Kitabı oku: «Die Vampirschwestern – Ein zahnharter Auftrag», sayfa 2
Toilettenrauschen
Dirk van Kombast stand mit seinen himmelblauen Püschelhausschuhen auf dem Klodeckel. In der linken Hand hielt er eine Gebrauchsanweisung. In der rechten Hand ein Abhörgerät. Es sah aus wie eine kleine Satellitenschüssel, aus deren Mitte ein Richtmikrofon herausragte. Dirk van Kombast studierte die Gebrauchsanweisung. Er sah das Abhörgerät an. Er runzelte die Stirn.
Vor ein paar Tagen war Dirk van Kombast von der „VI. International Vamptology Conference“ in New York zurückgekehrt. Der Vampirologenkongress war anstrengend gewesen, aber auch äußerst interessant. Ein Taxi hatte Dirk van Kombast vom Flughafen in die Reihenhaussiedlung gefahren. Mit einer leichten Erkältung, einem Jetlag und jeder Menge neuer Anregungen war er im Lindenweg Nummer 21 ausgestiegen.
„Press switch A to switch on the appliance“, las Dirk van Kombast. Er drehte das Abhörgerät hin und her. Nach oben und nach unten. Er hielt es näher ans Licht. Schließlich fand er „Switch A“. Er drückte auf den Schalter. Erwartungsvoll sah er das Gerät an.
Das Abhörgerät knatterte. Dirk van Kombast stellte es dicht an das kleine Toilettenfenster. Es zeigte zum Nachbarhaus Nummer 23. Er setzte sich die Kopfhörer auf. Dann hockte er sich auf die Toilette und lauschte.
Rauschen – „ich war“ – Rauschen – „rascht wie du“ – Rauschen – „mein Brud…“ – Rauschen – „nicimo!“ – Rauschen – „Elvira, du weißt do…“ – Rauschen.
Dirk van Kombast stand wieder auf. Das Abhörgerät hatte offenbar einen Wackelkontakt. Dabei war es ein originalverpacktes „Vampire-Best-Buy-Bug“ vom Vampirologenkongress. Laut Beipackzettel in Extremsituationen in Transsilvanien von erfahrenen Vampirjägern getestet und für unerlässlich befunden.
Dirk van Kombast wackelte am Kabel. Er schaltete „Switch A“ an und aus. Er klopfte auf die Kopfhörer. Dann hörte er wieder die Stimme von Herrn Tepes. Seinem neuen Nachbarn. Ein sehr seltsamer Mann. Wenn er überhaupt ein Mann war. Damit meinte Dirk van Kombast nicht, dass Herr Tepes eine Frau war.
Seit die Tepes in das Reihenhaus Nummer 23 eingezogen waren, hatte Dirk van Kombast einen unheimlichen Verdacht. Bis jetzt wusste er nur eins ganz sicher: Normale Menschen waren die Tepes nicht. Zu dem Ergebnis war er nach Auswertung seiner im Laptop gesammelten Beobachtungen gekommen.
Hätten die Leute von Dirk van Kombasts Hobby gewusst, hätten sie ihn für einen Spinner gehalten. Doch er war kein Spinner. Er war ein gut aussehender Pharmavertreter Ende dreißig. Manche Frauen fanden ihn unwiderstehlich gut aussehend. Sein Äußeres war tipptopp gepflegt. Nie vergaß er die Zahnseide beim Zähneputzen. Nie hatte er abgeknabberte Fingernägel. Nie lag eine Haarsträhne nicht dort, wo sie hingehörte.
Müsste man raten, was seine Hobbys waren, hätte man auf Golf, Pferderennen oder Austern-Essen getippt. Vielleicht auch auf kulturelle Städtereisen. Gar nicht so verkehrt. Doch wenn Dirk van Kombast nicht gerade Squash spielte, beim Friseur, bei der Maniküre oder im Solarium war, dann ging er auf die Jagd. Er jagte weder Häschen, Wildschweine, noch Löwen. Dirk van Kombast jagte Vampire.
Er hatte sich und seiner Mutter geschworen, den Kampf gegen die blutsaugenden Ungeheuer aufzunehmen. Sie hatten Dirk van Kombasts Mutter in den Wahnsinn getrieben. Sie hatten seine Mutter in die geschlossene psychiatrische Anstalt gebracht. Sie hatten ihm seine Mama weggenommen. Dirk van Kombast wollte Rache.
