Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 477»
Impressum
© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-885-0
Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de
Fred McMason
Am Golf von Batabanó
Sie scheffelten das Gold an Bord – und bald begann das Unheil
Alle Schiffe des Bundes der Korsaren waren zum neuen Stützpunkt an der Cherokee-Bucht der Insel Great Abaco zurückgekehrt: Jean Ribault mit der „Goldenen Henne“ aus Havanna und der Seewolf mit seiner Kampftruppe vom Raid, der bis zu den Bermudas geführt hatte. Nur einer fehlte, und das war Old Donegal mit seiner „Empress of Sea“. Er war gewissermaßen verhindert – leider in seiner schon sprichwörtlichen Eigenschaft als „gelernter Aufbrummer“. Seine „Empress“ hatte er nämlich bei den Flugübungen mit Jussufs Brieftauben auf der Großen Bahama Bank zwischen die Korallen gesetzt. Und dort hing sie fest, unverrückbar. Da halfen auch nicht die vielen Schlucke aus der Rumbuddel – bis endlich der Seewolf mit seiner „Isabella“ aufkreuzte …
Die Hauptpersonen des Romans:
Philip Hasard Killigrew – bricht zum Golf von Batabanó auf, um den Dons die Suppe zu versalzen.
Alonzo de Escobedo – der neue Gouverneur von Kuba benimmt sich reichlich merkwürdig.
Don Antonio – der Ex-Gouverneur von Kuba stapelt Holzbretter und hat einen gesunden Schlaf.
Gaspar de Mello – der Kommandant einer Kriegsgaleone kann sich nur noch wundern.
Don Juan de Alcazar – geht eine Bindung ein, die er bestimmt nicht bereuen wird.
Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
1.
Great Abaco – 14. Mai 1595.
In der Ostrundung der Bucht arbeiteten die Männer von Hesekiel Ramsgate an einem hölzernen Steg. Wenn dieser breite Steg fertig war, sollte er den Jollen und Booten zum Anlegen dienen.
Für die Männer von Ramsgate war das reine Routine. Viele von ihnen waren Zimmerleute oder Bootsbauer, und so ging ihnen die Arbeit flink von der Hand.
Ein anderer Mann, der ebenfalls am Anlegesteg beschäftigt war, tat sich jedoch mit der Arbeit unglaublich schwer. Er hatte Blasen an den Händen, seine Wurstfinger waren ungeschickt, und immer wieder hielt er inne, um zu verschnaufen. Auch lief ihm alle Augenblicke der Schweiß in Bächen über sein Gesicht, und das Kreuz tat ihm weh.
Der Mann war massig, breitschultrig, fett und von beachtlicher Leibesfülle, die er schnaufend und prustend mit sich herumtrug. Nach jedem zweiten Handgriff richtete er sich ächzend auf, um das Kreuz durchzudrücken.
Seine Lippen waren eigenwillig aufgeworfen und verrieten den verwöhnten Herrscher, dem jeder Wunsch erfüllt wurde, noch bevor er ihn aussprach. Seine fleischigen Hängewangen verliehen seinem weichen Gesicht fast feminine Züge. In merkwürdigem Kontrast dazu standen seine buschigen Augenbrauen mit den listig-verschlagenen Augen.
Früher einmal war dieser wabblige Mensch Gouverneur von Kuba gewesen, ein Gewaltmensch, der in Saus und Braus gelebt und mit rauher, lauter oder aber auch drohend leiser Stimme seine willkürlichen Befehle erteilt hatte. Ein Volk von Duckmäusern und Schranzen hatte ihn umgeben, Kerle, die katzbuckelten, um Strafen zu entgehen, oder sich durch seine kurzweilige Gunst einen kleinen Vorteil erhofften.
Zu jener Zeit war Don Antonio de Quintanilla noch arrogant, überheblich und eingebildet gewesen und hatte keinen Widerspruch geduldet.
Doch der Glanz und die Herrlichkeit waren vorbei. Auch sein Machtgehabe begann zu verblassen, seit der Bund der Korsaren ihn geschnappt hatte.
