Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 450»

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Impressum

© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-858-4

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Fred McMason

Auf des Messers Schneide

Sie segelten ostwärts – aber überall lauerte der Feind

Mit allem hatten Hasard und seine Männer auf ihrer Rückreise nach Panama gerechnet, aber nicht damit, daß sich chinesische Kampfdschunken in das Kielwasser der „San Lorenzo“ und der „Estrella de Málaga“ hängen worden. Die Zopfmänner auf den drei Dschunken sahen wild und wüst genug aus, um sie richtig einzuschätzen, nämlich als Piraten. Leider verfügten diese Kerle auch über ganz übles Feuerwerk, gegen das noch kein Kraut gewachsen war, und darum zogen es die Seewölfe vor, sich zu den Galápagos-Inseln abzusetzen, wobei sie es allerdings schafften, zwei Dschunken zu einer Höllenreise zu verhelfen. Ihre „San Lorenzo“ mußten sie dabei aufgeben. Aber die dritte Dschunke konnten sie nicht abschütteln – und es wurde ein furchtbarer Kampf …

Die Hauptpersonen des Romans:

Philip Hasard Killigrew – die Männer können aufatmen, als der Seewolf aus der Bewußtlosigkeit erwacht.

Ben Brighton – als Hasards Stellvertreter zeigt er, was in ihm steckt.

Dan O’Flynn – unternimmt mit fünf Männern das Wagnis, mit einer Jolle nach Panama zu segeln.

Pedro Ibarra – Bootsmann einer spanischen Kriegskaravelle, der über die Männer im Vordeck als Herrgott herrscht.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

1.

11. Februar 1595. Galápagos, die verwunschenen Inseln.

Es war jetzt später Nachmittag auf der Insel Isabela, auf der sich das Schicksal Arauas erfüllt hatte. Ein verirrter Pfeil, abgefeuert von einem chinesischen Schnapphahn, hatte sie tödlich getroffen.

Jetzt war Araua, Tochter des Seewolfs und der Schlangen-Priesterin Arkana, tot.

Dementsprechend düster und gedrückt war auch die Stimmung der Arwenacks und Le Vengeurs. Die stumme Bilanz, die sie zogen, war traurig und erschütternd.

Hasard hatte im Endkampf gegen die chinesischen Piraten eine lebensgefährliche Stichwunde unter dem Herzen erhalten und war immer noch bewußtlos. Ihr Schiff, die „Estrella de Málaga“, war von den Piraten in Brand geschossen und vernichtet worden. Jetzt saßen sie auf den Inseln des Galápagos-Archipels fest, rätselhafte Inseln, die sie noch nicht erforscht hatten, und die mit Recht die verwunschenen Inseln genannt wurden, weil sie angeblich immer wieder auf geheimnisvolle Weise verschwanden und wieder auftauchten.

Das alles drückte schwer auf die Stimmung. Die zauberhaften Inseln hatten ihren strahlenden Glanz verloren und wirkten genauso düster wie die Gesichter der Männer, die auf ihnen gefangen waren.

Sie hatten noch vier Beiboote retten können, aber das waren Nußschalen. Die südamerikanische Küste war sechshundert Meilen entfernt, bis zu ihrem Ziel Panama war es fast das Doppelte.

Jetzt fragte sich jeder der Männer bedrückt, warum es gerade Araua und Hasard getroffen hatte, um dessen Leben sie ja auch bangen mußten. Nach allem, was der Kutscher und Pater David gesagt hatten, sah es gar nicht so gut aus. Die beiden warfen sich immer wieder besorgte Blicke zu.

Einige Männer resignierten fast und fragten sich, was das alles für einen Sinn hätte. Jetzt befanden sie sich völlig abgeschnitten von der Welt in der einsamen Verlorenheit der Inseln.

Sie hatten einen hohen Preis bezahlt, und dieser Preis würde noch höher werden, falls Hasard an seiner schweren Verletzung starb.

