Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 498»
Impressum
© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-906-2
Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de
Fred McMason
Nach dem Sturm
Sie segelten dem Teufel ein Ohr ab – aber danach war alles anders
Daß der Frömmste nicht in Frieden leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt, mußten die Männer vom Bund der Korsaren erfahren, als die Glaubenseiferer des Jeremiah Josias Webster vor ihrem Stützpunkt auftauchten und gewalttätig wurden. Aber die Männer unter der schwarzen Flagge mit den gekreuzten Säbeln steckten nicht zurück: Die Gemeinde des Webster wurde zerschlagen, der Großmeister selbst mußte seine Schandtaten büßen. Im Stützpunkt der Korsaren an der Cherokee-Bucht konnte wieder Frieden einkehren, was Old Donegal Daniel O’Flynn veranlaßte, nunmehr energisch seine Planungen für den Bau einer neuen „Rutsche“ voranzutreiben. Er hatte da bereits gewisse Vorstellungen, die mit den Pfahlbauten der Arawaks zusammenhingen …
Die Hauptpersonen des Romans:
Old Donegal Daniel O’Flynn – der alte Zausel ist für jede Überraschung gut, und nie fehlt der Rum.
Edwin Carberry – das Profos-Ungeheuer deklamiert lateinische Sprüche.
Der Kutscher – behält den Kopf oben und beweist, daß er denken kann.
Die Killigrew-Junioren – sind auf Abenteuer erpicht, und die erleben sie bei „Granddad“.
Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
1.
1. Juli 1595 – Cherokee-Bucht.
Der Abend in der Cherokee-Bucht hatte es in sich und war so ganz nach dem Geschmack des Old Donegal Daniel O’Flynn.
Die neue Kneipe – „Rutsche“ genannt – war fertig und thronte auf langen Stelzbeinen als stolzer Pfahlbau über dem Wasser.
Und es ging verdammt hoch her an diesem Abend.
Brechend voll war die Rutsche, bevölkert von den Mannen des Korsarenbundes, die wild durcheinandergrölten und soffen, was das Zeug hielt. Kein Wunder, daß der Teufel los war, denn heute war die Rutsche eingeweiht worden.
Auch diese Rutsche hatte – ähnlich wie die auf der Schlangen-Insel – sozusagen einen Extraausgang, eben eine Rutsche, auf der Krakeeler und Rumtöner ins Wasser sausen konnten, falls sie die Klappe zu weit aufrissen. Das war ein Spaß ganz nach dem Geschmack des kauzigen O’Flynn.
Lauernd sah er den Profos an, denn den hatte er dazu auserkoren, daß er unbedingt als erster durch die Rutsche sauste.
Ha, das würde ein Spaß werden, wenn Edwin Carberry übergangslos die Kneipe verließ und draußen im Bach landete!
Old O’Flynn hatte leuchtende Augen und war heimlich am Grinsen, denn natürlich war der Profos völlig ahnungslos von dem, was ihn erwartete.
Der Profos war schon ziemlich angeschickert; aber das war kein Wunder, denn Old O’Flynn hatte ihm seine Spezialmischung zubereitet, die auch ein Profos auf Dauer nicht vertrug. Das war Bier mit Rum. Anfangs hatte er ihm immer nur ein Gläschen Rum in den Humpen gekippt, dann zwei, später drei, und jetzt befand sich im Humpen immer nur noch ein kleiner Schluck Bier. Das Mischungsverhältnis hatte sich umgekehrt, und den Profos krempelte es auch immer mehr um.
Jetzt war er am Rumtönen und Krakeelen und hatte wieder sein „starkes Hemd“ an. Er konnte das Stänkern einfach nicht lassen.
Sein Opfer war – wie hätte das auch anders sein können – natürlich wieder mal der Kutscher, mit dem er ohnehin ständig im Clinch lag.
Old O’Flynn lag mit dem Profos allerdings auch ständig im Clinch, und so tat ihm der Kutscher leid, der sich von dem Rabauken immer wieder anpöbeln lassen mußte.
Der Kutscher war noch auf Würde und Zurückhaltung bedacht, und das reizte den Profos ganz besonders.
