Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 526»

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Impressum

© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-934-5

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Frank Moorfield

Die Satansriffe

Die Entscheidung bei den Riffen des Teufels wird zum Kampf ums Überleben für die Seewölfe

Edwin Carberry zog ein grimmiges Gesicht. „Lausiges Piratenpack!“ fluchte er und riß die Drehbasse herum.

Er drückte die brennende Lunte auf den Zündkanal, und die Flamme fraß sich blitzschnell und unaufhaltsam vorwärts, bis sie das Pulver erreichte. Das schwenkbare Geschütz brüllte auf und spie der schnell heransegelnden Dschunke seine Ladung entgegen.

Eins der trapezförmigen Mattensegel wurde zerfetzt. Das Gerüst aas Bambuslatten, welches das Segel ausspreizte, zerbrach wie dünnes Reisig und ging als Splitterregen auf dem Deck nieder.

In den Augen der chinesischen Piraten loderte blanker Haß – Haß und die unersättliche Gier nach Beute …

Die Hauptpersonen des Romans:

Der Kutscher – Der Feldscher der Arwenacks meldet seinem Kapitän, daß er mit seiner Weisheit am Ende sei. Er weiß nicht, wie er dem fiebernden Jack Finnegan noch helfen kann.

Jung Philip – Der Sohn des Seewolfs entdeckt ein junges Mädchen auf einer Gräting und spielt mehr als eine Entdeckerrolle.

Surya Bahadur – Als Kapitän einer dreimastigen Dschunke betreibt er dunkle Geschäfte und verbreitet Schrecken und Not an der Küste.

Edwin Carberry – Er erfindet den „chinesischen Stern“ und belehrt die Zopfmänner mit seinem „Profos-Hammer“.

Philip Hasard Killigrew – Der Seewolf gerät in eine Falle, doch seine Crew ist noch nicht kaltgestellt.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

1.

Al Conroy, der schwarzhaarige Waffen- und Stückmeister der Arwenacks, hieb dem Profos die rechte Pranke auf die Schulter.

„Das war ein guter Schuß, Ed“, lobte er. „Zumindest zeigt er den Zopfmännern, daß wir ebenfalls Zähne haben, die beißen können.“

Während ein Grinsen über sein narbiges Gesicht huschte, hob Edwin Carberry die Nase ein Stück höher in den Wind.

„Gern geschehen“, sagte er dann. „Wenn ich dir damit einen Gefallen tun kann, werde ich diesen gelbkarierten Ziegenböcken auch noch das andere Segel wegpusten.“

Ohne Zeit zu verlieren, begann er, die Drehbasse nachzuladen. Al Conroy eilte zu den Männern an den übrigen Geschützen. Schließlich gab es je sechs Culverinen auf beiden Seiten der Galeone zu überwachen. Dazu noch je zwei Drehbassen vorn und achtern.

Ben Brighton und Edwin Carberry hatten die Plätze an den vorderen Drehbassen eingenommen, der Kutscher und Old O’Flynn waren an den achteren „Feuerspuckern“ auf Station. Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann, war damit beschäftigt, einige der gefährlichen Flaschenbomben an Deck zu schaffen. Sie waren mit Eisen, Nägeln und Glassplittern gefüllt.

Die Piraten ließen sich jedoch keineswegs von den Kanonen der Galeone abschrecken. Sie hatten es längst aufgegeben, die biederen Fischer zu spielen und in scheinbar friedlicher Eintracht ihre Netze einzuholen. Sobald ihre Dschunken dem fremden Schiff nahe genug waren, hatten die kleinen Burschen mit den flachen Strohhüten ihre wahren Absichten gezeigt.

Die Fischernetze, die man zur Tarnung der Stückpforte über die Schanzkleider gehängt hatte, waren blitzschnell entfernt worden. Obwohl es sich um zwei ziemlich kleine Dschunken handelte, hatten die Schnapphähne auf jeder Seite zwei kleine Geschütze ausgerannt.

