sind soweit gut gesichert, das Wetter hat merklich nachgelassen, meinen Sie nicht, dass wir doch beidrehen können und unter Landschutz fahren sollten, wir müssen all die Pontons im Zwischendeck setzen, so können wir nicht weiter fahren. Wie viel Zeit brauchen Sie, um die Pontons wieder in Position zu bringen, Chief?“
„Normalerweise keine zwanzig Minuten, nun aber wird es wohl eine gute Stunde dauern, Kapitän, mehr nicht.“
„Nur eine knappe Stunde Ruhe und ich könnte weiterfahren!“, murmelte der Alte vor sich hin.
Am liebsten hätte ich dem alten Sack eine geschmiert, denn er dachte immer noch nur an sich.
„Es gab Leute auf See, die, um ihr Leben zu retten, nur noch Sekunden brauchten, die bekamen sie aber nicht, eine Stunde dagegen sind viele Ewigkeiten, Kapitän.“
„Gut, Chief, Danke noch mal, dann lass uns nach oben gehen, wir wollen den Dampfer drehen und hoffentlich behalten Sie auch dieses Mal recht“, sagte der Mann und ging, sich immer noch gut festhaltend, aus dem Raum, nach oben zum Fahrtstand.
„Während ihr im Laderaum wart, hat der Steuermann hier sich beschwert, weil es heute weder ein warmes Mittag- noch Abendendessen gab“, informierte uns Peter, als wir wieder auf der Brücke waren.
Während der Kapitän seinen Platz am Ruder einnahm und dabei den Steuermann der sich langsam zum Leben erweckt und von seinem Posten neben der Tür zu dem Radar gewechselt hatte, von oben nach unten, fast verachtend anschaute, fragte ich Gerd, was er dazu getan hatte.
„Nichts Besonderes, den hab ich nur kurz am Hals gepackt und ihm gesagt, dass, falls er nur noch ein einziges Wort sagen würde, ich ihn vierkant außenbords werfen würde.“
Aus den Augenwinkeln sah ich dann, wie der Kapitän sich grinsend auf die bevorstehenden Manöver vorbereitete und ebenfalls lächelnd fragte er Gerd, warum er das eigentlich nicht getan hatte.
Bevor der Alte den Dampfer drehte, meldete er sich noch einmal bei Ushant Radio und gab unsere Position durch, er gab sein Vorhaben an und fragte um Erlaubnis, unter Landschutz fahren zu dürfen.
Das wurde ihm sofort gewährt.
Die wünschten uns nochmals gute Reise und der Alte machte sich bereit, das Schiff zu drehen.
Souverän schaute der alte Sack nach draußen zu den anrollenden Wellen; noch waren wir nicht so ganz aus dem Schneider, aber der Sturm da draußen hatte vorläufig aufgehört, den ganz wilden Onkel zu spielen.
Er blies uns zwar immer noch gute sechs bis sieben ins Gesicht und das Meer war immer noch ziemlich rau, wir konnten aber bei so einem Wetter unser Schiff drehen, und das war die Hauptsache.
„Okay, meine Herren, es geht herum!“, warnte uns der Kapitän, als er den Fahrthebel bis zum Anschlag nach vorne drückte und das Ruder hart nach Backbord setzte.
Daraufhin, als die Bullen losbrüllten, schien sich das Schiff fast überrascht erst mal zu schütteln, dann aber, erst fast zögernd, sozusagen diesen neuen Zustand erst mal testend und die Lage peilend, dann immer schneller, fast frenetisch, nahm sie Fahrt auf und im Nu drehte sie sich wie auf einem Teller und zeigte alsbald dem Sturm ihren breiten Hintern.
Zufrieden über das gelungene Manöver setzte der Kapitän den Fahrthebel, den er während der Wendung immer in seiner Hand gehalten hatte, auf halbe Kraft voraus und ließ das Schiff, das fast nicht mehr schaukelte, laufen.
„Ich brauche etwas für Luwala zu essen, Peter, die hat bestimmt einen Mordshunger und steht bestimmt schon vor der geschlossenen Tür meiner Kammer, ich muss die rauslassen, ansonsten kackt die mir noch die Bude voll.“
„Dann nichts wie hin, Meister“, antwortete Peter und ging nach unten. Ich folgte ihm und in der Tat, als ich die Tür zu meiner Kammer aufmachte, stand die Kleine davor und sprang mir freudig und schwanzwedelnd entgegen.
Im Gang machte ich die wasserdichte Tür zum Bootsdeck auf.
Es pustete zwar immer noch, aber ich konnte sie rauslassen, denn das Schiff lag fast ruhig im Wasser. Luwala schnupperte erst mal neugierig durch die geöffneter Tür nach draußen, ging zuerst stockend, dann aber doch schnell nach draußen – und kackte uns wieder mal das Deck voll.
