Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 255»

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Impressum

© 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-591-0

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Der erste Apriltag im Jahre des Herrn 1592 hatte gerade begonnen. Wie seit Jahrtausenden war die Sonne von Osten her hinter dem Horizont aufgetaucht. Ihre Strahlen griffen beinahe gierig nach dem spärlichen Morgentau und tasteten sich dann über die geheimnisumwitterte Landschaft, die vom Mittelmeer her weit in den afrikanischen Kontinent ragte.

Unterbrochen wurde das Land, über dem stets ein Hauch des Rätselhaften, Unerklärbaren lag, durch das tiefe Blau des sich träge dahinwälzenden Stromes. Bizarre, felsige Gebirge, gelbe Wüstenebenen sowie smaragdgrüne Felder und Palmenhaine säumten das schier endlose Band des Nils, dessen Fluten sich im Norden gleich einer gefächerten Palmenkrone verzweigten und ins Mittelmeer ergossen.

Die kleine Trägerkolonne, bestehend aus Luke Morgan, Batuti sowie dem Kutscher und den elfjährigen Zwillingssöhnen des Seewolfs, bahnte sich einen Weg durch das niedrige Grün des Flußufers. Auf den Schultern der drei Männer und der beiden Jungen lasteten geflochtene Körbe mit Orangen, Feigen und Datteln, mit Oliven, Nüssen und frischem Gemüse.

Der kurze Fußmarsch in das nahe gelegene Fellachendorf hatte sich gelohnt, zumal in dieser Gegend die Märkte wegen der aufkommenden Tageshitze meist schon im ersten Morgengrauen begannen. Und der Kutscher hatte es, mit den Zwillingen als Dolmetscher, wieder einmal verstanden, wie ein Teppichhändler zu feilschen.

Vor ihnen lag dichtes Schilfgestrüpp, das den Blick auf den Nil verwehrte. Danach mußte eine kleine Biegung erfolgen, und dann waren es nur noch wenige Yards bis zu ihrem Boot, das sie am Ufer vertäut hatten.

„Gleich sind wir da“, stellte der riesige Gambia-Neger fest. „Batuti fühlt sich wie ein Lastesel, und …“ Weiter gelangte der schwarze Mann aus dem Stamme der Mandingo nicht, denn der peitschende Knall eines Musketenschusses ließ die kleine Kolonne abrupt anhalten.

„Merkwürdig“, sagte der Kutscher, ein blonder, etwas schmalbrüstiger Mann, der auf der Galeone der Seewölfe als Koch und Feldscher fungierte. „Der Schuß muß auf der ‚Isabella‘ abgefeuert worden sein.“

Aus den dunklen Augen von Hasard junior blitzte die Abenteuerlust.

„Vielleicht hat jemand auf ein Krokodil geschossen“, meint er.

„Ja, es könnte wieder jemand von dem Galion gestürzt und einem Nilkrokodil vors Maul gefallen sein – wie Bill damals in El Gâhira“, pflichtete ihm Philip, sein Zwillingsbruder, bei.

„Nun malt bloß nicht den Teufel an die Wand“, mahnte der Kutscher. „Schließlich sind unsere Leute an Bord nicht an der Fallsucht erkrankt. Trotzdem – irgendeinen Grund muß es für diesen Schuß wohl geben.“

Für weitere Überlegungen blieb keine Zeit, denn die vermutliche Ursache des Musketenschusses bog gerade in Gestalt zweier dunkelhäutiger junger Burschen um das Schilfdickicht. Sie waren in lange Kaftane gekleidet und rannten, als sei der Teufel hinter ihnen her. Um ein Haar wären sie mit den Seewölfen zusammengeprallt, die nach wie vor mit ihrem Proviant beladen waren. Einen Augenblick lag Erschrecken auf den Gesichtern der beiden, dann waren sie vorbei.

