Kitabı oku: «Julius Payer. Die unerforschte Welt der Berge und des Eises», sayfa 3

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FORTSETZUNG DER ERSCHLIESSUNGSFAHRTEN 1868

Nach vierjährigen Kartierungsarbeiten im Ortlergebiet kam Payer zurück nach Welschtirol. Er plante die Fortsetzung und Ergänzung seiner Erschließungsfahrten des Jahres 1864 in der Adamello- und Presanellagruppe. Während der ganzen Unternehmung des Jahres 1868 konnte er auf die Mitwirkung von drei erfahrenen Bergsteigern aus dem Kaiserjägerregiment zurückgreifen, auf Haller, Coronna und Griesmayer. Mit diesen drei bewährten Helfern begab sich Payer vom Ortler in das Val di Genova. In Bedole nahm er zusätzlich den einheimischen Jäger Luigi Fantoma (1819–1896) aus Strembo in Dienst. Fantoma, genannt „Der König des Genovatals“ („Re di Genova“) war eine schwarze, wilde, räuberhafte Gestalt, in Gemsenfelle gehüllt. Ohne Verlegenheit kannte er jeden Berg beim Namen und behauptete, schon 23 Bären und 176 Gemsen geschossen zu haben, obwohl er bei gemeinsamen Schießübungen immer als Schlechtester abschnitt.

Es regnete im August tagelang, nur am 24. August konnte, begleitet vom ständigen Jammern des Führers Fantoma, die Besteigung des Monte Menicigolo (2685 m) in Angriff genommen werden. Als weiteren Begleiter auf den Bergtouren hatte Payer einen Hund angeschafft. Dieses Tier trug sechs paar Steigeisen auf dem Rücken, was ihm das Aussehen eines überdimensionierten Igels gab. Gegen Mittag standen sie auf dem Menicigolo. Der Ausblick vom Gipfel beeindruckt Payer sehr. Seine auch hier sehr bildhafte Schilderung zeigt die Begeisterung: „Nicht leicht kann es Örtlichkeiten geben wie im Adamellogebirge, die den dämonischen Ernst erkennen lassen, welcher in grauenhaften Wänden und plötzlichen, ungeheuren Abstürzen liegt, die Seele mächtig erfasst und den Willen stählt. Hier sucht das Auge vergeblich nach jenen sanften Hängen, hoch hinauf beweidet, und den verfallenen Felsstufen, wie sie die Schieferzone kennzeichnen. Alles rings ist starr, die Linie plötzlich gebrochen, jeder Bach ein Wasserfall; der Presanellazug bildet ein Felsmassiv von den Gipfeln bis zur Talsohle Genovas, in welches der Menicigolo in einem unübersehbaren Gewirre hinabfällt. Seine fast ununterbrochene Nordwand bildet eine 3600 Fuß hohe Felswand. Gegenüber der ungeheure, dem Madatschberg Trafois ähnliche Felsblock der Lobbia bassa, welch ein Anblick!“ Der Abstieg wurde schwieriger als der Aufstieg und gegen 17 Uhr erreichte die Gruppe die Malga Stablel. Wieder folgten drei Tage Regen und das in der kostbarsten Zeit des Jahres.


Die Lobbia Bassa zwischen Lobbiagletscher (links) und Mandrongletscher, rechts Corno Bianco und Adamello, aquarellierte Zeichnung 1864 (PGM Ergänzungsheft 17)