„Wirst langsam alt, Kutscherlein!“ höhnte der Profos. „Du hockst schon den ganzen Abend bei zwei Humpen Bier und zwei lausigen Rum herum. Sieh mich mal dagegen an!“
„Das tue ich seit einer Weile“, sagte der Kutscher, „und dabei bin ich zu dem Schluß gelangt, daß du dich nur noch mühsam aufrecht hältst. Sollte das etwa auch am Alter liegen – du bist ja ganz wacklig auf den Beinen.“
„Ich wackle nie“, behauptete Ed. „Kann ich auch gar nicht bei meiner Körpermasse. Aber dich bläst doch jeder Wind um. Schon mein Bierdunst genügt, um dich über den Pazifik zu blasen.“
„Dachte, wir seien hier im Atlantik“, sagte der Kutscher freundlich, „aber das liegt vermutlich am temporären Gedächtnisschwund, unter dem du bekanntlich leidest.“
So ging das hin und her, bis der Profos die ersten unflätigen Beleidigungen losließ. Da war von verlausten Hühnerärschen und Rübenschweinen die Rede.
Eine Weile hörte Old Donegal noch zu. Dann grinste er hinterhältig, als er sah, daß der Profos sich jener Stelle näherte, an der sich der Auslöser zur Rutsche befand. Die führte auf einer schräg geneigten Ebene direkt ins Meer. Diese Ebene war sehr glatt, und man konnte sich nirgendwo festhalten.
Old Donegal zögerte noch einen Augenblick, aber dann war das Maß voll, als der Profos ihn selbst anblaffte. „Gibt’s in deinem Hühnerstall eigentlich nichts mehr zu saufen, du alter Zausel?“ fragte er gallig. „Oder soll ich hier austrocknen, was, wie?“
„Du meinst, du möchtest dich gern etwas befeuchten?“ fragte der Alte katzenfreundlich.
„Genau das meine ich. Ich will mich sozusagen bewässern.“
„Kannst du haben“, sagte Old Donegal. Diesmal grinste er noch hinterhältiger und boshafter.
Der Profos stand jetzt genau richtig. Er wird ganz schön in Fahrt kommen, dachte Old Donegal, und zwar in des Wortes doppelter Bedeutung.
Unauffällig trat er auf das seitlich angebrachte Brett.
Edwin Carberry sah nach unten und schluckte hart. Aber er konnte nicht lange stieren, dazu blieb keine Zeit mehr.
Er sah nur ein dunkelgähnendes Loch und verstand die Welt nicht mehr. Dann ging es auch schon abwärts, und zwar in einem Höllentempo, als rase er direkt in die Hölle.
Der Profos sauste mit einem Affenzahn ab. Über ihm schloß sich die Klappe wieder, als er seine Höllenreise antrat.
Old Donegal trat händereibend ans Fenster und sah hinaus. Im Schein der Laterne sah er am anderen Ende der Rutsche eine kompakte Masse hinausfliegen. Die Masse hatte ein Amboßkinn, eine Menge Narben in der Visage und ein vor Schreck weit geöffnetes Maul.
„Hähähä!“ meckerte Old O’Flynn wie ein Ziegenbock, als diese kompakte Masse, vor Schreck zusammengekrümmt, wie eine Kanonenkugel direkt ins Wasser schlug. Eine Fontäne wie von einer Breitseite stieg säulenartig aus dem Meer und schien im Himmel zu detonieren.
Er hörte noch einen erstickten und überraschten Schrei. Dann sah er nur noch eine weitere Gischtwolke.
Weg war der Rabauke, genau wie er sich das hundertmal vorgenommen hatte. Jetzt konnte der Profos seinen Saufkopf im Meer abkühlen.
Old O’Flynn begann immer lauter zu lachen, bis schließlich das Gelächter ansteckend wirkte und die Kerle alle zu grölen begannen. Der ganze Pfahlbau zitterte und wackelte.
„Der Profos ist ins Meer geflogen“, sagte der Wikinger lachend. „Das hat dem Kerl wirklich mal gefehlt.“
Der Kutscher sah richtig glücklich aus und hatte einen verklärten Blick drauf.