Da war der ehrenwerte Don Antonio gerade im Begriff gewesen, mit einer sehr beachtlichen Schatzladung nach Spanien zu segeln. Dort sollte ihm von seiner Allerkatholischsten Majestät persönlich der Titel eines Vizekönigs von Neu-Spanien und Neu-Granada verliehen werden.
Der Traum war jedoch endgültig ausgeträumt und vorbei. Der König von Spanien würde vergeblich auf den feisten Gouverneur warten.
Anfangs hatte der Bund der Korsaren in Erwägung gezogen, den verbrecherischen Dicken zu hängen. Schließlich hatte nur der Wikinger Thorfin Njal fürs Hängen gestimmt.
Hasard hatte eine bessere Idee gehabt, ebenso Don Juan de Alcazar: Der Dicke sollte sich sein täglich Brot mit seiner Hände Arbeit verdienen. Er sollte etwas Nützliches tun und sich sozusagen bewähren.
Das tat er jetzt unter der Aufsicht von Hesekiel Ramsgate und seinen Männern. Don Antonio lernte, wie man Holz spaltet, wie man eine Hütte säubert, wie man Feuer macht, wie gesägt, gehobelt und geschliffen wird.
Das tat er jetzt. Im Schweiße seines Angesichts ging er den Männern als Helfer zur Hand.
Hesekiel Ramsgate beobachtete ihn oft aus den Augenwinkeln.
Hasard hatte Order gegeben, den Dicken unauffällig im Auge zu behalten. Wenn Don Antonio „aus dem Ruder laufen“ sollte, dann würde er seinen Status – sich frei bewegen zu dürfen – endgültig verlieren und Kopf und Kragen riskieren. Er mußte sich fügen und anpassen, das war seine einzige Chance.
Der Dicke fügte sich auch tatsächlich, denn für ihn war das die einzige Möglichkeit, am Leben zu bleiben.
Er trug keine Perücke mehr, die war längst versaut und unansehnlich geworden. Aber er trug noch seine Hosen, weil sich für seine beachtliche Leibesfülle keine andere gefunden hatte.
Der graubärtige Hesekiel, ein Mann, der immer unermüdlich an der Arbeit war, näherte sich dem schwitzenden und keuchenden Dicken, der auf seiner Glatze bereits einen Sonnenbrand hatte und dem überall die Haut abging.
„Sie sollten mal hin und wieder eine halbe Stunde lang das Hemd ausziehen, damit Sie sich an die Sonne gewöhnen“, riet Ramsgate. „Anfangs muß das vorsichtig geschehen, sonst gibt es einen höllischen Sonnenbrand.“
„Sofort, Sir“, sagte der Dicke eifrig. Um bei keinem unangenehm aufzufallen, redete er alle mit „Sir“ an.
Dann zwängte er sich mühsam aus dem Hemd. Ein paar Mannen von Ramsgate grinsten, als sie den Dicken betrachteten. Der sah aus wie eine riesige fette weiße Made. Sein Bauch hing ihm wie eine Halbkugel über die Hose.
Einer der Zimmerleute sah ihn grinsend an.
„Jetzt dreh dir mal dein Hemd zum Turban zusammen, Dicker, und häng’ es dir um die Birne, sonst kriegst du einen Sonnenstich, und dann trocknet dir das Gehirn aus.“
„Vielen Dank für den Rat, Sir“, murmelte der Dicke. Anschließend fummelte er sich das Hemd zurecht, und als er es auf dem Schädel trug, sah er noch merkwürdiger aus.
Er jammerte nicht, er beschwerte sich auch nicht, murrte nicht und war ständig darum bemüht, alles richtig zu tun, was ihm aufgetragen wurde.
Der Fettwanst paßt sich langsam an, dachte Ramsgate. Offenbar geht ganz allmählich eine Wandlung mit ihm vor. Er glaubte auch zu bemerken, daß die Augen des Dicken nicht mehr so verschlagen wie sonst blickten. Sein Blick war gerader und fester geworden.