Er drückte die Kopfhörer fest auf die Ohren. Er horchte. Sollte sich sein unheimlicher Verdacht bestätigen, dann hatte er jetzt eine ganze Vampirfamilie direkt vor der Nase. Beziehungsweise den Ohren.
Das Gespräch zwischen Elvira und Mihai Tepes war hochinteressant. Das Rauschen dazwischen allerdings nicht. Dirk van Kombast wackelte ein paarmal am Kabel. Das Rauschen blieb. Daran war wohl im Moment nichts zu ändern. Er würde das Gerät später zur Reparatur bringen. Jetzt wollte er hören, was die Tepes besprachen. Auch wenn es ab und zu rauschte – immer noch besser, als gar nichts zu hören.
Dirk van Kombast machte es sich auf der Toilette bequem. Wie angenehm, dass der Klodeckel mit flauschigem Stoff bezogen war. Den geblümten Toilettenbezug hatte ihm seine Mutter zu Ostern geschenkt. Dirk van Kombast strich versonnen über die weichen Fusseln, während er dem Gespräch von Herrn und Frau Tepes lauschte.
Auf einmal hörte er weitere Stimmen. Er klopfte auf die Kopfhörer. Er wackelte am Kabel. Er zwickte sich in die Nase. Die Stimmen blieben. Dann erkannte er sie: Das waren die Töchter. Zwei seltsame Mädchen. Die eine, etwas rundere, trug altmodische Hüte und Handschuhe bis zum Ellbogen. Sie blinzelte immer, wenn sie ihn grüßte. Das andere Mädchen sah aus, als hätte es den Kopf in ein rußschwarzes Ofenrohr gesteckt und nach der Explosion wieder herausgezogen. Das wäre eine mögliche Erklärung dafür, dass ihre Haare in alle Richtungen abstanden. Beide Mädchen waren leichenblass. Dirk van Kombast fand auch, sie rochen etwas muffig. Aber oft war er noch nicht in ihre Nähe geraten. Das war sicher auch besser so.
Vermutlich waren die Zwillinge gerade aus der Schule nach Hause gekommen. Familie Tepes war vollständig. Dirk van Kombast riss ein Stück vom fünflagigen Klopapier ab, putzte sich die Nase und atmete tief durch. Von jetzt an wollte er kein Wort mehr verpassen.
In der Finsternis
Im Keller des Reihenhauses Nummer 23 war es finster wie im Schlund eines Wals. Bis auf ein unregelmäßiges Atmen links neben ihm und ein leises Aufstoßen rechts neben ihm war es totenstill. Der Raum war kalt. Das lilafarbene Polster im Sarg war weich und roch modrig. Die Heimaterde war feucht und klebrig.
Der Sarg war etwas zu klein für ihn. Seine spitzen Lackschuhe stießen ans Sargende. Seine Lockenpracht wurde vom oberen Sargende zusammengedrückt. Wer in fremden Särgen schlief, durfte nicht wählerisch sein. Das war nur eins der kleineren Opfer. Weit größere Qualen standen bevor.
Er starrte in die Finsternis. Das Monokel klemmte wie immer vor dem grünen Auge. Seit er einen Spritzer Tzaziki ins Auge bekommen hatte, musste er es tragen. Es machte ihm nichts aus. Seiner Frau auch nicht. Sie fand ihn mit Monokel noch attraktiver. Sie hatte Geschmack.
Sein Magen knurrte. Wie gut, dass er immer etwas Trockengetier zum Knabbern dabeihatte. Geschickt fingerte er aus der Westentasche eine Spinne. Sie war schwarz, behaart und platt gedrückt. Er steckte sie in den Mund. Es knackte, als er zubiss. Sie schmeckte köstlich.
Er fuhr sich mit der langen, spitzen Zunge über die Lippen und die beiden Eckzähne. Dann atmete er tief ein. Es roch ungewohnt, fremd, aber nicht unangenehm. Ein Hauch von Mensch lag in der Luft. Er schloss die Augen. Er musste Kräfte sammeln. Übermenschliche Kräfte. Was ihnen bevorstand, würde jeden Schweiß- und Blutstropfen fordern. Um sein Ziel zu erreichen, würde er bis ans Äußerste gehen. Er war ein Kämpfer.
Er war nicht allein. Sie waren zu dritt. Noch schlummerten sie im Dunkeln. Bald würden sie hervorkommen. Aus den Tiefen des Kellers vom Reihenhaus Nummer 23. Dann würden sie handeln müssen. Sofort. Rückhaltlos. Es ging um Leben und Tod.
