Kitabı oku: «Die Vampirschwestern – Ruhig Blut, Frau Ete Petete», sayfa 2
Die beste Babysitterin der Welt
Das war wohl nichts“, fasste Silvania die Vorstellungsrunde der drei Babysitter zusammen.
„Aber Mihai und ich müssen arbeiten, ihr müsst in die Schule. Wer soll denn jetzt auf Franz aufpassen?“ Frau Tepes fuhr sich durch die Haare.
„Hat man dazu nicht Omis und Opis?“, fragte Silvania.
„Oma Rose arbeitet noch, wisst ihr doch. Und Opa Gustav bekommt einen Herzinfarkt, wenn Franz vom Wickeltisch abhebt und mit nacktem Popo eine kleine Flugrunde über seinem Kopf dreht.“ Opa Gustav hatte nicht nur ein schwaches Herz, sondern auch keine Ahnung, dass seine Tochter einen Vampir geheiratet hatte und seine Enkel Halbvampire waren.
„Was ist mit Oma Zezci?“, fragte Daka.
Alle starrten sie an, als hätte sie statt eines Gehirns eine Knoblauchknolle im Kopf.
Mihais Mutter, Oma Zezci, genoss seit dem Tod ihres Mannes Gobol das Leben, flog fröhlich durch die Welt und landete, wo es ihr gerade gefiel. Sie liebte das Reisen, Pokerspiel und Himbeergeist und tat endlich alles, wovon sie ihr Mann und ihre Kinder so einige Hundert Jahre lang abgehalten hatten. Babysitten zählte nicht dazu. Ganz sicher.
„Mein Sohn braucht keine Babysitterin mit fünfzig Zeugnissen, Kasperlliedern oder Smartphone“, sagte Mihai. „Mein Sohn braucht die beste Babysitterin der Welt.“
„Und wer soll das sein? Dirk van Kombast?“, fragte Daka.
„Gumox! Die beste Babysitterin der Welt ist eine Frau mit jahrhundertelanger Erfahrung, eine Frau, unter deren liebevoller Obhut schon ich prächtig gedieh. Ihr seht ja, was für ein aufgewecktes Kerlchen ich geworden bin.“
„Vor allem nachts“, fügte Silvania hinzu.
„Redest du von deiner alten Babysitterin?“ Frau Tepes sah ihren Mann entgeistert an.
„Jawohl, moi Miloba. Ich meine keine geringere als meine Tagesmutter, vielmehr Nachtmutter, die unbeschreibliche, unvergleichliche, unübertreffbare Frau Ete Petete!“ Mihai streckte die Brust heraus.
„Was für ’ne alte Tapete?“ Daka runzelte die Stirn.
Herr Tepes räusperte sich. „Frau Ete Petete hat schon Generationen von kleinen Vampiren gebändigt und auf die richtige Flugbahn gebracht. Sie genießt einen tadellosen Ruf, ihre Manieren sind exzellent, und sie hat die seltene Gabe, streng und liebevoll zugleich zu sein. Ich selbst hatte als Dreikäsekopfüber das Vergnügen. Soweit ich mich erinnern kann, liebte ich meine Nachtmutter innig. Leider hat sie uns von einem Tag auf den anderen verlassen. Ich weiß nicht mehr, warum. Wenn ihr einverstanden seid, werde ich sie sofort kontaktieren.“
Daka und Silvania zuckten mit den Schultern. Elvira nickte. Franz biss ein Stück Sofa ab.
Flugpost
Frau Ete Petete hatte gerade kopfüber an der mit Samt umschlagenen Metallleine gehangen und ein Mitternachtsschläfchen gemacht, als die Fledermauspost eintraf. Sie hatte den Brief aus Deutschland seitdem dreimal durchgelesen, mit feuchten Augen und zitternden Händen.