Aber nach wie vor bot er noch ein Bild des Jammers, stellte sich sehr ungeschickt an, kriegte von der kleinsten Anstrengung Atemnot und schleppte seine Leibesfülle mühsam durch die Hitze.
Dann war da noch etwas: Anfangs hatte er – noch in der Vorpiek der „Isabella“ schmachtend – das Essen verweigert, weil ihm die Kost zu einfach und derb erschien. Da hatte er ständig herumgemäkelt und an seine edlen Weine, die kandierten Früchte, Taubenbrüstchen und erlesenen Speisen gedacht.
Seit gestern jedoch hatte er kräftig zugelangt. Allerdings wurde er dabei von Mac Pellew gefüttert, denn er war kaum in der Lage einen Löffel zu halten. Er hatte blutige Blasen an den Patschhändchen und zitterte am ganzen Körper, weil die Arbeit ihn total geschafft hatte.
Und ebenfalls zum ersten Male in seinem Leben hatte er in einer einfachen Strandhütte tief und traumlos geschlafen und nicht einmal das Lotterbettchen aus seinem ränkevollen Luxusdasein vermißt.
Don Antonio war heilfroh, daß man ihm nicht den Strick um den fetten Hals gelegt hatte. Der Begriff der Dankbarkeit war ihm noch fremd, aber da gab es ein kaum definierbares Gefühl in ihm, das er sich selbst nicht erklären konnte.
Er legte Bretter auf einen Stapel und schob Holzklötze darunter. Warum er dauernd Holzklötze auf die Bretter legen mußte, verstand er nicht ganz. Vielleicht sollten die Bretter belüftet werden, damit sie nicht modrig wurden oder verschimmelten. Immerhin machte er sich aber schon Gedanken darüber. Früher wäre ihm das nie im Traum eingefallen. Für so dreckige Arbeiten waren schließlich andere da.
Etwas später zog er sein Hemd wieder an. Die Sonne brannte heiß herab. Er spürte, wie es an seinem Körper zu prickeln begann. Er konnte sich an die heiße Sonnenstrahlung noch nicht gewöhnen.
Wenn es früher zu heiß gewesen war, dann hatte er sich in die Kühle seiner Residenz geflüchtet und sich von den Bediensteten mit einem Fächer frische Luft zuwedeln lassen.
Er seufzte ein bißchen, der Dicke, und wischte sich erschöpft den Schweiß aus dem Gesicht.
Seine Träume waren zerronnen, von seinem Luxus und seiner Macht war nichts geblieben – der Reichtum war weg. Jetzt hatten die Kerle auch noch sein Schatzversteck in Batabanó gefunden.
Als Don Antonio bei seiner leichten Arbeit einmal hochsah, um für Augenblicke zu verschnaufen, schrak er heftig zusammen. Fast geriet er beim Anblick des Mannes in Panik. Er duckte sich hastig und ging sofort hinter dem Bretterstapel in Deckung, denn wenn dieser Mann erschien, hatte Don Antonio ständig das Gefühl, ein wildgewordenes Raubtier trete auf.
Durch die Bretterritzen beobachtete er schluckend und vor Angst schwitzend das seltsame Monstrum.
Der Mann war trotz dieser Affenhitze in dichte graue Felle gekleidet und trug Riemensandalen. Ein riesiger breiter Ledergürtel war um seine Hüften geschlungen. In diesem Ledergürtel steckte ein langes Schwert, das der Kerl handhabte, als sei es nur ein lächerlicher kleiner Piekser. Auf seinen gewaltigen Schädel war ein ebenso gewaltiger Kupferhelm gestülpt, der in der Sonne funkelte. Dazu trug dieses Monstrum von Kerl einen gewaltigen rötlichgrauen Bart.
Der Wikinger Thorfin Njal kam näher. Er wollte nur ein paar neue Bretter holen, aber Don Antonio dachte, der Kerl erschien jetzt, um ihm den Kopf abzureißen. Er hatte Angst vor den schauderhaften Flüchen des nordischen Riesen. Außerdem hatte der Kerl als einziger dafür gestimmt, daß man ihm, Don Antonio, den Hals langziehen sollte. Der Gigant hätte ihn bedenkenlos aufgehängt und an der Rah seines schwarzen Schiffes austrocknen lassen.