„Bewundernswert“, sagte er zu Old O’Flynn, „du bist ein feiner Kerl, Donegal. Immer hackt dieser Rabauke auf uns herum.“
Die beiden gaben sich die Hand und wollten sich ausschütten vor Lachen.
„Wir müssen zusammenhalten“, sagte Old O’Flynn, der vor Lachen fast erstickte. „Mich einen alten Zausel zu nennen! Jetzt kann er über sein großes Maul nachdenken.“
Wieder brandete Gelächter auf. Deutlich hörte er jedoch eine Stimme, eine Reibeisenstimme, die seiner Snugglemouse gehörte.
Old O’Flynn wälzte sich schlaftrunken in seiner Koje herum und verstand die Welt nicht mehr.
Dämmerig war es um ihn her, und er wußte im ersten Augenblick noch nicht so richtig, wo er sich befand.
Eben noch hatte er überdeutlich den Profos durch die Rutsche sausen sehen und konnte nicht fassen, daß alles nur ein Traum war – ein sehr realistischer, aber eben doch nur ein Traum.
Schade, dachte er bedauernd. Da liegt dieses Ungetüm von einem Profos ganz sicher schnarchend in der Koje, statt sich im Meer abzukühlen.
Wieder hörte er Mary O’Flynn etwas sagen, aber er verstand den Sinn der Worte noch nicht, denn der Traum beschäftigte ihn sehr.
„Ist der Kutscher da?“ fragte er.
„Seit wann ist denn der Kutscher bei uns an Bord?“ fragte die rothaarige Mary. „Hast du geträumt, Mister O’Flynn?“
„Ich glaube, ja“, erwiderte er kläglich, „aber ich muß den Kutscher unbedingt sprechen. Es ist sehr wichtig.“
„Was ist denn so wichtig?“
„Na, die Rutsche. Ich muß sie jetzt endlich bauen. Und zwar aus zwei Gründen …“
„Saufen und rumstänkern“, zählte Mary auf, „das sind für dich zwei handfeste Gründe.“
„Nein, nein. Einmal muß ich den Männern auf der Insel einen festen Treff mit Ausschank bieten, und zum zweiten sollst du ja auch ein Dach über dem Kopf haben, wenn unser Kindchen auf die Welt kommt. Das geistert mir schon lange durch den Kopf.“
„Na, so was“, sagte Mary erstaunt. „Das sind allerdings gute Gründe, Donegal. Das hätte ich gar nicht vermutet.“
„Genies werden immer verkannt“, meinte der Alte.
„Sind das alle deine Gründe? Du hast im Schlaf gemeckert und gesprochen. Ich glaube, dir geht es vor allem darum, wieder dein Späßchen mit der Rutsche zu haben. Vor allem willst du wohl gern den Profos ins Meer sausen lassen. Oder täusche ich mich?“
„Bewahre“, sagte Donegal empört. „Ich doch nicht. Für solche Späße bin ich schon zu alt.“
„Für andere Späße warst du aber nicht zu alt“, sagte Mary anzüglich. „Steh jetzt auf, das Frühstück ist fertig.“
„Aber danach muß ich unbedingt den Kutscher sprechen.“
„Was hat denn der Kutscher damit zu tun?“
„Der Kutscher ist ein weiser Mann. Wenn ich den mitnehme nach Andros, dann …“
„Wo willst du hin?“ Die Reibeisenstimme nahm einen drohenden Unterton an und klang sehr erstaunt.
„Nach – nach Andros, wegen der Pfahlbauten.“
„Mister O’Flynn! Würdest du mir bitte erklären, was du da willst und warum ich nichts davon weiß? Was geistert jetzt wieder in deinem Schädel herum?“
„Die Rutsche, sie soll ein Pfahlbau werden.“
„Weshalb unbedingt ein Pfahlbau?“
O’Flynn glaubte, einen etwas schrillen Ton in der Stimme seiner Frau zu hören.
