Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 673»

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Impressum

© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-96688-087-9

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Fred McMason

Falsche Freunde

Der Seewolf bietet seine Hilfe an – doch die hochnäsigen Lords bedanken sich mit Kanonenschüssen

Die Wolke an der nördlichen Kimm hing wie der Pesthauch des Todes über Wasser und Land. Sie glich einer wabernden Nebelbank, die der stetig wehende Südwest-Monsun nur langsam zerfaserte.

Es waren die letzten Boten des Untergangs und der Vernichtung etlicher portugiesischer Schiffe, die einem Branderanschlag der Arwenacks zum Opfer gefallen waren. Damit hatten sich die Seewölfe einen übermächtigen Gegner vom Hals geschafft und auch die englische Kriegsgaleone „Respectable“ vor der Vernichtung gerettet.

Die überheblichen Lords hatten jedoch keine Lehre aus der Bedrohung gezogen, wie Hasard grimmig feststellte. Sorglos, als sei absolut nichts geschehen, trieben sie sich weiterhin vor der Westküste Indiens herum, und das in einem Gebiet, das die Portugiesen für sich beanspruchten …

Die Hauptpersonen des Romans:

Sir Thomas Carnavon – der Kommandant der „Respectable“ hat mehr Glück als Verstand, als er über den Achtersteven treibend mit dem Schiff in eine Bucht gedrückt wird.

Sir Godfrey Ballantine – will sich mit dem Seewolf und Big Old Shane duellieren, „bricht“ sich aber vorher schnell die Hand.

Sir James Taurean – gibt zwar fromme Sprüche von sich, gerät aber aus dem Häuschen, als er was von Gold und Silber hört.

Dan O’Flynn – kann sich geschickt aus der Affäre ziehen, als ihm vorgeworfen wird, er habe mit seinen vier Kameraden desertieren wollen.

Philip Hasard Killigrew – braucht eine Menge Geduld und Gelassenheit, um auf die Verrücktheiten der Lords reagieren zu können.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Philip Hasard Killigrew schob das Spektiv zusammen und reichte es an Don Juan zurück. Sein Gesicht war kantig, die Augen schmal. Mit einer unwilligen Bewegung warf er den Kopf zurück.

„Man kann sie beim besten Willen nur als grünschnäbelige Bastarde bezeichnen“, sagte er. „Sie haben nichts dazugelernt, überhaupt nichts. Sie schnüffeln weiter vor der Küste herum, bis sie erneut den Unwillen der Portugiesen erregen und in weitere Schwierigkeiten verwickelt werden. Das geht ganz einfach über meinen Verstand hinaus.“

Der Spanier nickte knapp und warf einen langen Blick achteraus zur nördlichen Kimm.

Dort traten aus dem Dunst immer deutlicher und klarer die gelohten Segel eines großen Schiffes hervor. Es gab nicht den geringsten Zweifel, daß es die „Respectable“ war. Sie segelte in einem Abstand von höchstens einer halben Meile unter Land. Hin und wieder, auch das war deutlich zu erkennen, wurde der Kurs ein wenig geändert, bis sie sich dem Landstrich noch weiter näherte.

Für einen Nichteingeweihten sah es aus, als nähmen die Leute auf dem Schiff irgendwelche Vermessungen vor, aber die Lords taten alles andere als das. Sie schienen sich eher auf einer Erholungsreise zu befinden.

„Nicht zu fassen“, sagte Don Juan kopfschüttelnd. „Sie haben etliche Treffer eingesteckt und sollten sich besser ernsthaft mit der Reparatur ihrer Kriegsmaschine befassen, statt sinnlos die See auszubeulen. Zur Zeit bietet sich eine Reparatur doch an, denn es ist vorerst nicht zu befürchten, daß uns weitere Portugiesen folgen.“

„Nein, das ist kaum anzunehmen. Durch den Branderangriff haben sie so ziemlich alles verloren, was an Schiffen noch brauchbar war. Ich habe ebenfalls daran gedacht, und es kann durchaus sein, daß die ehrenwerten Lordschaften bereits Ausschau nach einer versteckt liegenden Bucht halten, um ihre Wunden zu lecken. Allerdings müssen sie deshalb nicht unbedingt diese verrückten Kreuzkurse segeln.“

Hasards Zorn auf die Lords war berechtigt, denn gerade durch ihr seemännisches Unvermögen hatten sie sich selbst und die Arwenacks immer wieder in Schwierigkeiten gebracht.

