Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 308»

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Impressum

© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-705-1

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Der Mann, der finster und drohend auf dem Achterdeck der „Isabella IX.“ stand, war vom Typ her unverkennbar ein Abenteurer der übleren Sorte. Sein Haar war blond und kurz geschnitten, das Gesicht von kleinen Narben durchzogen, die Lippen schmal, und in seinem Kinn befand sich, wie mit dem Beil hineingehauen, eine Kerbe.

Seine Nase war etwas knochig und leicht gebogen, und darüber blickten zwei blaue Augen finster auf das Quarterdeck.

Dieser Mann war der Finne Matti Hakulinen, Kapitän und augenblicklicher Besitzer der „Isabella“, jenem Schiff also, das sie den Seewölfen im Handstreich und mit einem lausigen Trick abgenommen hatten.

Ein Prachtschiff war das, eine Galeone, wie sie besser nicht gebaut werden konnte, ein stark armiertes Schiff und ein Hartläufer, mit dem man dem Teufel wahrhaftig ein Ohr absegeln konnte.

Das hatte Hakulinen auch vor, denn seine Überlegungen gingen dahin, daß er mit diesem Schiff praktisch unschlagbar war. Deshalb erschien es ihm auch nicht mehr angebracht, Holzladungen von Finnland nach Deutschland zu verfrachten, wie er das vorher mit seiner jetzt ausgebrannten Galeone getan hatte.

Mit diesem Prachtstück konnte man wesentlich leichter und schneller sein Geld verdienen, wenn man sich ein bißchen auf die Seeräuberei verlegte.

Das brachte wesentlich mehr ein als die ewige Handelsfahrerei, wo um jedes Brett und jede Planke gefeilscht wurde. Bei der Seeräuberei entfiel dieses kleine Übel. Da wurde nicht gefeilscht, da gab es eins auf die Rübe, da sprachen die Kanonen, und schon war man sich handelseinig, zumindest einseitig.

Hakulinen juckte es schon mächtig, dieses Schiff auszuprobieren. Die Sache hatte aber noch einen kleinen Haken: Er hatte nur zwanzig Kerle. Immerhin harte und verwegene Kerle, die den Teufel am Schwanz zwackten, doch sie waren zu wenige, wenn es in ein Gefecht ging.

Da waren gleichzeitig Segel zu bedienen, Kanonen abzufeuern, nachzuladen, Pulver und Kugeln zu mannen, und was der Dinge mehr waren.

Ein paar Leute brauchte er noch, und die konnte er in Wisby anheuern. Deshalb nahmen sie an diesem Morgen des 3. März 1593 Kurs auf den Hafen Wisby auf Gotland.

Vorher aber wollte Hakulinen noch etwas erledigen, was ihm seit zwei Stunden auf der Seele brannte.

Der Koch Mäkilä hatte heute morgen ein Frühstück serviert, das ihnen noch allen wie Wackersteine im Magen hing. Graupen und Stockfisch hatte es gegeben, und das hatte dieser Dreckspatz von einem Koch so zusammengemantscht, daß es aussah wie die Ausscheidungen der Grönlandwale. So ähnlich roch es auch, nach fauligem Tang, toten Quallen und vergammeltem Fisch.

„Schick mir den verfluchten Koch aufs Achterdeck!“ befahl der finnische Kapitän dem Bootsmann Pulkila.

„Aber gern“, sagte der Bootsmann erfreut, weil er ahnte, was den „verfluchten Koch“ diesmal erwartete. Hakulinen hatte ihm schon gestern Prügel angedroht, falls sich an dem Fraß nichts ändern würde.

Es vergingen nur ein paar Augenblicke, dann erschien Mäkilä auf dem Achterdeck der „Isabella“. Er versuchte anbiedernd zu grinsen, doch bei Hakulinen war das fehl am Platz.

„Du siehst nicht nur aus wie ein Steinzeitmensch“, sagte er höhnisch, „du bist auch genauso dämlich. Mit Feuer kannst du nicht umgehen, das hast du bewiesen, als durch deine Schuld die ‚Katkorapu‘ verbrannte und unterging. Dein übler Fraß ist noch schlimmer geworden, du Mistkoch, du verdammter. Von deinen Versprechen hast du kein einziges gehalten.“

Er sah den Koch ärgerlich und drohend an, der ungeschlacht und gebückt dastand, mit den überlangen Armen eines Affen, kleinen tückischen Augen und niedriger fliehender Stirn. Zu allem Übel hatte er auch noch eine platte Nase und aufgeworfene wulstige Lippen, die das Bild vom Steinzeitmenschen fast perfekt abrundeten.