Nach einer Übernachtung unterhalb des Gipfels am 29. August stand Payer schon um 5.30 Uhr früh auf der Cima del Tamalé (2578 m) und bestieg tags darauf die Cima delle Rocchette (3235 m). Danach übernachteten sie in der Malga Muta und gingen am Morgen hinauf zur Malga Stablel. Ziel des Tages war der Monte Stablel, wohin der Weg nur durch mühsames Steigen über klippige Grate und über schiefe, von Abgründen scharf begrenzte Platten möglich war. Jenseits des Canalone di Matterot schien ein Weiterkommen unmöglich. In dieser Situation stieg Johann Haller mit größter Verwegenheit eine Wand empor, ließ sein Gepäck oben und half jedem Einzelnen beim Aufstieg. Haller erwies sich hier als der beste Bergsteiger der Gruppe. Um 8.30 Uhr morgens des 1. September standen sie auf dem Monte Stablel (2864 m), einem Felszahn von nur einem Quadratklafter (knapp 4 qm) Fläche. Auf diesem winzigen Plateau musste Payer mehrstündige Messungen vornehmen. Am 3. September bestieg die Gruppe morgens über die bequem zu gehende Vedretta di Lares den Crozzon di Lares (3351 m), am Nachmittag das Corno di Cavento (3401 m) und am frühen Abend um 19 Uhr den Carè Alto (3462 m). Hier fand sich ein Steinmann mit Notiz, den der englische Bergpionier John Tyndall errichtet hatte. Nach einem unerquicklichen Marsch in der Dunkelheit, vorbei an Eisspalten und Geröllhängen, konnten Payers Männer endlich kurz vor Mitternacht das Nachtmahl in der unteren Malga des Val Lares einnehmen.

Am 4. September stieg die Gruppe hinab in das Genovatal. Payer schlug hier zur Erholung im Gebüsch ein Lager auf und schickte die Jäger zur Ergänzung der Lebensmittel nach Pinzolo. Plötzlich stand der bekannte Alpinist Dr. Anton von Ruthner (1817–1897) vor ihm, begleitet von seinem alten Führer und Freund Johann Pinggera. Sie kehrten umgehend in der Malga Muta der Familie Botteri ein, wo sie zu „Rigipreisen“ bewirtet wurden. Ruthner bestieg im Anschluss daran mit Haller und Pinggera die Presanella.

Julius Payer litt unter einem Magenkatarrh, wozu nun auch noch eine Durchfallerkrankung kam, die ihn sehr schwächte. Je zwei Jäger schleppten ihn am 7. September zum Passo Lago Scuro, seilten ihn an und zogen ihn über Trümmer und Felsen, „wie man ein Schiff stromaufwärts schafft“ (Payer), auf den spitzen Gipfel des Corno Lago Scuro (3140 m). Auf gleiche Weise „schleifte man mich auf den Monte Pisgana (Rohrspitze)“ (3154 m). Auf diesem Grat, den Payer halb ohnmächtig und unter Schmerzen passierte, sollte sein Name in die alpinistische Namengebung eingehen. Südwestlich des Passo di Lago Scuro befindet sich, verbunden durch einen Grat von 300 Metern Länge, die Cima Payer (3056 m), von der aus es zum Passo Payer (2978 m) hinabgeht. Östlich unterhalb des Passo Payer liegt der Lago Scuro und südlich dieses Sees, unweit der Rifugio Mandron, das „Centro Studi Glaciologico Julius Payer“. Auf diese Weise ist das Andenken Payers noch heute im obersten Val Genova lebendig. Payers Weg führte am Abend nach Ponte di Legno, wo ein einfaches Mittel, Opium, Payers Gesundheit wiederherstellte.

Der Anmarsch für die nächste Unternehmung ging von Ponte di Legno über Prevale in das Val d`Avio. Payer und seine Begleiter übernachteten in der vorletzten Hütte des Avio, oberhalb des Lago d`Avio. Am 9. September wurde bei klarem Wetter der Monte Veneroccolo (3315 m) bestiegen. Nach 21/2-stündiger Arbeit auf der platten Kuppe ging Payer nur mit Haller und Coronna über die Vedretta Venezia zum Monte Mandron (3285 m). Um die Aufnahme des obersten Mandrongebietes abzuschließen, ging Payer in großer Eile quer über den Mandrongletscher und stand um 5 Uhr nachmittags auf dem spitzen Gipfel der Lobbia Alta (3191 m). Steil hinab über den Mandrongletscher kamen sie in Finsternis um 21 Uhr an die Mandronhütte, wo Griesmayer schon das Nachtlager und ein gebratenes Schneehuhn vorbereitet hatte.