Der Seewolf hätte sich nicht weiter um die Landsleute gekümmert und sie ihrem Schicksal überlassen, aber da waren fünf Arwenacks an Bord der Kriegsgaleone, die man gepreßt hatte, und um eben diese fünf Männer ging es ihm, sonst hätten die Lords zum Teufel fahren können.

Ihr Ziel war Madras, und sie hatten elf Tonnen Gold und Silber in den Laderäumen ihrer Schebecke, um sie dem Mogulkaiser Akbar zu bringen. Ohne das Erscheinen der „Respectable“ wäre die Reise auch ziemlich problemlos verlaufen, aber seit dieses unselige Schiff aufgekreuzt war, ging alles drunter und drüber, und es gab nichts als Ärger.

Seit der ersten Begegnung befanden sich Carberry, Ferris Tucker, Dan O’Flynn, Smoky und Roger Brighton an Bord der Kriegsgaleone. Man hatte die fünf schlicht und einfach gepreßt, natürlich unter Androhung von Gewalt, der Hasard zähneknirschend nachgegeben hatte.

Im Hintergrund der wabernden Dunstwolke, die noch von dem Brand herrührte, segelte die Galeone wieder einen Schlag auf die Küste zu, bis sie fast nur noch drei Kabellängen vom Ufer entfernt war.

Auf der Schebecke rauften sie sich fast die Haare, denn daß es ein waghalsiges und zudem noch völlig idiotisches Manöver war, wußte auch der letzte Mann.

Der Wind wehte auflandig, und so drohte das große Schiff auf Legerwall zu geraten.

Die Lords segelten, über Backbordbug liegend mit Steuerbordhalsen, einen südöstlichen Kurs, der ihnen jeden Augenblick zum Verhängnis werden konnte.

„Wenn sie jetzt nicht mehr durch den Wind auf den anderen Bug gelangen, dann ist für mich der Fall erledigt“, sagte Hasard erbost. „Diese geistigen Flachwassersegler werden jeden Moment aufbrummen. Sollte das der Fall sein, dann nehmen wir unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand unsere Männer an Bord und lassen die Lords in der Luft hängen.“

„Wird auch höchste Zeit“, sagte Ben Brighton erbost, der das Manöver durch das Spektiv verfolgte und dabei immer wieder den Kopf schüttelte.

Hasard ließ etwas härter anluven, um das Tempo der Schebecke zu verringern. Gespannt beobachteten sie, was sich auf der Galeone tat, die immer dichter unter Land geriet.

Ein paar Arwenacks feixten bereits bis zu den Ohren.

Offenbar hatte der ehrenwerte Sir Thomas Carnavon erst jetzt bemerkt, daß sie wohl doch etwas zu dicht unter Land gerieten. Schoten und Brassen der Fock wurden losgeworfen. Die Segel begannen zu killen, auf der „Respectable“ herrschte Wuhling. Aus der Nähe mußte sich das Killen der Segel wie Musketenfeuer anhören.

Mit Hilfe des Besans versuchten sie, achtern herumzuschwenken, ein Manöver, das buchstäblich erst im allerletzten Augenblick gelang.

Das Heck der Galeone wies jetzt zur Küste.

Kerle rannten wie Ameisen hin und her, gescheucht von unsinnigen und widersprüchlichen Befehlen. Brassen und Schoten wurden dichtgeholt, und dann versuchten sie, sich mit langen Kreuzschlägen von der Küste freizusegeln.

„Heiliger Sankt Antonius“, murmelte Old O’Flynn erschüttert und beschwor damit den Nothelfer für Wind und Wellen. „Hilf diesen verlausten Heringen bloß nicht. Laß sie aufbrummen! Wenn du das tust, dann opfere ich dir mein Holzbein, mit dem man die Bastarde längst alle hätte durchklopfen müssen.“

Old O’Flynn durfte sein Holzbein behalten, obwohl er gern für ein paar Tage an Krücken gegangen wäre, falls sich sein Wunsch erfüllt hätte. Aber Sankt Antonius hatte offenbar ein Einsehen mit den Stieseln und half ihnen auf den anderen Bug.

Allerdings dauerte es fast eine Stunde, bis sie sich freigesegelt hatten und auf Südsüdwest-Kurs lagen. Kurz danach ging die „Respectable“ auf Südwest-Kurs. Diesmal versuchten die Lords, möglichst viel Raum zu gewinnen, denn die Erfahrung, die gerade hinter ihnen lag, war wohl doch recht betrüblich gewesen.