Wie lange war es her, seit sie von Mihai Tepes gehört hatte? Als wäre es gestern gewesen, erinnerte sie sich an den kleinen, aufgeweckten Vampir mit den schwarzbraunen Kulleraugen. Schon etliche kleine Vampire hatte Frau Ete Petete betreut, doch keiner war ihr so ans Herz gewachsen wie dieser – ihr Mihasi.
Und auch er hatte sie offenbar nicht vergessen, nein, sie sogar in bester Erinnerung behalten. Schließlich bat er sie mit schmeichelnden Worten, nach Bindburg zu kommen und auf seinen Sohn Franz aufzupassen.
Frau Ete Petete drehte den Brief in den Händen und seufzte. Sie fühlte sich sehr geehrt, dass Mihai Tepes ihr seinen Sohn anvertrauen wollte. Doch zur Überraschung und Freude, die der Brief ihr bereitete, schlich sich allmählich eine tiefe, alte Angst. Diese Angst schlummerte seit Jahrhunderten in ihr, doch Frau Ete Petete wusste sie im Zaum zu halten.
Die Vampirsitterin stand auf, trat ans Fenster ihres Budnyks (wie die tropfsteinähnlichen Behausungen der Vampire in Bistrien genannt werden), hielt sich den Brief an die Brust und flüsterte: „Mihasi, Mihasi, du mein süßes, mopsiges Mondgesicht. Niemals werde ich dich vergessen.“ Sie lächelte, als sie an all die unvergleichlichen Momente zurückdachte, die sie mit Mihasi erlebt hatte. Seine ersten Flugversuche. Sein erster Eckzahn. Seine ersten Kritzeleien von blutenden Männlein.
Doch ihr Lächeln verschwand von einer Sekunde auf die andere, als sie sich an das grausame, plötzliche Ende ihrer gemeinsamen Zeit erinnerte. Noch heute, Jahrhunderte später, wurde ihr Körper bei dem Gedanken daran von Angst überflutet. Mihai selbst war damals noch zu klein gewesen, um das alles zu begreifen, geschweige denn, es überhaupt richtig mitzubekommen. Und offenbar hatte er es vollkommen vergessen – sonst würde er sie nicht als Babysitterin für seinen eigenen Sohn nach Deutschland holen wollen.
Mihasi war nicht nur der kleine Vampir gewesen, zu dem Frau Ete Petete am meisten Zuneigung empfand, sondern auch das Vampirbaby, bei dem ihr der größte Fehler ihrer Laufbahn als Nanny passiert war. Ein unverzeihlicher Fehler, der ihr noch jetzt in so mancher Nacht den Schlaf raubte.
Konnte sie Mihai Tepes und seiner Familie mit gutem Gewissen zusagen? Frau Ete Petete überflog ein letztes Mal den Brief. Dann faltete sie ihn zusammen, steckte ihn in die Rocktasche und fasste einen Entschluss.
Babysitterin im Anflug
Der Wind blies stark aus Südost. Graublaue Wolken rollten sich wie Krakenarme über den Bindburger Himmel aus, hatten die Sonne längst umschlungen und verschluckt. Der Lindenweg am nördlichen Rand der Großstadt lag verlassen im Halbdunkel. Kein Mensch, kein Haustier und kein Halbvampir befanden sich mehr auf der Straße oder in den Vorgärten. Eine weiße Plastiktüte taumelte verloren im Wind, wurde immer höher getragen und segelte über die Dächer ihrem Abenteuer entgegen.
Die Plastiktüte war nicht das Einzige, das an diesem stürmischen Abend in hohen Lüften einer unbestimmten Zukunft entgegenschwebte. Eine Babysitterin aus Transsilvanien befand sich im Anflug auf Bindburg. Es war ein Direktflug, und zwar ganz direkt: von der unterirdischen Vampirstadt Bistrien bis in den Lindenweg 23 zur Familie Tepes.
Die fliegende Babysitterin drehte noch ein paar Runden über dem Haus, als würde sie zögern und im letzten Moment abdrehen und davonfliegen. Doch schließlich ging sie zum Sinkflug über und landete kurz darauf sanft und elegant auf der Terrasse von Familie Tepes.