Am 10. September stiegen Payer, Haller und Coronna auf die Lobbia Bassa (2956 m), genossen einen Ausblick auf die wilde Pracht der umgebenden Felslandschaften und kehrten zur Mandronhütte zurück. Am 11. September gelangten die Bergsteiger bei günstigem Wetter auf das große Plateau der Cima del Cigolon (3048 m). Dann kamen Wolken auf, die Payer aber nicht daran hinderten, über ein steiles Eisfeld im Nebel den Felsgipfel Croz Val Cigola, die heutige Cima Presena (3066 m), zu besteigen. Ein Rückweg nach Bedole über den Passo dei Segni misslang, daher stiegen sie über die Scharte des Passo della Ronchina durch das Val Ronchina zur Malga Bedole ab.

Am 12. September begann ein für die Südalpen und Italien verheerendes Unwetter, das Überschwemmungen und Zerstörungen mit sich brachte. Bei ununterbrochenem Regen harrte Payer bis zum 9. Oktober in Pinzolo aus. Denn zur Beendigung der Vermessung dieses Gebiets bedurfte es noch der Besteigung einiger Gipfel. Die einmonatige Regenzeit stellte Payers ohnehin nicht sehr ausgeprägte Geduld auf eine harte Probe, wie er selbst einräumte. Zu seinem Überdruss meldete sich auch noch das Magenleiden zurück.

Erst am 11. Oktober klarte es auf und Payer konnte das „Gemsenleben“ wieder aufnehmen. Die Gruppe ging das Cercental aufwärts zum Cercenpass und wandte sich nach Westen zum Monte Cercen (3280 m). Am 13. Oktober stiegen die Männer nochmals das Cercental aufwärts über den Cercenpass, um den imposanten Monte Gabbiolo (3458 m) zu besteigen. Die tiefen Temperaturen von bis zu minus 15 Grad ließen die Steigeisen an den Schuhen festfrieren, dennoch arbeitete Payer fünf Stunden an Theodolit und Messtisch. Der gutherzige Haller schleppte ihn fast mit Gewalt zum wärmenden Feuer. Um 17.30 Uhr waren sie zurück in Bedole. Die letzte Besteigung im Presanellagebiet, überhaupt die letzte Unternehmung Payers in Welschtirol, erfolgte am 15. Oktober. Es ging um das Folgoridagebiet. In den drei Stunden von 5 bis 8 Uhr morgens bestiegen Payers Männer den Crozzon di Folgorida (3079 m). Zähneklappernd und zu leicht gekleidet in der Kälte konnte Payer die Metallgeräte kaum noch anfassen. Es war höchste Zeit, die Bergbesteigungen für dieses Jahr einzustellen. Am nächsten Tag beendete Payer oberhalb der Malga Muta seine topografischen Arbeiten. Am 17. Oktober erfolgte der Abmarsch von Pinzolo nach Tione. Einen Tag später in Trient entließ Payer Coronna in seine Heimat Primiero. In Bozen verabschiedete er sich von Griesmayer und Haller, beide ausgestattet mit sehr empfehlenden Dienstzeugnissen.


Johann Haller, Bergsteiger aus St. Leonhard im Passeier, Foto 1872 (Höbenreich 2007)

In den Jahren 1864 und 1868 bestieg Payer insgesamt 36 Gipfel im Adamello-Presanella-Gebiet. Dabei handelte es sich 21-mal um Erstbesteigungen. Die beiden Unternehmungen des Jahres 1868 erschienen unter dem Titel: „Die Aufnahme der centralen Ortler-Alpen. (Gebiete: Martell, Laas und Saent); nebst einem Anhange zu den Adamello-Presanella-Alpen des Ergänzungsheftes 19“, erschien als Ergänzungsheft 31 der „Geographischen Mittheilungen“, Gotha 1872, 36 Seiten mit einer Karte 1:56.000 und einer Ansicht. Mit diesen beiden Besteigungs- und Kartierungsunternehmungen wurde Julius Payer zum Pionier der Alpinistik in dieser wunderbaren italienischen Gebirgsregion.