Thorfin hatte längst bemerkt, daß der Dicke voller Angst und Panik unter dem Bretterstoß in Deckung gegangen war. Er hockte zwischen zwei Holzstößen wie ein eingeklemmter Pudding und rührte sich nicht Thorfin war immer noch „leicht verstimmt“, wie er das nannte, weil man den Halunken nicht aufgehängt hatte. Seine leichte Verstimmung hatte er daher in gräßlichen und lauten Flüchen abgelassen, wie es seiner polternden und grimmigen Art entsprach.
Jetzt lauerte er ein wenig boshaft darauf, dem Fettwanst eins auszuwischen, und wartete auf eine günstige Gelegenheit.
Thorfins Mentalität war anders als die der meisten Männer vom Bund der Korsaren. Er sah partout nicht ein, daß dieser Fettsack von einem korrupten Exgouverneur hier sein Leben fristen sollte. Der Halunke hatte die ganze Welt betrogen, er hatte gemordet, geraubt, intrigiert und seine Macht bedenkenlos ausgenutzt.
Nach Thorfins Ansicht gehörte er dafür an die Rah, eine andere Alternative gab es nicht. Denn wer einmal an der Rah hing, der würde nie wieder morden, klauen und betrügen.
Thorfin hockte sich gehässigerweise so auf den Bretterstapel, daß Don Antonio noch mehr eingeklemmt wurde. Unter seinem Gewicht bogen sich die Bretter weit nach unten durch. Dann reckte er seinen gewaltigen Brustkasten und gähnte laut.
„Gutes, stabiles Holz“, brummte Thorfin, stand ein paarmal auf und setzte sich wieder, was bewirkte, daß Don Antonio wie ein weicher Apfel in der Mostpresse gequetscht wurde.
Der Dicke gab keinen Laut von sich. Klaglos ertrug er die Belastung, obwohl er fast erstickte.
Der Wikinger ließ sich Zeit. Er strich über den gewaltigen Bart und blickte in die Runde. Viele Hütten standen jetzt am Ufer, der Steg war auch bald fertig. Auf Great Abaco hatte sich innerhalb der kurzen Zeit eine ganze Menge geändert.
Nach einer Weile stand er auf. Wie unbeabsichtigt hatte er ein Entermesser auf die Bretter gelegt. Klar, das ist schon ein bißchen boshaft oder hinterhältig, dachte er grinsend, aber er wollte nur mal sehen, ob der Dicke das Messer klaute und heimlich verschwinden ließ. Dann würde er ihm den Saft aus den Knochen pressen. Das nahm er sich ernsthaft vor.
Er gab dem Messer noch einen kleinen Stoß, bis es dicht neben dem Bretterstapel in den Sand fiel.
Gerade als er aufgestanden war, um zu Hesekiel hinüberzugehen, fegte die Wolfshündin Plymmie über den Strand. Dicht vor dem Bretterstapel blieb sie stehen. Ihre Haare richteten sich auf, dann knurrte sie bedrohlich. Schließlich verbellte sie die Stelle, wo der Dicke lag und vor Entsetzen wie gelähmt war.
„Hilfe!“ schrie er schwach und ängstlich. „Hiiilfe!“
„Sieh an“, sagte der Wikinger, „da liegt ja ein Pudding. Was hat das denn zu bedeuten?“
Der Dicke kroch zitternd hervor und rang die Hände. Entsetzt sah er auf die zähnefletschende Hündin, dann zu dem Wikinger, der ihn finster und böse anstarrte. Im Augenblick wußte er nicht, vor wem er mehr Angst hatte, vor dem scharfen Hundegebiß oder den finsteren Blicken des gewaltigen Nordmannes.
„Was tust du da, du aufgeblasener Torfstecher? Spionierst du hier etwa herum?“
Don Antonio rang in seiner Angst und Verzweiflung wieder die dicken Hände.