Mihai Tepes hatte sie bereits sehnsüchtig erwartet und öffnete ihr die Terrassentür.
„Boi Searo!“, rief er. „Welch unsagbar große Freude, Sie nach so langer Zeit wiederzusehen! Wie war der Flug?“ Er streckte den Arm aus und gab der Babysitterin eine Kopfnuss, die diese mit formvollendeter Bewegung erwiderte.
„Datiboi. Der Flug war trotz einiger Turbulenzen äußerst angenehm“, erwiderte Frau Ete Petete.
„Boi venti!“, hieß Frau Tepes die weit gereiste Babysitterin auf Vampwanisch willkommen und reichte ihr die Hand.
Silvania, Daka und Franz starrten die Babysitterin an. Sie sah aus wie ein Ausrufezeichen, das auf dem Kopf stand. Der schwarze, große Dutt ganz oben auf ihrem Kopf bildete den Punkt. Ihre Kleidung war altmodisch, aber tadellos rein und gebügelt. Nur der Leberfleck rechts oberhalb der Lippe schien aus der Reihe zu tanzen.
„Sie sind also Frau Ete Petete. Wir freuen uns sehr, dass Sie die weite Reise auf sich genommen haben, um auf unseren Franz aufzupassen. Mein Mann hat nur so von Ihnen geschwärmt“, sagte Frau Tepes.
Kurz trübten sich Frau Ete Petetes Augen, dann blinzelte sie. „Hat er das? Nun ja, das freut mich selbstverständlich. Auch ich habe den kleinen Mihasi in allerbester Erinnerung.“
„Mihasi?“, platzte es aus Daka heraus, bevor sie sich lachend krümmte. Auch Silvania konnte kaum an sich halten. Franz wusste zwar nicht, worum es ging, freute sich aber, dass sich seine Schwestern so freuten.
„Was soll denn das? Jetzt seid doch nicht so albern.“ Mihai Tepes hob beschwichtigend die Hände.
Frau Ete Petete ging auf die drei Halbvampire zu. „Ihr seid also Mihasis Kinder.“
Kaum hatte sie „Mihasi“ gesagt, prusteten Silvania und Daka abermals los. Franz gluckste.
„STRUNZ!“ Frau Ete Petete stampfte einmal mit dem Fuß auf, sodass der Wohnzimmerboden bebte.
Franz verschluckte sich vor Schreck beim Glucksen und bekam einen Schluckauf. Silvania und Daka verstummten augenblicklich.
„Oder RUHE, falls ihr kein Vampwanisch versteht“, fügte Frau Ete Petete hinzu. Sie zog die schwarze Weste nach unten und reckte das Kinn. „Ich bin ab heute eure Nachtmutter. Oder Babysitterin oder Nanny – ihr könnt es nennen, wie ihr wollt. Von absoluter Wichtigkeit ist nur: Ich übernehme postwendend das Kommando. Meinen Worten ist ohne Widerrede Folge zu leisten. Verstanden?“
Daka runzelte die Stirn. „Moment mal, eigentlich braucht nur Franz einen Babysi–“
„STRUNZ!“ Frau Ete Petete beugte sich zu Daka und flüsterte mit klarer Stimme: „Ohne Widerrede, habe ich gerade gesagt.“ Dann richtete sie sich auf und betrachtete die drei Halbvampire von oben bis unten. „Wie ich sehe, kommt allerhand Arbeit auf mich zu.“
Daka sah fragend zu ihrer Schwester, die nur die Schultern zuckte. Franz machte „Hicks!“.
„Keine Sorge, meine Lieben. Ihr seid jetzt in den besten Händen. Tadelloses Benehmen, angenehmes Äußeres und Schicklichkeit werden nun in diese gute Kinderstube Einzug halten.“ Frau Ete Petete bedachte die Zwillinge mit einem strengen Blick. Kurz bevor sie sich umdrehte, zwinkerte sie Franz zu, der daraufhin hickste.