KAPITEL 4
PAYERS ZWEITE HEIMAT: DER ORTLER
SULDEN-GEBIET (1865)

Im Sommer 1865 lenkte Julius Payer seine Aufmerksamkeit auf die Ortler-Alpen, vor allem auf das Tal von Sulden mit dem sich im Süden anschließenden Gebirgsstock des Monte Cevedale. Der Hauptgrund für seine Besteigungen war die Verbesserung der Karten dieses Gebietes, da alle vorliegenden Blätter in den Einzelheiten der Nomenklatur und der Gebirgsformationen unzureichend waren. Die Maßstäbe der Karten waren alle zu klein, so hatte die Tiroler Generalstabskarte nur einen Maßstab von 1:144.000 (1 Zoll = 2000 Klafter). Zur Zeit ihrer Anlage im frühen 19. Jahrhundert fanden die Hochlagen der Gebirge kaum Berücksichtigung im Kartenbild. In dieser Hinsicht bedeutete Payers Karte mit 1:48.000 einen gewaltigen Fortschritt. Die Ortler-Alpen waren das höchste Gebirgsmassiv der Monarchie. Sie bilden eine gewaltige Felsmasse mit scharf ausgezackten Kronen und wilden Gebirgsspitzen, drapiert von ansehnlichen Gletschern in den oberen Bereichen, die teilweise bis zu den Talsohlen herabreich(t)en. Die Einfassung des Gebirgsstocks erfolgt im Norden durch den Taleinschnitt von Trafoi und im Osten durch den von Sulden. Das Suldental wurde zum Ausgangspunkt der Erkundungen im ersten Jahr. Die Bevölkerung des gesamten Tales betrug 180 Seelen mit St. Gertraud als größter Ansiedlung. Hier kam Julius Payer am 23. August 1865, aus Wien kommend, an.

Payers Wirt in St. Gertraud war Pfarrer Eller (1829–1901), der seit 1863 in Sulden als selbständiger Geistlicher mit dem Titel eines Curaten tätig war. In seinem Pfarrhaus neben der Kirche, „Widum“ genannt, hatte er drei Zimmer für sechs Gäste zur Verfügung. Eller empfahl Payer als einzigen tauglichen Führer des Suldentales den Holzarbeiter Johann Pinggera (1837–1916), später „der alte Honnesle“ genannt. Mit Pinggera sollte Payer auf seinen weiteren Exkursionen im Ortlergebiet einen idealen Partner für seine hochalpinen Unternehmungen gefunden haben. Er beschrieb ihn (Payer 1865, S. 7) als 29 Jahre alt, untersetzt, stark, von sicherer Kühnheit, munterem, bescheidenem Wesen und von mäßiger Intelligenz, die bei den vorgenannten Eigenschaften gerne in Kauf genommen werden konnte.

Königspitze vom Eisseepass, aquarellierte Zeichnung 1865 (PGM Ergänzungsheft 18)



St. Gertraud (Sulden), Zeichnung um 1880 (Th. Christomannos, Sulden – Trafoi, Innsbruck 1895)

Am 24. August erfolgte die Besteigung der Suldenspitze (3376 m). Da Pinggera den Aufbruch versäumt hatte, begleitete Veit Reinstadler den Bergsteiger. Gewohnheitsmäßig machte Payer an markanten Punkten im Gelände Halt, um seine Aufnahmen und Zeichnungen anzufertigen. Um 13.45 Uhr mittags standen sie auf dem steinlosen Gipfel bei prächtiger Aussicht, umgeben von drei großen Gletschern. Um 19.15 Uhr waren sie nach 12-stündiger Abwesenheit im Widum zurück. Es folgten zwei Tage schlechten Wetters. Am Nachmittag des 27. Augusts ging Payer mit Pinggera, Veit Reinstadler und einem Träger vom Gampenhof hinaus ins Rosimtal, um gegen 19 Uhr auf 2600 m Höhe unter einem Felsen zu übernachten. Der Träger kehrte heim. Die schlaflose Nacht verursachte einen Aufbruch bereits um 4.30 Uhr morgens, so dass die drei um 7.45 Uhr den Gipfel der Vertainspitze (3545 m) erreichten. Nach zweistündigem Aufenthalt stiegen sie ab und waren um 14.30 Uhr im Gampenhof.