Ben Brighton, Hasards Stellvertreter, sah besorgt auf die Männer, die so bedrückt wirkten. Er mußte etwas tun, um sie aus ihrer Niedergeschlagenheit zu reißen. Jetzt hatte er die Verantwortung für die Männer.

Alles Grübeln half und nutzte nichts, überlegte er. Sie mußten mit den Tatsachen fertig werden und sich vor allem darauf einrichten, auf diesen Inseln vorerst noch zu bleiben und sich häuslich einzurichten. Wie lange das der Fall sein würde, stand in den Sternen. Niemand wußte es.

„Wir müssen die Männer hochpurren“, sagte er zu Big Old Shane.

Der Exschmied von der Feste Arwenack strich über seinen grauen Bart und nickte traurig. Auch ihm setzte das alles schwer zu, aber es war eben nicht zu ändern.

„Ja, das Leben geht weiter“, sagte er schwer. „Wir können hier nicht herumsitzen und auf ein Wunder warten. Es wird keines geben. Wir sollten die Männer beschäftigen, damit sie nicht weiter ihren traurigen Gedanken nachhängen.“

„Genau das hatte ich vor, Shane. Zuallererst sollten wir für Hasard ein Zelt aus geteertem Segeltuch errichten, natürlich ebenfalls eine Lagerstatt aus Decken und weichen Moosen, von denen es hier viele gibt. Dann müssen die Leichen der chinesischen Piraten verschwinden, sonst grassiert hier in ein paar Tagen möglicherweise noch eine Seuche.“

„Und die Boote, die wir in den Felsen versteckt haben?“

„Die müssen sofort geholt werden, weil wir sie zum Einsatz in der Bucht brauchen.“

Auch Dan O’Flynn war inzwischen erschienen, ebenso Jean Ribault und der herkulisch gebaute Pater David.

Ben brauchte nicht zu fragen, wie es um den Seewolf stand. Der besorgte Blick des Paters sagte alles. Sie hatten ihn in die Mulde gebracht und auf Decken gelegt. Jetzt waren die Zwillinge, der Kutscher und Mac Pellew bei ihm. Die Wunde war gesäubert und verbunden worden.

„Was wir auch brauchen, ist Trinkwasser“, sagte Ben. „Wir haben nur ein paar Fässer mit an Land genommen. Dabei kann ein Trupp gleich die nähere Umgebung erkunden.“

„Das übernehme ich mit ein paar Männern“, sagte Ribault, „und zwar gleich, denn Wasser ist lebensnotwendig. Wenn wir auf dieser Insel keins finden, müssen wir es auf einer anderen versuchen und umsiedeln.“

„Gut, der Punkt ist damit abgehakt. Ich vermute, daß ihr vielleicht hoch in den Bergen Wasser findet.“

Jean Ribault ließ keine Zeit verstreichen. Ohne Trinkwasser konnten sie nicht überleben. Er scharte Roger Lutz, Dave Trooper und Tom Coogan um sich. Kurze Zeit später stiegen die vier Männer bereits in die Lavafelsen auf.

Ben überlegte sorgfältig, was alles erforderlich wurde. Im Geist hatte er bereits eine Liste zusammengestellt. Alles, was noch in der Bucht trieb, mußte geborgen werden, man mußte Fischfang betreiben, um zu überleben, man brauchte eine größere Kochstelle, man mußte sich um die Hühner kümmern, und was der Dinge mehr waren.

Etwas später ging eine Gruppe daran, den Strand von den toten Zopfmännern zu säubern. Einige hatten schon die Haie geholt, viele andere waren ins Meer hinausgetrieben worden, aber etliche lagen noch am Strand. Für sie wurde am anderen Ende der Bucht eine große Grube ausgehoben.

Dann wurden die vier Jollen aus den Felsen geholt und zum Wasser gebracht. Auch das war wieder eine Heidenarbeit, die nur durch viele Männer bewältigt werden konnte.