Frau Ete Petete im Einsatz
Frau Ete Petete war in den Heizungskeller eingezogen. Mihai Tepes hatte ihr einen Klappsarg bereitgestellt und den Heizungskeller mit blutroten Tüchern, einer alten Kommode, Kerzenständern und einer Metallleine, die er mit einem Seidenschal umwickelt hatte, gemütlich eingerichtet.
Die Unterkunft war umsonst, nur um die Verpflegung musste das Kindermädchen sich selber kümmern. Die Blutkonserven, die Mihai Tepes aus dem rechtsmedizinischen Institut mit nach Hause brachte, reichten auf Dauer dafür nicht aus.
Die transsilvanische Babysitterin hatte sich schnell an die Zeitumstellung und die menschlichen Gepflogenheiten im Hause Tepes gewöhnt. Was erstaunlich war, wenn man ihr hohes Alter von 7335 Jahren bedachte. Zunächst hatte sie es vermieden, bei Sonnenschein das Haus zu verlassen. Doch ausgestattet mit einem Sonnenschirm und einer dicken Schicht Sonnencreme, war auch das schon bald kein Problem mehr.
Um Punkt sieben Uhr und ganz ohne Wecker stand Frau Ete Petete jeden Morgen auf. Nach zehnminütiger Morgengymnastik und anschließender Körperhygiene bereitete sie ein nahrhaftes, gesundes Frühstück für alle zu. Es bestand aus frisch ausgepressten Blutkonserven, Grymsk Knax (Käfermüsli), Schwarzbrot und dazu Compotoi Zuzelkoi (Insektenmarmelade) oder, wer es lieber herzhaft mochte, Ormschk Sangu (Blutwurst).
Nachdem alle ordentlich gefrühstückt und den Teller leer gegessen hatten, verließen Silvania, Daka und Frau Tepes das Haus. Mihai, der nachts arbeitete, legte sich in seinen Sarg im Keller, wo er schlafend und dösend den Tag verbrachte.
Frau Ete Petete widmete sich dann ganz der Betreuung von Franz. Sie brachte ihm erste vampwanische Wörter bei, zeigte ihm, wie man galant kopfüber an einer Metallleine baumelte, und spielte mit ihm Kakerlakenrennen oder „Vampir, beiß mich nicht“.
Manchmal buken sie Blutkipferl oder bastelten Fledermausgirlanden und Käfer-Mobiles. Dabei sang Frau Ete Petete wunderschöne, alte Vampirlieder wie „Vampir, du hast den Hans gestohlen“, „Zeigt her eure Eckzähne“ und „Ein Vampirlein hängt im Walde“. Franz’ Lieblingslied „Kacken, kacken, fluchen, der Vampir, der hat gerufen“ sang die Babysitterin leider nie.
Frau Ete Petete hatte Franz gerade zum Mittagsschläfchen an die Metallleine im Keller gehängt und mit dem Lied „Aber heidschi bumbeißdie“ zum Einschlafen gebracht, als Silvania und Daka aus der Schule nach Hause kamen.
Daka warf ihre Umhängetasche in den Flur und schleuderte ihre schwarzen Lederstiefeletten von den Füßen, sodass sie nach ein paar Loopings links und rechts in die Ecken donnerten.
„Junge Dame!“ Frau Ete Petete stand auf der obersten Kellertreppenstufe. Ihr Leberfleck zuckte. „Solch flegelhaftes Benehmen gebührt sich nicht. Weder für Menschen noch für Vampire.“
Daka drehte sich um. „Hä?“
„Hänge deinen Schultornister bitte ordentlich an die Garderobe und stelle deine Stiefelchen ins Schuhregal.“
Daka verdrehte die Augen. Silvania stieß sie in die Seite. „Nun mach schon.“
„Moment!“, sagte Frau Ete Petete, als Daka ihre Schuhe wegstellen wollte. „Sind das da etwa Dreckklumpen? Diese Stiefelchen gehören nicht ins Regal, sondern unter einen Wasserhahn! Abmarsch, Schuhe putzen!“
Silvania stellte ihre glänzenden, knallroten Lackschuhe säuberlich nebeneinander ins Regal. Daka schnaufte und verschwand mit den Schuhen im Badezimmer.