Luke Morgan, einem wendigen, dunkelblonden Burschen mit einer Messernarbe über der Stirn, ging plötzlich ein Licht auf.

„Donner und Wolkenbruch!“ rief er. „Die Spitzbuben wollten bestimmt unser Boot klauen, deshalb hat man drüben auf der ‚Isabella‘ einen Warnschuß abgegeben. Ihnen nach!“ Er ließ augenblicklich den schweren Korb mit Früchten von seinen Schultern gleiten und wirbelte herum.

Batuti tat es ihm nach, und auch der Kutscher überlegte nicht lange.

„Ihr beiden paßt auf den Proviant auf!“ rief er noch im Weglaufen den Zwillingen zu. „Wehe, es fehlt auch nur eine einzige Nuß!“

„Man meint, er hätte sie gezählt“, maulte Philip junior und blickte den davonjagenden Männern gleich seinem Bruder mit gespanntem Gesicht nach.

Die Seewölfe holten rasch auf. Offenbar lief es sich in den langen Kaftanen, die die beiden Burschen trugen, nicht besonders gut. Jedenfalls hatten sie noch keine hundert Yards hinter sich gebracht, da griffen Batuti und Luke Morgan bereits zu.

„Halt!“ brüllte Batuti. „Stehenbleiben, verflixtes Klaumann!“ Der kleinere der beiden zappelte bereits in seinem festen Griff.

Doch plötzlich spitzte sich die Situation gefährlich zu. In der rechten Hand des Kerls blitzte die Klinge eines Dolches auf, und Batuti hatte Mühe, dem raschen Stoß auszuweichen.

Doch zu einem weiteren Angriff kam es nicht. Die mächtige Pranke des Gambia-Mannes schoß vor, und der Messerstecher ließ die blanke Waffe mit einem lauten Aufschrei fallen. Dann hatte ihn Batuti im Schwitzkasten.

Auch seinem Komplicen erging es nicht anders. Wie ein Fisch im Netz wand er sich in den Fäusten Luke Morgans, doch als er begriffen hatte, daß ihm alles nichts nützte, gab er auf und stieß einige aufgeregte Sätze hervor.

„Was sagt er?“ fragte der Kutscher, der gerade am Schauplatz eintraf.

„Frag mich was Leichteres“, antwortete Luke Morgan. „Ich verstehe von der ägyptischen Sprache soviel wie du.“

„Bringen wir die beiden doch zu den Zwillingen, die können ja übersetzen, was uns die Kerle zu erzählen haben“, schlug der Koch der „Isabella“ vor.

Widerstrebend ließen sich die beiden jungen Burschen zu Philip und Hasard bringen, die über die Obst- und Gemüsevorräte wachten. Sie redeten dabei unaufhörlich auf die Seewölfe ein, und ihre Stimmen klangen ängstlich.

„Versteht ihr, was sie sagen?“ fragte der Kutscher.

„Klar“, verkündete Hasard junior nicht ohne Stolz. „Wir verstehen zwar nicht jedes Wort, aber wir kriegen schon mit, was gesprochen wird.“

„Und was sagen sie? Los, du Hering, mach’s nicht so spannend!“

Hasard junior kratzte sich die Wange.

„Sie beteuern ständig, sie hätten das Boot nicht stehlen wollen“, dolmetschte er dann. „Sie wollten sich nur vom Ufer aus das große, fremde Schiff ansehen, weil sie so was noch nie gesehen haben.“

„Das mag ja sein“, warf Luke Morgan ein. „Neugierde ist schließlich menschlich. Aber warum sind sie dann davongelaufen und haben sogar nach ihren Messern gegriffen? Mir scheint, die beiden Kerle hatten doch Interesse an unserem Boot. Ein Glück, daß wir rechtzeitig zur Stelle waren und unsere Leute auf der ‚Isabella‘ mal einen Blick rüber zum Ufer warfen.“

„Da hast du recht, Luke“, sagte der Kutscher. „Und jetzt haben sie die Hosen voll, weil sie genau wissen, daß Dieben hierzulande mal so eben eine Hand abgeschlagen wird. Na gut, sie haben ja noch nichts gestohlen. Ich schlage vor, wir lassen sie laufen.“

Batuti und Luke Morgan nickten zustimmend.