Noch an diesem Nachmittag herrschte auf der Insel eine Emsigkeit, die fast beängstigend wirkte.

Aber Ben hatte das erreicht, was er wollte, und bewies damit, daß er die Leute zu führen verstand. Sie hatten jetzt so viel zu tun, daß sie pausenlos beschäftigt und abgelenkt waren.

Das Zelt für Hasard wurde errichtet und eine Lagerstatt aus Decken und Moosen geschaffen. Als es stand, trugen sie den Seewolf hinein. Seine Söhne wichen nicht von seiner Seite. Pater David und der Kutscher bemühten sich ebenfalls ständig um ihn. Sein Gesicht war immer noch bleich und eingefallen, sein Atem ging flach, und auf seiner Stirn perlte der Schweiß. Die Schnittwunde auf seiner linken Wange war dick mit Salbe bestrichen worden.

„Mehr können wir vorläufig nicht tun – nur beten“, sagte Pater David zum Kutscher. Der nickte nur stumm und betrübt. Nein, mehr konnten sie nicht tun, auch ihre ärztliche Kunst war begrenzt. Aber Hasard hatte eine bärenstarke Natur, und darauf hoffte der Kutscher, hofften auch die Zwillinge und all die anderen.

Sam Roskill, Bob Grey und Gary Andrews fischten inzwischen mit einer Jolle die Bucht ab. Eine zweite Jolle mit Pete Ballie, Al Conroy und Batuti war ebenfalls unterwegs, um das in der Bucht treibende Zeug zu bergen.

Da war trotz der wilden Explosion, die die „Estrella“ zerfetzt hatte, noch allerlei aufgetrieben. In der schwachen Dünung bewegten sich rußgeschwärzte Planken, da trieben angekohlte und versengte Holzstücke in allen Größen herum, und da war von der Karavelle noch ein ebenfalls pechschwarzes Gerippe übriggeblieben, das langsam Kurs auf die offene See nahm. Auch Tauwerk, Segelfetzen und ein paar leere Fässer trieben herum.

Das chinesische Drachenschiff war ebenfalls zerfetzt worden, als es in einem Glutball auseinanderflog. Erstaunlicherweise gab es aber auch hier noch Überreste.

An einem Maststück hing noch ein toter chinesischer Schnapphahn, der ebenfalls in die See abtrieb. Sie ließen ihn, wo er war. Die Haie würden ihn ohnehin bald holen, und sie hatten Wichtigeres zu tun, als in der See treibende tote Piraten an Land zu bringen.

Das schwarze Gerippe wurde in Schlepp genommen. Gary Andrews band es an der Jolle fest. Dann pullten sie zum Strand zurück, wo die Männer mit allerlei Arbeiten beschäftigt waren.

Die Bergeaktion in der Bucht diente nicht nur dem Zweck der Ablenkung. Das Holz konnte zumindest als Brennholz noch verwendet werden. Viele Bäume gab es auf der Insel Isabela nicht, und so wurde jede Planke und jeder Splitter geborgen und zum Ufer gebracht, wo es gestapelt wurde.

Unterdessen war Mac Pellew zusammen mit dem Koch Eric Winlow damit beschäftigt, eine Kochstelle zu errichten.

Dazu nahmen sie Lavabrocken, die sie bei den Felsen fanden. Mitunter aber mußten sie auch größere Brocken aus dem Fels schlagen, und das erwies sich als sehr mühsam. Das Lavagestein, das so porös aussah, erwies sich als hartes Zeug, das nur schwer zu bearbeiten war.

Die beiden Köche schufteten im Schweiße ihres Angesichts. Mac sah noch grämlicher drein als zuvor, und seine Laune ließ ebenfalls sehr zu wünschen übrig. Seit Araua tot war und der Seewolf schwer verletzt im Zelt lag, hatten sich Falten und Kerben in Macs Gesicht gegraben. Er war auch nicht gerade freundlich und sprach nur selten ein Wort.