„Ich – ich bin nun mal kein guter Koch, Kapitän“, sagte er heiser vor Angst, denn er kannte die Gewalttätigkeit des Kapitäns, der gleich rigoros zuschlug, wenn ihm etwas nicht paßte.

Diesmal schien Hakulinen zur Erleichterung des Kochs aber nicht zuzuschlagen. Vielleicht beließ er es bei seinem triefenden Hohn.

„Du bist nicht nur ein mieser Koch“, sagte Hakulinen verächtlich, „du bist ein Smutt, ein Schmierlappen, ein fetttriefendes Kombüsenschwein. Aber vielleicht kannst du besser mit Farbe und Pinsel umgehen.“

„Ganz sicher, Kapitän“, sagte der Koch erleichtert. „Was habe ich zu tun?“

„Du wirst den Namen am Heckspiegel überstreichen, damit man den Namen ‚Isabella‘ nicht mehr sieht. Farbe gibt es auf diesem Schiff genug. Fang sofort damit an und verschwinde aus meinen Augen, sonst setze ich dir noch die Faust in deine Urmenschen-Schnauze.“

„Sofort, Kapitän.“ Der schmierige Koch dienerte.

Als er sich noch einmal hündisch verbeugte, beförderte ihn ein harter Tritt vom Achterdeck, und Mäkilä sauste hart über die Stufen des Niederganges aufs Quarterdeck.

Etwas später erschien er humpelnd mit einem Fäßchen schwarzer Farbe und einem Pinsel auf dem Achterdeck. Dort sah er sich ziemlich ratlos um und wußte nicht, wie er es bewerkstelligen sollte, an jene Stelle zu gelangen, wo der Name „Isabella“ stand.

„Äh – man sollte so eine Art Stelling vielleicht achtern anbringen, damit ich darauf sitzen kann“, wandte er sich verlegen an den Bootsmann Pulkila, der ebenfalls auf dem Achterdeck stand und sich durch einen grinsenden Blick mit Hakulinen verständigte.

„Bau ihm eine Stelling, Bootsmann“, sagte der Kapitän.

Pulkila nickte und griff nach einem Tau, das er sich schon zurecht gelegt hatte. Seelenruhig begann er, es dem verdutzten Koch um das linke Bein zu knoten. Um zu prüfen, ob der Knoten auch fest saß, riß der Bootsmann einmal heftig daran. Der Koch verlor die Balance und fiel mit einem dumpfen Ächzlaut auf die Planken.

„Sitzt fest“, sagte Pulkila fachmännisch.

„Dann über Bord mit der Stelling“, befahl Hakulinen.

Der Koch jammerte, doch das half ihm nicht. Vier rohe Fäuste, die des Kapitäns und die des Bootsmannes, hievten ihn hoch und gleich noch weiter.

Der schreiende Koch hing jetzt kopfvoran, das linke Bein nach oben, an dem Tau und wurde abgefiert. Dicht über dem rauschenden Kielwasser pendelte er an der Bordwand hin und her.

Er schrie jetzt zum Gotterbarmen, weil er nicht wußte, was die Kerle mit ihm vorhatten. Daß sie ihm eine Lektion für den schlechten Fraß erteilen wollten, war ihm klar. Er wußte nur nicht, wie es weiterging.

Von oben hörte er rauhes Gelächter. Die anderen Finnen waren jetzt alle versammelt und freuten sich, daß der Koch nur an einem Bein hing und außenbords über der See baumelte.

An einer Leine wurde der Farbtopf mit dem Pinsel abgefiert.

„Fang an!“ brüllte der Kapitän. „Und wenn du es nicht ordentlich tust, lassen wir dich bis in den Hafen hängen.“

Mäkilä jammerte weiter, daß ihm das Blut zu Kopf stiege und er kaum noch etwas sehen könne.

