Meine Praxis in gute Hände

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Thomas Kirches (Hrsg.)

Meine Praxis in gute Hände


Coverabbildung: © fizkes | Shutterstock.com

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.


Postfach 42 04 52; D–12064 Berlin

Ifenpfad 2–4, D–12107 Berlin

© 2021 Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Lektorat, Herstellung und Reproduktionen:

Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin

ISBN: 978-3-86867-560-3

Vorwort

Dieses Buch ist etwas anders. Nicht einfach nur ein Leitfaden.

Der Gedanke dahinter ist: „Leitplanken“. Zu verstehen als ein Weg mit dem notwendigen Platz, den Sie individuell brauchen, aber auch mit einem Schutzrahmen gegen Unfälle. Dieses Buch will Sie auf den Weg der Praxisabgabe gut vorbereiten, damit Sie Ihren eigenen Weg sicher und mit einem guten Gefühl gehen können.

Das Buch kann den persönlichen Kontakt zu den Beratern Ihres Vertrauens in den unterschiedlichen Fachgebieten natürlich nicht ersetzen.

Die große Anzahl an Tipps und Hinweisen soll Sie aber sensibilisieren für die vielen Fragestellungen, die sich bei den Gesprächen mit potenziellen Käufern, Ihrem Team, Banken, Steuerberatern, und Ihrer Familie stellen – und nicht zuletzt im Dialog mit sich selbst. Damit wird es Ihnen ein Stück weit Sicherheit schenken; Sie bekommen ein Gefühl dafür, worauf es ankommt.

Ein weiterer Faktor ist, dass sich ein Zahnarzt im Normalfall nur einmal in seinem Berufsleben mit der eigenen Praxisabgabe befasst und somit über keine eigenen Erfahrungswerte verfügt. Und die Abgabe, diese große Unbekannte, mit den immensen Folgen muss und sollte gut durchdacht werden. Die Erfahrungen von Kollegen, die ihre Praxis erfolgreich abgegeben haben, helfen auch nur bedingt, da jede Praxis, jeder Praxisabgeber und jeder Übernehmer individuell zu betrachten sind.

Das Buch will Ihnen aber auch Antworten geben. Antworten auf Fragen, die sich Ihnen stellen, wenn Sie gerade erst damit beginnen, sich mit dem Gedanken der Praxisabgabe zu befassen. Und auch, wenn Sie mit diesem Schritt schon etwas weiter sind – sich der Gedanke mehr und mehr verfestigt. Es wird Ihnen auch Fragen und Antworten zeigen, an die Sie bisher noch gar nicht gedacht haben. Sie könnten von großer Bedeutung für Sie und Ihre Zufriedenheit mit der Praxisabgabe sein.

Und auch das ist uns noch wichtig: Sie werden beim Lesen des Buches Bezeichnungen wie „der Zahnarzt“, „der Praxisabgeber“, „der Nachfolger“ o. Ä. vorfinden. Es ist uns deutlich bewusst, dass ein ganz erheblicher Teil der Zahnärzteschaft weiblich ist. Auch im Kreis der Berufe, die ihre Expertise in die Beratung der Zahnarztpraxis einbringen, ist die Anzahl der weiblichen Mitarbeiter erheblich. Zu berücksichtigen sind zudem in allen Fachbereichen Menschen, die sich übergeordnet als „divers“ bezeichnen. Wir haben, um den Lesefluss zu vereinfachen, nicht auf das Geschlecht der Akteure geschaut, sondern auf ihre Rolle in der hier fokussierten Thematik – die Bezeichnung dient insofern als „Gruppenbezeichnung“. Alle Geschlechter sind gleichberechtigt gemeint und einbezogen.

Thomas Kirches

Inhalt

Vorwort

Die Autoren

1

Der menschliche Faktor

Ihr Praxisabgabe-Team

Der erste Gedanke

Ab wann sollte man ...?

Die Menschen

Und „der Mensch“ hinter dem Praxisabgeber?