Etwas weiter von ihnen entfernt war der Profos mit Smoky, Blacky und Luke Morgan dabei, für die acht Hühnerchen, die in einem Verschlag an Land gebracht worden waren, einen Auslauf zu bauen. Dieser Auslauf wurde aus Steinen errichtet, hoch genug, damit die Hühner nicht darüber flattern konnten.

Carberry ging hinüber, wo Mac Pellew und Eric Winlow die Lavasteine abschlugen, suchte sorgfältig ein paar Brocken heraus, klemmte sie unter den Arm und nahm sie mit, um damit die Mauer für den Stall zu errichten. Mac Pellew war so beschäftigt, daß er nichts davon bemerkte.

Als der Profos das zweite Mal aufkreuzte, hatte Mac aber doch etwas gesehen und lauerte schon auf ihn. Sein Blick war äußerst gallig, und in der Hand hielt er einen Hammer, als wollte er damit gleich zuschlagen.

„Von wegen“, knurrte Mac. „Ich racker mir hier die Seele aus dem Leib, um einen verdammten Herd zu bauen, und du kreuzt einfach auf und klaust mir die Steine. Nicht mit mir, Mister Carberry. Hau dir deinen Scheiß gefälligst selbst raus.“

„He, was ist denn mit dir los, Mac?“

„Ich bin nicht dein Mac, Mister Carberry, und ich kann es auf den Tod nicht leiden, wenn du mir die Steine klaust.“

„Wer klaut denn hier?“ fragte Ed erstaunt. „Ich habe mir doch nur ein paar genommen, die ihr nicht brauchen könnt. Die Mauer muß hoch, sonst flattern mir die Hühner davon.“

„Koch deine Hühner doch zu Brühe, dann fliegen sie nicht mehr, und du kannst sie in einem Faß unterbringen. Und was ich hier brauchen kann oder nicht, das mußt du schon mir überlassen.“

Der Profos wollte gerade losbrüllen, weil Mac eine große Lippe riskierte, aber dann stemmte er nur die Pranken in die Seiten und sah Mac Pellew nachdenklich an.

„Verstehe“, brummte er, „dir geht es genauso beschissen wie mir und den anderen. Klopfen wir die Steine zusammen ab, was, wie?“

„Wenn’s denn sein muß“, brummte Mac. „Ich habe heute nicht gerade meinen besten Tag, weißt du!“

„Ja, manchmal regt man sich über jede Kleinigkeit auf“, gab der Profos zu. Aber dann klopften sie in stiller Eintracht doch zusammen die Brocken aus dem Fels. Mac Pellew sprang ein paarmal erschreckt zur Seite, denn der Profos schlug zu, als habe er die Absicht, den ganzen Berg abzuräumen.

Nach und nach erschienen auch die Pinguine und die Seelöwen wieder, die der gewaltige Feuerzauber in der Bucht vertrieben hatte. Sie hielten zwar noch Abstand, aber sie waren wieder da. Die neugierigen Pinguine, die wie kleine Kinder umhertollten, watschelten bald wieder näher heran und sahen offenbar interessiert dem seltsamen und ungewohnten Treiben zu.

Ben Brighton erschien mal am Strand, dann wieder in der Mulde und kümmerte sich um alles. Ferris Tucker stand mit seiner riesigen Axt unten am Strand und sichtete das Treibgut. Was noch verwendet werden konnte, sortierte er aus. Der Rest wanderte auf den Stapel, der später als Brennholz dienen sollte.

