Kitabı oku: «Der Junge mit dem Feueramulett: Die Höhle der Drachen»

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Frank Pfeifer

Der Junge mit dem Feueramulett: Die Höhle der Drachen

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Karte

Titel

Was bisher geschah

Zurück in der Alten Stadt

Jenseits des Dunklen Waldes

Feuer und Wasser

Die Verschwörung

Drachenzeit

Die Schlacht

Epilog

Impressum neobooks

Karte


Titel

Frank Pfeifer


Was bisher geschah

Kard, ein sechzehnjähriger Waisenjunge, lebt in dem mittelalterlichen Reich Haragor, das von dem Tyrannen Flanakan zusammen mit der blutrünstigen Priesterin Tsarr regiert wird. Er hat eine besondere Beziehung zu dem Element Feuer, das ihn nicht verletzen kann und so schickt ihn sein Ziehvater und Halbriese Wallas, bei dem er eine Lehre als Schmied absolviert, auf eine abenteuerliche Reise. Zusammen mit seinem treuen Freund Madad, einem sprechenden Hund, begibt sich Kard zum heiligen Vulkan Branubrabat, um ein von ihm geschmiedetes Minas-Schwert zu weihen. Damit hätte der Widerstand um den Torak Wallas eine mächtige Waffe, um sich gegen die unerträgliche Unterdrückung zur Wehr setzen zu können. Kard und Madad müssen viele Abenteuer bestehen, lernen viele Freunde kennen und Kard verliert sein Herz an Kyra, einem Straßenmädchen aus der Alten Stadt. Doch das Vorhaben des Widerstands ist nicht unbemerkt geblieben. Flanakan schickt den unbarmherzigen Laoch aus, um Kard zu töten und die magische Waffe an sich zu bringen Kard gelingt das Unmögliche - mit bloßen Händen taucht er das Minas-Schwert in die glühende Lava des heiligen Vulkans. Das magische Schwert ist nun eine mächtige Waffe und die ganze Hoffnung des Widerstands. Und der steht nun auch zusammen mit Wallas an seiner Seite, denn Laoch greift mit einem Heer von Wachen und einem mächtigen, magischen Ogul an. Zwar gelingt es letztendlich durch eine List, Laoch zu töten und den Sieg davonzutragen, aber in der Schlacht wurde auch Wallas getötet. Kard, für den das Schwert nun Tod und Leid bedeutet, beschließt, die Waffe in der Lava des heiligen Vulkans zu vernichten. Er ist nun völlig auf sich allein gestellt und sieht keinen Sinn mehr in seinem Leben.

Doch dann lernt er Benji kennen, der im gleichen Waisenhaus lebt, in dem Kard aufgewachsen ist. Dort stoßen sie in einem Buch auf ein Rätsel, das Kard Hoffnung macht herauszufinden, wer seine Eltern waren. Um das Rätsel zu lösen, müssen sie ins ferne Erzgebirge zu den Alchemisten, um den ominösen Tempel der Sieben zu finden. Kard beginnt dann dort nicht nur eine Ausbildung zum Alchemisten, sondern gewinnt letztendlich sogar den jährlichen Wettbewerb. Und tatsächlich gelangen sie so im Tal der Feuer-Alchemisten zu dem Tempel - um dort mit einem weiteren Rätsel konfrontiert zu werden.

Kard erfährt, dass der Tempel der Sieben zu einer Sekte gehört, die den Goibratu huldigt. Ein Wesen, das die Gegensätze von Branu und Goiba, den beiden Hauptgöttern in Haragor, vereinigen kann. Ist am Ende er selbst der Auserwählte?

Aber als er seinen alten Freund Gsark als Sklave in einer Schwefelmine entdeckt, startet er eine Befreiungsaktion. Dank seiner Feuer-Magie, den Künsten der Alchemisten und mit Hilfe seiner Freunde Benji, den Toraks Zaza und Glast und Madad gelingt das waghalsige Vorhaben. Nun müssen sie das Erzgebirge verlassen. Ihr Ziel ist die Alte Stadt, um das Rätsel des Goibratus zu lösen.