„Was sollten wir sonst auch mit ihnen anfangen“, fuhr der Kutscher fort, und zu den Zwillingen gewandt, setzte er hinzu: „Sagt ihnen, daß wir sie auf dem größten Nilkrokodil über den Strom reiten lassen, wenn sie sich noch einmal in der Nähe unseres Bootes blicken lassen.“

Mit grinsenden Gesichtern sowie mit Händen und Füßen übersetzten die beiden Jungen seine Worte. Offensichtlich fügten sie seinen Drohungen noch eigene Erfindungen hinzu, denn die beiden Burschen gingen einige Schritte rückwärts, drehten sich um und rannten davon, so schnell sie die Füße trugen.

Die Seewölfe lachten, als sie ihre Körbe aufnahmen und sie wenig später im Beiboot der „Isabella“ verstauten.

Als sie ihre Plätze auf den Duchten eingenommen hatten, konnte Philip junior die Frage, die ihn seit Minuten beschäftigte, nicht mehr länger unterdrücken.

„Trägt man unter den langen Kaftanen eigentlich auch Hosen, Kutscher, Sir?“ fragte er mit dem unschuldigsten Gesicht der Welt.

„Was meinst du? Was soll die Frage?“ stotterte der Kutscher.

„Ach, nur so“, fuhr Philip fort, „weil du doch vorhin sagtest, die beiden Kerle würden die Hosen voll haben. Und da müßten sie doch auch welche drunter haben, oder vielleicht nicht?“

„Ich – ich weiß es nicht!“ stammelte der Kutscher hilflos. „Ich kann ja schließlich nicht alles wissen! Und was geht es euch Rübenschweinchen übrigens an, was andere Leute unter ihren langen Röcken tragen, he?“

Lautes Gelächter dröhnte über die Fluten des Nils, als sich Batuti, Luke Morgan und die Zwillinge kräftig in die Riemen legten, um das Beiboot zur „Isabella“ zurückzupullen.

Der Kutscher, der sich als Bootsführer auf der achteren Ducht niedergelassen hatte, blickte krampfhaft hinüber zu den gewaltigen Tempelbauten, die von der Insel Philae emporragten.

Die „Isabella VIII.“, eine schlanke Dreimastgaleone, die einst vom besten Schiffsbauer Englands erbaut worden war, schwojte gemächlich an der Ankertrosse.

Einen Tag zuvor hatte sie die Nilinsel Philae mit ihrem prächtigen Isistempel erreicht und war in Inselnähe vor Anker gegangen. Und hier war die Endstation für den schnellen Rahsegler, der seit vielen Wochen auf dem Nil unterwegs war. Obwohl noch nicht sichtbar, lag der erste Katarakt des gewaltigen Stromes nur wenige Kabellängen von der kleinen Insel entfernt. Seine gefährlichen Stromschnellen und die gewaltigen Wassermassen, die über die Felsen hinunterstürzten, bildeten ein unüberwindbares Hindernis für Wasserfahrzeuge aller Art.

Philip Hasard Killigrew, der Kapitän der „Isabella“, stand neben seinem Stellvertreter und Ersten Offizier, Ben Brighton, am Steuerbordschanzkleid und blickte dem Beiboot, das drüben am Ufer abgelegt hatte, entgegen. Er hatte beide Fäuste gegen den Handlauf des Schanzkleides gestemmt. Die Muskete, mit der er vor wenigen Minuten einen Warnschuß abgefeuert hatte, war in die Obhut Al Conroys, des stämmigen, schwarzhaarigen Stückmeisters der Galeone, zurückgewandert.