Zwei Versuche zur Besteigung des Ortlers scheiterten durch Hagel und Regen. In der Nacht vom 29. auf den 30. August übernachteten sie am Fuß der Tabarettaspitze, kehrten aber um 6 Uhr morgens zum Widum zurück. Der 30. August brachte Dauerregen. Der 1. September, Payers 24. Geburtstag, begann sonnig. Sie stiegen zum Tabarettafelsen an, wurden abends aber durch Regen und Hagel zur Umkehr gezwungen. Deshalb wandten sich Payer und Pinggera am 2. September der Hinteren Schöntaufspitze (3325 m) zu. Sie passierten den Halleitpass, überquerten den Ebenwandferner und erreichten um 13.15 Uhr den klippigen Felskamm des Madritschjoches. Von hier stiegen sie in 45 Minuten zum Gipfel der Schöntaufspitze, der nur 5 Fuß im Quadrat groß war. Nach raschem Abstieg waren sie um 16.30 Uhr im Tal zurück.


Curat Eller vor seinem Haus (Th. Christomannos, Sulden – Trafoi, Innsbruck 1895)

Die Besteigung des Ortlers war Payers langjähriger Wunsch. Sie wurde erst am 4. September durch klares Wetter möglich. Der Aufbruch geschah im Dunkeln um 2.15 Uhr morgens. Die Männer kamen Richtung Tabarettaspitze gut voran. Pinggera hatte den Ehrgeiz, nun „ganz allein einen Herrn auf den Ortler zu bringen.“ Während des Anstiegs leerten beide im Laufe des Vormittags drei Flaschen Wein gegen den Durst. Um 10 Uhr standen Payer und Pinggera auf dem Gipfel des Ortlers (3905 m) und genossen das Bergpanorama. Zwei Stunden lang führte Payer bei gutem Wetter auf der Spitze seine Vermessungsarbeiten durch. Als Abstieg wählten die beiden Männer den Trafoier Ortlerweg durch das Tabarettatal. Vorbei an den Heiligen Drei Brunnen waren sie um 16.45 Uhr in Trafoi und kamen um 22.15 Uhr abends in St. Gertraud an. Die Ortlerbesteigung, so schätzte Payer, war leichter als jene des Großglockners und ohne besondere Gefährlichkeit.

Ein Tag war der Erholung gewidmet. Am 6. September brach Payer bereits um 3.15 Uhr in der Früh mit Pinggera und Joseph Rainstadler als Träger zur Königspitze auf. Um 4.30 Uhr waren sie schon an der Schönleitenhütte. Der Weg ging über den Suldenferner zum Fornopass (= Cedec-Pass zwischen Kreilspitze und Schrötterhorn). Ohne Reisepass standen sie an der Grenze zur italienischen Lombardei. Diese Formalität stellte jedoch kein Hindernis dar. Auf einem Schneefeld ließen sie Rainstadler zurück, der sechs Stunden auf die Rückkehr der Gefährten warten sollte. Die Ersteigung der Königspitze (3859 m) führte Payer und Pinggera über Passagen, die zu den gefährlichsten ihrer alpinen Unternehmungen zählten. „An der Grenze des Lebens“ balancierten sie auf der Gebirgsschneide. Um 14.25 Uhr standen sie auf dem geräumigen Gipfel der Königspitze und kamen nach einem „schauerlich gefährlichen“ Abstieg zum dritten Mann zurück. Dann passierten sie, nach Süden absteigend, den Lago di Zebru und kamen um 19 Uhr zur Alpe Forno (Malga di Forni), wo bei Feuer, Wein und Heulager eine prächtige Übernachtung anstand.


Die „Ortler-Spitze“, Bleistiftskizze 1865 (Alpenvereinsjahrbuch 2003)


Johann Pinggera im Alter (Steinitzer 1924)


Der Monte Cevedale vom Martell-Tal aus, Holzschnitt von Edward Whymper nach einer Vorlage von Julius Payer (PGM Ergänzungsheft 29)

Schon mitten in der Nacht wurden die Bergsteiger durch Eselsgeschrei, Flöhe, Kälte und laute Unterhaltung geweckt. Sie brachen am 7. September um 3.45 Uhr Richtung Cevedale-Spitzen auf. Schon um 7 Uhr waren sie am Cevedale-Pass. Die Besteigung des höchsten Cevedalegipfels (3762 m) beurteilte Payer als relativ mühelos. Sie erreichten den höchsten Punkt um 11.15 Uhr und verblieben eine Stunde oben. Bei einer zweiten Vesper vor dem Eisseepass um 14 Uhr mittags leerten sie das Fässchen Rotwein vollständig und gingen über den Suldenferner herab nach St. Gertraud, wo sie um 17.30 Uhr ankamen. Nach zwei Tagen, die der Ruhe und letzten Vermessungsarbeiten gewidmet waren, ging der Urlaub zu Ende. Am 10. September holte sein Freund Padilla Payer ab nach Wien.