Verlagern des Lebensmittelpunktes

Verlust von Sicherheit

Die Zeit danach

Wie bringt man „Loslassen“ und „Loslegen“ in Einklang?

Sich bewerten lassen

Nochmal investieren?

Die Mitarbeiter

Die Patienten

Kündigen?

Welche Unterlagen?

Factoring

Die Praxisbewertung

Funktionsprüfung

Jede Praxis ist zu verkaufen

Nachfolger in der Familie

Das Geld

Nachfolger suchen

Der Ablaufplan

2

Praxisabgabe aus rechtlicher Sicht

Einführung

Der Praxiskaufvertrag

Besonderheiten bei Kooperationen

Praxisabgabe und Übergangskooperation

Zulassungsverfahren

3

Steuerliche Fragen rund um Ihre Praxisabgabe

Welche Steuern können bei einer Praxisabgabe anfallen?

Welche Besonderheiten ergeben sich für den laufenden Praxisgewinn bei der Praxisabgabe?

Wie wird der begünstigte Abgabegewinn ermittelt?

Welche Steuerbegünstigungen können für den Abgabegewinn genutzt werden?

Was sind die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigungen?

Wie kann ich nach der Praxisabgabe noch ohne Risiko weiterarbeiten?

Warum kann eine Praxisimmobilie zur Steuerfalle werden?

Wie kann die Steuer auf den Abgabegewinn optimiert werden?

Wann droht die Umsatzsteuer bei der Praxisabgabe?

Welche Auswirkungen haben verschiedene Kaufpreisgestaltungen auf die Steuer?

4

Versicherungen und Finanzen

Wie nehme ich einem potenziellen Praxiskäufer die Angst vor dem finanziell großen Schritt?

Versicherungen

Der richtige Zeitpunkt des Rentenbeginns

 

Reicht meine Altersvorsorge nach dem Praxisverkauf?

Wie lege ich den Erlös aus dem Praxisverkauf richtig an?

5

Mit der richtigen Positionierung die Praxis für den Verkauf attraktiv machen — die richtige Verkaufsstrategie

Einführung

Marktentwicklung und Konsequenzen

Bedeutung der Positionierung für den Erfolg im Allgemeinen

Die Positionierung von Zahnarztpraxen

Die Praxis positionieren

Die Käufergeneration verstehen lernen

Entwicklung einer geeigneten Abgabestrategie

Identifikation der Wertsteigerungspotenziale

Vorbereitung auf die Verkaufsverhandlung

Der faire Praxiswert

Übergabe-Mediation als Chance

Die Autoren


Thomas Kirches, der Gründer und Inhaber von „DentBeratung“, ist seit über 30 Jahren in der Beratung von Zahnärzten tätig. Durch seine langjährige Tätigkeit in leitenden Funktionen verschiedener Dentaldepots hat er unzählige Zahnärzte bei Praxisgründungen, Investitionen und Praxisabgaben beratend begleiten dürfen. Als geprüfter Sachverständiger für Praxisbewertungen, Medizinprodukteberater und durch diverse Aus-, Fort-und Weiterbildungen verfügt er über ein umfangreiches und vielschichtiges Wissen rund um die Zahnarztpraxis. Er arbeitet unabhängig von Dentaldepots, Banken, Versicherungen und Industrie und veröffentlicht regelmäßig Fachbeiträge in verschiedenen Medien. Zudem veranstaltet er seit vielen Jahren große und ebenfalls unabhängige Praxisgründer- und Praxisabgeber-Seminare im In- und Ausland.


Jens-Peter Jahn stammt aus Göttingen, hat in Göttingen, Bologna und Bonn Rechtswissenschaften studiert und sein zweites Staatsexamen 2001 in Koblenz abgelegt. Er ist seit 2002 als Rechtsanwalt zugelassen und seit 2006 Fachanwalt für Medizinrecht. Herr Rechtsanwalt Jahn ist Partner der Kanzlei michels.pmks Fachanwälte Köln und verfügt über mehr als 18 Jahre Erfahrung in der Beratung von Zahnärzten, Ärzten, Krankenhäusern und Psychotherapeuten. Die Themen Existenzgründung und Praxisabgabe sind dabei Schwerpunkte seiner Beratungs- und Referententätigkeit.