„Wie war die Schule, Silvania?“
„Och, ganz okay.“ Silvania ging in die Küche, gefolgt von Frau Ete Petete.
„Pardon? Liebe Silvania, wir hatten doch bereits darüber gesprochen, wie eine junge Dame ordentlich und im ganzen Satz antwortet, nicht wahr?“
Silvania räusperte sich. „In der Schule war es heute ganz ausgezeichnet, werte Frau Ete Petete.“ Silvania drückte den Rücken durch. Auch eine ordentliche Körperhaltung hatte Frau Ete Petete ihnen beigebracht.
Daka schlurfte in die Küche. Ihre Hände und Ärmel waren nass. „Is noch Grymsk Knax da?“, fragte sie und riss eine Schranktür auf, die Frau Ete Petete beinahe vor den Kopf bekam.
„Dakaria, darf ich einen kurzen Blick auf deine Hände werfen?“, fragte Frau Ete Petete.
Daka seufzte und hielt der Babysitterin die Hände hin. „Hatten wir doch heute Morgen schon, Fingernagelkontrolle.“
„Das ist durchaus richtig, meine Liebe. Aus mir unerfindlichen Gründen sehen deine Fingernägel aber immer aus, als würdest du nicht aus der Schule, sondern aus einem Kohlebergwerk kommen.“
„Manchmal wäre ich lieber im Kohlebergwerk als in der Schule, das können Sie mir glauben!“, sagte Daka, während Frau Ete Petete ihre Hände begutachtete.
„Tze, tze, tze, unschicklich“, sagte Frau Ete Petete und machte eine Kopfbewegung.
Wortlos verschwand Daka zum zweiten Mal im Badezimmer. Als sie zurückkam (mit sauberen Fingernägeln und ein paar Wasserspritzern auf dem Langarmshirt), stand Frau Ete Petete am Herd und schwenkte eine Pfanne.
„Boah, riecht derbe lecker!“ Daka setzte sich zu ihrer Schwester an den Küchentisch.
„Liebe Dakaria, du wolltest bestimmt sagen: Welch deliziöser Geruch bringt meine Nasenflügel zum Beben.“ Frau Ete Petete schwenkte die Pfanne.
„Genau das wollte ich sagen. Und welch deliziöses Mahl wird uns die gute Frau Ete Petete alsbald kredenzen?“ Daka grinste.
„Das hast du ganz vortrefflich gesagt. Na bitte, du kannst es doch.“ Frau Ete Petete nickte. „Den jungen Damen werden unverzüglich Blutpfannkuchen mit Mus von herrlich wurmstichigen Äpfeln serviert.“
Drei Minuten später lagen die Blutpfannkuchen auf den Tellern und das Apfelwurmmus stand bereit. Daka klatschte sich einen Löffel Mus auf den Blutpfannkuchen, rollte ihn zusammen und wollte gerade abbeißen, als Frau Ete Petete gebieterisch die Hand hob. „Tze, tze, tze, unschicklich.“
Daka stöhnte und ließ den Blutpfannkuchen, aus dem bereits etwas Mus auf ihre Hose gekleckst war, wieder sinken. „Was habe ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?“
„Einen Blutpfannkuchen zusammenrollen und mit den Händen essen kann jeder undressierte Affe. Wir drei – darauf haben wir uns doch geeinigt – sind aber echte Damen“, sagte Frau Ete Petete. „Und eine Dame isst mit Messer und Gabel.“
Silvania nickte und schob sich mit der Gabel vorsichtig ein Häppchen Pfannkuchen in den spitzen Mund.