Die Aufnahme der Ortler-Alpen (Sulden-Gebiet und Monte Cevedale) durch Julius Payer erschien als Ergänzungsheft 18 der „Geographischen Mittheilungen“, Gotha 1867, im Umfang von 15 Seiten, einer Karte 1:48.000 und einer Ansicht im Farbdruck.

DAS TRAFOIER GEBIET (1866)

August Petermann war aufs Neue höchst angetan von der wissenschaftlichen und literarischen Qualität von Payers Arbeit. Ihm, dem nahezu tagtäglich Expeditionsberichte vorgelegt wurden, gefielen besonders die prächtig gezeichnete Spezialkarte und die künstlerisch ausgeführte Ansicht der Königspitze. Er rühmte Payer in seiner Zeitschrift wegen seines glühenden, alle Gefahren und Mühen verachtenden Enthusiasmus ebenso wie für die Gründlichkeit seiner Forschertätigkeit. Payer kündigte ihm bei der Übersendung des Manuskripts an, dass er heuer, also 1866, das Trafoier Gebiet des Ortlers durchforschen wolle. Doch im Juni stand der unselige, von Bismarck vom Zaun gebrochene, deutsche Bruderkrieg vor der Tür. Petermann, und nicht nur er, hielt diesen Krieg für verhängnisvoll und hatte Angst um das Leben Julius Payers: „Möge die gütige Vorsehung diesen eifrigen Beförderer der Spezial-Geografie vor dem Schicksal bewahren, ein Opfer der traurigen politischen Verhältnisse zu werden.“ (PGM 1866, S. 237f.)

Payer überstand den Krieg unbeschadet. In Laibach konnte er am 1. September 1866 das Heer verlassen und, wie er sich ausdrückte, „das Schwert mit dem Alpenstock vertauschen“. Er reiste über Marburg, Villach, Lienz, Brixen, Bozen und Meran nach Prad, wo er am 8. September ankam. Hier traf er auf heimkehrende Heereseinheiten, das 2. Bataillon der Kaiserjäger, die Kompanien der Tiroler Landesschützen und die Armee Liechtensteins, welche das Stilfser Joch erfolgreich gegen überlegene italienische Kräfte verteidigt hatten. Während der Vorbereitungen in Prad kam sein bewährter Führer Johann Pinggera aus dem Suldental zu ihm und freute sich, den Herrn Leutnant unverletzt wiederzusehen. Pinggera war laut Payer der einzige verlässliche Führer des Ortlergebietes, von reger Sorge für den Reisenden und mit einer seltenen Orientierungsgabe versehen. Seine besondere Liebe galt dem Eis und steilen Schneewänden, wogegen er den Felsen eher mit misstrauischer Vorsicht begegnete. Payer schrieb über ihn: „Im Übrigen besitzt er eine überraschende Ähnlichkeit mit Pipin dem Kurzen.“

Am 10. September stiegen Payer und Pinggera von Trafoi zur Franzenshöhe auf. Am 11. September gingen sie zum Stilfser Joch und trafen dort einen 30 Mann starken italienischen Vorposten an. Trotz der jüngsten Kriegsereignisse verkehrten die ehemaligen Kriegsgegner heiter und freundlich miteinander. Der Tag sah noch die Besteigung des Monte Scorluzzo (3111 m). Am 12. September erklommen Payer und Pinggera von der Franzenshöhe aus bei nebeligem Wetter die Tuckettspitze (3465 m). Die nächsten Tage war das Wetter schlecht. Zudem plagte Payer am 13. September eine Augenentzündung. Er wanderte herauf nach St. Gertraud. Hier erlebte er am 14. September die Rückkehr eines Engländers vom Ortlergipfel, den die Führer Joseph und Veit Reinstadler begleitet hatten. Payer begab sich zum Suldenferner und mit Pinggera zurück zur Franzenshöhe. Am 15. September hielt ihn schlechtes Wetter am Gletscherende bei den Heiligen Drei Brunnen zurück. Tags darauf war er im Regen mit Pinggera am unteren Ortlerferner. Nicht besser war es am 17. September, bei Regen waren sie am Madatschferner und übernachteten auf der Franzenshöhe. Am nächsten Tag gingen sie im Schneetreiben zurück nach Trafoi. An der Schwarzen Wand fertigte Payer am 19. September die Skizze für das Titelbild der gedruckten Ausgabe der an. Bis zu diesem Tag war das Wetter schlecht.