„Äh, wegen der Rutsche natürlich. Sie soll ins Meer führen, damit der verdammte Profos mal kräftig geduscht wird. So ganz nebenbei natürlich nur. Deshalb muß ich nach Andros, um die Pfahlbauten zu studieren, und der Kutscher muß mit, weil er die Zeichnungen anfertigt.“
„Als Architekt?“ Deutlich war der Hohn herauszuhören.
„So ungefähr.“
„Vielleicht willst du aber auch nur nach Andros, um mit den Mädchen ein bißchen herumzuschäkern?“
„Aber liebste Mary“, sagte Old O’Flynn lahm.
„Ich bin nicht deine liebste Mary, verdammt noch mal, Mister O’Flynn. Ich bin deine liebe Mary. Wäre ich deine liebste Mary, so hieße das, daß du mindestens noch eine weitere Mary hättest. Ich hoffe, du kapierst den Unterschied.“
So langsam wurde der Alte biestig und störrisch. Er war mittlerweile aufgestanden und an Deck gegangen.
Martin Correa lungerte auf dem Vorschiff herum und grinste heimlich. Da zieht wieder mal ein Gewitter auf, dachte er. Das erste Donnergrollen ist schon zu hören, und dann dauert es auch meist nicht lange, bis die Blitze zucken.
Old O’Flynn humpelte über die Planken. Sein Gesicht war zerknittert, und während er humpelte, hob er den Zeigefinger dozierend in die Höhe.
„Wenn ich sage, ich segle nach Andros, dann segle ich nach Andros“, erklärte er kühn. „Und ich möchte den sehen, der einen O’Flynn davon abhält. Ja, den möchte ich sehen. Schließlich geht es um das Wohl und Wehe aller Leute auf der Insel.“
„Ich weiß, um was es dir geht. Mir hast du nichts davon gesagt.“
„Ich möchte den wirklich sehen, der mich von der Reise abhält“, wiederholte O’Flynn, diesmal wesentlich lauter als vorher. „Ich hoffe nur, liebe Mary“, und dieses „liebe Mary“ betonte er ganz besonders stark, „daß du das nicht bist.“
„Iß jetzt deine Pfannkuchen!“ rief Mary total verärgert.
„Ich pflege heute keine Pfannkuchen zu essen, weil ich keinen Hunger habe und weil die Sache mit dem Kutscher vorgeht. Außerdem ist mir der Appetit vergangen. Iß deine Pfannkuchen selbst, oder gib sie Martin, der sieht so hungrig aus.“
Die liebliche Snugglemouse war, den Tränen nahe. Mit diesem alten Bock war heute nicht zu reden. Der hatte sich mal wieder in eine Idee verrannt, von der ihn niemand abbrachte.
Einen Augenblick erwog sie, ihm die Bratpfanne an den sturen Schädel zu donnern, aber dann stellte dieser Mister O’Flynn ganz sicher wieder etwas an, das erschreckende Ausmaße annahm.
„Dann laß dir von deinem Kutscher Pfannkuchen backen!“ schrie sie.
Mit grimmigem Gesicht enterte Old O’Flynn wort- und kommentarlos in die Jolle ab, um zur „Isabella“ zu pullen.
Aber Mary O’Flynn war eine leidenschaftliche Frau, und es wurmte sie, daß der Sturkopf einfach wortlos verschwand.
„Kannst du nicht wenigstens mal ein liebes Wort sagen?“ rief sie ihm nach. Aber sie sah nur sein mürrisches Gesicht, und dann wandte er ihr auch noch demonstrativ das Kreuz zu.
Ihre Lippen zuckten, ihre Augen sprühten Blitze. Voller Zorn griff sie in die Pfanne, nahm einen der heißen Pfannkuchen und warf ihn erbost dem sturen Bock nach.
Das heiße Ding traf Old O’Flynn genau im Nacken. Er zuckte verstört und erschrocken zusammen, ließ die Riemen fahren und griff sich hastig an den Hals.
„Au, verdammt!“ schrie er auf. „Oh, verdammt noch mal!“
„Er hat doch noch nicht die Sprache verloren“, sagte Mary sehr zufrieden. „Manchmal packt es ihn eben, aber so ein heißes Pflaster wirkt wahrhaftig Wunder.“
Old O’Flynn war ziemlich in Braß, aber als er bei der „Isabella“ längsseits ging, war seine schlechte Laune schon wieder verflogen.