Virus im Wohnzimmer
Elvira und Mihai Tepes saßen auf der blutroten Couch im Wohnzimmer. Mihai Tepes hatte die Strümpfe ausgezogen. Seine Füße steckten in einem Katzenklo, das mit transsilvanischer Heimaterde gefüllt war. Er wackelte mit den Zehen, zwischen die ein paar Erdkrümel gerutscht waren. Er schüttelte sich vor Wohlbefinden. Herrlich! Am liebsten würde er sich jetzt noch ein Gläschen Karpovka einschenken und „Transsilvania, rodna inima moi“ singen. Aber das wäre wohl zu viel für seine Töchter und ihre neuen Freunde. Und für seine Frau.
Elvira Tepes trank Kaffee aus ihrer Lieblingstasse, die wie ein Klo mit Deckel geformt war. Ihr Vermieter hatte ihr die Tasse zur Ladeneröffnung geschenkt. Herr Tepes stellte die Tasse nach dem Abwaschen immer ganz hinten in den Schrank. Frau Tepes holte sie immer wieder hervor.
Elvira Tepes lächelte ihren Töchtern zu. Wie schön, dass sie so schnell Freunde gefunden hatten. Sie musterte den neuen Besucher. Dieser Ludo sah wirklich nett aus. Nur einen etwas merkwürdigen Blick hatte er. Vielleicht saß er zu lange vor dem Computer.
„Und, wie sieht’s aus, Lumbo? Irgendwelche spannenden Hobbys? Schon mal mit Rennzecken versucht?“, fragte Herr Tepes. Mihai Tepes hatte im Keller eine Rennzeckenzucht. Er war sehr stolz darauf. Leider hatte er bis jetzt in Bindburg trotz intensiver Suche noch keine Interessenten für Rennzeckenwetten gefunden. In Bistrien waren Rennzeckenwetten das Freizeitvergnügen überhaupt. Herr Tepes konnte sich nicht vorstellen, dass Fußball spannender sein konnte. Das behauptete sein Schwiegervater hartnäckig.
„Ähm … ich heiße Ludo. Was soll ich mit Zecken versucht haben?“
„Rennzecken. Feinste Zucht! Wir lassen sie gegeneinander antreten. Magst du wetten?“ Herr Tepes hatte sich aufgerichtet und sah Ludo hoffnungsvoll an.
Ludo schüttelte schnell den Kopf.
Herr Tepes ließ sich zurück auf die Couch fallen.
Daka und Silvania standen neben Ludo und Helene. Sie waren froh, dass sie die Vorstellungsrunde bei den Eltern so gut überstanden hatten. Ludo kam gut an. Auch wenn er nicht auf Rennzecken stand.
Daka legte die Hand auf Ludos Schulter und schob ihn Richtung Tür. „Dann gehen wir mal nach oben in unser Zimmer.“
„Wir wollen euch nicht länger stören“, fügte Silvania hinzu.
„Ihr stört doch nicht!“, rief Herr Tepes.
Frau Tepes kniff ihren Mann in die Seite und flüsterte: „Aber wir.“
Herr Tepes zog die Augenbrauen hoch. „Ach.“
Daka hatte Ludo schon fast durch die Tür geschoben, als dieser sich umdrehte und die Hand hob. „Äh … eine Frage habe ich noch.“
„Gerne, Sumo.“ Herr Tepes lächelte ihm aufmunternd zu.
„Nicht an Sie, an Ihre Frau“, sagte Ludo.
„So.“ Herr Tepes verschränkte die Arme.
Ludo sah kurz zu Daka und Silvania. Sie warfen ihm einen fragenden Blick zu. Dann wandte er sich an Frau Tepes. „Können Sie eigentlich auch fliegen?“
Elvira Tepes starrte Ludo drei Sekunden lang an. Sie schluckte den Kaffee im Mund herunter. Dann bekam sie einen Hustenanfall. Ihre rosigen Wangen wurden purpurrot. Ihre nachtblauen Augen immer größer. Herr Tepes klopfte ihr auf den Rücken. Der zarte Körper wurde erschüttert. Das Husten klang wie der Motor von Herrn Tepes’ altem Dacia, wenn er mal wieder nicht anspringen wollte.