Zurück in der Alten Stadt

Schon als Kard und seine Freunde die ersten Ausläufer der Alten Stadt erreichten, hatte er das Gefühl, dass diese quirlige Metropole sich verändert hatte. Worauf dieses Gefühl gründete, konnte er vorerst nicht sagen. In den Ruinen der Randbezirke standen die Wesen wie gehabt vor brennenden Feuern, den Kopf unter dunklen Kapuzen versteckt. Man beachtete die Reisenden nicht. Ein paar Wesen, die einen der vielen Wege in diese Stadt genommen hatten, wahrscheinlich um ihr Glück zu suchen und ihr Unglück zu finden. Tätowierte Torakfrauen wurden hier genauso wenig beachtet wie sprechende Hunde. Obwohl. Einen sprechenden Hund konnte man verkaufen. Alles, was man zu Argits machen konnte, erhielt entsprechende Aufmerksamkeit. Aber sonst? Die zwei Halbwüchsigen und der Torak, die den Rest der Gruppe ausmachten, sahen nicht so aus, als ob fette Lederbeutel mit Goldmünzen unter ihren zerrissenen Jacken warteten. Und wie die schlotterten. Der Winter machte sich eindeutig bemerkbar. An diesem Morgen waren die Pfützen in den Schlaglöchern zum ersten Mal gefroren gewesen. Und jetzt am Abend waren sie immer noch nicht aufgetaut.

Nach der Befreiung der Sklaven aus den Schwefelminen hatte sich Glast den Freunden angeschlossen. Der Torak hatte Verwandte in der Stadt. Und er traute sich nicht zurück nach Conchar. Sein altes Brillengeschäft hatte die Oberste Verwaltung sicherlich jemand anderem übereignet, wahrscheinlich einem Menschen. Harry Stamper hatte die letzten drei Sprengstoffstangen genommen, um damit eines Tages fischen zu gehen. Aber jetzt im Winter wollte er lieber bei Frau und Kinder in der warmen Stube sitzen und von seinen Abenteuern erzählen. Er war zwar diesmal nicht bis in das wunderbare Conchar gekommen, aber wer hätte gedacht, dass man direkt vor der Haustür, im Erzgebirge, so viele Abenteuer erleben kann? Der Abschied von ihrem Wegbegleiter hatte sie alle traurig gestimmt. Immerhin hatten sie ihm die zündende Idee mit den Sprengstoffstangen zu verdanken. Ohne diese Erfindung wäre die Befreiung der Sklaven im Schwefeltal kaum möglich gewesen.

Benji hatte gezögert, den Weg weiterhin gemeinsam mit Kard und Madad fortzusetzen. Einerseits wollte er unbedingt dabei sein, wenn das letzte Rätsel gelöst wurde, andererseits fühlte er sich bei den Alchemisten zum ersten Mal in seinem Leben so richtig anerkannt. Nur Bücher hatten sie keine. Aber die konnte man ja schreiben. N’gar hatte nichts dagegen gehabt, als Benji danach gefragt hatte. Aber ins Erzgebirge würde er auch später noch zurückkehren können. Und so war er mit ihnen gezogen.

Und Zaza hatte genug vom Alchemistenleben. Kacke, hatte sie gesagt, die Welt ist groß und ich muss mal schauen, was es noch so zu entdecken gibt.

Gsark und Klaus hatten sich auf den Weg zurück in die Hauptstadt gemacht. Um dort mit anderen Menschen und Toraks den Widerstand gegen Flanakan zu organisieren. Flugblätter waren nicht mehr genug, so viel war klar.

Der Falke, dessen Flügel nun wieder verheilt war, war immer länger weggeblieben. Alle paar Tage tauchte er plötzlich wieder auf, setzte sich kurz auf Kards Schulter, so als ob er sich vergewissern wollte, dass alles in Ordnung war. Dann verschwand er mit einem hellen Schrei wieder in den Wolken.

Und wo Kard war, da war auch Madad. Der Cu folgte seinem Freund überall hin. Selbst in diese stinkende Alte Stadt. Was Kard nur äußerst schwach wahrnahm, war für die beste Spürnase Haragors eine ziemliche Herausforderung.

»Puh, Schneckenschleimmoder.«

»Kacke, Madad, bist du ein Cu oder eine Miezekatze?«

»Eine Miezekatze, Zaza. Wenn du meine Nase hättest, dann würdest du nicht so große Töne spucken.«

»Ist es sehr schlimm?« Glast war ganz besorgt. »Ich hätte auch gerne mal so eine feine Nase. Das muss doch interessant sein. Und du hast wirklich die beste Nase von ganz Haragor?«

»Jetzt gerade nicht, Glast. Aber du hast im Prinzip recht. Oh, ich glaube da vorne rieche ich eine Hütehundfrau. Bin gleich wieder da.«

»Und Glast? Willst du auch Hütehunde erschnuppern? Du wärst sicherlich der erste Torak, der zu so etwas fähig wäre.«

»Meinst du? Der erste Torak? Hier in der Alten Stadt? Oder in ganz Haragor?«

»In ganz Haragor, Kacke.«

»Das glaube ich nicht. Ich habe da Sachen gelesen, das wollt ihr gar nicht wissen.«

»Benji schon wieder. Gibt es irgendwas, was du nicht in Büchern gelesen hast?«

Benji schaute Kard beleidigt an. »Ohne mein Bücherwissen wären wir gar nicht hier, du Feuer… Feuer… Feuerwerfer.«

Kard hob abwehrend die Hände nach oben und lachte.