2.
„Hast du denn schon was gegessen?“ fragte der Kutscher, der gerade in der Kombüse aufklarte.
„Nein, noch nicht.“
„Ich hab’ Pfannkuchen gebacken. Es sind noch ein paar übrig. Magst du welche?“
„Die esse ich leidenschaftlich gern“, sagte Old O’Flynn und ließ sich die heißen Dinger schmecken. Er konnte nur froh sein, daß ihn seine Mary jetzt nicht sah. Wahrscheinlich hätte sie einen Mord begangen, wenn sie seinen Appetit auf Pfannkuchen gesehen hätte.
Er aß gleich vier Stück hintereinander. Dann sagte er: „Ich habe was Wichtiges mit dir zu besprechen, Kutscher.“
„Nur zu, ich höre, Donegal.“
„Es muß aber unter uns bleiben, das mußt du mir versprechen. Es ist vorerst noch ein Geheimnis.“
„Ich verspreche, daß niemand ein Wort erfährt.“
Old O’Flynn setzte sich auf einen Schemel und erzählte dem Kutscher fast wortwörtlich seinen Traum.
Das Gesicht des Kutschers wurde immer verzückter. Er hörte grinsend und sehr interessiert zu. Als der Profos dann theoretisch durch die Rutsche sauste, kriegten seine Ohren schon Besuch.
„Wie eine Kanonenkugel ist der Kerl abgesaust“, sagte Old Donegal. „Mann, hat das gestaubt, als er ins Wasser flog. Alle haben mächtig gegrinst, aber es war leider nur ein Traum.“
„Du bist doch aber nicht hergekommen, um mir deinen Traum zu erzählen. Was steckt dahinter?“
„Ich muß diese Rutsche im Stützpunkt unbedingt bauen. Wir brauchen eine Kneipe, wo wir uns treffen können.“
„Das sehe ich durchaus ein. War ja auf der Schlangen-Insel auch immer sehr gemütlich. Was habe ich dabei zu tun?“
„Ganz einfach. Ich habe vor …“
Das nur leicht angelehnte Schott wurde geöffnet. Im Rahmen war das überaus freundliche Gesicht Edwin Carberrys zu sehen, der so süffisant und anzüglich grinste, daß allen beiden fast die Galle überlief.
„Wir haben etwas zu besprechen“, sagte der Kutscher steif.
Das Ungeheuer von einem Profos grinste noch tückischer.
„Kann ich mir vorstellen“, sagte er. „Wahrscheinlich sprecht ihr über fliegende Pfannkuchen. Man sieht ja so allerlei. Manch einem Kerl fliegen solche Dinger wie durch Zauberei ins Genick, und dann sucht er einen Feldscher auf, um sich auszuheulen, oder er fragt ihn, wie man Pfannkuchen-Blasen am besten kuriert.“
„Hoffentlich hast du gut geträumt“, sagte Old O’Flynn boshaft. Es ärgerte ihn sehr, daß der Profos nicht wirklich durch die höllische Rutsche gesaust war.
„Vorzüglich, sogar ausgezeichnet. Ich träumte davon, daß endlich mal eine Kneipe auf der Insel steht. So eine Rutsche wie auf der Schlangen-Insel. Und die stand tatsächlich da, und da habe ich mir den Hals vollgesoffen.“
„Und rumgestänkert vermutlich.“
„Vermutlich ja“, gab Ed grinsend zu.
„Und dann bist du durch die Rutsche gesaust, was?“
„Man wollte mich durchsausen lassen, aber das Ding funktionierte nicht und klemmte ein bißchen.“
„So ’n Scheiß“, sagte Old O’Flynn maßlos enttäuscht.
„Pech gehabt“, meinte Ed. „Und was heckt ihr aus?“
Der Kutscher sah ausdruckslos auf den Mehlsack, neben dem Old O’Flynn ziemlich verbiestert hockte.