„Fang endlich an!“ rief Hakulinen drohend. „Sonst wirst du nie wieder etwas sehen können.“

Mäkilä heulte seine Angst weiter ins Kielwasser und erwartete jeden Augenblick, daß oben an Deck einer auf die Idee verfiel, das Tau weiter abzufieren oder gar durchzuschneiden.

In der unmöglichen Stellung, in der er hing, griff er nach dem Pinsel, tauchte ihn in die schwarze Farbe und pönte drauflos. Jedes Mal, wenn der Pinsel die Bordwand berührte, versetzte es Mäkilä in leichten Schwung, und er begann wie ein riesiges Pendel achtern am Schiff zu schwingen.

„Den Schwung mußt du ausnutzen“, riet eine Stimme hoch über ihm.

„Steck dir doch den Pinsel ins Maul, dann ziehen wir dich immer am Heck entlang.“

Mäkilä pinselte weiter, bis der Name „Isabella“ immer mehr verschwand und schließlich von der schwarzen Farbe ganz aufgesogen wurde.

Zu dem Zeitpunkt war ihm das Blut schon so in den Kopf gestiegen, daß er fast bewußtlos war und nur noch rote tanzende Nebelschleier erkennen konnte.

Dann hievten sie erst den Pott mit Pinsel und Farbe hoch, weil der ihrer Ansicht nach wichtiger war. Doch schließlich zogen ihn kräftige Fäuste an Bord, wo er benommen auf dem Achterdeck hockte.

Zwei andere hatten inzwischen provisorisch eine Stelling gezimmert und außenbords gefiert. Der Zimmermann Kuhmo enterte bereits ab, um den neuen Namen „Katkorapu“ mit Goldfarbe an den Spiegel zu malen.

„Ist noch was von der schwarzen Farbe übrig?“ fragte der Kapitän.

Pulkila sah in den Topf und nickte.

Hakulinen räusperte sich, sah dann nachdenklich auf den stumpfsinnigen Koch und nickte ebenfalls.

„So ein bißchen schwarze Farbe verändert viel“, sagte er. „Vielleicht kann man damit auch aus dem stinkenden Koch einen besseren Koch machen, einen, der nicht mehr so dreckig und fettig aussieht und schön gleichmäßig glänzt.“

„Ich werde mich um das Essen kümmern“, sagte der Koch heiser vor Angst, weil ihm bereits etwas schwante.

Doch Hakulinen schüttelte nur freundlich den Kopf. Er zeigte flüchtig auf die Kuhl und winkte zwei weitere Leute auf das Achterdeck, Abromeit und den Profos Alavus.

„Bleib hier“, sagte er mit der gleichen falschen Freundlichkeit. „Um das Essen werden sich andere kümmern. Für dich ist heute Feiertag, du erhältst einen neuen Anstrich.“

Die Männer grölten schadenfroh und schnitten Mäkilä gleich den Weg ab, damit er nicht türmen konnte.

„Das tut nicht weh und ist besser als Schläge“, sagte Hakulinen. „Und es wird dir auch verdammt lange in Erinnerung bleiben. Packt ihn jetzt, zieht ihm die dreckigen Klamotten aus und streicht den Kerl schwarz an!“

Auf einen solchen Befehl hatten sie alle nur gewartet, und schon stürzte sich die Meute auf den hysterisch kreischenden Koch und riß ihm die Plünnen herunter.

Zum Schluß trug er noch eine drekkige Unterhose und seine Stiefel. Die Unterhose sah aus wie ein bei schwerem Wetter aus dem Liek gefetztes Segel. Sie war ziemlich zerrissen.

Der Koch hieb in seiner Angst um sich und brüllte seine Furcht lauthals gegen den Wind. Für die anderen war das Anlaß genug, sich nur noch mehr zu beeilen. Deftige Witze wurden gerissen, und jeder erbot sich freiwillig, den „verfluchten Koch“ anzustreichen.

Der erste Pinsel schwarzer Farbe klatschte ihm auf den Kopf und verklebte seine Haare zu einem schmierigen Teppich. Dann ging es zügig weiter. Der Rücken kam an die Reihe, dann das Stück zwischen Oberschenkel und Stiefeln, und nach einer Weile sah der schreiende Koch in des Wortes doppelter Bedeutung recht finster aus.

Das hohnvolle Gelächter begleitete ihn, und er fühlte sich so gedemütigt wie noch nie in seinem Leben.