Die alte Sau, die.
MAJESTIC
An dem Tag thronte in La Grotte, meiner Stammkneipe in Rotterdam, anstatt Karla, meiner Lieblingsbarfrau, hinter der Theke die Johanna, ein gutmütiges maskulines Zwei-Zentner-Bronka-Weib aus Polen.
Maskulin und nach eigenen Angaben, obwohl sie ihr dreißigstes Lebensjahr längst überschritten hatte, noch Jungfrau.
Ich persönlich, insbesondere, was ihre Jungfräulichkeit betraf, glaubte ihr aufs Wort; denn nur ein Athlet und auch der nur unter unmittelbarer Gefahr für sein eigenes Leben wäre vielleicht in der Lage gewesen, diesen zwei Zentner Fleischkoloss zu bumsen, ansonsten niemanden.
Was mich aber, wie übrigens alle anderen Stammgäste auch, immer wieder wunderte, war die Tatsache, wie sie es stets schaffte, mit ihren dicken kurzen Armen unter ihrem gewaltigen Busen ein Glas Bier anzuzapfen, ohne dabei weder das Glas noch den Zapfhahn sehen zu können, ohne daneben zu Zapfen. Denn alles war hoffnungslos unter ihren Riesentitten begraben.
Bronka, so sagte sie mir eines Tages, war ihr zweiter Name, denn sie stammte aus einer polnischen Bauernfamilie und der Name war im ländlichen Polen sehr beliebt.
An dem Tag hatte sie die Eingangstür der Kneipe weit offen gelassen, denn, obwohl mein Schiff mehrere hundert Seemeilen westlich von uns mit einem Sturmtief auf See seine liebe Mühe und Not gehabt hatte vorwärts zu kommen, strahlte in Rotterdam die Sonne und die Möwen segelten hoch am Himmel.
Spät am Nachmittag kamen ein paar Jungs von den Philippinen ins Lokal. Die kleinen schmächtigen Gestalten blieben beim Anblick dieses Obelix-Weibes hinter der Theke wie erstarrt vor dem Tresen stehen. Man hätte zwei, wenn nicht gleich drei von denen aus Bronkas Leib machen können. Die beiden verlaufenen Neuankömmlinge schauten sich erschrocken an und verließen fluchtartig, das Lokal.
Die richtigen Jungs kamen kurz danach rein, Lothar aus Dortmund, Wilhelm aus Rotterdam und Charly, der Engländer.
Nur Wilhelm war ein Seemann, ein Kapitän der Mittleren Fahrt, ein Seemann der alten Schule durch und durch. Zurzeit, nachdem seine Reederei in Konkurs gegangen war, leitete er eine Arbeitsvermittlungsagentur, die mit wechselndem Erfolg mehr schlecht als recht lief.
Lothar hatte zwar sein Seefahrtstudium der Großen Fahrt in Hamburg absolviert, war aber nur kurz als Steuermann zur See gefahren. Er hatte vielmehr in Hamburg mit all den möglichen und unmöglichen Zweigen der Seefahrt an Land Geld zu verdienen versucht, war aber immer wieder, wie seine zwei Ehen übrigens auch, an seinem ausgeprägten Sinn für „Sozialsuff“ gescheitert.
Vor einer Ex und einer Noch-Ehefrau und einem gewaltigen Schuldenberg obendrauf auf der Flucht arbeitete er nun bei einem befreundeten Schiffsmakler als Laufbursche zu den Schiffen.
Der dritte im Bunde war Charly, der war weder Seemann noch sonst was, Charly war schlicht und ergreifend ein Dieb und Papierfälscher zugleich und ein Pfundskerl noch dazu.
Nach einer langen erfolglosen Kariere als Dieb und nach mehr oder weniger langen Aufenthalten im Knast dies- und jenseits des englisches Kanal hatte der schmächtige Charly sich nun voll und ganz der Fälschung von Reisepässen und Führerscheinen gewidmet und sich darauf spezialisiert.
Er hatte, so wie er sagte, Hochkonjunktur. Besonders bei den Südamerikanern, Asiaten und Afrikanern war er gut im Geschäft. Er träumte davon, eines Tages ins Geldfälschungsgeschäft einzusteigen; ansonsten war er aber ganz in Ordnung.
Wir blieben noch drei Stunden in La Grotte. Wir scherzten ein bisschen mit Johanna herum. Immer brav der Reihe nach bestellten wir, ohne dabei sie zu vergessen, denn sie trank auch gerne und viel und konsequent, eine Runde nach der anderen.
Danach, nachdem wir unsere jeweilige Rechnung beglichen hatten, gingen wir auf Streifzug durch das „Bermuda-Dreieck“ los.