»Hast ja recht, Benji. Du bist der Codeknacker hier. Aber für heute Nacht brauchen wir erstmal ein Dach über den Kopf. Also, Glast, wo wohnt deine Verwandtschaft?«

»Nicht weit weg von der Großen Allee. Im Viertel der Glasbläser und Lampenbauer. Scherbenbruchgasse 7.«

»Na dann, worauf warten wir noch?«

*

Ungläubig starrte Tsarr auf die Mini-Obsidiankugel, die nach dem gerade geführten Gespräch noch etwas glimmte. War sie denn von Idioten umzingelt? Erst dieser unfähige Laoch. Und jetzt versagte sogar der Vampyr? Er habe diesen Jungen bis ins Erzgebirge verfolgt, hätte aber seine Spur verloren, nachdem er von einem Alchemistengeschoss verletzt worden war. Was interessierte sie die Verletzungen dieser Kreatur? Die Begegnung mit dem Felsenwurm habe der Junge unerwartet überlebt. Unerwartet? Dieses Wort gab es im Wortschatz von Tsarr nicht. Und jetzt sei er in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus dem Erzgebirge verschwunden. Selbst die Krähen hatten nichts mitbekommen.

»Auch die Krähen nicht?«, hatte sie gefragt.

»Sie haben mir nichts berichtet«, versicherte der Vampyr.

»Und die Fledermäuse?«

Da hatte der Vampyr erst geschwiegen. Und dann kleinlaut zugegeben, dass er sie nicht beauftragt hatte. So ein Idiot! Krähen waren gute Spione für die Überwachung bei Tageslicht. Aber nachts saßen sie natürlich in ihren Schlafbäumen und träumten von leckeren Kadavern.

Doch die Fledermäuse waren auch Geschöpfe Goibas und dienstbare Gesellen. Gerade ein Vampyr sollte das wissen. Bei Goiba, Tod und Kälte, musste sie denn alles selbst machen? Wofür hatte sie denn ihre Gefolgsleute?

Und dann noch dieses graue Haar. Das graue Haar war eigentlich das Schlimmste. Schlimmer noch als dieser Junge und schlimmer noch als alle unfähigen Idioten zusammen. Denn es zeigte Tsarr, dass ihr Bund mit Goiba gegen die Zeit und gegen das Altern brüchig wurde. Auch Magie hatte ihre Grenzen.

Allerdings…

Auch wenn sie eine mächtige Goiba-Priesterin war, musste sie doch zugeben, dass die Sphäre ihrer Göttin weniger das Leben, sondern eher der Tod war. Den Tod hinauszuzögern, das war ihr, der Priesterin, möglich. Aber das Leben verlängern…

Das Leben war die Sphäre des Schöpfergottes. Des verhassten Branus. Und wenn jemand ein Mittel gegen ihre grauen Haare hatte, dann er. Und wenn sie den Tod aufhalten wollte, dann würde sie sich wohl an die andere Seite wenden müssen. Das schmeckte der Obersten Priesterin von Goiba nicht. Aber ein falsches Spiel war genau nach ihrem Geschmack.

Sie packte das Haar an der Wurzel und riss es mit einem Ruck heraus. Sie betrachtete diesen Beweis ihrer Sterblichkeit und ging damit zum Tor des Tempels. Draußen leuchteten die Sterne. Versuchten sich krampfhaft gegen die ewige Schwärze zu behaupten. Wer regiert die Nacht, ihr Idioten? Ihr schaut in den Himmel und seht diese winzigen hellen Punkte. Aber was ihr nicht seht, ist die Schwärze, die alles umgibt. Goiba für immer. Nun ja, und wenn es ›Tsarr für immer‹ heißen soll, dann musste sie ein wenig tricksen. Sie lächelte müde. Überall Stümper und Unfähige. Alles musste sie selbst machen.