Aber schön gleichmäßig schwarz sah er aus, wie die anderen unter tosendem Gelächter anerkennend feststellten. Gar nicht wieder zu erkennen war er in seiner glänzenden Pracht, und von der Unterhose abwärts sah es aus, als steckten da zwei schwarzglänzende Ofenrohre in einem Paar Stiefel.

Hakulinen grinste ihn freundlich an.

„Bisher haben wir uns alle über dich nur geärgert“, sagte er, „jetzt bereitest du uns auch mal eine Freude, und jeder hat Gefallen an dir. Aber diese Freude wollen wir noch ein wenig genießen. Deshalb wirst du jetzt immer in aller Pracht und Herrlichkeit von vorn bis achtern laufen, auf und ab, als wenn du Wache gehst. Und jetzt setz dich in Marsch, Brust raus, Kopf hoch, die Arme angewinkelt.“

Mäkilä konnte weder fluchen noch schreien, noch die Kerle alle lauthals verdammen, denn die Farbe trocknete verdammt schnell an der frischen Luft. Das zog ihm aber gleichzeitig die Haut so zusammen, daß er kaum noch die Lippen auseinanderkriegte. Selbst seine Arme pappten schon am Körper an.

An Leib und Seele gebrochen, begann er von achtern über das Quarterdeck zu gehen, dann durchquerte er die Kuhl, Brust raus und den Kopf hoch, die Arme angewinkelt, und enterte die Back.

Dort mußte er eine zackige, überaus lächerlich wirkende Kehrtwendung beschreiben und die Strecke wieder zurückgehen.

Jedesmal wenn er an einem vorbeikam, wurde er untertänigst gegrüßt, und alle verbeugten sich vor ihm. Dabei fühlte er sich selbst immer kleiner werden und zusammenschrumpfen. Auch sah er immer schlimmer aus, nach Hakulinens Ansicht wie ein frisch geteerter Affe aus grauer Vorzeit.

So wanderte der Koch rastlos wie Ahasverus über die Decks, erbärmlich anzusehen, und auf jeder seiner Wanderungen begleitete ihn eine Lachsalve aus tränenden Gesichtern.

Inzwischen stand der Name „Katkorapu“, was soviel wie Krabbe hieß, am Spiegel des Schiffes. Diesen Namen hatte auch die Galeone Hakulinens gehabt, die durch die Hauptschuld des Kochs verbrannt war.

Als sie endlich in Wisby einliefen, stand der Koch immer noch frierend und schnatternd an Deck, und der Profos zwang ihn dazu, zur Begrüßung das alte finnische Lied von dem bösen schwarzen Walfisch anzustimmen.

Aus Angst vor weiteren Schikanen oder Prügel stand der Koch dann wenig später auf der Kuhl und sang zum Ergötzen aller in voller Lautstärke das Lied vom Walfisch.

2.

Zwei Männern fiel das Schiff schon auf, noch bevor es in den Hafen einlief.

Der eine dieser Männer war sehnig, stark, groß und von wilder Geschmeidigkeit, mit wehenden blonden Haaren und durchdringend blikkenden eisblauen Augen.

Arne von Manteuffel, ein Vetter des Seewolfs Philip Hasard Killigrew, eine Zweitausgabe des Seewolfs, nur eben heller als der schwarzhaarige Killigrew. Sein Schiff, die „Wappen von Kolberg“ lag noch immer an der Pier, weil Arne von Manteuffel auf eine bereits avisierte Pelzladung aus Wiborg wartete.

Der andere Mann war der Hafenmeister, der aus schmalen Augen auf die anlegende prächtige Galeone blickte, und seiner Verwunderung dadurch Ausdruck gab, daß er sich verblüfft den Schädel kratzte.

Verdammt, das Schiff kannte er doch, allerdings nichts als „Katkorapu“, sondern als „Isabella“. Er hätte jeden Eid darauf geleistet, daß es die „Isabella“ war, aber sie hieß anders, obwohl das Schiff sozusagen ein Solitär unter den Schiffen war.

Er musterte die Kerle mit gerunzelter Stirn und starrte reichlich verblüfft auf den singenden Neger an Deck, der nur in Stiefeln und Unterhosen dastand und heiser seinen Gesang in die Welt brüllte.