Die Seewölfe waren jedoch darauf gefaßt gewesen, denn sie hatten der Fischeridylle von Anfang an nicht getraut. In gewohnter Schnelligkeit war die „Santa Barbara“ in eine schwimmende Festung verwandelt worden.

Die ersten Kugeln der Piraten hatten noch keine Wirkung gezeigt, aber die Absicht, die Galeone zu entern, war bei den Chinesen nach wie vor unverkennbar.

Die Dschunken wurden geschickt manövriert, so daß sich beide in einem etwas schrägen Winkel zum Schiff der Seewölfe befanden. Mit den schweren Culverinen der „Santa Barbara“ war deshalb noch nichts auszurichten. Die Dschunke, der Edwin Carberry das vordere Segel zerschossen hatte, hielt immer noch auf das Vorschiff zu.

„Man sollte diesen gelben Teufelchen ihr eigenes Knallzeug in die Hosen stecken und es zünden“, sagte Carberry. Er spielte damit auf die Feuerwerkskörper an, welche die Seewölfe in China in großen Mengen einkaufen wollten. Seine Stimme wurde jedoch von einem Drehbassenschuß Ben Brightons übertönt.

Auch der ruhige und stets besonnene Erste Offizier hatte gut gezielt. Die Ladung seiner Drehbasse krachte wie ein Blitz in das Vorschiff der Piratendschunke.

Das Ergebnis blieb nicht aus. Einige der Gestalten, die aus ihren Verstecken gekrochen waren, um die Schar der „Fischer“ zu verstärken, warfen die Arme hoch und stürzten auf die Planken. Durchdringendes Wutgeschrei dröhnte zu den Seewölfen hinüber. Dennoch konnten auch die Piraten bei ihrer derzeitigen Position keine ihrer Kanonen einsetzen, und über schwenkbare Geschütze verfügten sie nicht.

„Die Burschen sind zäh wie die Katzen, die geben nicht so rasch auf!“ rief der Kutscher dem Seewolf entgegen, der gerade wieder zum Achterdeck auf enterte.

Die eisblauen Augen des breitschultrigen, schwarzhaarigen Mannes blitzten.

„Wir werden ihnen das Süppchen schon noch versalzen“, erwiderte er, und sein markantes, sonnengebräuntes Gesicht drückte absolute Entschlossenheit aus. Gleich darauf gab er den Befehl, hart nach Backbord abzufallen, damit seine Mannen die Gelegenheit erhielten, die Culverinen nach beiden Seiten abzufeuern. Dabei war höchste Eile geboten, denn der Abstand zwischen der „Santa Barbara“ und den Dschunken verringerte sich rasch. Die kleinen, exotisch aussehenden Schiffe waren sehr wendig und leichter zu manövrieren als eine große Galeone.

Pete Ballie, der Gefechtsrudergänger, stemmte sich mit seiner ganzen Kraft gegen den Kolderstock. Aber auch die Windverhältnisse begünstigten das Vorhaben der Arwenacks. Die „Santa Barbara“ drehte gehorsam den Bug nach Backbord. Kaum hatte sie eine einigermaßen erfolgversprechende Position erreicht, gab Philip Hasard Killigrew den Feuerbefehl.

Im Handumdrehen schien über der südlich von Shanghai gelegenen Hangtschou-Bucht ein Gewitter hereinzubrechen.

An den Mündungen von drei der insgesamt sechs Steuerbord-Culverinen blühten gewaltige Feuerblumen auf. Der nachfolgende Donner rollte mit Urgewalt über die kabbelige See, dann rumpelten die schweren Geschütze in ihren Holzlafetten zurück, bis sie von den Brooktauen aufgefangen wurden.

Die Dschunke, die Ben Brightons Drehbassenschuß empfangen hatte, und der schon vorher von Edwin Carberry ein Segel zerfetzt worden war, konnte im Augenblick nur in Umrissen wahrgenommen werden, weil sich eine grauschwarze Pulverwolke zwischen sie und die „Santa Barbara“ geschoben hatte. Der Wind zerriß diese Wolke jedoch bald, und dann sahen die Seewölfe, was geschehen war.