Ihre Lippen begannen Worte zu formulieren, Laute, die niemand verstehen konnte, der die schwarze Magie Goibas nicht kannte. Ab und zu ein heller, spitzer Schrei. Es dauerte eine Weile. Noch mehr Schwachsinnige, dachte die Große Priesterin. Doch dann kam eine. Eine kleine Fledermaus. Und lauschte dem Auftrag der großen Tsarr.

Das graue Haar hatte Tsarr achtlos fallen lassen. Sollten es doch die Ratten fressen.

*

Der Schatten war ganz zufrieden mit seinem Werk in der Alten Stadt. Hier, wohin alle kamen, um ihr Glück zu finden, war es leicht, jemanden zu benennen, der für das Unglück verantwortlich war. Denn sobald man mit leeren Taschen aus dem Spielcasino kam, musste ein Schuldiger gefunden werden. Eben noch hatte man das besten Kartenblatt aller Zeiten auf der Hand gehabt und doch hatte der Nebenmann unglaublicherweise doch noch das Kreuz-Ass. Sieben Mal hatte man hintereinander beim Würfeln gewonnen und beim achten Mal alles verloren. Der Kampffisch, der bis eben noch alle Konkurrenten in Fetzen gerissen hatte und auf den man alle seine Argits gesetzt hatte, hatte eine Kolik bekommen und schwamm kurze Zeit später mit dem Bauch nach oben in der Wasserarena. Ganz abgesehen davon, dass man gerade die beste Boker-Grimasse aller Zeiten gezogen und trotzdem von dem Leibwächter des dicken Mitspielers eines auf die Zwölf bekommen hatte.

Das Leben war ungerecht und Schuld waren die anderen. Die Menschen. Die Toraks. Die Wahter. Die Frauen. Die Männer. Die Schwarzen. Die Weißen. Der Schatten sorgte dafür, dass jeder jemanden hatte, auf den er mit dem Finger zeigen konnte.

Leider hatte sich diese Mechanik in der Alten Stadt etwas verselbständigt. Und manche zeigten mit dem Finger auf die Wachen. Auf die Schergen. Auf Flanakan und Tsarr. So war das nicht gedacht gewesen. Aber jetzt war die Katze aus dem Sack. Schöner Scheibenkleister.

*

»Gibt es keinen anderen Weg?«

Kard und seine Freunde hatten die Große Allee erreicht. Die hell beleuchtete Straße stand in einem ausgesprochenen Gegensatz zu den dunklen und verfallen Randbezirken der Stadt. Die Häuser hatte feste Mauern und hatten zum Teil drei Stockwerke, man kam sich vor, als ob man sich in einer bunten Gebirgsschlucht bewegen würde. Viele Geschäfte hatten Fenster aus teurem Glas, in denen Glühwürmchen die Auslage beleuchteten. Von Besteckmessern mit Horngriffen über Schalen aus buntem Porzellan bis hin zu Stiefeln, die mit Faolsfell gefüttert waren, gab es alles, was man mit Argits kaufen konnte. Kard staunte, diese Vielfalt konnte es ohne Mühe mit dem Angebot des Marktes in Conchar aufnehmen. Auf der gepflasterten Straße liefen so viele Wesen umher, dass Kard sich wunderte, dass sie nicht zusammenstießen. Und alle hatten sich in ihren feinsten Zwirn gehüllt, schauten nicht nach links und rechts und schienen ein unbekanntes Ziel anzusteuern.

Vor ihnen hatten sich mehrere dunkel gekleidete Toraks versammelt. In ihren Händen hielten sie Plakate, auf denen Parolen zu lesen waren wie ›Keine Vorrechte für Menschen‹ oder ›Wir Toraks sind das Volk‹. Wer kein Plakat in den Händen hielt, hatte seine Finger um ein Schlagholz gelegt. Nur wenige Cas weiter befand sich eine dunkle Menschentraube, die mehr oder weniger die gleichen Plakate in die Höhe reckte. ›Auf jeden Fall - Toraks in den Stall‹ und ›Menschen zuerst‹. Von seiner Position aus konnte Kard ab und zu das Blitzen von Metall in dieser dunklen Masse wahrnehmen. Gegen die Muskelberge, die ihnen gegenüberstanden, hatte man wohl nicht nur Knüppel mitgenommen.

Eine Patrouille Wachen kam aus einer der Seitengassen und marschierte zwischen die beiden Parteien auf die Straße.