„Sehr viel ist es ja nicht“, sagte Ferris. „Es wird auch nur ein paar Tage reichen. Aber ich war mal bei den Mangroven da drüben. Das Holz kann man notfalls zum Feuern, besser aber noch zum Räuchern verwenden. Es gibt hier auch viele Fische, die man über dem Mangrovenholz räuchern kann. Wir müssen sie nur fangen.“

„Mit dem Fischfang beginnen wir morgen“, sagte Ben. „Wer hier länger überleben will, muß mit erheblichen Problemen rechnen und vor allem damit fertig werden. Ein großes Problem ist augenblicklich noch das Trinkwasser. Hoffen wir, daß Jean auf Wasser stößt, sonst sieht es böse für uns aus.“

„Notfalls ziehen wir um. Ich bin ganz sicher, daß es auf irgendeiner der Inseln Trinkwasser gibt.“

„Ja, ich hoffe es wenigstens. Wir werden auch damit beginnen, die Inseln zu erkunden. Von dieser hier haben wir zwar noch nicht viel gesehen, aber Dan sagte, daß sie ziemlich trostlos sei. Er hatte sich aber auch nur einen kurzen Überblick verschafft.“

Ben kehrte wieder zurück, ging ins Zelt und sah nach Hasard. Aber sein Zustand hatte sich nicht geändert. Er war weder besser, aber auch nicht schlechter geworden.

Inzwischen hatten Jean Ribault, Roger Lutz, Dave Trooper und Tom Coogan die Felsen erstiegen.

Ribault war tief in Gedanken versunken, denn Arauas Tod ging ihm sehr nahe. Er wußte noch nicht, wie sie diese schlimme Nachricht ihrer Mutter Arakana beibringen sollten, obwohl noch viel Zeit vergehen würde, bis sie die Schlangen-Insel erreichten. Vorerst war daran noch nicht zu denken. Aber Arkana hatte sie ihm anvertraut – wegen einer nichtigen Streitigkeit mit Hasard – und jetzt grübelte er darüber nach.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis er sich wieder gefangen hatte und sich nach allen Seiten umsah.

Trinkwasser brauchten sie, das war vordringlich. Alles andere mußte vorerst zurückgestellt werden.

Kurze Zeit später lag ein schroffes Hochplateau vor ihnen, bewachsen mit Büschen, Kakteen und Sträuchern, die in den Lavaschlacken ziemlich mager gediehen. Das Plateau zog sich ein paar hundert Yards hin, dann begannen wieder Felsen und Schroffen.

Aber von da an veränderte sich die fast öde Landschaft auf erstaunliche Weise. Alles wurde bunter, farbenprächtiger und schien in vollem Saft zu stehen. Weit vor ihnen wuchs ein mächtiger Vulkankegel in den Himmel.

Die Vegetation war grün und saftig. Hohe, dicht belaubte Bäume standen da, behangen von wehenden Silberflechten und Lianen. Hier wuchsen die Passionsblume und die buschige Scalesia, und hier gab es auch kleine Bäume, die einem Apfelbaum ähnlich sahen. Die Bäume trugen kleine gelbe, apfelähnliche Früchte.

Es war der Manzanillo, dessen Früchte sehr verlockend aussahen und angenehm rochen, aber hochgiftig waren.

Roger Lutz blieb verwundert stehen und betrachtete die Bäume. Auch die anderen waren stehengeblieben und bestaunten die „Äpfel“.

Roger Lutz schnupperte ein bißchen, griff dann nach einer Frucht und roch daran.

„Hm“, sagte er begeistert, „das wird unseren Speisezettel bereichern. Wie das duftet, ganz phantastisch.“

Er wollte gerade kraftvoll hineinbeißen, da ergriff Ribault seine Hand.

„Nicht so voreilig, Roger“, warnte er. „Wir kennen die Dinger nicht und sollten vorsichtig sein.“

„Aber der riecht herrlich“, wandte Roger ein.