Der Piratensegler war von zwei der schweren Eisenkugeln getroffen worden, und das war mehr, als sie erhofft hatten, weil sich das Schiff noch nicht in voller Breite als Ziel dargeboten hatte. Auf dem Vorschiff waren erneut die Fetzen geflogen. Am meisten aber hatte den Chinesen ein Schuß Nils Larsens zugesetzt. Die Kugel hatte ein riesiges Loch in die Bordwand geschlagen, und zwar direkt an der Wasserlinie. Die Dschunke nahm Wasser auf.

„Das war Maßarbeit!“ rief Al Conroy. „Sie werden sich von jetzt an mehr mit sich selber beschäftigen müssen.“

Die Wuhling an Bord der Dschunke war nicht zu übersehen. Die Schnapphähne wimmelten wie Ameisen durcheinander. Viele von ihnen feuerten – ohnmächtig vor Wut – ihre Musketen ab, einige ließen Pfeile von armbrustähnlichen Waffen schnellen, ohne damit die „Santa Barbara“ zu erreichen. Aber sie schienen nach wie vor fest zum Entern des fremden Schiffes entschlossen zu sein.

Ihr Geschrei wurde plötzlich vom Krachen der zwei kleinen Backbordgeschütze überlagert, die die Seewölfe wie Spielzeuge anmuteten. Ihre Kugeln erreichten die Galeone nicht und ließen schäumend das Wasser aufspritzen.

„Die sind noch nicht satt!“ brüllte Edwin Carberry. „Merkt ihr nicht, daß sie einen Nachschlag haben wollen, was, wie?“

Er selber hielt sich auf das Geheiß Al Conroys hin mit seiner Drehbasse zurück, denn diese Geschütze sollten erst wieder eingesetzt werden, sobald die Culverinen nachgeladen wurden.

Al Conroy warf einen fragenden Blick zum Achterdeck.

„Ich glaube, Ed hat recht, Sir!“ rief er dann.

Der Seewolf lächelte. „Einen Moment noch! Die Dschunke beginnt gerade, sich zu drehen. Gleich wird sie ein noch besseres Ziel abgeben. Inzwischen sollten wir jedoch die Kerle, die auf unser Heck zuhalten, bedienen.“

„Aye, Sir!“ Al Conroy veranlaßte, was nötig war.

Diesmal brüllten drei Kanonen der Backbordseite der „Santa Barbara“ auf.

Das Ziel war sehr begrenzt, denn der Bug der Dschunke war genau auf die Backbord-Breitseite der Galeone ausgerichtet. Dennoch traf eine der Kugeln, fegte dicht über das Deck, hieb eine Schneise in die Gestalten der Angreifer und in verschiedene Aufbauten und verschwand dann irgendwo im Achterdeck.

Dennoch gab es keine Verschnaufpause.

Jetzt waren die Arwenacks an der Steuerbordseite wieder an der Reihe, denn „ihre“ Dschunke war aus dem Ruder gelaufen und gab ein hervorragendes Ziel ab. Während die ersten drei Culverinen noch nachgeladen wurden, begannen die anderen wie Ungeheuer zu fauchen.

Innerhalb weniger Sekunden gab es den zweiten Mast der Dschunke nicht mehr. Er kippte nach Steuerbord, zertrümmerte das Schanzkleid und ging schließlich samt Segel und Bambusgerüst über Bord. Außerdem klafften in der Nähe des Hecks zwei schwarze, gezackte Löcher.

Damit war das Schicksal des Piratenseglers besiegelt. Darüber waren sich nicht nur die Seewölfe im klaren, sondern auch die Schnapphähne selbst. Die Dschunke nahm gewaltige Mengen an Wasser auf, an eine Fortsetzung des Angriffs oder gar ein Entern war nicht mehr zu denken. Die Chinesen waren jetzt in der Tat voll mit sich selber beschäftigt. In wilder Panik begannen sie, zwei Boote auszusetzen.