Die werden jetzt hier für Ordnung sorgen, dachte Kard. In Conchar verursachte die Präsenz der Uniformierten automatisch die Auflösung von Wesensansammlungen von mehr als zwei Personen. Sehr gut, dann wäre der Weg frei und sie könnten ungehindert den Weg zu Glasts Familie fortsetzen.

Aber die Wachen marschierten einfach über die Große Allee, ohne sich um das Geschehen dort zu kümmern.

Verdutzt schaute Kard zu Benji und Zaza, die neben ihm standen, aber sie sahen genauso ratlos wie er aus.

»Wieso machen die nichts?«

»Weeer, die Waaaachen?« Die Stimme war dunkel und grollend und schien aus Benjis Kniekehlen zu kommen. Es war ein Wahter. Kard, der aus seiner Zeit bei den kleinen Waldwesen noch ein paar Brocken Wahtisch sprach, grüßte das pelzige Wesen in dessen Sprache. Der Wahter wurde ganz gesprächig, als er das Geschnatter und Gebrumme seines Volkes vernahm. Zum Glück konnte er auch Haragorisch.

»Sind froooh, nicht selbst waaas auf die Mütze zu bekoooommen!«

»Wer? Die Wachen?« Kard schaute den Kleinen ungläubig an. Die Wachen sind froh, wenn sie keinen Ärger bekommen? Dabei waren es doch die Wachen, die immer Ärger machten, weil sie ja wussten, dass sie das letzte Wort haben würden.

»Ja, die Waaaachen. Wenn die jetzt dazwischen gehen, dann verbüüünden sich am Ende noooch Toooraks und Menschen gegen sie.«

Die langgezogenen dunklen Vokale klangen wie das Blöken eines Schafsbocks und Kard sah Madad an, dass sich der Cu ganz wörtlich auf die Zunge biss, um nicht gleich loszulachen.

»Du meinst…?« Kard schaute auf die beiden Gruppierungen, in die eine gewisse Unruhe gekommen war, nachdem die Wachen die Straße überquert hatten. »Aber die würden sich doch nie gegen die Wachen zusammenschließen. Schau doch mal hin. Die werden sich gleich gegenseitig aufmischen.«

»Daaas täuscht. In letzter Zeit haaaben die Waaaachen ganz schön einstecken müssen.«

In diesem Moment tauchte ein einzelner Uniformierter auf, der seinem Trupp hinterherstolperte. Der Mensch zog dabei an seiner Hose, offensichtlich hatte er eben schnell ein kleines Geschäft erledigen müssen und rannte seinen Leuten nun hinterher. Mitten auf der Allee wurde ihm plötzlich bewusst, wo er war. Er hob den Kopf, sah nach links und rechts und fing dann an zu rennen, als sei ein Ogul hinter ihm her. Dabei musste er mit einer Hand seine Hose festhalten, damit sie ihm nicht in die Knie rutschte. Mit der anderen Hand hielt er seinen Helm fest, der ihm bei seinem Spurt wohl sonst vom Kopf geflogen wäre. Dieser Anblick belustigte Menschen und Toraks, beide fingen an zu lachen. Und damit löste sich auch die Spannung, die bisher in der Luft gelegen hatte. Mit dem Anblick des fliehenden Uniformierten verflog die Lust der Meute, sich gegenseitig die Leviten zu lesen. Erleichtert sah Kard, dass sich die Gruppierungen auflösten und Menschen und Toraks mit dem wabernden Fluss der Leiber, der über die Große Allee zog, verschmolzen.

»Kacke, das hätte ins Auge gehen können.«

»Ich geh jetzt mal als Erster auf die andere Straßenseite.«

Glast schaute vorsichtig nach links und rechts, ob die Luft auch wirklich rein war, dann stiefelt er voran.

Kard und die anderen folgten dem Torak, der sich geschickt durch den Wesensstrom geschlängelt hatte und sich nun auf der anderen Seite suchend umschaute.

»Ah, da drüben. Das ist der Glaspfeifengeschäft. Keine Ahnung, wer so etwas braucht, aber ich finde, der Glasbläser ist ein echter Künstler. Schaut doch mal. Wie findet ihr die?« Glast zeigte auf die Schaufensterauslage, in der bunte, bauchige Glasflaschen standen, die Kard an die Utensilien der Alchemisten erinnerten.

»Schöne Farben. Gefällt mir.« Zaza nickte Glast anerkennend zu.