Auf dem anderen Schiff hatte es auch einen Neger gegeben, überlegte er, aber der war viel größer und breiter und hatte wollige Haare.

Dieser Neger jedoch war sozusagen viel frischer und glänzte noch, als sei er gerade frisch aus den Windeln gestiegen.

Ein merkwürdiger Mensch war das, fand der Hafenmeister erstaunt und verwundert. Als das Schiff jetzt anlegte, wunderte er sich noch mehr, stellte aber vorerst keine Fragen, als er die Gesichter der wilden Gesellen sah. Die sahen alle so aus, als sei mit ihnen nicht gut Salz lecken, besonders dieser Kapitän nicht, der eine schroffe und ablehnende Art zu haben schien.

Also konzentrierte er seine Blicke wieder auf den merkwürdigen Mann, der in seiner seltsamen Kleidung von vorn nach achtern ging und dabei immer laut sang, allerdings sehr krächzend und so, als hätte er ganz verdammte Angst.

Aus der Nähe stellte sich dann auch heraus, daß es gar kein Neger war. Da hatten die doch glatt einen Kerl angestrichen, dem die Farbe noch auf dem Körper und im Gesicht antrocknete.

Vielleicht war das so eine Art neumodischer Kram, dachte der Hafenmeister, oder die Kerle waren ein bißchen verrückt. Vielleicht war der Angepönte aber auch besoffen, oder der Kapitän schätzte es ganz besonders, immer einen angestrichenen Kerl auf dem Schiff zu haben, der fragwürdige Lieder sang.

Der Hafenmeister blieb noch ein wenig stehen und wartete ab, denn schließlich war es üblich, daß der Kapitän sich bei ihm meldete.

Aber nichts dergleichen geschah. Der Blonde mit dem stark eingekerbten Kinn kümmerte sich nicht um den Hafenmeister und ging auf die Kuhl des Schiffes.

Der Hafenmeister, den die Neugier immer stärker plagte, trat bis dicht an das Schiff heran, grüßte freundlich und stellte sich vor.

Der Kapitän schenkte ihm nur einen frostigen abweisenden Blick.

„Ein herrliches Schiff“, sagte der Hafenmeister anerkennend nickend, „eine Prachtgaleone. So was sieht man selten.“

„Ja, aber hin und wieder doch“, sagte Hakulinen schroff.

„So eins sah ich schon mal“, sagte der Hafenmeister. „Wollen Sie Ladung übernehmen, oder bleiben Sie länger?“

Die Antwort war wieder knapp und abweisend. Der Kapitän war fraglos ein ungehobelter Flegel.

„Ich brauche ein paar Leute, falls Sie nichts dagegen haben.“

„Da werden Sie hier gut …“

Hakulinen reagierte gar nicht darauf, ihn interessierte nicht, was der Hafenmeister sagte, und so wandte er ihm unhöflich den Rücken und unterhielt sich mit einem anderen.

Üble Gesellen, taxierte der Hafenmeister verärgert. Aber er wollte sich keine zweite Abfuhr holen, und so stellte er auch keine weiteren Fragen mehr. Schließlich hieß das Schiff ja auch nicht „Isabella“.

Auf der „Wappen von Kolberg“ erregte die Galeone ebenfalls großes Interesse, ganz besonders bei Arne von Manteuffel, der sie von vorn bis achtern musterte und ein paarmal den Kopf schüttelte.

Neben ihm stand der ebenfalls hochgewachsene und schlanke Erste Offizier Renke Eggens. Auch er blickte gebannt zu der Galeone hin.

„Das gibt es doch nicht, Renke“, sagte Arne verwundert. „Das Schiff gehört meinem Vetter Hasard, ich kenne es ganz genau, ich kann mich nicht so täuschen. Ich würde meinen Kopf dafür hinlegen, daß es die ‚Isabella‘ ist. Es kann von diesem Schiff gar keine Zweitausgabe mehr geben, die Galeone ist einmalig und erregt überall Aufsehen. Sie ist unverwechselbar.“

Renke Eggens nickte bekräftigend.