„Nein, Sir“, jammerte er, „ich arbeite hier, wenn Sie gestatten, Sir.“
„Arbeiten?“ fragte Thorfin. „Das nennst du arbeiten? Unter einem Bretterstapel hocken und schnarchen, was! Da soll dir doch gleich Thors Hammer ins Kreuz fliegen. Oder hast du dich versteckt, um heimlich abzuhauen?“
„Nein, Sir, das würde ich nie tun.“
„Kannst du auch nicht“, sagte Thorfin böse. „Doch du kannst es gern mal versuchen. Aber vorher mußt du deinen Schutzengel frisch kalfatern, verstanden?“
„Ja, Sir.“
Der Dicke wußte zwar nicht wie ein Schutzengel kalfatert wurde, aber er sagte zu allem Ja und Amen, um diesen wilden Kerl nicht unnötig zu reizen.
„Ich war eingeklemmt, Sir, als Sie sich auf den Stapel setzten“, fügte er mit kläglicher Stimme hinzu.
„Eingeklemmt!“ sagte der Wikinger verächtlich. „Du hättest früher nicht soviel fressen sollen, du Sumpfhahn. Ich hätte dich lieber ein bißchen an die Rah geklemmt, dann hättest du dir deine Wampe abstrampeln können. Und nun scher dich wieder an die Arbeit, sonst hebe ich den ganzen Bretterstapel hoch und schlage ihn dir um die Ohren.“
Der Dicke atmete erleichtert auf, als ihn der Riesenkerl ohne ein weiteres Wort den Rücken zuwandte und über den Strand latschte.
Er begann jetzt noch eifriger Bretter aufzusetzen. Nicht einen Augenblick hielt er mit der Arbeit inne, solange der nordische Riese noch in seinem Blickfeld war.
Etwas später fand er das im Sand liegende Messer. Erst starrte er es eine Weile unschlüssig an, dann hob er es zögernd auf und legte es gut sichtbar auf die oberen Bretter. Das Messer bereitete ihm großes Unbehagen. Vielleicht hatte es der Mann mit dem Helm verloren, und wenn er es suchte und bei ihm fand, dann hatte das mit Sicherheit recht üble Folgen. Natürlich würde der Kerl ihm unterstellen, das Messer geklaut zu haben.
Wieder brach Don Antonio der Angstschweiß aus.
Ein paar Augenblicke lang spielte er mit dem Gedanken, das Messer zwischen den Holzbrettern im Sand zu verstecken. Aber das erschien ihm zu gefährlich. Außerdem hatte ein Entermesser im Moment keinen großen Wert für ihn. Er konnte nichts damit anfangen, und er konnte auch die Insel nicht verlassen. Die Männer hatten ihm bereits deutlich angedroht, was dann mit ihm passieren würde.
So ließ er es liegen und arbeitete weiter, riskierte dabei aber immer wieder einen Blick auf den Nordmann, der mit dem bärtigen Schiffbaumeister sprach.
Fassungslos sah Don Antonio, wie sich der Nordmann einen Stapel Bretter auf die Schulter lud. Es waren mindestens ein Dutzend. Er trug sie wie Reisig, als hätten sie kein Gewicht.
Er selbst mußte sich schon anstrengen, um eins der schweren Bretter hochzuheben.
„Sir!“ rief der Dicke schon von weitem, damit ja kein falscher Eindruck entstand. „Ich habe hier ein Messer gefunden, aber ich weiß nicht, wem es gehört.“
Er hoffte, sich bei dem Riesen ein wenig einschmeicheln zu können, damit er diese fürchterliche Angst los wurde, aber der Nordmann nickte nur grimmig, steckte das Messer im Vorbeigehen ein und verschwand in Richtung der Hütten.