„Man muß doch wirklich auf alles aufpassen“, sagte der Seewolf zu Ben Brighton gewandt. „Selbst für ein Beiboot finden sich Liebhaber.“

„Die beiden haben ja ziemlich rasch das Weite gesucht.“ Ben Brighton, ein untersetzter, breitschultriger Mann, der in fast allen Situationen Ruhe und Besonnenheit ausstrahlte, lächelte. „Eigentlich müßten sie unseren Leuten noch begegnet sein, es sei denn, sie haben sich rechtzeitig im Schilf versteckt.“

„Auf jeden Fall hat der Warnschuß seinen Zweck erfüllt“, sagte der Seewolf. „Ich bin gespannt, was der Kutscher alles für die Kombüse eingekauft hat. Er versteht ja was vom Feilschen, das muß man ihm lassen.“ Die klaren, eisblauen Augen Philip Hasard Killigrews wanderten über das bläulich schimmernde Wasser des Nils. Nicht zuletzt war es dieser Blick, der den Gegnern des mehr als sechs Fuß großen Mannes Respekt einflößte.

Das Glasen der Schiffsglocke tönte über die Decks und erinnerte die Seewölfe daran, daß auch hier im rätselhaften Land Ägypten die Zeit nicht stehenblieb.

„Die Türken lassen auf sich warten“, sagte Ben Brighton. „Ich hätte absolut nichts dagegen, wenn sie die Burschen in der Vorpiek bald abholen würden. Versprochen haben sie es jedenfalls.“

Der Seewolf lächelte. „Du bist bestimmt nicht der einzige, Ben, der gern auf die Gesellschaft dieser Bande verzichten würde. Aber warten wir’s ab, der Tag hat ja erst begonnen, und die Türken werden schon noch hier aufkreuzen. Wichtiger ist im Moment, daß der Kutscher wieder an Bord kommt und sich so schnell wie möglich hinter seine Pfannen und Töpfe klemmt, sonst beginnt hier das große Magenknurren. Auch die Kerle in der Piek müssen was zwischen die Zähne kriegen, damit es nicht wieder Radau gibt.“

Ärger hatten die Seewölfe in den vergangenen Tagen mit der wilden Horde gefangener Grabräuber schon genug gehabt. Zwölf der Burschen hatten sie in Theben auf Drängen eines türkischen Offiziers an Bord genommen, um sie bis zum ersten Katarakt zu bringen. Hier sollten sie von den Türken in Empfang genommen werden und den Marsch in die Kupferbergwerke Nubiens antreten.

Inzwischen befanden sich jedoch nur noch zehn der wüsten Gesellen in der Vorpiek, denn zweien war es nach einer wilden Prügelei mit den Seewölfen, die sie täglich zweimal an Deck gelassen hatten, gelungen, zu entfliehen. Einer davon war jedoch einem Krokodil zum Opfer gefallen, und der andere, ein Nubier namens Halef, hatte es geschafft, in der öden Landschaft auf der östlichen Nilseite unterzutauchen.

Doch nicht nur die gefangenen Grabräuber hatten die Besatzung der „Isabella“ auf Trab gehalten. Auch die Habgier des Fanatikers Baba Schah, der von seinen Anhängern „Das flammende Schwert des Islam“ genannt wurde und dessen ganzer Haß den türkischen Besetzern des Landes und ungläubigen Giaurs galt, hatte sie bereits arg in Bedrängnis gebracht.

Schon gestern, gleich nachdem die Galeone in der Nähe der Nilinsel Philae vor Anker gegangen war, hatten die Seewölfe eine böse Überraschung erlebt. Baba Schah hatte ihnen, als sie sich den Tempel der Isis ansehen wollten, eine heimtückische Falle gestellt, um die Herausgabe der gefangenen Grabräuber und der im Bauch der „Isabella“ vermuteten Schätze zu erzwingen. Fast war es ihm mit seiner siebenfachen Übermacht gelungen, sein Ziel zu erreichen, als türkische Besatzungssoldaten aufkreuzten und gemeinsam mit den Seewölfen die Bande des Fanatikers zerschlugen.