„Ich bin keine Dame. Und ich will auch gar keine werden. Ich bin ein Halbvampir.“ Daka schob den Teller weg und verschränkte die Arme.
Der Leberfleck auf Frau Ete Petetes Wange zuckte. „Mir scheint, du bist weder eine Dame noch ein Halbvampir, sondern ein kleiner Trotzkopf.“
„Werte Frau Ete Petete, wären Sie so gut und könnten mir noch einmal die Tischmanieren erklären?“, sagte Silvania. „Es ist nämlich so: Ich bin bald zu einem Abendessen eingeladen, da möchte ich nichts falsch machen.“ Schon am kommenden Wochenende war das Abendessen, zu dem Jacob und sein Vater sie eingeladen hatten. Silvania dachte an Jacobs Vater, der im besten Anzug aus einem Taxi gestiegen war. Sicher ging es bei Jacobs Familie sehr vornehm zu.
„Mit dem größten Vergnügen, liebe Silvania. Zunächst die Grundregeln: Wir sitzen mit gewaschenen Händen, gekämmten Haaren und sauberer Kleidung gerade am Tisch, beide Hände liegen bis zum Handgelenk auf dem Tisch.“
Silvania nickte und achtete darauf, dass ihre Körperhaltung den Tischmanieren entsprach.
Daka nutzte den unbeobachteten Moment, beugte sich zum Teller und biss schnell ein großes Stück vom Blutpfannkuchen ab.
„Das Essen wird zum Mund geführt, nicht der Mund zum Teller. Und man nimmt immer nur kleine Portionen zu sich, um jederzeit an der Tischkonversation teilnehmen zu können“, fuhr Frau Ete Petete mit einem kurzen Seitenblick auf Daka fort. „Das Besteck hält man am unteren Griffende und vermeidet jegliches Geklapper. Benötigt man es gerade nicht, wird es gekreuzt auf dem Teller abgelegt, mit dem Gabelrücken nach oben. Unter keinen Umständen darf einmal benutztes Besteck das Tischtuch wieder berühren. Das Besteck dient nur zur Portionierung der Mahlzeit, nicht zur Akzentuierung eines Redebeitrags oder gar als Waffe.“
Silvania kreuzte das Besteck auf dem Teller.
In dem Moment flatschte, krachte und stöhnte es neben ihr.
Daka hatte versucht, ganz ohne Hände vom Teller zu essen, war dabei mit dem Kinn auf den Tellerrand gekommen, sodass der Teller hochklappte und ihr der Blutpfannkuchen samt Apfelwurmmus ins Gesicht klatschte. „Skyzati“, murmelte sie, während der Pfannkuchen langsam von ihrem Gesicht rutschte. „Ich … äh … dachte, ich hätte noch einen zappelnden Wurm im Mus gesehen.“
Dame mit Dutt
Dirk van Kombast schob die Gardine ein kleines Stück beiseite und sah gebannt auf den Fußweg vor seinem Haus. Dort lief, nein, vielmehr stolzierte wieder die interessante Dame, die vor ein paar Tagen bei den Nachbarn eingezogen war. Auch heute war sie wieder sehr geschmackvoll gekleidet. Sie trug einen Sonnenschirm, wie er bei eleganten Damen aus dem vorletzten Jahrhundert Mode gewesen war. Das schwarze, samtene Kostümjäckchen mit ausgestelltem Schößchen passte hervorragend zu dem langen, engen Rock und den glänzend schwarzen Haaren. Sie waren auf Scheitelhöhe zu einem großen, strengen Dutt zusammengefasst, der Herrn van Kombast an den Bollenhut der Schwarzwaldmädel erinnerte. (Er hatte mal ein Schwarzwaldmädel gekannt, ganz ohne Bollenhut, aber das war eine andere Geschichte …)
Die Dame mit dem Dutt schien so etwas wie das Kindermädchen der Familie Tepes zu sein. Auch jetzt schob sie den Kinderwagen des jüngsten Sprösslings von nebenan über den Gehweg. Der Kinderwagen sah eher aus wie ein Sarg auf Rädern und der jüngste Sprössling von nebenan war eher ein kleiner Beißling.
