Kitabı oku: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 677»

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Impressum

© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-96688-091-6

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Fred McMason

Die Arche des Noah

Er will die Welt retten – zum Dank nehmen sie ihm sein Schiff weg

Was die ehrenwerten Lords an diesem frühen Morgen auf der kleinen Lakkadiven-Insel sahen, trieb ihnen den Angstschweiß auf die erlauchten Gesichter. In einem Anflug von Größenwahn hatten sie das Inselchen auf den Namen „Elisabeth Castle“ getauft, und es heroisch vom „Feind gesäubert“, der nur in ihrer überspannten Phantasie existierte.

Jetzt blickte Lord Scaleby zu dem Riff, auf dem die englische Kriegsgaleone „Respectable“ unverrückbar festhing.

Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen.

Zwei Schweine aus dem untersten Deck hatten sich aus dem Wrack befreit und schwammen zielstrebig dem Eiland entgegen. Das war es jedoch nicht, was Scaleby so schockierte. Den beiden Schweinen folgte ein dichter Schwarm von Ratten. Eine ganze Traube war es, die jetzt ebenfalls Kurs auf das rettende Land nahm …

Die Hauptpersonen des Romans:

Timotheus Jakobus Patterson – hält sich für Noah und baut eine Arche, auf die er die Tiere einer Malediveninsel verfrachtet.

Edwin Carberry – glaubt zu spinnen, als Noahs Arche den Kurs der Schebecke kreuzt.

Lord Hyram Scaleby – will eine Reisladung zu Wucherpreisen an die hungernde Bevölkerung Indiens verkaufen und erlebt eine katastrophale Pleite.

Bennet Whistler – begeht skrupellos einen Mord, um die eigene Haut zu retten.

Sir Godfrey Ballantine – kann es überhaupt nicht fassen, daß niemand von den Knechten bereit ist, seine Sachen von der „Respectable“ abzubergen.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

„Ratten“, sagte der Kommandant Sir Thomas Carnavon tonlos. „Was wollen die denn hier an Land?“

Auf die wenig geistreiche Frage erhielt er keine Antwort. Nur Sir Godfrey Ballantine wich zurück und stammelte: „Oh, Gott. Igittigitt, das sind wahrhaftig Ratten. Wie sind die auf unser Schiff gelangt? Pfui Teufel auch!“

Die beiden Schweine quiekten laut im Wasser, als der Pulk von Ratten ihnen folgte.

John Macleod begann voller Entsetzen zu zählen. Doch bei fünfzig gab er entnervt auf. Was da in einer dichten Traube durchs Wasser schwamm, die Schnauzen erhoben und mit funkelnden Knopfaugen, waren mindestens hundert dieser Plagegeister. Und alle hatten die Absicht, sich auf diesem Eiland ebenfalls häuslich niederzulassen.

„Totschlagen! Schlagt sie tot!“ kreischte Sir Godfrey of Berwick-upon-Tweed entsetzt. „Ich will die Viecher nicht, ich kann sie nicht ausstehen.“

Der Profos Bennet Whistler, ein gehirnloser Schläger mit der Visage eines Blutsäufers, schnappte sich einen armlangen Knüppel und stürmte zum Wasser hinunter.

Dort rannte gerade das erste Schwein an Land. Es grunzte und quiekte und versuchte, den Profos zu umgehen.

Whistler sprang zur Seite und schlug sofort zu. Er traf den rechten Hinterschinken des Schweines, das jetzt noch entsetzlicher quiekte, den Ringelschwanz aufrichtete und wild ins Dickicht fegte.

„Idiot!“ schrie der Earl, außer sich vor Angst und Entsetzen. „Nicht die Schweine erschlagen, die Ratten meinte ich!“

Der hirnlose Profos sagte nur „ach so“ und rannte weiter ins Wasser. Dort stellte er sich breitbeinig hin, den Knüppel in der erhobenen Faust und zum Zuschlagen bereit.

Aber soviel Gehirn wie der Profos Whistler hatten die Ratten auch. Sie hatten schon an Bord ein sehr karges Leben geführt und waren ständig gejagt worden, oder man hatte ihnen Fallen aufgestellt, in denen verlockende Köder hingen. Im Laufe der Zeit hatten sie einen sicheren Instinkt für Gefahren jeder Art entwickelt und schienen sogar dieses stupide grinsende Ungeheuer zu kennen.