Frank Kuhnert ist Diplom-Kaufmann, Steuerberater und Fachberater für den Heilberufebereich. Nach seinem Studium arbeitete Herr Kuhnert ab 2006 zunächst mehrere Jahre in einer größeren mittelständischen Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Düsseldorf. Im Jahr 2009 wechselte er nach erfolgreich bestandenem Steuerberaterexamen zu der auf Zahnärzte und Ärzte spezialisierten Steuerberatungskanzlei VPmed in Krefeld. Seit 2013 ist Herr Kuhnert Partner der VPmed und unterstützt mittlerweile seit über 10 Jahren Zahnärzte in ihren steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen. Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte er bereits die Möglichkeit, zahlreiche Praxisübergaben sowohl auf Abgeber- als auch auf Übernehmerseite erfolgreich zu begleiten.


Gert Graeser studierte an der Universität Grenoble, an der Universität Mannheim sowie an der European Business School und ist Finanzökonom (ebs). Als zertifizierter Ärzte- und Zahnärzteberater (Certified Financial Planner) ist er seit 1997 unabhängiger Finanzberater für Zahnärzte, Kieferorthopäden und Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen. Der Schwerpunkt seiner Arbeit umfasst die Bereiche Praxisgründung und -abgabe sowie die Finanzplanung.


Prof. Dr. Thomas Sander ist Gründer der Zahnarztberatungsgesellschaft „Sander Concept“ (1997) und Leiter des Lehrgebietes Praxisökonomie, Medizinische Hochschule Hannover (seit 2005). Seine Forschungsschwerpunkte sind Praxisbewertung und Praxismarketing. Er ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Praxisbewertung. Sander Concept berät Zahnarztpraxen in ganz Deutschland zur Praxisökonomie und zum Marketing.

1
Der menschliche Faktor
Thomas Kirches, Gründer und Inhaber von DentBeratung
Ihr Praxisabgabe-Team

Da Sie durch Aus- und Fortbildungen Fachmann in Ihrem Bereich – der Zahnmedizin – sind, wissen Sie, wie wichtig es für Patienten ist, beim Th ema „Zähne“ den Zahnarzt als qualifi zierten Ansprechpartner zu haben. Wenn Sie diesen Gedanken weiterführen, nämlich dass Sie für Th emenbereiche außerhalb des Mundes wahrscheinlich kein Fachmann sind, sollten Sie sich den Anspruch, Fachleute zu kontaktieren, zu Herzen nehmen. Für Ihr Ziel, die erfolgreiche Praxisabgabe, ist es von großer Bedeutung, dass Sie ausschließlich steuerliche, juristische und weitere Berater in Ihr persönliches „Praxisabgabe-Team“ holen, die sich mit der besonderen Situation der Heilberufe auskennen; Berater, die für das Th ema Praxisabgabe mit all ihren Facett en qualifi ziert sind. Idealerweise haben Sie diese bereits seit Jahren an Ihrer Seite. Sollte das nicht der Fall sein, so spricht nichts dagegen, die Verfasser der verschiedenen Th emenbereiche in diesem Antworten-Buch entsprechend zu kontaktieren. Stellen Sie sich Ihr individuelles Team zusammen.

Der erste Gedanke

Irgendwann ist der Moment da, an dem einem erstmals der Gedanke an die Praxisabgabe in den Sinn kommt. Oftmals ist es das Resultat aus einem beruflichen Ärgernis oder aus Frustration (Patienten, Mitarbeiter, Verpassen von Zielen, Standespolitik, ...), sich ändernden Lebensumständen privater (Trennung, Krankheit, ...) oder beruflicher Natur (z. B. Kündigung Mitarbeiter) oder vielleicht auch – ganz klassisch – altersbedingt. Wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, passiert es nicht selten, dass diese Frage an einen von außen herangetragen wird.