„Ein Glück, daß auf dem Meer soviel Platz ist“, sagte Big Old Shane grinsend. „Sie brauchen fast den gesamten Indischen Ozean zum Manövrieren – und natürlich das Arabische Meer dazu, um eine Halse oder Wende zu fahren. Ich bin sicher, daß sich unsere Männer dort an Bord bereits halbtot gelacht haben.“

Inzwischen war es drei Uhr nachmittags geworden. Die Sonne stach heiß herab, der warme Monsun brachte keinerlei Abkühlung.

Zwischendurch gab es einmal eine kleine Abwechslung an Bord der Schebecke und ein großes Geschrei seitens Mac Pellews.

Mac erschien mit dem Gesicht eines erfolglosen Leichenbestatters an Deck und bezichtigte Paddy Rogers des Diebstahls von einer riesigen Kumme Pudding mit Rosinen.

„Keiner ist hier so verfressen wie du!“ schrie Mac Pellew. „Und ich habe genau gesehen, wie du um die Kombüse herumgeschlichen bist und die Nüstern gebläht hast.“

„Ich habe doch …“, sagte Paddy kleinlaut und rieb sich verlegen die Knubbelnase. „Ich – äh, weil ich dachte …“

„Halt’s Maul! Gib es wenigstens zu. Ich bemühe mich, etwas Abwechslung in den Speiseplan zu bringen und koche einen dicken Pott voll Pudding. Und wo ist er jetzt?“

„Weg“, sagte Paddy verlegen, „weil ich nämlich dachte …“

Mac Pellew ließ ihn nicht ausreden. Er fuchtelte wild mit den Armen durch die Luft. Sein Hals war dick angeschwollen, und er regte sich fürchterlich auf.

„Du hast überhaupt nichts zu denken, du Puddingmörder! Das Zeug stand nämlich nur zum Abkühlen hinter dem Kombüsenschott, aber nicht, um damit einen Nimmersatt und Vielfraß zu füttern. Da waren allein zwei Pfund Rosinen drin, Vanille und anderes Schlabberzeug. Hast du das jetzt gemampft oder nicht?“

Der dicke Paddy nickte kläglich. Todunglücklich stand er an Deck und rieb sich verlegen die großen Pranken.

„Hör mal, Mister Pellew“, sagte er und hätte sich am liebsten durch die Planken verkrochen. „Du hast doch zum Mister Kutscher gesagt: ‚Ha, da wird sich Paddy aber freuen, wenn er das sieht. Ich wette, der leert die große Kumme ganz allein!‘“

„Stimmt, das habe ich gesagt“, gab Mac wütend zu, „genau das waren meine Worte.“

„Ich wollte nicht, daß du die Wette verlierst, und weil es doch, äh, sozusagen eine Überraschung für mich sein sollte.“

„Überraschung – für dich?“

„Ich – hab heute nämlich Geburtstag, und da war ich ganz gerührt, als ich den Pudding sah.“

„Ach, du dicker Vater“, stöhnte Mac, etwas versöhnlicher jetzt. „Du hast heute wirklich Geburtstag?“

Wieder erfolgte das klägliche Nicken.

„Dann war es natürlich ein Geschenk für dich. Herzlichen Glückwunsch, mein lieber Paddy.“

Der Kutscher sagte das freundlich, der gerade die Kombüse verlassen hatte.

Mac war noch ein bißchen verdattert und versprach schließlich, noch einen großen Topf voll Pudding zu kochen, damit auch die anderen etwas davon hatten.

Dafür erklärte sich Paddy bereit, einen auszugeben, was wiederum mit großer Freude zur Kenntnis genommen wurde. Aber das wollte man auf den heutigen Abend verschieben. Jetzt war es zu heiß dazu.

Ein paar Meilen weiter nördlich war zu dieser Zeit die Hölle los.

Die „Respectable“ hatte den Dunst und Qualm hinter sich gelassen. Aber das große Schiff war doch etwas gerupft. Im Schanzkleid klafften Löcher, die Segel waren in Mitleidenschaft gezogen, und an Deck sah es nach dem Aufräumen und Klarieren immer noch wüst aus.

Der letzte Kampf gegen die Portugiesen hatte drei Männern das Leben gekostet. Auch ein paar Verletzte hatte es gegeben, doch bis auf zwei waren alle wieder diensttauglich.