»Hier müssen wir rein. Ein paar Ecken weiter ist die Scherbenbruchgasse.«

»Glasti, bist du das?«

»Tante Berta. Ja, ich bin es.«

»Gsappa, rate mal, wer das ist. Glasti, unser Neffe aus Conchar. So eine schöne Überraschung. Warum hast du denn keinen Telegrammfalken geschickt?«

Tante Berta war eine imposante Erscheinung. Normale Toraks erscheinen einem Menschen ja schon ziemlich groß. Aber Tante Berta war nicht nur groß, sie war auch ganz schön breit. Ihre geblümte Schürze erinnerte Kard an einen Duschvorhang, den man als Kleidungsstück umgearbeitet hatte. Von drinnen hörte man schrille Gitarren-Akkorde.

»Jetzt leg doch mal das Ding weg, Gsappa. Glasti ist da.« Vertrauensvoll wandte sie sich an ihren Neffen und kniff ihm in die Backe. »Dein Onkel hat bald einen Auftritt mit dem Barden Weiße Schlange. So ein Konzert gegen die Ungerechtigkeit der Welt. Ich sage ja immer, misch dich nicht ein, aber dein Onkel kann es ja nicht sein lassen.«

Inzwischen hörte man es im Hintergrund poltern, dann schob ein nicht weniger stattlicher Torak Tante Berta zur Seite. Lange Haare, imposanter Schnauzer und eine Latzhose wie ein Alchemist.

»Glasti, so eine schöne Überraschung. Wieso hast du denn keinen Telegrammfalken geschickt?«

»Ja, Onkel Gsappa, das ist eine etwas längere Geschichte. Erst mal will ich euch meine Freunde vorstellen.«

Kard, Benji und Zaza wurden nach vorne geschoben und mussten die gewaltigen Pranken der Gsappas, denn der Familienname war ebenfalls Gsappa, schütteln.

»Und ich bin, glaube ich, der erste Torak, der so ein Wesen kennt. Das ist ein Cu.«

»Wau.« Madad verdrehte die Augen.

»Oh, echt? Ein Cu? Und der kann sprechen?«

»Wau, wau.«

»Komm Madad, sag mal was.«

Madad liebte es zwar, im Mittelpunkt zu stehen. Aber von Glast hier als exotische Sensation präsentiert zu werden, schmeckte ihm dann doch nicht.

»Wau, wau, wau.«

»Jetzt komm, Madad. Tu doch nicht so.«

»Und der kleine Glasti macht uns dann einen Handstand vor?«

»Schaut. Habe ich es euch nicht gesagt. Der kann sprechen.«

»Und wo bleibt dein Handstand?«

»Jetzt kommt halt erstmal rein. Toll, Glasti, ein Cu. Du bist mir ja einer.«

Tante Berta gab den Weg frei und die Freunde folgten ihr ins Innere des Hauses. Wie immer im Haus eines Toraks kam sich Kard wie ein dreijähriges Kind vor. Diese riesigen Stühle und alles hing so weit oben. »Schoff oder Tee?«

»Für mich bitte Schoff in einer Schale.«

»Der Cu trinkt sogar Schoff. Wenn ich das meinen Jungs in der geheimen Widerstandsgruppe erzähle! Das glaubt mir doch keiner. Ich gehe noch ein bisschen üben. Macht es euch gemütlich.«

Gsappa griff sich seine riesige Gitarre und kurz darauf hörte man, wie er im Nebenzimmer dem Instrument die seltsamsten Geräusche entlockte.

»Geheime Widerstandsgruppe?«

Habe ich das gerade richtig gehört?

Kard sah Tante Berta fragend an. Wieso posaunte Onkel Gsappa das so lautstark hinaus?

»Ach, Kard war dein Name, oder? Ist doch so schlimm geworden in letzter Zeit. Erst die Wachen, dann die Menschen. Jetzt ist jeder in einer geheimen Widerstandsgruppe. Morgen ist wieder ein Treffen bei diesem Tsarkoik. Der nimmt die Sache viel zu ernst, wenn ihr meine Meinung wissen wollt. Kann man ja doch nichts machen, gegen diesen Flanakan. Was die sich alle einbilden.«

Kard und Madad schauten sich an. Das ist interessant. Da würden sie ihrem alten Freund Tsarkoik mal einen Besuch abstatten.

»Kacke, mit Flanakan wird unser Kard auch noch fertig, oder?«

Tante Berta schaute Zaza missbilligend an.

»Mal nicht so große Töne gespuckt, junges Mädchen. Wenn unser Herrscher will, dann ist der Spaß mit dem Widerstand aber schnell zu Ende.«

»Nein, nein, liebe Frau. Sie hätten unseren Kard mal sehen sollen. Der hat eine ganze Spezialeinheit aufgemischt.«

»Wir. Zaza. Wir haben das gemacht. Alle zusammen.«

»Moment mal. Bist du der…« Tante Berta schaute Kard ungläubig an.