„Ja, sie ist unverwechselbar“, erwiderte er, „aber sie scheint es doch nicht zu sein. Ihr Name lautet: ‚Katkorapu‘, so steht es in breiten Lettern auf dem Heck.“

„Was ist schon ein Name?“ fragte der blonde Hüne. „Man nimmt einen Pott Farbe, übermalt ihn und setzt einen anderen an die Stelle. Und schon heißt das Schiff ganz anders – wie ‚Krabbe‘ zum Beispiel. Die meisten stutzen, weil sie den Anblick dieses Prachtschiffes kennen, lesen dann aber den anderen Namen und lassen die Angelegenheit auf sich beruhen.“

„Und was willst du unternehmen, Arne?“

Der Blonde mit den eisblauen Augen und dem männlichen kantigen Gesicht stieß sich von der Schmuckbalustrade des Achterdecks ab und stand federnd auf den Beinen.

„Ich werde der Angelegenheit auf den Grund gehen, denn ich kann mich nicht so irren“, sagte er hart. „Es ist die ‚Isabella‘ meines Vetters, daran besteht kein Zweifel. Da muß etwas passiert sein. Sieh dir einmal diese Kerle an, Renke. Sieh sie dir genau genau an. Da sind ein paar Visagen dabei, die nach allem anderen, nur nicht nach ehrlichen Handelsfahrern aussehen. Und was soll überhaupt dieser schwarz angemalte Kerl darstellen? Die scheinen alle ein wenig übergeschnappt zu sein.“

„Den Hafenkapitän behandeln sie auch wie den letzten Dreck“, stellte der Erste fest. „Der Blonde gibt ihm nicht einmal eine Antwort und dreht sich bei einer Frage einfach um.“

„Das ist sehr merkwürdig“, sagte Arne von Manteuffel.

Erst vor ganz kurzer Zeit hatte er seinen Vetter Philip Hasard Killigrew durch Zufall kennengelernt und ihm hier in Wisby auch gleich aus der Patsche geholfen. Danach war Hasard weiter ins Baltische Meer gesegelt, wollte aber auf der Rückfahrt noch einmal in Wisby „reinschauen“.

Jetzt lief sein Schiff ein, aber von der Crew war keiner mehr an Bord, was Arne mit immer größerer Sorge erfüllte.

„Was können wir unternehmen, Arne?“ wollte der Erste wissen.

„Vorerst mal das Schiff beobachten“, sagte der Mann, der so aussah, daß er fast als Zwillingsbruder Hasards durchgegangen wäre, hätte er ebenfalls schwarze Haare gehabt.

„Wenn der Kapitän es verläßt, werde ich ihm folgen und herausfinden, was er hier treibt. Du übernimmst das Kommando über das Schiff, solange ich weg bin. Ich werde mit dem Bootsmann dann später an Land gehen.“

„Bist du dir ganz sicher, daß es die ‚Isabella‘ ist?“

„Absolut sicher“, erwiderte Arne überzeugt. „Ich wüßte auch nicht, daß die Finnen solche Galeonen haben. Solche Schiffe werden erst in einigen Jahren gebaut, und daher ist es unverwechselbar.“

Bei dem Ersten blieb noch ein winziger Unsicherheitsfaktor. Seinen Kopf wollte er dafür nicht hinhalten, denn er dachte daran, daß das Schiff keinerlei Beschädigungen aufwies, er andererseits sich aber nicht vorstellen konnte, daß solche Kerle wie die Seewölfe einfach und kampflos ihr Schiff aufgaben. Zumindest hätte es eine Menge Kleinholz an Bord geben müssen.

Das sagte er Arne aber nicht, denn der hatte sich jetzt in die Sache verbissen und ging sie mit der ihm eigenen Zähigkeit und Gründlichkeit an.

Etwas später gesellte sich auch der Bootsmann zu ihnen, Hein Ropers, ein urwüchsiger harter und verläßlicher Mann, den es von der Niederelbe aus Stade an die Ostsee verschlagen hatte. Hein Ropers fuhr jetzt seit acht Jahren bei Arne von Manteuffel und ging mit ihm durch dick und dünn.

Ropers hatte den Braten ebenfalls gerochen, für ihn war das Schiff so unverwechselbar wie für Arne auch.