Schließlich gelang es Frau Tepes, den Deckel ihrer Toilettentasse zu öffnen. Sie nahm einen kräftigen Schluck. Einen Moment schloss sie die Augen. Sie atmete tief durch. Ihre Wangen nahmen wieder ihre normale Farbe an. Sie öffnete die Augen und sah abwechselnd Silvania und Daka an. Ihr Mund war schmal und gerade wie eine Peitsche. „Hatten wir nicht ausgemacht, dass wir bestimmte Sachen bestimmten Personen ganz bestimmt nicht erzählen?“, fauchte sie.
Die Zwillinge standen kerzengerade.
„Ja, schon, aber …“, begann Daka.
„Wir haben doch nur …“, versuchte es Silvania.
„Kein Aber und kein Nur!“, schnitt ihnen Frau Tepes das Wort ab. Sie war eine kleine, zierliche Frau. Aber ihre Stimme war gewaltig.
Sogar Herr Tepes rutschte unruhig auf der Couch umher.
„Was weißt du über uns?“ Frau Tepes sah Ludo ernst in die Augen.
Ludo schielte von Frau Tepes zu den Zwillingen und zurück.
Die Zwillinge zuckten mit den Schultern. Es war sowieso alles zu spät.
„Ich weiß nur, dass Daka und Silvania Halbvampire sind, dass Sie“, Ludo sah zu Frau Tepes, „ein Mensch sind und Ihr Mann …“ Ludo musterte Herrn Tepes mit großen Augen und raunte: „Ein echter Vampir.“
Herr Tepes nickte und streckte die Brust heraus.
Ludo legte die Hand aufs Herz. „Das ist alles. Ich schwöre es!“
„DAS IST ALLES?“ Frau Tepes war von der Couch aufgesprungen. „Potztausend! Das ist tatsächlich alles. Alles, was ihr“, Frau Tepes sah ihre Töchter an, „niemandem erzählen solltet!“
„Wir haben es Ludo gar nicht erzählt“, warf Daka ein.
„Kein Wörtchen“, bestätigte Silvania.
„Ich kann’s bezeugen“, sagte Helene.
„Und wieso weiß er es dann?“, fragte Frau Tepes. Ihre nachtblauen Augen funkelten wütend. „Kann er etwa hellsehen?“
„Äh … Genau“, sagte Daka.
„Also, vielleicht nicht richtig hellsehen“, meinte Silvania.
„Aber ein bisschen schon“, fand Helene.
Frau Tepes klappte der Mund auf.
Ihr Mann zog an ihrem Pullover. „El Virus, komm, setz dich wieder“, sagte er sanft. El Virus nannte er seine Frau immer, wenn sie wütend war. Was nicht oft vorkam. Aber es kam vor. In manchen Punkten war Elvira Tepes empfindlich. Mihai Tepes kannte diese empfindlichen Punkte seiner Frau sehr genau. Es waren ihre Kniekehlen, ihr rechtes Ohrläppchen und die Wahrung der geheimen Identität ihres Mannes und ihrer Kinder. In Bistrien hatte Mihai Tepes seine Frau vor bissigen Vampiren beschützt. In Deutschland wollte Frau Tepes ihre Familie beschützen. Niemand sollte herausfinden, dass in einer deutschen Reihenhaussiedlung ein Vampir und zwei Halbvampire wohnten. Frau Tepes hatte Angst. Sie fürchtete, dass man ihren Mann und ihre Töchter wegsperren würde. Ins Gefängnis oder in die Irrenanstalt. Sie wusste nicht, was schlimmer war.
Herr Tepes sah das Ganze etwas gelassener. Er war als zweiter Sohn einer ehrwürdigen Vampirfamilie geboren worden, er war seit 2676 Jahren Vampir, er würde immer ein Vampir bleiben. Und wenn es darauf ankam, würde er allen zeigen, was er war. Wollten sie ihn wegsperren, mussten sie ihn erst einmal kriegen.
Elvira Tepes ließ sich von dem Gezuckele ihres Mannes am Pullover nicht beeindrucken. Sie blieb stehen. „Du kannst also hellsehen, ja?“ Sie verschränkte die Arme und sah Ludo an. Dabei hob sie das Kinn.
Ludo nickte zögernd.
„Dann sieh doch bitte mal nach, wie der Verkauf von meinen Klodeckeln nächsten Monat so läuft.“
Ludo schloss die Augen und presste die Lippen aufeinander. Im Wohnzimmer der Tepes wurde es ganz still. Nur Ludos Atem war zu hören. Laut und regelmäßig. Ludo blähte die Backen auf. Er quietschte, er grunzte. Dann atmete er lautstark aus. Seine Backen fielen ein.