»Heute Morgen auf dem Markt hat mir einer erzählt, er wäre aus den Schwefelminen geflohen. Und dass ein großer Magier sie befreit habe. Das bist aber nicht du, oder?«

Kard lächelte verkrampft und versuchte wie eine Schildkröte seinen Kopf zwischen den Schultern zu verstecken.

Nein, ich bin kein großer Magier.

»Doch, Tante Berta. Das ist der Kard gewesen. Ein ganz, ganz großer Magier. Ich war dabei.«

»Du?«

»Ja, Tante Berta. Ich war…« Glast musste kurz überlegen, was er sagen wollte. »Ich bin der erste Torak, der die Schwefelminen überlebt hat.«

»Der erste… Gsappa, kommst du nochmal?«

Das unmelodiöse Geschrammel im Nebenzimmer verstummte.

»Was denn, Berta?«

»Glast. Dein Neffe. Er war in den Schwefelminen.«

»Wirklich?«

Glast nickte heftig.

»Wahnsinn. Und du lebst noch?«

»Ja, Gsappa, das siehst du doch. Ist es denn nicht viel interessanter, wie unser Neffe dort hingekommen ist.«

Onkel Gsappa zuckte uninteressiert mit den Schultern. »Ach, Berta, heutzutage landet man in den Schwefelminen, wenn man falsch gefurzt hat. Oder, Glast? Was sagst du?«

»Genau, Onkel Gsappa. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wieso ich in den Schwefelminen gelandet bin.«

»Bist immerhin der erste unserer Familie, der da war.«

»Oh, das finde ich gut.«

»Aber was macht dann mein Bruder?«

Plötzlich war es totenstill im Raum und alle schauten Glast an. Der große Torak hatte plötzlich Tränen in den Augen.

»Papa ist tot, Onkel Gsappa.«

»Wie…?«

»Galgen. Die Schergen kamen ganz früh morgens.«

»Warum…?«

Glast hatte keine Antwort. Gsappa hatte sich inzwischen einen Stuhl herangezogen. Auch er hatte jetzt Tränen in den Augen. Er sagte nichts, nickte nur langsam vor sich hin, als ob ihn diese Kopfbewegung Trost spenden würde.

Auf die Frage des Warums brauchte man in Haragor keine Antwort. Die Entscheidungen der Wachen und Schergen waren willkürlich. Es konnte einen Grund geben, wieso sie jemanden abführten, musste es aber nicht.

»Mich haben sie dann in die Minen geschickt.«

Auch Tante Berta hatte sich inzwischen auf einen Stuhl gesetzt und hörte ihrem Neffen fassungslos zu.

»Wenn Kard nicht gewesen wäre…«

Gsappa und Berta sahen den kleinen Menschen ungläubig an. In ihren Blicken konnte man sehen, dass sie ihm nicht zutrauten, jemanden aus den Schwefelminen zu befreien.

»Zeig das doch mal mit dem Feuer, Kard.«

»Nein, lass mal, Glast.«

»Nein, echt. Kard ist der erste Feuer-Magier, den ich kenne. Ich glaube, er ist ein ziemlich guter.«

»Feuer-Magier?« Gsappa legte den Kopf schief und schaute Kard von der Seite an.

»Jetzt zeig schon, Kard.«

»Kacke, Kard. Das ist doch oberhammergeil, was du kannst. Zeig es doch ruhig mal.«

Kard schüttelte den Kopf und seufzte. Dann ließ er eine kleine Feuerkugel über der Hand entstehen. Gsappa und Berta rissen die Augen auf.

»Bei Branu. Ich kenne einen Govan, der macht echt gute Salben. Und ab und zu geben sie eine Vorstellung im Großen Casino mit einem Feuerspucker. Ein Govan, der behauptet, ein Feuer-Magier zu sein. Aber so etwas sehe ich zum ersten Mal.«

»Sage ich doch, dass ich der erste in der Familie bin, der einen Feuer-Magier kennt.«

»Der brennt diesem Flanakan noch den Hintern weg, das sage ich euch.«

»Ist ja gut, Zaza. Erstmal haben wir ja hier ein paar andere Probleme, ja?«

»Oh, was denn?«

Aber bevor Kard erzählen konnte, dass sie eine alte Karte der Stadt suchten, unterbrach Tante Berta ihn, und bat sie alle an den Esstisch. Immerhin war es schon spät und die Reisenden hatten sicherlich großen Hunger. Den Gsappas war zwar angesichts der schlechten Nachrichten der Appetit vergangen, aber Kard und die anderen waren dankbar, dass ihnen eine warme Mahlzeit aufgetischt wurde. Als das Gespräch dann doch auf die gesuchte Karte kam, wusste Gsappa erst auch keinen Rat.