„Die haben den Namen überpönt“, erklärte er. „Dafür lasse ich mich untermangeln. Aber wo sind die anderen geblieben? Die haben ihr Schiff doch nicht kampflos aufgegeben.“

„Darüber grübele ich schon die ganze Zeit“, erwiderte Arne. „Nur zu einem brauchbaren Ergebnis hat es noch nicht gelangt. Scheint so, als steckt da eine ganz dicke Teufelei dahinter.“

„An Bord sind sie jedenfalls nicht gefangen“, meinte der Bootsmann, „sonst hätten sich die Eisenkerle durch die Planken gefressen und die Finnen zum Frühstück verspeist. Diese rund zwanzig Kerle waren wohl auch kaum in der Lage, dreißig Männer umzubringen, schon gar nicht diese Männer.“

Arne von Manteuffel nickte. Das Rätsel um das Schiff wurde immer größer, und damit das Problem um seinen verschwundenen Vetter und die anderen Männer.

„Du gehst nachher mit, Hein, sobald sich da drüben etwas rührt. Ich will wissen, welche Suppe da gekocht wird.“

„Egal, wie sie schmeckt, wir löffeln mit“, versprach Hein Ropers grimmig. „Auch wenn sie angebrannt ist.“

Mehr als eine halbe Stunde verging. Es war jetzt schon Nachmittag, und immer noch verließ niemand das Schiff. An Deck tummelten sich lediglich ein paar Gestalten herum. Die einzige Abwechslung war die, daß sie den schwarz angemalten Kerl in einen Waschzuber steckten und mit Scheuersand abschrubbten. Dabei wurde gegrölt und herumgebrüllt, und einer der Kerle brachte einen Holystone an und zog ihn dem brüllenden Kerl kräftig über das Kreuz.

Der sprang nach einer Weile quiekend aus dem Zuber und rannte über alle Decks, verfolgt von einer grölenden Meute, der es Spaß bereitete, den Mann wieder einzufangen, um ihn erneut der derben Prozedur zu unterziehen.

Auch ein paar Neugierige fanden sich ein, die an der Pier standen und grinsend zusahen. Doch der Kapitän mit der Kerbe im Kinn scheuchte sie unfreundlich weg und drohte einem der Männer gleich noch Prügel an, als der nicht schleunigst verschwand.

Der Nachmittag verging, und es wurde Abend, ehe sich auf der Galeone etwas rührte.

Arne von Manteuffel war gerade in seiner Kammer, als Hein Ropers anklopfte und eintrat.

„Fünf Kerle gehen an Land“, sagte er. „Vier ziemlich harte Knochen und der Kapitän.“

Der riesenhafte Blonde sprang auf. Sein knappes Lächeln war hart.

„Na, endlich“, sagte er, „ich dachte schon, die wollen sich für den nächsten Winter hier einfrieren lassen. Gehen wir sofort hinterher. Renke Eggens weiß Bescheid.“

Arne verließ die Kammer des Achterdecks und folgte dem Bootsmann, der es ziemlich eilig hatte. Am Hafen sahen sie gerade noch die fünf Gestalten im Dämmerlicht, die in eine kleine Gasse einbogen.

„Ich kann mir schon denken, in welche Kneipe sie gehen“, sagte Arne unterwegs. „Und da werden sie irgendwelchen dunklen Geschäften nachhängen, oder aber sie brauchen Leute, denn mit zwanzig Mann können sie auf der ‚Isabella‘ nicht viel anfangen.“

„Das wäre eine Möglichkeit“, sagte Hein Ropers. „Denen traue ich aber eher ein paar undurchsichtige Geschäfte zu.“

Die fünf Kerle drehten sich nicht ein einziges Mal um. Sie bemerkten ihre Verfolger nicht und verfielen auch gar nicht auf die Idee, verfolgt zu werden.

Es ging durch eine Gasse, dicht an der alten Stadtmauer mit den vielen Türmen vorbei, dann leicht einen Hang hinauf.

Von See her briste es auf, und kühler Wind strich über Wisby. Der Mond über dem Wasser war nur ein kleiner Strich, der hin und wieder zwischen Wolken verschwand.

Vor der Kneipe hing eine Sturmlaterne, die ein Holzschild mit der Aufschrift „Zur Räucherkate“ flackernd beleuchtete.

Die schwere Bohlentür ging auf, und die fünf Finnen verschwanden in milchigem Lichtschein.

Arne von Manteuffel und Hein Ropers warteten noch ein paar Augenblicke, dann gingen sie hinterher.

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