Diese ersten Gedanken sind schnell wieder aus dem Bewusstsein verschwunden, denn das, was man dabei aufgeben würde, ist aktuell noch zu lebenserfüllend und reizvoll, obwohl natürlich die Aussicht auf ein anderes, attraktives und entspanntes Leben nach dem Praxisalltag erstrebenswert erscheint.

Ursache fürs Aufschieben der Überlegungen ist in vielen Fällen die Unwissenheit, wie man es anfangen und was man alles erledigen sollte oder sogar muss. Das ist zutiefst menschlich. Allerdings ist der Gedanke an eine Praxisabgabe nur temporär verschwunden und schwirrt spätestens beim nächsten Anlass schnell wieder im Kopf herum. Vielleicht taucht er auch auf, wenn ein Kollege, mit dem man sich über Jahre immer mal wieder ausgetauscht hat, seine eigene Praxisabgabe oder deren Planung im Gespräch erwähnt. Dann ist der Gedanke schnell wieder im Kopf und vielleicht vorschnell ausgeplaudert, dass man diese Idee auch schon mehrfach hatte. Man möchte vielleicht auch nicht der letzte „Alte“ sein, wenn alle übrigen langjährigen Kollegen sich bereits in den wohlverdienten und so reizvoll wirkenden Ruhestand verabschiedet haben.

Diese im Raum stehende Veränderung kommt aber nicht nur zu bestimmten Anlässen auf die Tagesordnung, sondern auch, wenn man sich selbst oder wenn sich der Lebenspartner in einem ruhigen Moment Gedanken zur Zukunft und zu den Zielen im weiteren Leben macht. Dabei ist es gar nicht verwerflich, den Gedanken an die Praxisabgabe hintanzustellen, wenn man für sich selbst die Zeit als noch nicht reif dafür ansieht und weiterhin Freude an Praxis und Beruf verspürt. Es sollte aber nicht passieren, dass man das Thema eigentlich angehen möchte, sollte und müsste, es aber immer weiter vor sich herschiebt. Die Beschäftigung mit den stets gleichen Gedanken und das Aufschieben wird zur Quälerei, kostet Kraft, mindert die Lebensqualität und lähmt Sie immer öfter und nachhaltiger.

Ab wann sollte man ...?

Eine immer wiederkehrende Frage lautet: Ab wann sollte man sich mit der Abgabe der eigenen Zahnarztpraxis auseinandersetzen. Die „präzise“ Antwort kann nur heißen: Das ist ganz individuell. Die beste Antwort ist, so überraschend das vielleicht klingt: schon bei der Praxisgründung. Wenn man bei der Gründung und Planung seiner Praxis schon mal im Hinterkopf den Gedanken bewegt, ob diese Praxis – mit dem jetzigen Wissen, wohin die Entwicklung der Zahnarztpraxen wahrscheinlich führen wird – attraktiv für potenzielle Nachfolger wäre, kann man manche „Weichen“ frühzeitig stellen.

Die Menschen

Im Rahmen einer Praxisabgabe gibt es viele Punkte, die unbedingt zu beachten sind. Dazu gehören Fragestellungen aus den Bereichen Steuern, Recht, Finanzen, Versicherungen, Marketing usw. Über allem steht jedoch das Wichtigste: „der Mensch“, oder genauer: „DIE Menschen“. Die nachfolgenden Seiten werden aufzeigen, wie komplex und vielfältig die Vorgänge sind, die bei einer Praxisabgabe allein das Thema „Menschen“ betreffen.

Die Entscheidung, einen Nachfolger für die eigene Praxis zu suchen und damit das Ende des Berufslebens einzuläuten, gehört sicherlich zu den schwierigsten Entscheidungen. Sollten Sie am Ende nicht mit dem Ablauf oder dem Ergebnis der Praxisabgabe glücklich sein und Ihren Frieden haben, bringt Ihnen beispielsweise eine wohldurchdachte, steuerliche Regelung nicht viel. Entscheidungen und Vorgänge in Bezug auf die Menschen entfalten oft die nachhaltigste Wirkung.