„Wir reden über Gott und die Welt“, meinte er. „Belangloses Zeug.“
„Ich hätte dich eigentlich für klüger gehalten, Kutscher, als über belangloses Zeug zu reden.“
„Willst du rumstänkern?“ fragte der schmalbrüstige Kutscher angriffslustig.
„Ich wollte euch nur zuhören.“
„Hier gibt’s überhaupt nichts zuzuhören!“ schrie Old O’Flynn. „Leg die Ohren an und verschwinde gefälligst.“
„Wir reden nämlich über Eheprobleme“, sagte der Kutscher, um den Profos abzuwimmeln.
„Ah ja, Pfannkuchen und so! Na, dann will ich nicht länger stören. Ich hätte jedenfalls keine Probleme. Ich würde die heißen Dinger einfach zurückwerfen.“
Old O’Flynn schluckte hart. Natürlich hatte dieser Kerl wieder einmal alles mitgekriegt, das bewiesen seine anzüglichen Worte und sein hinterhältiges Grinsen.
Aber er verschwand endlich, und nur sein hämisches Lachen hing noch für Augenblicke in der Kombüse.
Der Kutscher nahm den Faden wieder auf.
„Du willst also eine Rutsche bauen, Donegal. Das ist eine gute und löbliche Idee. Hesekiel Ramsgate und ein paar seiner Männer können dir dabei doch zur Hand gehen.“
Old O’Flynn schüttelte nachdrücklich den Kopf.
„Nichts gegen den Baumeister und seine Männer, bewahre. Aber die Rutsche muß so aussehen wie die Pfahlbauten auf Andros. Der Häuptling Coanabo und sein Stamm haben die richtigen Hütten. Das geistert mir schon lange durch den Schädel.“
„Das heißt also“, folgerte der Kutscher, „du willst nach Andros, um diese Pfahlbauten nochmals genauer in Augenschein zu nehmen.“
„So ist es, Kutscher. Das habe ich vor. Der Pfahlbau muß so angelegt werden, wie ich es geträumt habe. Wenn die Rutsche fertig ist, habe ich die eiserne Absicht, den Profos als ersten ins Wasser sausen zu lassen. Deshalb ziehe ich auch nur dich ins Vertrauen.“
Der Kutscher grinste bei der Vorstellung erneut. Old Donegal begann zu kichern, und dann lachten sie alle beide.
„Was habe ich dabei zu tun?“ fragte der Kutscher.
„Erstens mal bist du ein kluger Mann, und zweitens bist du mit dem Häuptling Coanabo sehr gut befreundet. Man hat dir auf der Insel nie vergessen, wie du den kranken Jungen geheilt hast. Wenn wir jetzt nach Andros segeln, könnten wir die Bauart der Pfahlbauten genau studieren, und du könntest von ihnen ein paar Zeichnungen anfertigen. Wenn wir die haben, sind Hesekiel und Ferris im Besitz genauer Baupläne und in der Lage, danach eine originalgetreue Hütte zu bauen. Gleichzeitig soll das für Mary ein neues Heim werden.“
Der Kutscher hatte schweigend zugehört. Dann blitzte es in seinen Augen auf, und er war Feuer und Flamme. Der Vorschlag begeisterte ihn.
Die beiden Männer grinsten sich an und gaben sich wie zwei Verschwörer die Hand.
„Da ist noch etwas“, sagte der Kutscher. „Wir müssen für diese Fahrt natürlich vom Bund der Korsaren entlassen werden.“
„Kein Problem“, meinte O’Flynn abwinkend. „Das regele ich mit ein paar Worten.“
Der Kutscher hatte aber noch einen weiteren Einwand.
„Der Grund dieser Reise dürfte Hasard ein wenig dürftig erscheinen. Nur um die Pfahlbauten zu studieren …“
Wieder winkte der Alte grinsend ab.
„Auch kein Problem, Kutscher. Der Häuptling Coanabo hat doch nach meiner zweiten Reise nach Andros angedeutet, daß er gern Werkzeug von uns hätte, das er gegen Saatgut eintauschen würde. Das ist doch ein handfester Grund, oder nicht?“
Der Kutscher lehnte sich etwas zurück und lächelte.