Vor einer knappen Stunde hatte Dan O’Flynn mit bloßen Augen die Schebecke gesichtet, obwohl der Ausguck im Großmars noch nichts an Deck gemeldet hatte.

„Sie haben in den Wind gedreht, damit wir etwas aufholen können“, sagte er. „Sie bleiben immer in unserer Nähe und halten Fühlung.“

„Welch ein Glück“, sagte Smoky. „Ohne unsere Arwenacks wären wir längst bei den Fischen und den Heldentod gestorben.“

„Ein schöner Heldentod wäre das“, murrte Carberry. „Ich hab hier an Bord nur noch nicht viele Helden gesehen, eher Lämmerschwänze, die vor Angst nur so wackeln. Hier scheint sich auch keiner um die durchlöcherten Segel zu kümmern. Ein Zustand, der bei uns an Bord unhaltbar wäre. Das kostet alles Zeit, und die Lappen zerfetzen nur noch schneller.“

„Sind ja nicht unsere“, sagte Smoky gleichgültig. „Ich habe keine Lust, hier einen Handschlag zu tun, wenn ich nicht dazu aufgefordert werde. Selbst dann tue ich ihn nur widerwillig, obwohl das nicht gerade die richtige Dienstauffassung ist. Aber das kann mir keiner verübeln.“

„Von uns verübelt dir das auch keiner“, sagte Roger Brighton, der einen mißmutigen Blick in die Takelage warf. Die Schoten hätten dichter geholt werden müssen, doch den Befehl dazu gab es nicht. Der Schlendrian ging weiter, und so wurde die „Respectable“ auch nicht voll ausgesegelt.

Der Segelmacher an Bord, ein jüngerer Bruder Will Thornes, den sie hier ganz überraschend kennengelernt hatten, war zwar ein hervorragender Mann, aber er hatte längst resigniert.

Er folgte Rogers mißmutigem Blick und grinste schief.

„Ich weiß, du bist Takelmeister“, sagte er. „Dir geht diese ganze Unordnung mächtig auf die Nerven, stimmt’s?“

„Das stimmt allerdings, Barry.“

„Nimm’s leicht“, riet Barry Thorne. „Wenn man für die ruhmreiche Navy segelt, dann hat man gefälligst das Maul zu halten und sich um nichts zu kümmern. Vor allem hat man keine Vorschläge zu unterbreiten, weil das eine unerhörte Bevormundung darstellt. Aber das habt ihr ja bereits am eigenen Leib erfahren.“

Er spielte darauf an, daß Dan O’Flynn einen Offizier vor den Portugiesen gewarnt und der das als Frechheit und Bevormundung ausgelegt hatte. Dafür war Dan O’Flynn ausgepeitscht worden.

„Ist mir sowieso egal“, erwiderte Roger. „Nach einer gewissen Zeit stumpft man ab und wird gleichgültig. Man hört nur noch auf Befehle und führt sie aus, damit man seine Ruhe hat. Trotzdem würde ich hier einiges in Ordnung bringen.“

Dan O’Flynn kniff die Augen zusammen, warf einen Blick nach achtern und sah dann zum Land hin.

„Dann fang mal damit an, den Kurs in Ordnung zu bringen, Roger. Was hat das eigenartige Manöver zu bedeuten?“

Die fünf Seewölfe blickten sich fragend an und sahen dann ebenfalls zum Achterdeck.

Dort standen sie wieder wie Marionetten mit gelangweilten Gesichtern, die so gut wie gar nichts ausdrückten.

Das Schiff ging vom südlichen Kurs ab und drehte unmerklich auf die indische Westküste zu.

Dan zog die Augenbrauen hoch. Schließlich hob er die Schultern.

„Die wollen wohl Girlanden segeln. Gibt es da etwas Besonderes an der Küste, das die Lordschaften so magisch anzieht, oder läuft nur der verdammte Kasten aus dem Ruder?“

Was das Manöver bezweckte, war keinem klar. Die Kriegsgaleone hielt jetzt aber einwandfrei auf das Land zu. Das Kielwasser beschrieb einen ansehnlichen Bogen.

„Wir haben auflandigen Wind“, sagte Barry Thorne.