Baba Schah selbst war von den Türken als Gefangener mitgenommen worden. Außerdem hatte der türkische Offizier dem Seewolf zugesagt, die gefangenen Grabräuber am nächsten Tag abzuholen. Und darauf warteten Philip Hasard Killigrew und seine Männer seit Tagesbeginn.

Der Kutscher, Batuti, Luke Morgan und die Zwillinge befanden sich bald wieder an Bord der „Isabella“. Die zahlreichen Proviantkörbe waren rasch über das Schanzkleid gehievt worden.

„Sieht nicht übel aus“, bemerkte Philip Hasard Killigrew mit einem Blick auf die Berge von Feigen, Datteln, Nüssen und die übrigen Eßwaren. „Frisches Obst und Gemüse können wir immer gebrauchen. Am besten, ihr schafft das alles gleich in die Vorratslast.“

Die Körbe verschwanden rasch, und Old Donegal Daniel O’Flynn, der rauhbeinige Alte mit dem Holzbein, der gerade von dem Galion her erschien, bedauerte es lebhaft, denn er liebte es, neueingekaufte Ware mit mehr oder weniger Sachverstand zu begutachten. Eine steile Falte lag über seinem verwitterten Gesicht.

„Bei allen Windbräuten und Wassermännern“, nörgelte er, „ihr habt’s ja wieder eilig, das Zeug verschwinden zu lassen. Weiß der Teufel, was ihr wieder alles zusammengekauft habt. Ist wohl besser, wenn man’s nicht sieht.“

Auch Edwin Carberry, der Profos der „Isabella“, enterte zur Kuhl ab. Er war ein bulliger Kerl mit einem gewaltigen Rammkinn und vielen Narben im Gesicht. Doch hinter der rauhen Schale dieses sturmerprobten Seemannes verbarg sich ein weicher Kern, und seine Lieblingssprüche, mit denen er die Mannschaft anzufeuern pflegte, gehörten einfach dazu – wie die Rumrationen, die der Seewolf von Zeit zu Zeit austeilen ließ.

Carberry warf einen mißtrauischen Blick auf den letzten Korb, mit dem gerade Bill in Richtung Kombüsenschott verschwand. Dann musterte er den Kutscher mit skeptischer Miene.

„Hast du etwa schon wieder von diesem Matschzeug gekauft, du Stint?“ fragte er.

„Das waren Datteln“, stellte der Kutscher fest. „Und wenn du keinen Appetit darauf verspürst, brauchst du ja keine zu essen.“

„Du schaffst das Zeug auch allein, du Kombüsenaal“, röhrte der Profos. „Wie ich dich kenne, kaust du nun wieder tagelang darauf herum und spuckst die Kerne kreuz und quer über unsere Lady weg. Oder meinst du vielleicht, ich hätte schon vergessen, wie du damals vor der Insel Kreta ständig die klebrigen Dinger durch die Gegend gespuckt hast, was, wie?“

Der Kutscher stemmte die Fäuste in die Hüften.

„Was hätte ich denn sonst damit tun sollen, du aufgeblasenes Rumfaß?“ fragte er mit ärgerlicher Stimme. „Hätte ich sie vielleicht runterschlucken und darauf warten sollen, bis mir kleine Dattelbäumchen aus den Ohren gewachsen wären, he?“

Der Profos stand einen Augenblick wie erstarrt.

„Wie nennst du mich, du grünbetupftes Bilgengespenst?“ schnaufte er dann. „Hat schon mal jemand so was gehört? Ein aufgeblasenes Rumfaß nennt mich dieser Kakerlakenzüchter, und das soll sich unsereins auch noch gefallen lassen!“ Ed Carberry ging langsam auf den Kutscher zu, der sich nicht vom Fleck rührte.