„Manchmal bist du ein Schlitzohr, Donegal. Aber ich bin natürlich sofort dabei. Wen nehmen wir auf der Reise mit?“
„Wie wär’s mit dem Profos? Den könnten wir unterwegs ein bißchen zwiebeln und ärgern. Ha, das ist überhaupt eine gute Idee! Wir nehmen Ed mit, damit er ebenfalls die Pfahlbauten begutachten kann. Wenn er später durch die Rutsche ins Meer saust, dann weiß er wenigstens, wie das funktioniert.“
Der Kutscher wollte sich ausschütten vor Lachen. Aber was Donegal da vorbrachte, war ganz nach seinem Geschmack. Der „liebe Ed“ fehlte ihnen gerade noch bei der Reise. Dann konnten sie ihn kräftig verladen, so, wie er es immer mit ihnen tat.
„Alles klar?“ fragte Old O’Flynn. Er kratzte sich grinsend an jener Stelle, wo ihn der heiße Pfannkuchen getroffen hatte.
„Alles klar“, versicherte der Kutscher augenzwinkernd. „Jetzt müssen wir das nur noch den anderen verklaren.“
Aber auch da sah Old O’Flynn keinerlei Probleme. Seit er sich diese Idee in den Kopf gesetzt hatte, gab es überhaupt keine Probleme mehr für ihn.
Hasard stand mit Ben Brighton zusammen auf der Kuhl. Beide betrachteten unauffällig den Mann, der hingebungsvoll damit beschäftigt war, beim Bau einer Jolle mitzuhelfen.
Der Mann war Don Antonio de Quintanilla, Exgouverneur von Kuba.
Anfangs, als ihn der Bund der Korsaren auf die Insel gebracht hatte, war Don Antonio feist, quallig und sehr fettleibig gewesen. Und sehr verwöhnt war er auch.
Das alles hatte sich erstaunlich geändert. Jetzt war er braun gebrannt, und er packte mit an, wo er nur konnte. Er schien sich von seinem Luxusleben völlig gelöst zu haben und aß zum Beispiel mit Freuden das, was es auch für die anderen gab – nämlich deftige und kräftige Kost, die er anfangs verschmäht hatte.
Auch sein Bauch war merklich zurückgegangen. Die meisten Fettpolster waren verschwunden, und der wäßrige Blick seiner Augen war klarer und fester geworden. Er schien eine Menge Spaß am Leben und an der Arbeit zu haben.
„Erstaunlich, wie der Kerl sich verändert hat“, sagte Ben. „Wer sieht ihm heute noch den feisten und korrupten Gouverneur an?“
„Er hat sich voll eingelebt“, sagte Hasard. „Wirklich erstaunlich von dem Mann. Ich hatte das nicht erwartet. Sogar der Wikinger knurrt nicht mehr, wenn er ihn sieht. Vorher ging er jedesmal fast in die Luft vor Zorn. Aus dem lieben Don Antonio kann demnächst so eine Art Verwalter werden, so ähnlich wie Diego auf Tortuga. Ich werde mir das noch überlegen.“
Ben Brighton sah auf den Kutscher und auf Old O’Flynn, die mit leuchtenden Gesichtern einträchtig aus der Kombüse traten.
Hasard und Ben zwinkerten sich zu. Auch ihnen war der fliegende Pfannkuchen der heißblütigen Snugglemouse nicht entgangen.
„Sicher hat er seine Sorgen beim Kutscher abgeladen“, meinte Ben. „Jetzt sieht er richtig aufgekratzt aus.“
„Ich muß dich dringend sprechen, Sir“, sagte Old Donegal. „Es geht um eine wichtige Angelegenheit.“
Beide Männer sahen versteckt grinsend, daß er sich wieder das Genick an der betroffenen Stelle rieb.
„Nur zu“, sagte der Seewolf erheitert.
Old O’Flynn sprach in salbungsvollen und beschwörenden Worten und legte seinen Vorschlag dar. Hin und wieder warf der Kutscher ebenfalls ein paar Worte ein.