„Endlich haben sie genug“, sagte der Kutscher.

Der Blick des Seewolfs war skeptisch.

„Kann sein“, meinte er, „aber so ganz sicher bin ich mir da noch nicht. Die Dschunke ist zwar verloren, daran gibt es keinen Zweifel, aber ich könnte mir vorstellen, daß sich die Kerle mit ihren Booten an uns heranmachen wollen. Schließlich gibt es noch die zweite Dschunke, von der man sich einige Unterstützung verspricht.“

Der Kutscher kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf.

„Hm“, meinte er. „Möglich ist das schon, wenn man bedenkt, wie fanatisch diese Gelbmänner sind.“

Der Seewolf fuhr fort: „Wir werden unsere derzeitige Position nicht verändern und uns jetzt wieder der zweiten Dschunke widmen.“

Die Arwenacks wußten, wo es lang ging.

Die zweite Dschunke segelte trotz des Treffers rasch heran.

„Sollen wir diese Haie preiswert bedienen, Sir?“ fragte Al Conroy. „Die eine Kugel hat ihnen anscheinend den Appetit nicht verdorben.“

„Sie bemühen sich, uns so wenig wie möglich Zielfläche zu bieten“, sagte der Seewolf. „Ich schlage deshalb vor, daß wir sie wegen der besseren Streuwirkung mit unseren Drehbassen beehren. Und sollten sie noch näher aufsegeln, dann haben wir ja noch einige andere Mittelchen, nicht wahr?“

Die Männer grinsten. Und ob sie die hatten.

Von der ersten Dschunke ging keine Gefahr mehr aus. Sie krängte stark nach Backbord über und würde bald sinken. Ferris Tucker brachte deshalb einen Teil seiner Flaschenbomben auf das Achterdeck.

Auch Big Old Shane und Batuti, der herkulische Gambia-Mann, wußten, was der Seewolf gemeint hatte. Beide begaben sich mit ihren riesigen Langbogen zum Heck.

„Wir sind bereit, Sir“, sagte Batuti. „Sie sind bald in unserer Reichweite, und wir spielen ihnen gerne zum Tänzchen auf.“

„Na los denn“, sagte der Seewolf und gab den Feuerbefehl für die anderen Drehbassen.

Darauf hatten Old Donegal und der Kutscher nur gewartet. Sie brachten die leichten, schwenkbaren Kanonen sofort in die richtige Stellung und zündeten sie.

Im Nu war auch auf der zweiten Dschunke der Teufel los. Etliche Piraten wurden von dem gehackten Eisen der Drehbassen erwischt, andere wurden unter herabstürzenden Teilen der Segel und Bambuslatten begraben.

Trotzdem schien ihr Anführer die Lage rasch wieder in den Griff zu kriegen. Er schien regelrecht davon besessen zu sein, dieses große und sicher recht kostbar beladene Schiff der „fremden Teufel“ zu entern. Immer wieder trieb er seine Kerle mit wütenden Befehlen an.

Der Seewolf warf einen Blick nach Steuerbord, denn dort bahnte sich ein seltsam beklemmendes Schauspiel an. Die zerschossene Dschunke schickte sich an, auf Tiefe zu gehen. Ihr Vorschiff befand sich bereits unter Wasser, der Rest würde in wenigen Augenblicken folgen.

Die Piraten hatten sich in die beiden Boote gezwängt – bis auf jene, die sich an herumtreibenden Wrackteilen festklammerten. Und siehe da, der Seewolf hatte sich nicht getäuscht. Die fanatisierten und beutegierigen Kerle in den Booten dachten nicht an Flucht, sondern pullten mit aller Kraft auf die „Santa Barbara“ zu. Offenbar glaubten sie, die Galeone doch noch mit Unterstützung der zweiten Dschunke in die Zange nehmen und entern zu können.

„Mut haben sie ja“, sagte der Seewolf, „oder besser gesagt: Todesverachtung.“ Er gab Al Conroy einen Wink. Kurz darauf eröffneten Edwin Carberry und Ben Brighton wieder das Feuer aus ihren Drehbassen.