„Weißt du, wie ich dir Anstand und Respekt vor Leuten einflößen werde, die es gewohnt sind, sich redlich und ohne in der Gegend herumzuspukken, zu ernähren?“ knurrte der Profos. „Ho, ich werde dich mit dem Kopf mitten in dein süßes Matschzeug stecken, bis du rund und satt davon geworden bist. Und dann – dann werde ich dir noch höchstpersönlich die Haut in ganz schmalen Streifen von deinem Affenarsch abziehen, aber ganz langsam und mit …“

„Laß gut sein, Ed“, schaltete sich der Seewolf ein. „Du brauchst ja keine Datteln zu essen, wenn du sie nicht magst. Ich bin jedenfalls der Meinung, daß du den Kutscher nicht länger aufhalten solltest, sonst fällt das Frühstück heute aus. Oder bist du bereit, darauf zu verzichten?“

„Du hast recht, Sir“, antwortete Edwin Carberry mit einem strafenden Blick auf den Kutscher, „und wegen dieser Datteln verzichte ich ganz bestimmt nicht aufs Frühstück. Hopp, hopp, du Kombüsenwanze, jetzt hau mal was Ordentliches in deine Pfannen!“

Die Männer lachten und erinnerten sich plötzlich an ihre knurrenden Mägen. Der Kutscher verzog sich in seine Kombüse, und die Zwillinge schlossen sich ihm an, um ihm zur Hand zu gehen.

Old O’Flynn blickte über das Schanzkleid und fuhr sich mit der Hand durch die grauen Bartstoppeln.

„Wie ich die Türken kenne“, prophezeite er dann, „kreuzen die bestimmt gerade zu dem Zeitpunkt auf, in dem uns der Kutscher die Mucks und Teller füllt. Und wenn’s die Pechsträhne will, halten sie auch noch mit.“

Der Seewolf grinste. „Für dich wird schon noch genügend übrigbleiben, Donegal. Übrigens, wenn sie nach dem Frühstück noch nicht hier sind, werden wir noch einmal zur Insel rüberpullen, um uns den Rest der Tempelbauten anzusehen.“

„Das nenne ich eine gute Idee“, mischte sich der Profos ein. „Heute wird ja wohl nicht schon wieder so ein – äh, so ein brennendes Schwertflämmchen da drüben auf uns lauern.“

„Ein flammendes Schwert!“ verbesserte Old O’Flynn. „So jedenfalls hat sich dieser Baba Schah genannt.“

„Egal, was für ein Schwert“, fuhr Ed Carberry fort. „Wenn sich wieder jemand in den alten Gemäuern versteckt hat, um uns zu ärgern, dann lasse ich ihn zehn Runden um die Insel schwimmen und hetze das hungrigste Krokodil hinter ihm her!“

Das Frühstück des Kutschers war von gewohnter Qualität. Selbst die Grabräuber in der Vorpiek hatten nichts daran auszusetzen, sondern fielen wie hungrige Löwen darüber her.

Die Prophezeiung des alten O’Flynn erfüllte sich nicht. Von den Türken war noch immer nichts zu sehen. Philip Hasard Killigrew benannte deshalb einen kleinen Trupp, der mit ihm zur Nilinsel Philae hinüberpullen sollte. Für den Fall, daß die Soldaten anrücken würden, hatte er mit Ben Brighton, seinem Stellvertreter, ein Signal verabredet.

Außer dem Seewolf enterten wenig später Ed Carberry, der rothaarige Schiffszimmermann Ferris Tukker, Dan O’Flynn sowie Stenmark und der hagere, aber zähe Fockmastgast Gary Andrews in das Beiboot ab.

Die Männer hatten nicht vergessen, sich ausreichend mit Musketen, Degen und Entermessern zu bewaffnen. Und sie hatten sich auch genug Pistolen in die Bandeliere geschoben.

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