»Karten aus der Zeit vor Flanakan? Findet man nicht mehr. Hat vielleicht noch jemand Unvorsichtiges im Keller. Aber wenn das einem Schergen in die Hände fällt, landet man ja gleich im Kerker.«

»Vielleicht im Archiv der Obersten Verwaltung?«, fragte Berta zu ihrem Mann gewandt.

»Das könnte sein. Aber wie soll er da herankommen? Da könnte man ja gleich auf dem Mond suchen.«

»Also bei den Alchemisten gab es einen, der einen Brocken bis auf den Mond schießen wollte.«

»Und hatte der auch so eine ausschweifende Fantasie wie du?« Tante Berta lächelte Zaza zwar an, während sie unverhohlen die Tätowierungen der Torak betrachtete, aber Kard hatte das Gefühl, dass sie ihr nicht nur Komplimente machen wollte.

Zaza deutete auf ein Seeungeheuer, das sich ihren Arm entlangschlängelte. »Gibt es wirklich. Warum soll man dann nicht zum Mond kommen? Alles ist möglich, wenn man will.«

»Zum Mond werden wir nicht müssen. Ich glaube kaum, dass wir dort einen alten Stadtplan finden. Ins Archiv hereinzukommen ist mir schon als Aufgabe schwierig genug. Aber wie du sagst, Zaza. Nichts ist unmöglich.«

»Yo, Kard, so kenne ich dich. Wie fangen wir es an?«

Tante Berta und Onkel Gsappa schauten sich entsetzt an. Was für Gäste hatte ihnen ihr geliebter Neffe nur da ins Haus gebracht?

»Ich wäre wahrscheinlich der erste Torak, der ins Archiv der Stadt einbricht, oder?«

»Ja, und der erste Torak, der deswegen am Galgen landet. Also bitte, Kinder, was habt ihr nur für abwegige Ideen.«

»Mit Kard ist gar nichts abwegig, Tante Berta. Er ist der Feuer-Magier.«

Kard überhörte Glasts letzten Satz und wollte wissen, wo man das Archiv findet.

»Gleich neben dem Großen Tempel von Goiba.«

»Also am Zentralen Platz?«

»Genau. Der Eingang ist aber in einer Seitengasse. Ich sehe, der Junge kennt sich hier aus. Hat aber jetzt geschlossen.«

»Und haben die morgen auf?«

»Vormittags. Jedenfalls das Amt für Genehmigungen aller Art. Ist ja alles im Gebäude der Obersten Verwaltung. Aber um ins Archiv zu kommen, benötigst du sicherlich irgendein offizielles Schreiben. Es kann ja nicht einfach jeder so ins Archiv laufen.«

»Aber Kard ist ja auch nicht jeder, Onkel Gsappa.«

»Für die Oberste Verwaltung schon, Glast. Er sei denn, er ist Anwalt.«

»Ein Anwalt?« Kard hatte davon gehört, konnte damit aber nichts anfangen. Was machte ein Anwalt?

»Der kennt sich mit diesem ganzen Kram von der Obersten Verwaltung aus. Also wenn ein Glasbläser zum Beispiel Instrumentenbauer werden will, dann braucht er eine Genehmigung der Obersten Verwaltung, um in seinem Haus Instrumente bauen zu dürfen. Dann sagt ihm vielleicht der Verwaltungsbeamte, dass so etwas nicht erlaubt ist. Also geht man zu einem Anwalt und der weiß, dass in Conchar der Herr Gsabbel das schon einmal gemacht hat. Und mit dieser Information geht man erneut zur Verwaltung und dann kann der Beamte nicht mehr einfach so sagen, dass das nicht erlaubt ist, weil es in Conchar schon einmal gemacht wurde.«

»Kacke, klingt das kompliziert. Ich würde es halt einfach machen. Was soll daran verkehrt sein, wenn man Instrumente baut?«

»Wir brauchen keinen Anwalt! Wir wollen nur ins Archiv. Wir gehen da morgen einfach mal hin und schauen uns um. Abgemacht?«

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