Am 20. September bildete sich eine größere Bergsteigergruppe mit Leutnant Radinger vom Kaiserjägerregiment, dessen Bergführer Johann Thöni, Julius Payer und Johann Pinggera. Die beiden Ersteren erwiesen sich in den folgenden Tagen als erheblich schwächer als das bewährte Gespann. Alle verließen Trafoi um 4.45 Uhr, erreichten um 11.45 Uhr das Trafoier Joch und standen um 12.30 Uhr zu viert auf der Schneeglocke (3439 m). Die Wirtin von Trafoi konnte jeden Schritt der Gruppe mit dem Fernglas verfolgen, wie sie später erzählte. Das Weinfässchen, das sie den Männern mitgegeben hatte, wurde um 14 Uhr mittags geleert und gab den Bergsteigern neue Kraft („tat Wunder“).

Der Abstieg ging in den Kessel des Val Marmotta. Am Abend schliefen sie auf den harten Brettern der Malga des Val Zebru. Am 21. September sollte der Monte Zebru erstiegen werden, wobei Radinger und Thöni darauf verzichteten, den Berg umgingen und am Ortlerpass warteten. Payer und Pinggera gerieten freilich in dichten Nebel, an unübersteigbare Felsen und glatte Eiswände, so dass sie sich gegen die Fortsetzung der Ersteigung entschieden. Auch der Abstieg erwies sich als Irrfahrt im wilden Chaos der Eisbarrieren. Sie trafen Radinger und Thöni um 13 Uhr am Ortlerpass, kamen gegen 17.30 Uhr zu den Heiligen Drei Brunnen und kehrten nach Trafoi zurück. Payer begab sich am 22. September nach Prad und ging zurück nach Gomagoi. Am folgenden Tag ging er hoch nach Trafoi und zum unteren Ortlerferner. Schlechtes Wetter verhinderte am 24. September jegliche Exkursion, so dass der Tag mit Kartierungsarbeiten ausgefüllt wurde.


Ortler von der Schwarzen Wand aus, aquarellierte Zeichnung von Moritz Menzinger nach einer Zeichnung von Julius Payer 1866 (PGM Ergänzungsheft 23, 1868)

Nach diesen drei Tagen schlechten Wetters stieg Payer am 25. September von seinem Trafoier Wirtshaus aus mit Georg Thöni vom Kaiserjägerregiment – denn Pinggera kam zu spät – über den Madatschferner auf die Vordere Madatschspitze (3107 m). Den nächsten Tag verbrachte er bei schlechtem Wetter in Trafoi. Am 27. September ging Payer mit Pinggera von Trafoi aus zur Franzenshöhe und über den Ebenferner zur Geisterspitze (3463 m), deren Gipfel um 11.15 Uhr erreicht wurde. Von dort erklommen sie entlang des Naglerkamms die Naglerspitze (3257 m) und waren um 18 Uhr zurück an der Franzenshöhe. Am 28. September bestiegen Payer und Pinggera von Trafoi aus die höchste Kristallspitze (3496 m) und eine halbe Stunde später den kleinsten Kristallgipfel. Über das Madatschjoch, die Vedretta Cristallo und das Gansjoch langten sie um 16.30 Uhr nachmittags wieder in der letzten Malga des Val Zebru an.