Verdeutlichen Sie sich einmal, wie viele Menschen direkt oder indirekt durch Ihre Praxisabgabe betroffen sind und was es für sie bedeutet. Zu den Betroffenen zählen Ihre Praxismitarbeiter, die Patienten, Ihre Familie und Freunde sowie natürlich auch der Übernehmer Ihrer Praxis. Aber auch der Vermieter der Praxisräume (sofern sie nicht Ihr Eigentum sind), die Zahntechniker des Labors, mit dem Sie zusammenarbeiten, bis hin zum Blumenhändler, bei dem Sie vielleicht regelmäßig einen Blumenstrauß für die Rezeption holen, gehören dazu. Wenn man sich diese Komplexität vergegenwärtigt, ist auch nachvollziehbar, warum uns unsere innere Stimme nur zu gerne vorschlägt, das Thema besser erst demnächst wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Dieses Verhalten ist menschlich und betrifft sehr viele Bereiche.

Zudem bedeutet die Abgabe der Praxis an einen Nachfolger, bei allem zeitweisen Ärger und sicherlich auch negativen Begleiterscheinungen dieses schönen Berufes, die Trennung von einer Wohlfühloase, die man sich in der Regel über Jahrzehnte eingerichtet hat. Es schließt nicht nur die Aufgabe der zahnärztlichen Tätigkeit, sondern auch das Verlassen der liebgewonnenen Praxis mit ein, die man über Jahre mit viel Herzblut und finanziellen Mitteln aufgebaut hat. Es bedeutet die Trennung von einem Team, das trotz Fluktuation größtenteils wie eine Familie zusammengewachsen ist und zukünftig nicht mehr in der gewohnten Art da sein wird. Darunter sind Mitarbeiter, die Sie vielleicht einmal selbst ausgebildet haben und die einem ans Herz gewachsen sind.

 

Und nicht zu vergessen sind die Patienten, die über Jahre eine enge Bindung zu Ihnen und Ihrer Praxis aufgebaut haben. Viele kennen die Nachfragen und Bitten der Patienten, dass man doch noch lange die Praxis weiterführen möge, da man sich als Patient nur hier richtig aufgehoben und verstanden fühlen würde; Patienten, die Ihnen, „ihrem“ Zahnarzt, die (Mund-) Gesundheit anvertraut haben. Diese Menschen möchte niemand einfach so verlassen, sondern mindestens in die guten Hände eines Nachfolgers geben.

Und „der Mensch“ hinter dem Praxisabgeber?

Haben Sie sich schon einmal bewusst gemacht, dass Sie nach der Praxisabgabe deutlich seltener das Gefühl erleben könnten, gebraucht zu werden? Weniger die bestimmende Person zu sein, die die Richtung vorgibt und letztendlich alles allein entscheiden darf?

Auch die schon erwähnte Bestätigung durch Wertschätzung und Dankbarkeit von Patientenseite wird in Zukunft so nicht mehr gegeben sein. Jeder Mensch benötigt aber in seinem Leben eine Art von Bestätigung für sein Tun. Dies ergibt sich in der Praxis auf vielfältige Art und Weise: sei es durch das Erreichen von Zielen hinsichtlich des Umsatzes, des Gewinns oder der Patientenanzahl, aber auch durch das Gelingen eines schwierigen Eingriffs oder eben durch die Zufriedenheit und dankbaren Worte der Patienten.

Nun gilt es, sich für die Nach-Praxis-Zeit neue Ziele zu setzen, um auch künftig das Gefühl der Bestätigung und Zufriedenheit zu bekommen. Gleichermaßen, und oftmals nicht beachtet, muss man sich darauf einstellen, als Privatier niemandem mehr, wie als Praxis-Chef, Anweisungen geben zu können und davon auszugehen, dass diese umgesetzt werden. Es gehört dazu, sich mit dem Themenbereich rund ums „Loslassen“ zu beschäftigen. Die Gefahr, dass etwas fehlen wird und daraus eine unerklärliche Unzufriedenheit erwächst, ist groß. Eine Unzufriedenheit, die besonders unverständlich erscheint, da man sich doch so auf die neuen Freiheiten im „Leben danach“ gefreut hatte.