Wenigstens hatte er diesmal nicht gebrüllt. Don Antonio sah darin schon einen kleinen Vorteil. Er mußte den Männern beweisen, daß er auch arbeiten konnte und keine Mühe scheute, aber bis dahin war es noch ein langer steiniger Weg, den er zu gehen hatte. Vielleicht würden sie ihn eines Tages wenigstens akzeptieren. Mit Reichtum und Bestechung konnte er diese Männer nicht beeindrucken. Außerdem war er jetzt arm wie eine Kirchenmaus. Er hatte nicht mal einen lausigen Taler in der Tasche.
Er seufzte tief und entsagungsvoll auf und ging wieder an seine Arbeit.
2.
Bora-Bora-Dämmerung nannten die Arwenacks jenen Zustand, der auf Great Abaco kurz vor Einsetzen der Dämmerung eintrat. Dann ließ sich die Farbe des Himmels oder die des Meeres kaum noch beschreiben, so malerisch war sie. Auf Bora Bora hatten sie das einst gesehen und waren beeindruckt gewesen.
Das Meer schimmerte wie die bunte Palette eines Malers. Der Himmel war mit Wolken gestaffelt, durch die immer wieder das letzte Licht der Sonne brach. An der Kimm, wo Meer und Himmel fast miteinander verschmolzen, waren die Wolken von purpur- bis feuerroter Farbe. Dazwischen waren schon die ersten Streifen der Nacht zu erkennen. Das alles vermischte sich sehr harmonisch mit einem zartrosa Ton, der langsam ins Violette wechselte. Zwischen den Streifen war wie eine riesige Orange die Sonnenscheibe zu erkennen, deren bunte Strahlen noch einmal das Meer abtasteten, als wollten sie es umarmen.
Alle Augenblicke wechselte das Licht. Rötlichgolden lag es auf den Wipfeln der Kokospalmen, dann wurde es blutorange, und auf das Meer senkten sich tintige Schatten.
Am Strand war ein großes Feuer entzündet worden, und eine illustre Gesellschaft begann sich nach und nach einzufinden. Den ganz besonderen Reiz dabei bildeten Taina und ihre achtunddreißig Gefährtinnen.
Über den lieblichen Anblick dieser Ladys kam der Profos Edwin Carberry immer noch nicht hinweg.
Zusammen mit Jean Ribault und Old O’Flynn stand er dicht am Wasser und blickte in die untergehende Sonne. Die letzten Strahlen fielen auf die Gesichter der Mädchen und zauberten einen fast goldenen Schimmer darauf.
„Wirklich, ein dicker Hund“, sagte der Profos grinsend. „Mich hat es fast aus den Stiefeln gehauen, als ich die hübschen Täubchen sah. Und gleich so viele.“
„Mir erging es bei dem überraschenden Anblick auch nicht anders“, sagte Ribault. „Wir haben ja von alldem nichts gewußt.“
Old O’Flynn stand daneben und grinste ebenfalls. Immer wieder ließ er seine Blicke bewundernd über die gutgewachsenen Mädchen gleiten. Die Runzeln in seinem Gesicht sahen jetzt im Schein der rötlichen Strahlen wie feine Kupferstreifen aus.
„Hm-hm“, sagte er, „ich darf nicht sooft hinschielen. Mary reagiert da immer gleich …“
„… mit der Bratpfanne“, vollendete Ed anzüglich. „Das kennt man ja. Mal ist es ein Bierhumpen, dann wieder die Pfanne, damit es nicht so eintönig wird.“
„Bin gespannt, wie die Mädchen sich entscheiden werden“, meinte Jean Ribault versonnen. „In etwa einer halben Stunde ist die große Beratung angesetzt. Punkt eins auf der Tagesordnung sind die Frauen. Dann müssen sie entscheiden, ob sie beim Bund bleiben wollen. Vielleicht möchten sie aber doch lieber nach Andros zu den Arawaks. Na ja, wir werden es bald wissen. Hasard hat mir den Vorsitz bei der heutigen Beratung überlassen.“
Der Profos sah zur anderen Seite des Strandes und zog die Stirn in Falten. Er grinste ein bißchen hinterhältig, als er Don Antonio sah, der bis zum fetten Bauch im Wasser stand und sich wusch.