Für uns war das Bermuda-Dreieck jener Hauserblock der zwischen dem Westzeedijk, der Scheepstimmermanslaan und der Van Vollenhovenstraat entstanden war. Dort, auf kaum viertausend Quadratmeter, hatten sich um die zwölf Kneipen eingenistet und sie alle waren fest in griechischen Händen.
Wir trafen im Laufe unserer Exkursion durch die Kneipen viele alte Bekannte. Es waren meist deutsche Seeleute, vorwiegend halbverschollene arme Teufels wie wir, auf der Suche nach einem Ankerplatz.
Wir tranken hier ein Bier, dort ein paar Genever Schnaps. Wir spendierten den Mädels ein paar Cocktails, zogen es aber immer wieder vor, das Lokal schnell zu wechseln. Am Ende der lange Kneipentour aber fanden wir uns spät am Abend wieder an unserem Ausgangspunkt ein, nämlich in La Grotte.
Johanna hatte längst Feierabend gemacht. Abends, wenn normalerweise die Eulen der Nacht aus ihren Löchern krochen, um mit den Bardamen den schmutzigen Onkel von nebenan zu spielen, war immer Kelly, der Wirt, im Lokal anwesend.
Diskret und immer lächelnd animierte er die meist aus dem Osten Europas stammenden jungen Damen, die Gäste zum Saufen zu animieren.
Manchmal war es wirklich zum Lachen, denn nicht jede der Frauen sprach Holländisch oder Englisch. Die alten Säcke mit Prokura da, brav in Reihe und Glied an dem Tresen neben den jungen Damen, die kaum verstehen konnten, was der Onkel denen sagte. Die Eulen der Nacht spendierten Schampus, um wie hypnotisiert in das Dekolleté der Mädels aus Litauen oder der Ukraine schauen zu dürfen. Der reinste Wahnsinn.
In der Kneipe herrschte Funkstille vom Feinsten, nur ein einsamer Gast saß vor einer Tasse Kaffee und einem leeren Brandy-Glas am Tresen und schaute grimmig vor sich hin.
Die vier Mädels aus Osteuropa saßen am anderen Ende hinter der Theke, abseits des stummen einsamen Gastes. Alle, wie sie da waren, hatten ohne weiteres eine nach der anderen, eine Abfuhr von dem grimmig dahin blickenden einsamen Gast bekommen. Sie saßen nun da beisammen wie verängstigte Hühner und wussten nichts mit dem grimmigen einsamen Gast anzufangen.
Wir aber wussten es, denn der einsame grimmige vor sich hin blickende Gast war kein anderer als Ronald, ein alter und sehr guter Kollege von mir und Freund von uns allen.
„Schlaf nicht ein am Tresen, Ronald!“, sagte ich, als ich bei ihm war.
Zuerst schaute Ronald auf den Spiegel des Flaschenregals, hinter der Theke. Zwischen den Flaschen hindurch probierte er auszuspähen, wer ihn da wohl ansprach.
Seine Gesichtszüge entspannten sich und er drehte sich langsam um. Wie ein Gorilla sprang er von seinem Hocker auf. Er richtete sich mit seinen zwei Metern Körpergröße voll auf. Seine gewaltigen Arme legten sich um mich, während seine tiefe Stimme wie ein Urschrei durchs Lokal ging.
„Menschenskind, Franco, aus welcher Hölle kommst du denn auf einmal her?“
Ich erwiderte seine Umarmung und freute mich, ihn nach fast drei Jahren wiederzusehen.
Zusammen waren wir vor Jahren auf den Ölfeldern der Nordsee, meistens auf Ami-Schleppern, gefahren. Wir hatten uns aber seit Langem aus den Augen verloren, dank Kelly, dem Wirt, aber wussten wir immer, wo der andere war. Er war immer noch im Ölgeschäft, er hatte es sogar bis zum technischen Inspektor einer holländischen Reederei gebracht und verdiente dabei gutes Geld.
An dem Abend schien mit ihm etwas nicht in Ordnung zu sein und ich war gespannt zu hören, was er mir wohl sagen würde.
Wir kannten uns alle, also setzten wir uns ohne Wenn und Aber zu ihm und er bestellte für uns alle, sich selbst inklusive, ein Bier.
Die Damen kamen, wohl hoffend einen Drink spendiert zu bekommen, gleich auf uns zu, Roland aber wies sie auf ihre Plätze zurück.
„Nehmt euch ruhig meinetwegen je einen Piccolo auf meine Rechnung, bleibt aber hübsch da, wo ihr seid!“, befahl er imperativ mit seiner tiefen Stimme.