Es war eine Feststellung, aber sie ließ die anderen doch zusammenzucken. Der Profos schluckte und starrte wieder schnell nach achtern. Dort schien man nicht zu bemerken, daß die Galeone unter fast vollem Preß direkt auf das Land zuhielt und der Wind sie mit aller Kraft vorantrieb.

Der einzige, der jetzt aufschreckte, war der Rudergänger am Kolderstock. Aber der war durch die vielen Segel so gut wie blind und sah jeweils nur einen kleinen Ausschnitt vor sich. Jetzt schien ihm aber ein Licht aufgegangen zu sein.

Er versuchte, Ruder hart Steuerbord zu legen, doch die große Galeone gehorchte dem Druck nicht mehr. Der auflandige Wind war stärker.

Der Bug schwang nicht weiter herum. Es schien zu spät zu sein. Unbeirrbar hielt das Schiff weiter auf das Land zu.

„Das gibt es doch nicht“, stöhnte Smoky. Er begann wild mit den Armen herumzufuchteln, und war sich in dem Augenblick seiner totalen Hilflosigkeit bewußt.

Auf dem Achterdeck erwachten die Gentlemen urplötzlich aus ihrer Erstarrung. Sir Thomas blickte zu dem näher rückenden Land. Sekundenlang war er entsetzt.

Jetzt hatten auch Lord Scaleby und der eitle Stutzer Sir Godfrey Ballantine bemerkt, daß gleich etwas Ungeheuerliches passieren würde. Aus schreckgeweiteten Augen starrten sie sich an.

„Ruder hart Steuerbord!“ schrie der Kommandant.

„Er nun wieder“, sagte Carberry trocken. Anfangs hatte sich der Profos auch mächtig aufgeregt, doch jetzt war er kühl und gelassen. Sollten die Kerle doch selbst zusehen, wie sie sich wieder freisegelten. Er grinste sogar ein bißchen niederträchtig.

„Wenn die aufbrummen“, sagte er leise zu Dan. „Dann wackeln hier nicht nur die Masten, dann geht noch etliches andere zum Teufel. Bei der Wuhling, die dann entsteht, mustern wir ab. Und das kleine Kerlchen nehmen wir gleich mit.“

Er meinte das Bürschchen Clinton Wingfield, das hier an Bord als Pulveraffe eingesetzt war und ebenfalls schon lange von den Zuständen an Bord restlos bedient war.

„Einverstanden“, sagte Dan. „Wir setzen uns dann ab. Die Lords können sehen, wie sie das wieder hinbiegen.“

Jeder einigermaßen gute Seemann hätte sich jetzt verzweifelt die Haare gerauft, wenn er das klägliche Manöver sah. Das Kommando „Ruder hart Steuerbord“ war unter den herrschenden Windverhältnissen ein Witz und gleichzeitig eine vergebliche Anstrengung.

Die Arwenacks wußten, was sie unter diesen Umständen hätten tun müssen, und Ferris Tucker war auch schon drauf und dran, ein paar Kommandos zu brüllen. Doch da gewahrte er das seltsame Licht in den Augen seines Freundes Carberry.

„Du wirst doch hoffentlich nicht das Maul aufreißen, Mister Tucker“, sagte der Profos. „Hast du vergessen, daß die Kerle uns gerade überfallen haben, und das noch hinterrücks und auf eine feige, gemeine Art? Hast du das wirklich vergessen und all das andere auch? Halt bloß die Klappe, mein Freund. Jetzt können die Kerle ihre Seemannschaft mal unter Beweis stellen.“

Ferris nickte nur, eine Antwort gab er nicht.

Inzwischen drückte der Wind die Galeone näher auf das Land zu.

Sie kamen nicht mehr auf den anderen Bug, was die Arwenacks mit einem mehr oder weniger versteckten Grinsen zur Kenntnis nahmen.

Sir Godfrey Ballantine, der Earl of Berwick-upon-Tweed, traf in diesem Augenblick eine geradezu logische Feststellung.

„Wir laufen auf Land!“ kreischte er entsetzt.

Die Feststellung veranlaßte Smoky zu einem inhaltsschweren Kopfnicken.

„So dämlich ist das Kerlchen gar nicht. Immerhin merkt er schon, daß der Kurs nicht mehr stimmt. Ob er wohl etwas dagegen unternehmen wird, der Gute?“

Sir Godfrey unternahm nichts. Er wußte auch gar nicht, was er in einem solchen Fall tun sollte. Dafür schrie er noch ein paarmal, daß die Galeone aufliege, was inzwischen sogar schon die Rindviecher im untersten Deck gemerkt hatten, denn von dort drang jetzt dumpfes Gebrüll nach oben.