Die Wirkung blieb nicht aus. Eins der Boote wurde zerfetzt – genau in dem Augenblick, in dem die Dschunke mit einem lauten Zischen und Gurgeln in den Fluten versank. Die Piraten im zweiten Boot, das noch etwas weiter entfernt war, schienen nun doch die Flucht vorzuziehen. Jedenfalls drehten sie ab und pullten davon, als seien tausend Teufel hinter ihnen her.

Von dieser Seite drohte keine Gefahr mehr, dafür aber von achtern. Die schon ziemlich lädierte Dschunke war dicht herangesegelt und fiel nun ab, um der „Santa Barbara“ ihre Breitseite zu präsentieren.

Batuti und Big Old Shane griffen zu den Pfeilen.

„Sie sind in unserer Reichweite“, sagte der grauhaarige ehemalige Schmied der Feste Arwenack.

Der Seewolf nickte.

„Gut so. Ihr könnt loslegen.“

Die beiden Bogenschützen, die im Umgang mit ihren Langbogen geradezu unheimliche Fertigkeiten erlangt hatten, grinsten. Mit geübten Griffen drückten sie die Spitzen ihrer Pulverpfeile in die glühende Holzkohle, die für sie sowie für alle Geschütze in kleinen Becken bereitstand. Dann bliesen sie kurz darauf und spannten ihre Bogen.

Sekunden später zischten die Pfeile von den Sehnen und begannen durch den Luftzug verstärkt zu glimmen. Fast gleichzeitig bohrten sich die lautlosen Geschosse in das noch verbliebene Segel der Piratendschunke.

Bis jetzt hatte das die Chinesen wenig beeindruckt. Pfeile hatten sie schließlich selber, und sie hätten auch ihrerseits Brandpfeile eingesetzt, wenn sie nicht vorgehabt hätten, das große Schiff zu entern. Eine brennende Beute würde ihnen jedoch das Geschäft verderben.

Als aber die Pulverladungen der beiden Pfeile mit lautem Krachen explodierten, ruckten ihre Blicke nach oben. Und da erkannten sie die Bescherung: Die Mattensegel waren weitgehend zerfetzt worden und begannen sofort zu brennen. Das Material, aus dem sie bestanden, war genau die richtige Nahrung für das Feuer, das mit rasender Geschwindigkeit um sich griff.

Kaum hatten sie jedoch begriffen, was geschehen war, da zischten bereits zwei weitere Pulverpfeile von dem fremden Schiff herüber und setzten das bereits begonnene Werk fort.

Rasch um sich greifendes Feuer an Bord – davor hatten selbst abgebrühte Piraten höllischen Respekt. Und da im Handumdrehen die gesamte Takelage in lodernden Flammen stand, war es kein Wunder, daß urplötzlich ein Durcheinander auf der Dschunke herrschte.

Die Schnapphähne schienen zunächst ratlos zu sein. Überall Gebrüll, Hektik und Panik. Mit Pützen wurde Wasser an Bord geholt, aber da die Hauptbrandherde noch hoch über dem Deck lagen, war damit nicht viel auszurichten. Innerhalb kürzester Zeit lief die Dschunke aus dem Ruder – und das, nachdem sie der „Santa Barbara“ schon ziemlich dicht aufgesegelt war.

Aber es sollte den Chinesen noch Schlimmeres bevorstehen.

Ferris Tucker trat an die Heckbalustrade der „Santa Barbara“ und entzündete die Lunte einer selbstkonstruierten Flaschenbombe. Dann holte er weit aus und schleuderte das Geschoß, in dem einst hervorragender spanischer Rotwein abgefüllt war, kraftvoll und in hohem Bogen auf die Dschunke hinüber.

Die Explosion, die dann folgte, ließ die Piraten ihre Gier nach Beute völlig vergessen. Der gefährliche Inhalt der Flasche stob mit ungeheurer Wucht in alle Richtungen auseinander und verwüstete nicht nur das Deck, sondern sorgte auch bei den Piraten für erhebliche Verluste.