Die vier armen Mädels erschraken aufs Neue, parierten aber ohne aufzumucken und während eine davon aus dem Kühlschrank hinter der Theke blitzschnell vier Piccolos rausnahm, setzten sich die anderen brav und artig wieder auf ihre Hocker. Erst als eine Bardame die Piccolos zu ihren Freundinnen gebracht hatte, erst dann zapfte sie unser Bier.
„Ich lebe in Scheidung!“, sagte Roland zu uns. „Das kann ich gut verkraften, aber das meine Frau, während ich auf See war, alle meine Pferde verkauft hat, das tut mir weh“, erklärte er uns, nachdem er sein Bierglas in einem Schluck geleert hatte.
Schüchtern, fast ängstlich, von ihrem Hocker aus, fragte eines der Mädchen Ronald, ob die Bestellung auf seine Rechnung ging.
Sie hielt sich aber, so als ob sie erwartete, von ihm jede Sekunde eine gescheuert zu bekommen, auf sichere Distanz.
Ihre Angst war wirklich unbegründet, denn Ronald war ein gutmütiger Mensch, der nie und niemals jemanden schlagen würde und auf gar keinen Fall eine Frau.
Die kleine hinter der Theke wusste das aber nicht, infolgedessen also blieb sie vorsichtshalber auf sicherer Entfernung.
„Noch eine Runde Bier für uns, ihr nehmt auch noch je einen Piccolo und alles auf meine Rechnung!“, befahl Roland.
„Wagt es aber nicht, euern hübschen Arsch vom Hocker hochzuhieven, bleibt da, wo ihr seid, denn das hier ist Männersache!“, warnte er sie alle.
Die vier Frauen hatten offenherzig und Piccolosgeil, wie sie waren, außer Piccolo und Bier kein einziges Wort verstanden, die älteste davon stand also wieder auf, sie nahm nochmals vier Fläschchen aus dem Kühlschrank, zapfte uns nochmals vier „Kleintjes“, jene kleinen tulpenförmigen Biergläser aus Holland, schrieb alles auf Ronalds Bierdeckel auf und dankend ging sie zu ihren Kolleginnen zurück.
Mein Freund Ronald liebte nur drei Dinge im Leben: seine Pferde, seine Kinder und natürlich seine Frau, jedoch genau in dieser Reihenfolge, dies war uns allen bekannt, daher wussten wir, wie betroffen er gewesen sein musste, als er von einer Dienstreise nach Hause kam und seine Pferden nicht mehr vorfand.
„Sie will sich nach all den Jahren scheiden lassen“, erzählte Ronald weiter.
„Sie sagt, dass sie keine Lust mehr hat, jeden Tag meine Pferde zu versorgen. Sie behauptet, dass sie mit unseren drei Kindern und dem Haushalt genug zu tun hat, ohne auch noch auf meine Pferde aufpassen zu müssen. Da aber die Pferde, das Haus und alles, was wir haben, sogar unser nagelneuer Mercedes, auf ihren Name laufen, hat sie die Pferden kurzerhand verkauft und mich mit Polizeigewalt aus dem Haus geworfen. Die beiden Mädels und der Junge sind auch alle gegen mich, die stehen voll zu ihrer Mutter. Damit kann ich leben, denn sie sorgt sehr gut für die Kinder und ich werde dafür sorgen, dass es ihnen an nichts fehlen wird. Meine Tiere hätte sie dem ungeachtet aber nicht weggeben sollen. Es tut mir weh, sie hat mir damit wehgetan und sie weiß, dass sie mir sehr wehgetan hat. Warum hat sie denn das gemacht?“
Mit einem einzigen Schluck leerte Ronald das Bierglas, das vor ihm stand. Er haute dann das Glas schlagartig auf den Tresen und ohne hinzusehen, ob wir mit getrunken hatten, bestellte er gleich wieder eine neue Runde.
„Verdammt noch mal, alles hätte sie tun können, bloß die Pferde hätte sie mir nicht nehmen sollen!“, brüllte er durchs Lokal und haute dabei mit seinen gewaltige Pranken so hart auf den Tisch, dass sämtliche Flaschen und Gläser fast umkippten.
Die vier jungen Frauen duckten sich sofort und schauten uns ängstlich an.
„Komm jetzt, beruhig dich ein bisschen, die Mädels haben Angst, siehst du das denn nicht?“, bat ihn der Wilhelm, der selbst von Rolands dröhnendem Uraufschrei erschreckt worden war.
Lothar und Charly nahmen ihre Gläser und gingen hinüber zu den verängstigten Frauen. Wilhelm und ich nahmen Ronald in die Mitte und versuchten ihn zu beruhigen.
Im Laufe des Abends aber schien unser Wagnis ein hoffnungsloses Unterfangen zu werden, denn je mehr wir auf ihn einredeten, desto trostloser wurde er.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.