Herr und Frau Tepes beobachteten Ludo mit gerunzelter Stirn. Sie warfen sich einen fragenden Blick zu.
Plötzlich riss Ludo die Augen auf. Er schüttelte die Arme aus, rollte die Schultern und spreizte die Finger. „Also. Der Empfang war nicht so gut. Aber ich habe etwas gesehen: Der Verkauf läuft gut.“
Frau Tepes zog eine Augenbraue nach oben. „Und das nennst du hellsehen? Da sehe ich mehr, wenn ich in den Ofen gucke.“
„Das war noch nicht alles“, fuhr Ludo fort. „Ein Großauftrag kommt rein. Von irgendeinem Hotel.“
Frau Tepes’ nachtblaue Augen blitzten auf. „Vom Goldenen Löwen?“
„Das weiß ich nicht. So scharf habe ich nicht gesehen. Wie gesagt, der Empfang …“
Elvira Tepes sah ihren Mann ratlos an. „Ich hatte heute Morgen eine Anfrage vom Goldenen Löwen, dem großen Hotel gleich neben dem Rathaus.“
Herr Tepes lächelte seine Frau an. „Na siehst du, dann ist ja alles geklärt. Daka und Silvania haben sich an die Regeln gehalten. Sie haben einen neuen Freund, der hellsehen kann. Und du bekommst einen Großauftrag. Ich finde, das ist ein Grund zum Anstoßen!“ Mihai Tepes wollte gerade die Karpovkaflasche aus dem Schrank holen, als ein furchterregendes Grollen erklang. Es kam aus dem Keller. Herr Tepes hielt in der Bewegung inne. Er stand mit hochgekrempelten Hosen barfuß auf dem cremeweißen Wohnzimmerteppich und starrte auf den Fußboden. Was war im Keller los?
Das Grollen war verklungen. Jetzt waren Schritte zu hören.
Elvira Tepes blickte nervös zur Tür.
„Was war das?“, fragte Silvania.
„Wer kommt da?“, fragte Daka.
Die Schritte näherten sich dem Wohnzimmer. Jetzt war auch ein Zischen und Rauschen zu hören.
„Ich muss ganz schnell nach Hause“, sagte Helene. Ihre Stimme klang piepsig.
„Ich glaube, ich auch“, meinte Ludo.
Doch keiner der beiden wagte es, sich zu bewegen.
Vor der Wohnzimmertür erklang ein Kichern. Dann ein kleiner Rülpser.
Frau Tepes sah mit weit aufgerissenen Augen von Helene und Ludo zur Wohnzimmertür. Dann sah sie zu ihrem Mann. „Mihai! Tu etwas! Sonst geschieht ein Unglück!“
„Zu spät“, sagte Ludo. „Ich sehe es kommen.“
In dem Moment flog die Wohnzimmertür auf. Sie war nicht das Einzige, was flog.
Toilettenrauschen, Teil zwei
Dirk van Kombast hatte den Kopf in die Hände gestützt. Seine Finger umklammerten krampfhaft die Kopfhörer. Seine Ohren waren mittlerweile schon ganz warm. Was die in den letzten paar Minuten zu hören bekommen hatten, war kaum zu glauben.
Dirk van Kombast hatte also recht gehabt mit seinem Verdacht. Dieser Lumbo oder Sumbo hatte es laut und deutlich gesagt: Herr Tepes war ein Vampir. Seine Töchter waren Halbvampire. Die Schwestern hatten es nicht abgestritten. Herr Tepes hatte es nicht abgestritten. Nur Frau Tepes hatte sich aufgeregt. Aber nicht, weil ihr Mann ein Vampir war. Dabei wäre das für so manche Ehefrau ein Scheidungsgrund.
Schade, dass man mit dem Vampire-Best-Buy-Bug das abgehörte Gespräch nicht mitschneiden konnte. Dann hätte er den Beweis. Wort für Wort. Silbe für Silbe. Aber Beweise würden sich finden lassen. Jetzt, wo Dirk van Kombast sich sicher war, mit wem er es bei den neuen Nachbarn zu tun hatte. Die Jagd war eröffnet!