Dirk van Kombast wusste Bescheid. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen lief er nicht blind durch die Welt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen hatte er nicht nur seinen Beruf, seine Mutti und seinen Sportwagen, sondern auch eine Aufgabe im Leben, ein Ziel, eine Bestimmung!
Seit Vampire seiner Mutti den Verstand geraubt und sie in eine geschlossene Anstalt gebracht hatten, wollte er nur noch eins: der Welt beweisen, dass es Vampire gab. Er wollte den anderen Menschen die Augen öffnen, sie warnen, ja, wenn es sein musste, sie beschützen.
Das Schicksal hatte es gut mit ihm gemeint, als direkt ins Nachbarhaus Familie Tepes aus Transsilvanien eingezogen war. Als absoluter Kenner der Vampirwelt war Dirk van Kombast selbstverständlich sofort klar gewesen, dass seine neuen Nachbarn Vampire waren. Also, zumindest Herr Tepes und seine Töchter. Was Frau Tepes war, darüber war Herr van Kombast noch unschlüssig. Ein normaler Mensch konnte sie auf jeden Fall nicht sein, wenn sie einen Vampir geheiratet hatte.
Doch das Schicksal hatte es bisher wiederum schlecht mit ihm gemeint, wenn es darum gegangen war, die Vampire von nebenan zu überführen, dingfest zu machen und die restlichen Bewohner von Bindburg von deren Existenz zu überzeugen.
Dirk van Kombast war allerdings nicht nur ein sehr leidenschaftlicher Vampirjäger, sondern auch ein sehr geduldiger. Der Tag oder die Nacht würde schon noch kommen, an dem oder in der ihm die Vampire mit zitternden Eckzähnen zu Füßen lagen und die Menschen ihn auf Händen trugen.
Die Dame mit dem Dutt stolzierte weiter den Lindenweg entlang. Was für eine Körperspannung! Welch edle Gesichtszüge! Dirk van Kombast lehnte sich etwas vor, bis er mit der Stirn an die Fensterscheibe stieß.
Er ließ die Gardine fallen, trat vom Fenster zurück und fuhr sich über die Stirn. Mit dem Zeigefinger auf dem Mund ging er ein paar Schritte durchs Wohnzimmer und murmelte dabei: „Eine äußerst aparte Erscheinung …“
Die Kinderfrau seiner Nachbarn hatte Stil. Womöglich hatte sie schon an Königshäusern, in Präsidentenpalästen und Scheichpalais gedient. Wie sie ausgerechnet an Familie Tepes geraten war, konnte sich Dirk van Kombast nicht erklären. Die Dame tat ihm leid. Wusste sie eigentlich, worauf sie sich eingelassen hatte? Wusste sie, dass ihr Arbeitgeber ein Vampir war und die lieben Kleinen nicht nur jede Menge Unsinn im Kopf, sondern vor allem jede Menge Biss hatten?
Dirk van Kombast blieb vor dem Foto seiner Mutti stehen, das im Wohnzimmer an der Wand hing. „Ich muss sie warnen. Oder, Mutti? Das ist meine Pflicht als Vampirjäger, als Retter der Menschheit.“
Zwar gab ihm das Foto keine Antwort, aber Herr van Kombast nickte. Die Dame mit dem Dutt schwebte in höchster Gefahr. Jeder Tag, den sie ahnungslos bei Familie Tepes verbrachte, konnte ein Tag zu viel sein. Dirk van Kombast musste ihr die Augen öffnen, sie retten, bevor es zu spät war.
Es sei denn … es sei denn, die Dame mit dem Dutt war gar keine Kinderfrau, sondern ein Vampirfräulein. Doch das würde Dirk van Kombast schon bald herausfinden. Schließlich war er ein erfahrener Vampirjäger.
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