„Ist der etwa auch dabei?“ fragte er. „Oder soll der hier demnächst Haremswächter werden? Ein wenig erinnert er mich schon an einen dicken fetten Pascha.“
„Er darf sich frei bewegen“, sagte Ribault. „Ich nehme an, er wird sich später ebenfalls zu der Runde setzen, abseits natürlich, weil er um keinen Preis auffallen will.“
„Das hätte er sich wohl nie träumen lassen, beim Bund der Korsaren zu landen und da unentgeltlich zu arbeiten“, sagte Old O’Flynn. „Was mag in dem Kerl vorgehen? Er hat heute ganz schön rangeklotzt – jedenfalls aus seiner Sicht betrachtet.“
Der Dicke hielt sich immer noch weit abseits. Hin und wieder blickte er auf, doch sobald der Wikinger irgendwo aufkreuzte, widmete er sich wieder voller, Eifer seinem Bad.
Auch als Carberry ihm einen Blick zuwarf, zuckte er verstört zusammen. Wenn er dieses narbige Gesicht sah, kriegte er immer eine Gänsehaut.
Vom Feuer drang der Geruch nach gebratenen Fischen, Krabben und Langusten herüber. Gotlinde, Mary O’Flynn, Gunnhild und ein paar der Indianerinnen waren damit beschäftigt, ein kräftiges Essen zuzubereiten.
Auch der Kutscher tauchte hin und wieder auf. Mac Pellew, Smoky, Bob Grey und Gary Andrew schleppten Fässer mit Bier, Rum und Wein heran. Die normannischen Schrats von der „Le Griffon II.“, allen voran der riesige Bootsmann, den sie „Stöpselchen“ nannten, holten ebenfalls Vorräte herbei.
Jeder war auf seine Art beschäftigt. Es war erstaunlich, innerhalb welch kurzer Zeit die Cherokee-Bucht sich verändert hatte. Die ersten festen Blockhütten standen bereits in der Nähe des Buchtufers. Aber auch gut getarnte Geschützstellungen waren errichtet worden. Sie befanden sich westlich der Bucht und auf der südlichen Landzunge. Hier konnten fremde Schiffe schon unter Feuer genommen werden, noch bevor sie in die Bucht einliefen. Sie würden in ein höllisches Kreuzfeuer geraten.
Einer, der sich am meisten freute, war der hochgewachsene Dominikanerpater David. Er war von dem vielen Saatgut entzückt, das sie in der kleinen englischen Galeone „Confidence“ gefunden hatten. Auch Samen für verschiedene Getreidesorten waren dabei.
Pater David verstand eine ganze Menge vom Ackerbau und plante, im Inselinneren Felder anzulegen. Dabei sollten ihm Freiwillige helfen, die selbst an der Feldarbeit Spaß hatten. Der Pater hatte auch schon den dicken Exgouverneur ins Auge gefaßt. Der Mann hatte eine Menge abzubitten, und er würde sich auch ganz sicher nicht lange zieren, auf dem Acker zu arbeiten. Noch heute abend wollte er das Vorhaben bei dem Dicken anklingen lassen.
Außer dem Saatgut hatten sich in der Galeone aber auch noch landwirtschaftliche Geräte befunden, Werkzeuge, Ackergeräte, eine Egge und etliche Pflugscharen. Der Ackerbau war also für die Versorgung sehr wichtig und würde einen breiten Raum einnehmen.
Pater David hatte die Sämereien sorgfältig in einer trockenen Hütte aufbewahrt und hütete sie wie seinen Augapfel.
Neun Schiffe lagen jetzt insgesamt im Stützpunkt. Heute abend sollte unter anderem auch darüber entschieden werden, welche Schiffe zur Südküste Kubas aufbrechen sollten. Dort sollte der gewaltige Schatz gehoben werden, den Don Antonio de Quintanilla in einer Höhle verborgen hatte. In diesem Fall war allerdings Eile geboten, denn der Nachfolger des ehrenwerten Don Antonio, de Escobedo, gedachte ebenfalls, den Schatz zu plündern.