„Trotzdem ist Vorsicht geboten.“

Jean hielt immer noch die Hand mit dem Apfel fest, und unwillkürlich drückte Roger dabei ein bißchen. Aus der unbekannten, so herrlich duftenden Frucht floß etwas milchiger Saft, der über Rogers rechte Hand lief. Sofort begann die Haut unerträglich stark zu jucken. Der Saft biß stark in die Augen, reizte die Schleimhäute und die Speiseröhre. Roger Lutz hustete, seine Augen begannen zu tränen.

„Verdammt“, sagte er, nach Luft ringend, „das ist ja das reinste Gift.“

Mit einer schnellen Bewegung schlenkerte er die verlockend duftende Frucht auf den Boden. Noch immer tränten ihm die Augen, er hustete und würgte, und seine Hand brannte ganz entsetzlich. Es wurde erst wieder besser, als er sie an der Hose abwischte. Trotzdem kriegte er noch am selben Tag einen Hautausschlag, der ihn eine halbe Woche lang plagte.

„An dem wärst du erstickt, aber auf höllische Art und Weise“, sagte Jean ernst. „Das ist ein Teufelsapfel, voller Gift und Galle. Den Genuß hättest du nicht überlebt. Seid also vorsichtig mit den Früchten, die hier wachsen. Nicht alles, was prachtvoll aussieht, ist auch immer genießbar.“

Für die Männer war das eine Lehre, die ganz besonders der Frauenheld Roger Luta so schnell nicht vergaß. Sie schlugen um jeden der trügerischen Bäume von nun an einen weiten Bogen.

In anderen Bäumen, die sie auf dem Plateau vorfanden, hingen schmarotzende Orchideen von herrlichen Farben. Und immer wieder tauchten diese leuchtenden Silberflechten auf – wie die langen Haare eines uralten Greises, die sich leicht im Wind bewegten.

Von hier aus hatten sie einen prächtigen Ausblick auf die Inselwelt der Galápagos. Sie gingen weiter zwischen Lavafelsen hindurch, über humusreichen Boden und grüne Vegetation, die sich urwaldähnlich in immer größere Höhen erstreckte.

Einmal blieb Ribault wie versunken stehen. Vor ihnen befand sich ein gewaltiger Lavabrocken, ein fast viereckiger Riesenklotz, der innen muldenförmig ausgehöhlt war. Eine dicke Lavaplatte lag seitlich daneben, die keine fünf Männer hochheben konnten.

Ribault war so in Gedanken versunken, als sei er allein auf der Welt. Er starrte auf den Riesenklotz, dann wieder auf die schwere Platte.

„Was ist, Jean?“ fragte Dave Trooper.

„Ich – ich dachte gerade an Araua. Das hier wäre eine würdige Grabstelle für sie“, sagte er leise. „Wenn wir die Platte auf den ausgehöhlten Felsen legen, hat sie ein Steingrab auf einem hohen Punkt der Insel.“

Die Männer schluckten hart. Auch sie fanden, daß dieser Platz, über den ewig der Wind des Pazifiks strich, eine würdige Begräbnisstätte für Araua war. Wenn der tonnenschwere Deckel darauf lag, würde nichts und niemand ihre immerwährende Ruhe stören.

Sie nickten beklommen. Nach einer Weile gingen sie weiter.

Zum ersten Male sahen sie jetzt Schildkröten und waren genauso beeindruckt wie Dan O’Flynn. Der Boden wurde härter und sandiger. Der Wind hatte die Lava zu schwerem Staubsand zerrieben und ihn in die porösen Löcher des Untergrundes geweht.

Hier oben gab es mehrere kleine Vulkane, die längst erloschen waren. Vor Jahrhunderten mochten sie einmal Feuer, Asche und Magma gespien haben. Jetzt waren sie erkaltet, tot und erloschen.

Dave Trooper wies mit der Hand nach links, wo eine Senke zu einem großen Krater führte.