Hinzu kamen zwei weitere Drehbassenschüsse, die Old Donegal und der Kutscher abfeuerten, und diese gaben der kleinen Dschunke gewissermaßen den Rest. Bald glich das jetzt steuerlos treibende Wrack einer brennenden Fackel. Den Schnapphähnen blieb nur noch der Weg über Bord.

In fieberhafter Eile brachten sie ihre Boote zu Wasser oder sprangen gleich über Bord. Sie wollten jetzt möglichst weit weg von ihrem Schiff, denn das Feuer würde irgendwann auch die Pulvervorräte erreichen, und dann würde erst richtig die Hölle losbrechen.

„Na also“, sagte Ferris Tucker, „jetzt scheinen sie die Nasen wirklich voll zu haben. Verrückt, daß manche Beutelschneider ihr Spiel immer erst auf die Spitze treiben müssen.“

Der Seewolf ließ sofort die Segel nachtrimmen, um die „Santa Barbara“ auf volle Fahrt zu bringen, denn wenn die brennende Dschunke in die Luft flog, war auch sein Schiff gefährdet.

Für die Arwenacks war der Fall damit erledigt. Die Chinesen waren jetzt voll mit sich selber beschäftigt. Der Appetit auf Beute war ihnen vergangen, sie hatten mit dem Feuer gespielt und sich kräftig die Finger verbrannt.

Die Seewölfe waren sich darüber im klaren, daß es sich nur um ziemlich kleine Dschunken gehandelt hatte. Mit größeren und besser armierten Schiffen, deren Mannschaften es wahrscheinlich besser verstanden hätten, mit Pulvergeschossen umzugehen, hätten sie weit größere Mühe gehabt.

Die „Santa Barbara“ ging auf ihren ursprünglichen Kurs. Die gußeisernen Geschützrohre wurden gereinigt und die Spuren des Gefechts beseitigt. Lediglich die Drehbassen sollten laut Anordnung Philip Hasard Killigrews noch eine Weile besetzt bleiben, weil man in dieser Gegend nie so recht wußte, wann die nächsten Schnapphähne auftauchten. Gerade die großen Schiffe der „fremden Teufel“, wie die Chinesen die Europäer oft zu bezeichnen pflegten, waren besonders begehrte Objekte, weil es dort in der Regel weit mehr zu holen gab als auf ärmlichen Fischerdschunken.

Carberry, der seine Drehbasse an Luke Morgan übergeben hatte, rieb sich zufrieden das stoppelbärtige Kinn.

„Diesen Rübenschweinen haben wir wirklich gründlich die Zöpfe abgeschnitten“, meinte er. „Ich laß mir von denen doch nicht die Hose wegnehmen, ohne mich zu wehren!“

Über das verwitterte Gesicht Old Donegals huschte ein Grinsen.

„Glaubst du wirklich, daß die Gelbmäuler auf diesen zerknautschten Fetzen wild waren?“

Der Kutscher fügte hinzu: „Warum eigentlich nicht? Schließlich hätte die ganze Dschunkenbesatzung darin Platz gehabt.“

Die Arwenacks lachten, zumal der Profos damit drohte, dem alten O’Flynn das Holzbein abzuschnallen und es als Brennholz zu benutzen. So langsam kehrte wieder Ruhe an Bord der „Santa Barbara“ ein – bis die Stimme Philip juniors über die Decks tönte.

„Backbord voraus treibt jemand auf einer Gräting!“

Die Männer blickten sofort in die genannte Richtung. Zahlreiche Trümmerstücke der gesunkenen ersten Dschunke trieben dort noch im Wasser.

Tatsächlich – eine kleine, schmale Gestalt hatte sich auf eine Gräting gezogen und hielt sich krampfhaft daran fest.

„Da hat doch einer dieser plattfüßigen Heringe den Anschluß verpaßt“, sagte Carberry und deutete auf das Boot mit den flüchtenden Piraten, das sich schon ein ziemliches Stück entfernt hatte, weil die Kerle wie die Teufel pullten.