Das Vampire-Best-Buy-Bug setzte wieder eine Sekunde aus. Es rauschte. Dirk van Kombast fluchte leise. Er zischte: „Sssccchhh…ande!“ Er wackelte mit dem Kabel. Dann hörte er, wie Frau Tepes aufgebracht rief: „Mihai! Tu et…“ – Rauschen – „schieht ein Unglück!“
Dirk van Kombast wusste nicht, ob Mihai Tepes etwas tat. Auf jeden Fall tat sich etwas im Nachbarhaus. Dirk van Kombast hörte, wie eine Tür aufflog. Dann rauschte und zischelte es, aber dieses Mal war es keine Störung. Jemand schrie auf. So schrill, dass Dirk van Kombast das Gefühl hatte, jemand steche ihn mit einer Nadel ins Ohr. Stimmen redeten wirr durcheinander. Jemand schrie: „HILFE!“, eine andere Stimme: „FUMPFS!“. Eine weitere: „NEIN!“ Eine Mädchenstimme kreischte ununterbrochen. Jemand lachte wie eine Hexe. Jemand brüllte. Jemand rülpste. Etwas fiel zu Boden. „DAS IST DAS ENDE!“, kam ein Schrei. „AUFHÖREN, RAPEDADI!“, rief eine tiefe Stimme. Etwas klirrte.
Rauschen. Dieses Mal war es wieder eine Störung vom Vampire-Best-Buy-Bug. „Sssccchhh…weineschande!“, fluchte Dirk van Kombast. Er wackelte am Kabel, riss sich zwei Blatt Toilettenpapier ab und schnäuzte sich.
Was ging im Nachbarhaus vor sich? Gerade an den spannendsten Stellen versagte das Vampire-Best-Buy-Bug. Das Rauschen war so ärgerlich wie eine Werbeunterbrechung bei einem Krimi im Fernsehen. Viel ärgerlicher. Hier ging es womöglich tatsächlich um Leben und Tod. Diese Schreie. Dieses Brüllen.
Dirk van Kombast schüttelte sich. Er tupfte sich mit dem Toilettenpapier das Gesicht ab. Ein paar Schweißperlen hatten sich angesammelt. Allein vom Zuhören. Waren die Nachbarn in Gefahr? Stand ein Menschenleben auf dem Spiel? Ein Halbvampirleben? Oder ein Vampirleben?
Dirk van Kombast atmete tief durch. So, wie er es im Yogakurs bei seinem letzten Urlaub auf Fuerteventura gelernt hatte. Nur nicht das innere Gleichgewicht verlieren. Er rückte die Kopfhörer gerade und drückte den Rücken durch. Er würde seinen Posten nicht verlassen. Notfalls konnte er immer noch die Polizei rufen.
Das Vampire-Best-Buy-Bug hatte aufgehört zu rauschen. Dirk van Kombast lauschte. Was er zu hören bekam, übertraf all seine Fantasien. Und Fantasien hatte er einige.
Blutige Begierde
Er hatte sich vom lilafarbenen Polster erhoben und mit den spitzen Lackschuhen den Sargdeckel aufgestoßen. Er sah nach links, dann nach rechts. Die anderen waren ebenfalls erwacht. Die gelben und violetten Augen blitzten in der Finsternis auf, unruhig und begierig.
Geräuschlos erhob er sich, strich seinen Anzug glatt und rückte das Monokel zurecht. Er gab den anderen das Zeichen. Sie erhoben sich. Nicht geräuschlos, sondern mit Geschrei und Grollen. Er schielte zur Kellerdecke. Jetzt war es auch schon egal. In weniger als einer Minute würde es keine Fragen mehr geben. Er ging voran zur Tür.
Sie kamen aus dem Keller ans Licht. Schritt für Schritt. Flügelschlag für Flügelschlag. Sie hatten sich ausgeruht. In der Dunkelheit Kräfte gesammelt. Doch sie hatten seit Stunden nichts gegessen. Jetzt waren sie hungrig. Sie rochen Blut. Menschenblut. Frisch, warm, pulsierend. Nur ein paar Flügelschläge entfernt. Zum Beißen nahe. Er wusste, dass hier nicht der richtige Ort für eine Jagd war. Sie durften kein Risiko eingehen. Sie mussten die Zähne zusammenbeißen. Doch wie sollten sie sich beherrschen? Ihm würde es vielleicht gelingen. Aber den anderen? Es war unmöglich. Der Geruch war zu betörend. Sie waren im Blutrausch, er konnte es sehen. Ihre Augen brannten vor Begierde. Ihre Münder waren wässrig. Die Hände zitterten. Er wusste, dass ihnen heiße Schauer über den Rücken liefen. In ihnen Köpfen brodelte es. Sie konnten keinen klaren Gedanken mehr fassen. Der Instinkt gewann die Überhand. Und der Instinkt war bestialisch.
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