Am 29. September wurde der Monte Zebru erneut in Angriff genommen. Sie brachen um 5.30 Uhr in der Malga auf und gingen zum Südfuß des Zebru. Um 10 Uhr standen sie am höchsten Punkt. Den Rückweg traten sie über die nie zuvor begangene Hochwand an, herab durch eine kolossale Schneewand in den Kessel des Suldenferners. Payer und Pinggera kamen um 16.15 Uhr zum Gampenhof, wo Pinggera seine Geliebte mit dem Einfahren von Heu beschäftigt fand. In einem Akt christlicher Nächstenliebe gönnte Payer ihm mit dem hübschen Dirndl eine halbe Stunde für „dolcissima relazione“. Über St. Gertraud, wo der Wein des Curaten Eller genossen werden konnte, gingen sie anschließend zu Pinggeras Wohnung im Oberthurnhof. Am 30. September war Payer zurück in Trafoi. Den 1. Oktober bestimmte Payer mit Florian Ortler, einem Sohn der Wirtin, und Georg Thöni zur Besteigung der Mittleren Madatschspitze (3364 m). Denn Pinggera war wieder zu spät. Um 12 Uhr standen sie auf dem Gipfel, wo sich Payer 2¼ Stunden für Arbeiten gönnte. Um 18.45 Uhr waren sie zurück in Trafoi. Tags drauf bestieg Payer mit Pinggera die Hochleitenspitze (2793 m), wo er sich sechs Stunden mit Vermessungsarbeiten beschäftigte.

Wieder wurde das Wetter schlecht, wurden die Tage zudem spürbar kürzer. Den 3. Oktober regnete es, am 4. Oktober arbeitete Payer bei der Cantoniera del Bosco und am 5. Oktober hatte er in Prad zu tun. Am 6. Oktober verließen Payer und Pinggera um 5.30 Uhr früh Trafoi, um den Großen Eiskogel (3580 m) zu besteigen. Die Route dorthin führte sie nicht über den Ortlerpass, sondern über den kleinen Eiskogel. Auf dem Gipfel des Großen Eiskogel um 13 Uhr stehend, erwies es sich als schon zu spät, um noch die Thurwieserspitze in Angriff zu nehmen. Payer leerte noch eine letzte Flasche Wein in einem Zug, was ihn in heitere, aber auch lockere Stimmung versetzte. Mit sorglosem Gang bewegte er sich über eine mehrere hundert Meter lange Schneide, glitt aus und stürzte den Hang herunter. Pinggera hatte das kommen sehen, und so wurde Payer von ihm mit Seil davor bewahrt, auf den Unteren Ortlerferner herabzustürzen. Zu Recht musste er sich Pinggeras Vorwürfe anhören. Um 18.15 Uhr waren sie zurück in Trafoi.

Am 7. Oktober ging Payer nochmals nach Prad. Am nächsten Tag unternahmen Payer und Pinggera die letzte Besteigung des Jahres, zur Kor- und Rötlspitze. Nach leichtem Aufstieg standen sie bereits um 7.45 Uhr auf der Korspitze (2928 m) und hatten einen großartigen Ausblick. Payer arbeitete hier 5½ Stunden lang. Pinggera machte Feuer mit dem Holz einer alten Hütte und bereitete ein Mahl aus Kalterer Seewein, Speck, Salami und Brot. Sie verließen den Gipfel um 13.15 Uhr und standen eine halbe Stunde später auf der Rötlspitze (3023 m), die sich auf Schweizer Territorium befindet. Von dort stiegen sie ab nach Trafoi. Am 9. Oktober war Payer in der Cantoniera del Bosco, wo er seine Karte bearbeiten ließ. Zur Abreise aus dem Tal am 10. Oktober verabschiedete ihn Johann Pinggera in seinem Sonntagsanzug. Die Wirtin Barbara Ortler verehrte ihm einen Tropfen ihres besten Weines. Mittags war er in Prad und um 20.30 Uhr abends in Mals. Über München begab sich Payer diesmal in das heimische Teplitz.

Die Aufnahme der westlichen Ortler-Alpen (Trafoier Gebiet) erschien als Ergänzungsheft 23 der „Geographischen Mittheilungen“, Gotha 1868, im Umfang von 40 Seiten, mit einer Tafel und einer Karte 1:36.000.