„Da ist ein See“, sagte er überrascht. „Trinkwasser in Massen, soviel können wir nie verbrauchen.“

Die vier Männer eilten zu dem Krater. Seltsamerweise waren seine Ränder kaum bewachsen, obwohl es hier Wasser in Hülle und Fülle gab. Aber es wuchs nicht einmal ein Baum in unmittelbarer Nähe.

Der Kratersee lag ruhig da, sein Wasser schimmerte wie Blei, kein Hauch bewegte die Oberfläche.

„Damit ist eins der größten Probleme gelöst“, sagte Ribault erleichtert. „Das wird die anderen beruhigen.“

Am Rand knieten sie nieder und schöpften mit den Händen Wasser. Ihr Durst war groß.

Coogan schlürfte einen langen Schluck, während Roger Lutz erst einmal seine Hand im Wasser kühlte. Auch Ribault tauchte die Hände hinein. Dann fuhr Coogan mit einem leisen Schrei hoch, preßte beide Hände auf den Magen und spie das Wasser aus. Es brannte höllisch, war scharf und salzig.

„Pfui Teufel, Salzwasser“, sagte er hustend.

Es war Salzwasser, und es schmeckte fast noch salziger als das Meerwasser. Enttäuscht blickten sie auf den schimmernden See, dessen Wasser absolut ungenießbar war.

„Das war Pech“, sagte Jean. „Damit habe ich leider auch nicht gerechnet. Also weiter, vielleicht finden wir doch anderes Wasser.“

„Der Krater reicht vermutlich bis unter den Meeresspiegel“, meinte Lutz. „Aber wieso liegt dann der See höher?“

„Wahrscheinlich, weil er zusätzlich durch Regenwasser aufgefüllt wird, aber er liegt gar nicht sehr viel höher. Wir sind ja ein ganzes Stück wieder nach unten gegangen. Der Eindruck täuscht nur.“

Etwas später entdeckten sie zwei riesige Schildkröten, die schwerfällig in Richtung eines anderen kleinen Kraters trotteten. Sie blieben stehen, um den beiden Tieren nachzusehen.

Zwei gigantische gepanzerte Exemplare waren das, von einer Größe, wie sie sie noch, nie gesehen hatten.

Obwohl sie sich sehr langsam fortbewegten, war doch eine gewisse Zielstrebigkeit zu erkennen. Es schien, als hätten sie einen genau abgesteckten Kurs vor sich, dem sie hartnäckig folgten.

Die Männer überholten die mächtigen, vorsintflutlich anmutenden Tiere und bestaunten sie von vorn. Dunkle Augen aus einem riesigen vorgereckten Schädel starrten sie an. Die gewaltigen Vorderbeine der Tiere erinnerten fast an Elefantenbeine. Sie walzten heran und ließen sich nicht beirren. Sie hatten auch nicht die geringste Scheu. Als sie vorbeiwalzten, schlug Roger Lutz leicht mit der Hand auf den harten gewölbten Rückenpanzer. Die einzige Reaktion war ein Zusammenzucken des Schädels und ein leises Schnauben wie von einem Stier. Das war alles. Dann setzten die Tiere ihren Weg fort, ohne die neugierigen Männer zu beachten.

Roger Lutz konnte es jedoch nicht lassen. Er schwang sich der einen Schildkröte von der Seite her auf den Rücken, der oberhalb des langen Halses wie ein spanischer Pferdesattel hoch aufgestülpt war. Etwas furchtsam blickte er dabei auf den vorgereckten Schädel. Das Tier ließ sich nicht weiter stören. Ebensowenig schien es das Gewicht des Mannes zu empfinden. Es schaukelte in seinem merkwürdigen Gang weiter. Erst als einmal das unwillige Schnauben erklang, stieg Lutz ab.

Weiter vorn waren noch zwei Exemplare dieser Riesenschildkröten zu sehen. Durch ihr beachtliches Gewicht hatten sie einen regelrechten Trampelpfad geschaffen, der an manchen Stellen wie poliert wirkte.