Eine halbe Stunde später waren auch ein paar Fackeln entzündet worden. Die Sonne versank, nur noch ein rötliches Glühen an der Kimm verriet, daß sie sich gleich verabschieden würde.
Die Palmen waren jetzt schwarzblaue Schatten. Auch die neun Schiffe hüllten sich in die geheimnisvolle Farbe ein. Vom Korallenriff her war das Rauschen der Brandung zu hören. Kleine Wellen liefen knisternd an den Strand, winzige Schaumstreifen mit sich führend.
Ausnahmslos alle Männer und Frauen hatten sich eingefunden. Auch der Exgouverneur von Kuba war da, ein Häufchen Unglück, das abseits von den anderen im Sand hockte und mit bangen Blicken auf die Versammlung starrte.
Er traute sich auch nicht heran, als das Essen verteilt wurde, denn am Feuer hockte der Wikinger, und wenn Don Antonio den sah, dann hungerte er lieber.
Mac Pellew, der den Dicken schon tags zuvor gefüttert hatte, und Pater David erbarmten sich schließlich seiner. Auch Hesekiel Ramsgate war in seiner Nähe. Sie brachten dem schweigenden Dicken zu essen und zu trinken.
Die meisten der Männer kannte Don Antonio nur vom Sehen, aber nicht dem Namen nach. Er griff dankbar zu und trank auch in kleinen Schlucken, denn die Arbeit, die er heute verrichtet hatte, war schwer und ungewohnt gewesen, und so stellten sich jetzt bei ihm naturgemäß Hunger und Durst ein.
„Ich suche für die nächste Zeit noch ein paar freiwillige Helfer für Feldarbeit und Ackerbau“, sagte der Pater freundlich. „Dabei dachte ich auch an Sie.“
Offenbar fühlte sich der Dicke geschmeichelt, daß sich überhaupt jemand um ihn kümmerte. Bisher hatte das nur Mac Pellew getan, der Mann, der jetzt mit einem unsagbar traurigen Gesicht neben dem riesigen Pater stand.
„Ich stehe Ihnen gern zur Verfügung, Sir“, sagte Don Antonio voller Eifer. „Zwar verstehe ich nicht viel davon, aber wenn Sie mich unterweisen, dann werde ich auch das ganz sicher schaffen. Es wäre mir eine Ehre, Sir“, fügte er noch hinzu.
„Na, heute geht’s mit dem Essen schon besser, was?“ fragte Mac. „Oder soll ich wieder den Löffel halten?“
„Es geht schon, vielen Dank, Sir.“
Mac wandte sich recht grämlich wieder ab.
„So, so! Ein Sir bin ich jetzt“, brummte er, „na, da kann ich mir ja was drauf einbilden.“
Inzwischen wurde am Strand rund um das Feuer und die Fackeln kräftig zugelangt.
Da drüben saßen die schwatzenden Indianerinnen, weiter hinten hockten die normannischen Schrats unter ihrem gewaltigen Kapitän Edmond Bayeux, die sich überhaupt nicht zierten und auch eine Menge vertrugen. Zu jedem Bissen tranken sie Wein.
Ihnen schräg gegenüber saßen Hasard, Siri-Tong, der Wikinger, etliche Arwenacks, sowie die deutsche Crew mit Renke Eggens.
Eine andere Gruppe wiederum bildeten Karl von Hutten, Don Juan, Jerry Reeves und Martin Correa.
Hasard erhob sich, als die meisten mit dem Essen fertig waren, und warf einen Blick in die Runde.
„Wir wollen heute einige Fragen klären und eine Beratung einberufen“, sagte er. „Ich habe Jean Ribault den Vorsitz übertragen. Du hast also jetzt das Wort.“
Auch Ribault erhob sich. Old O’Flynn hatte ihm eine kleine Glocke besorgt, damit er sich in dem Trubel auch Gehör verschaffen konnte, doch bis jetzt war das noch nicht nötig. Nach Hasards Worten schwiegen alle und sahen den schlanken Franzosen neugierig an.
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