Anfangs hatte Hasard vermutet, Old O’Flynn wolle nur mal wieder ausbüxen, weil mit seiner Mary Wetterleuchten in der Luft hing. Doch dann hörte er interessiert zu. Allerdings verriet Old O’Flynn nicht den eigentlichen und wahren Grund seiner Reise.
„Das stimmt“, sagte Hasard, „das haben wir mit dem Häuptling Coanabo wirklich vereinbart und besprochen. Es sollte auch nicht in Vergessenheit geraten. Die Kontakte sollten schon weiterhin gepflegt werden und nicht abreißen. Ich halte die Idee für gut. Jedenfalls hast du meinen Segen und den der anderen mit Sicherheit ebenfalls. Wir werden dir eine Ladung Werkzeug zusammenstellen, dann suchst du dir eine Mannschaft aus, und ihr könnt aufbrechen.“
Der Profos, der ebenfalls wie unauffällig auf der Kuhl herumlungerte, wurde sofort hellhörig.
Hm, eine Reise nach Andros, das ist doch mal was, überlegte er. Fragt sich nur, ob der alte Zausel mich mitnimmt, denn da war die Sache mit dem Pfannkuchen, und so etwas vergißt ein O’Flynn nicht so schnell. Er bereute es jetzt, Donegal wieder mal kräftig auf den Arm genommen zu haben, und schlenderte mit einem gottgefälligen Gesicht näher heran.
Old O’Flynn zählte gerade auf, wer zur Mannschaft gehören sollte.
„Martin natürlich, Nils, Sven, der Kutscher, die beiden Junioren und – äh, ja, Stenmark noch. Das müßte genügen.“
Dem Profos stieg die Galle hoch.
„Bißchen wenig für eine Reise“, sagte er wie beiläufig. „Unterwegs kann allerlei passieren.“
„Das reicht“, sagte Donegal kühl. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos, als er registrierte, daß sich der Profos mächtig ärgerte und sehr enttäuscht war.
Auch der Kutscher ließ sich nichts anmerken. Er mußte sich mächtig anstrengen, um sich das Grinsen zu verkneifen.
Hasard aber kannte seine Helden besser, und er wußte auch, daß Ed jetzt von Donegal verladen wurde. Das sah er schon an dem steinernen und ausdruckslosen Gesicht des Alten.
„Ohne mich wärst du damals auf Andros in die Hölle gesegelt“, begann Carberry zu motzen. „So, wie ich das sehe, wird das jetzt wieder passieren. Da gibt es nämlich die berüchtigten Inselgeister, die Chickcharnies mit den drei Fingern, drei Zehen und den knallroten Augen. Und dann die tückischen Moraste, Mangrovenwälder und das höllische Korallenriff. Da solltest du lieber noch einen Mann mehr mitnehmen, einen kräftigen.“
„Einen, der kräftig saufen kann, was? Gut, dann nehme ich also noch einen starken Mann mit, der auf den Rum aufpaßt.“
„Na also“, sagte Ed unsagbar erleichtert. Aber dann folgte der nächste Hammer, der den Profos traf.
„Wo ist Ferris denn eigentlich?“
„Ferris?“ ächzte Ed. „Hast du Ferris gesagt? Der wird hier dringend gebraucht, Mann, äußerst dringend. Warum nimmst du nicht ganz einfach mich mit?“
Old O’Flynn wandte sich dem Kutscher zu. Fragend sah er ihn an.
„Wenn wir den Profos mitnehmen, gibt’s bloß wieder Ärger. Oder bist du da anderer Ansicht, Kutscher?“
Der Kutscher, sah unbehaglich drein.
„Stimmt. Vorhin hat er auch wieder angefangen zu stänkern.“
„Ich doch nicht! Wo werd’ ich denn!“ rief der Profos empört. „Ich kann keiner Fliege etwas zuleide tun, und das von vorhin war doch nur Spaß, mehr nicht. Wir sollten dann allerdings Sir Jöhnchen auch gleich mitnehmen. Der kann wieder vorausfliegen und die Lage peilen.“
„Den Schreihals an Bord?“ fragte Donegal entsetzt.
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