Hier gab es erstaunlicherweise allerdings noch mehr der Trampelpfade. Auf den ersten Blick schien es, als seien sie von Menschen angelegt oder geschaffen worden. Wie kleine Hohlwege sahen die Pfade mitunter aus und führten zum Meer oder von dort hinauf.

Hier, direkt oberhalb des Lagerplatzes, stieß die Gruppe auf einen weiteren See, einen erloschenen Krater, dessen Oberfläche das Blau des Himmels spiegelte.

Völlig überrascht blieben die Männer stehen und sahen auf das eindringliche Bild, das sich ihren Blicken bot.

Hier wimmelte es von den monströsen Riesenleibern der Schildkröten. Dicht am Ufer tauchten sie ihre Schädel bis weit über die Augen ins Wasser und schluckten voller Gier. Auch diesmal störte sie die Anwesenheit der Männer nicht, die neugierig näher herangingen.

Gluckern, Schlucken und Schlabbern waren zu hören, dann wieder das stierähnliche Schnauben, wenn sich zwei Riesen in die Quere gerieten.

„Saufen die denn Salzwasser?“ fragte Coogan.

„Ganz sicher nicht“, entgegnete Ribault, „da hätten sie es an der Küste einfacher haben können. Diese Tiere wandern extra hier so hoch hinauf, um ihren Durst zu löschen, das beweisen die ausgetretenen Pfade. Demzufolge scheint es sich diesmal um trinkbares Wasser zu handeln, sonst hätten wir an dem anderen See auch Tiere vorgefunden.“

Das hörte sich logisch an, aber da sie immer noch Durst hatten, wollten sie das Wasser auch gleich probieren.

Es war ein merkwürdiges Gefühl, so dicht zwischen den Riesenleibern zu stehen. Doch die Tiere ließen sich überhaupt nicht stören und nahmen keinerlei Notiz von den Männern. Einige der Schildkröten soffen buchstäblich wie die Ochsen und konnten gar nicht genug kriegen. Andere befanden sich mit weit vorgerecktem Hals bereits wieder auf dem Rückmarsch und benutzten dabei die Trampelpfade.

Als Ribault vorsichtig von dem Wasser kostete, erschienen auch die beiden anderen Exemplare, die sie unterwegs gesehen hatten. Sie schoben ihre mächtigen Leiber ins Wasser, tauchten den Kopf ein und schluckten gierig. Ribault konnte sie genau beobachten.

Das Wasser schmeckte etwas abgestanden, aber es war kühl und erfrischte. Ein wenig schmeckte es wie das Wasser in Fässern nach den ersten vier oder fünf Tagen.

„Etwas schal“, sagte Coogan, nachdem er getrunken hatte. Er beugte sich noch einmal hinunter, um mit den Händen Wasser zu schöpfen. Er sah nicht, wie die anderen versteckt grinsten, denn eine der Riesenschildkröten, die weder nach links oder rechts blickte und nur das Wasser im Auge hatte, rannte ihn einfach um. Er landete auf dem gepanzerten Rücken, glitt ab und fiel ins Wasser. Das Vieh störte sich nicht im geringsten daran. In stoischer Ruhe begann es zu saufen, den Hals weit vorgereckt, den Schädel unter Wasser.

„Nun ja“, murmelte Coogan, „die haben schließlich ältere Rechte hier. Jedenfalls zeigen sie keine Angst wie die anderen Tiere auch.“

Das Trinkwasser-Problem war damit gelöst. In dem Krater sammelte sich offenbar immer das Regenwasser und füllte ihn auf. Daß sie das Wasser mit Schildkröten und kleinen Vögeln teilen mußten, störte die Männer nicht weiter. Das Überleben war gesichert.

„Damit ist unsere Mission für heute eigentlich erfüllt“, sagte Jean. „Es wird auch bald dunkel. Kehren wir zurück, in einer knappen halben Stunde können wir wieder am Strand sein.“

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