„Das ist kein Mann“, sagte Dan O’Flynn. „Wenn ich mich nicht täusche, ist es eine Frau.“

„Sehr geistreich“, erwiderte sein Alter. „Wenn es kein Mann ist, muß es ja wohl ein Weibsbild sein. Vielleicht ist es eine Windbraut!“

Der Seewolf hob das Spektiv ans Auge.

„Dan scheint recht zu haben“, sagte er nach wenigen Augenblicken. „Außerdem scheint die Gestalt völlig entkräftet zu sein. Wenn wir ein Tau runterlassen, wird das nicht viel helfen. Am besten, wir fieren ein Boot ab und holen sie erst mal an Bord.“

Das war für die Mannen auf der „Santa Barbara“ eine Selbstverständlichkeit. Eine Frau hilflos im Wasser treiben zu lassen, gehörte wahrlich nicht zu ihren Gewohnheiten.

Nachdem sie das Boot abgefiert hatten, wurde es mit Dan O’Flynn, Philip junior, Bill und Carberry bemannt. Die Männer stießen sich mit den Riemen von der Bordwand der „Santa Barbara“ ab und erreichten bald darauf die treibende Gräting mit ihrer menschlichen Fracht.

„Das ist ja wirklich ein Weibsbild, und ein verdammt junges sogar!“ sagte der Profos verblüfft. „Bei des Teufels Großmutter – hatten die Schnapphähne denn Weiber an Bord, was, wie?“

Die Männer zuckten mit den Schultern.

„Das kann uns die Lady vielleicht selber sagen“, meinte Dan. „Aber zunächst wollen wir sie mal aus dem Wasser fischen.“

Das war für die Arwenacks kein Problem. Mit einem Bootshaken wurde die Gräting herangeholt und die triefend nasse Gestalt, die ihnen eine schmale, zitternde Hand entgegenstreckte, ins Boot gezogen.

Es handelte sich in der Tat um ein ziemlich junges Mädchen. Die Arwenacks schätzten es auf höchstens fünfzehn oder sechzehn Jahre. Sie war schlank, hatte schulterlange, pechschwarze Haare, die ihr jetzt naß am Kopf klebten, und dunkle Mandelaugen. Und sie war in ein langes, helles Gewand gekleidet, das ihren Körper in der Nässe eng umschloß.

„Wie heißt du?“ fragte Philip junior.

Zunächst sah ihn das Mädchen schweigend an. Es wirkte ängstlich und eingeschüchtert.

„Na, wie heißt du?“ wiederholte Philip in seinem bruchstückhaften Chinesisch, das er von Siri-Tong gelernt hatte.

Und siehe da – die Kleine lächelte, als sich die Blicke ihrer hübschen Mandelaugen auf das braungebrannte Gesicht Philips hefteten.

„Ching Yih“, sagte sie schließlich mit leiser Stimme, und sie fügte noch ein weiteres Wort hinzu, das Philip mit „Danke“ übersetzte.

Carberry räusperte sich.

„Zum Turteln ist jetzt keine Zeit“, entschied er. „Die kleine Lady ist naß wie eine Bilgenratte. Sie braucht trockene Kleider und einen kräftigen Happen zwischen die Zähne, auch wenn’s vielleicht eine Piratenbraut ist.“

Mit einer Behutsamkeit, die man diesen rauhen Männern gar nicht zugetraut hätte, wurde Ching Yih an Bord der „Santa Barbara“ gebracht – just in dem Augenblick, als die immer noch lichterloh brennende zweite Dschunke mit einer heftigen Explosion in tausend Stücke gerissen wurde.

Die Arwenacks zogen instinktiv die Köpfe ein, um nicht von umherfliegenden Trümmern getroffen zu werden. Doch die Galeone hatte sich schon weit genug von der Piratendschunke entfernt, so daß keine unmittelbare Gefahr mehr bestand.

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