Unter der Mannschaft gab es aber doch ein paar besonnene Männer. Die handelten jetzt auch ohne Befehl, und ihnen durfte man getrost unterstellen, daß sie vor allem das Schiff retten wollten, ohne das sie nicht mal ein Dach über dem Kopf hatten.

Unter dem Kommando eines breitschultrigen Mannes mit fieberglänzenden Augen und hagerem Gesicht, stürzten sie an die Nagelbänke und warfen Brassen und Schoten los. Die paar Männer verstanden von Seemannschaft mehr als die Lords einschließlich ihres Kommandanten.

Ihr Tun wirkte auch auf andere ansteckend, denn jetzt hasteten noch mehr hin und her und flitzten zu den Nagelbänken.

Innerhalb weniger Augenblicke begannen die Segel zu killen und hart im Wind zu schlagen. Aber jetzt war kein Druck mehr auf ihnen.

„Wenn sie jetzt mit dem Achtersteven zum Land herumholen“, sagte Smoky, „kann es noch klappen. Nur müßten sie den Besan mal ein bißchen durchsetzen, aber nicht zuviel.“

„Brassen und Schoten los!“ schrie in diesem Augenblick der Zweite Offizier mit seiner piepsigen Stimme.

Der Profos grinste so hinterhältig und infam, daß ihm dieses Grinsen mindestens ein Dutzend Hiebe eingebracht hätte. Auf dem Achterdeck hatten sie jedoch andere Sorgen und kümmerten sich nicht um das Grinsen der Arwenacks.

„Er gibt die Befehle immer erst dann, wenn sie ein anderer bereits ausgeführt hat“, sagte Carberry. „Also dann wollen wir mal. Brassen und Schoten los gilt auch für uns. Leider sind schon alle los, und wir haben wieder mal nichts zu tun.“

Er hatte sichtlich Mühe, vor Lachen nicht herauszuplatzen.

Jetzt, nachdem die Segel wie verrückt im Wind schlugen und knatterten, war die schlimmste Gefahr gebannt. Jetzt versuchten sie mit Hilfe des Besans, das Heck herumzubringen. Der Winddruck war ganz auf den Besan konzentriert. Als der Besanbaum zunächst Lose erhielt, setzte sich das mächtige Holz in Bewegung und sauste wie eine gewaltige Sense über das achtere Deck.

Einer der Kerle war so verrückt und wollte den Flaggenstock noch in Sicherheit bringen, als der Baum heransenste.

Carberry wollte gerade höhnisch fragen, ob die Kerle noch nie etwas von Back- und Rundbrassen gehört hatten und ihnen überhaupt bekannt war, daß sie Brassen an Bord hatten. Vielleicht hielten sie Brassen ja für eine ganz bestimmte Fischart – da sah er den Jungen und hörte einen spitzen Schrei.

Es war einer der kleinen Pulveraffen, die auch zu allen anderen Arbeiten eingesetzt wurden. Das Bürschchen streckte abwehrend die Arme aus und bückte sich. Aber den riesigen Baum konnte es natürlich nicht mit seinen schmächtigen Armen aufhalten. Hinter dem Winddruck stand ein Gewicht von mehreren Tonnen, und das hätte selbst Carberry in einer Sternstunde nicht geschafft.

Der Baum senste den Jungen über Deck und fegte ihn mit einem gewaltigen Schwung außenbords.

Ein zweiter Schrei war zu hören, dann verschwand das Kerlchen im hoch aufspritzenden Wasser und tauchte hinter dem Heck ein.

Carberry sah nicht mehr, daß der Baum so hart abgefangen wurde, daß die Blöcke krachten und die Taue zu brechen drohten. Er sah nur das angstvoll verzerrte Gesicht des Jungen und wie er über Bord gefegt wurde.

Der Profos fragte nicht lange um Erlaubnis, und erst recht nicht dachte er an spätere Konsequenzen für sein eigenmächtiges Handeln. Hier ging es um das Leben des Jungen, denn wahrscheinlich konnte das Bürschchen nicht mal schwimmen, wie so viele andere auch nicht, und es würde jämmerlich irgendwo hinter dem Heck ertrinken.

Carberry war mit zwei Schritten am Schanzkleid. Dort schwang er sich mit einem mächtigen Satz über Bord.

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