Verlagern des Lebensmittelpunktes

Da man in der Ausübung des zahnärztlichen Berufes in eigener Praxis den Großteil der Wochentage in den Praxisräumen verbringt, bedeutet die Abgabe der Praxis auch ein Verlagern des bisherigen, täglichen Lebensmittelpunktes in denjenigen anderer Menschen, d. h. in die räumlich und zeitlich bestehenden täglichen Routinen Ihrer Mitmenschen. Das kann die eigene Familie betreffen oder auch Freunde, mit denen Sie sich beispielsweise nun auch am Vormittag zum Sport verabreden könnten. Das war mit Ihrem bisherigen Tagesablauf nicht möglich. Somit verändert die Verlagerung Ihres Lebensmittelpunktes auch den Ablauf und liebgewonnene Rituale anderer Menschen. Hier gilt es, auch diesen Menschen die Gelegenheit zu geben, sich darauf einzustellen und sich daran zu gewöhnen. Letztendlich sind ausschließlich Sie es, der etwas in seinem Leben bewusst und aus eigenem Willen ändert. Gehen Sie nicht davon aus, dass jeder mit jeder Veränderung sofort und vollkommen einverstanden ist. Das bedeutet für Sie, sich damit zu arrangieren, wenn nicht alles immer problemlos und sofort funktioniert. Möchten Sie z. B. nach der Praxisabgabe zukünftig gerne vormittags dem Hobby „Tennis“ nachgehen und Ihr langjähriger Spielpartner hat da bereits seit Jahren einen anderen „Gegner“, so gilt es, sich langsam, behutsam und gemeinsam auf die geänderte Lebenssituation einzustellen. Oder wenn Sie sich, nach dem Ausscheiden aus der Praxis, der häuslichen Gartenarbeit widmen möchten und dies ist seit vielen Jahren eine liebgewonnene Tätigkeit Ihres Partners, so entsteht hier ungewollt Konfliktpotenzial.

Wenn man sich die genannten Punkte verdeutlicht, können Konflikte und Enttäuschungen von Beginn an vermieden werden. Seien Sie sich über die Auswirkungen der Praxisabgabe auf Ihren privaten Lebensbereich im Klaren. Geben Sie sich und Ihren Mitmenschen Zeit zur Gewöhnung. Daher ist es wichtig, eine Entscheidung nicht zu verkünden, sondern im Vorfeld die Menschen, die es dann betreffen wird, in die Gedanken einzubeziehen.


Abb. 1 Die Veränderung des Lebensmitt elpunktes beim Wechsel ins Privatleben.

Auch das mit dem Ausscheiden aus dem Beruf verbundene Entschleunigen muss man lernen und akzeptieren. Wenn Sie bisher in der Praxis einen eng getakteten Terminkalender abzuarbeiten hatt en, so ist nun die lange herbeigesehnte Freiheit erstmal gewöhnungsbedürft ig. Vor allem dann, wenn die erste Euphorie über die neue Situation langsam abfl aut und der Alltag einsetzt.

Sehr wahrscheinlich wird auch das Gefühl „heute etwas geschafft zu haben“, wie wenn Sie in der Praxis einen anstrengenden Tag gemeistert haben, fehlen. Dies ist ein völlig normaler Vorgang und damit verbunden, sich andere Ziele zu setzen. Vielleicht ist es das Lesen eines schon lange wartenden Buches oder eine ehrenamtliche Herausforderung: Hieraus kann ein vergleichbar befriedigendes Gefühl erwachsen. Geben Sie sich Zeit und setzen Sie sich neue Ziele. Machen Sie Pläne, möglichst gemeinsame Pläne mit Ihrem Partner.