Noch bevor der Knüppel aufs Wasser drosch, vollzog die erste Ratte einen schnellen Schwenk nach links. Der Pulk folgte augenblicklich.

Lord Scaleby empfand fast Neid über diesen eisernen Gehorsam und die Disziplin, die er sich bei der Mannschaft oft gewünscht hatte.

Der Profos drosch mit aller Kraft ins Leere, das heißt, er wirbelte das flache Wasser ein bißchen durcheinander und schreckte ein paar Krabben auf, die eilig das Weite suchten.

Nach dem Schlag stand er ziemlich ratlos im Wasser und sah sich um.

Die Ratten waren nicht mehr zu erreichen, und das zweite Schwein erreichte jetzt ebenfalls das Land. Es verschwand wie sein Vorgänger in atemberaubendem Tempo, raste über die Lichtung, durchquerte das niedergebrannte Buschwerk und verlor sich weiter hinten in dem Gelände.

Die drei Offiziere und der Kommandant sahen der Rattenjagd des Profosen mit gemischten Gefühlen zu, der wieder aus dem Wasser watete und ratlos am Strand hin und her hastete. Mit dem Knüppel in der Hand vollführte der Drohgebärden.

„Befehlen Sie Ihren Kerlen, auf die Ratten zu schießen, Beeler“, wandte sich Sir Thomas an den Sergeanten, der die Seesoldaten der „Respectable“ befehligte.

Beeler, ein alter Haudegen, der am liebsten auch mit den bisher desertierten Männern von der Fahne gegangen wäre, sich aber nicht traute, ließ das Häuflein Seesoldaten antreten. Ein Teil von ihnen war bereits heimlich mit anderen Männern der Besatzung bei Nacht und Nebel verschwunden. Insgesamt hatten sich bisher fast dreißig Männer mit zwei Jollen heimlich abgesetzt.

Die Lords hatten in ihrer grenzenlosen Wut und Empörung Todesurteile ausgesprochen, die jedoch – wegen Abwesenheit der Angeklagten – nicht vollstreckt werden konnten. Es war ohnehin eine Farce gewesen.

Acht Männer nahmen dicht am Wasser Aufstellung und legten ihre Musketen auf die Gabelstützen. Sie zielten auf die Ratten, die wieder einen Schwenk vollzogen, als ahnten sie, was ihnen bevorstand.

Die Meute schwamm weiter auf See hinaus, diesmal fast in Kiellinie, und bot dadurch nur eine schmale Silhouette. Es sah nach einer gewissen Taktik aus.

„Feuer!“ schrie der Kommandant mit lauter Stimme.

Acht Musketen krachten gleichzeitig und spien ihr Blei ins Wasser. Acht Fontänen entstanden. Von den Ratten wurde keine einzige getroffen.

Bis die Musketen nachgeladen waren, hatte der kleine Pulk eine Strecke zurückgelegt, bei der ein Treffer noch fraglicher war.

Carnavon schäumte vor Wut.

„Ihre Knechte können nicht mal richtig schießen!“ tobte er. „Wissen Sie, was es bedeutet, wenn die Ratten die Insel erobern? Sie werden sich rasend vermehren und schließlich über uns herfallen. Sie werden unsere Vorräte fressen, bis wir buchstäblich verhungern. Sehen Sie zu, daß Sie das wieder ins Lot bringen, Mann, sonst lasse ich Sie hart bestrafen.“

Beeler nickte mit hochrotem Kopf und pfiff seine Soldaten an. Der Trupp verteilte sich jetzt am Ufer, um das Landemanöver der Ratteninvasion zu verhindern.

Die Soldaten waren kaum ausgeschwärmt, als ein neues Ereignis eintrat und wieder mal für Abwechslung auf Elisabeth Castle sorgte.

Von der auf dem Riff sitzenden Galeone waren fast alle Tiere aus der sogenannten Pißback abgeborgen worden, aber in der Aufregung hatten sich etliche wohl doch in den unteren Decks verlaufen. Als jetzt die Wellen an dem Rumpf nagten und immer mehr Wasser ins Schiff drang, gelang es einigen, sich zu befreien. Wahrscheinlich schlüpften sie durch ein größeres Leck in den unteren Räumen.

Wieder waren es zwei ziemlich fette Schweine, die ganz plötzlich neben dem Rumpf auftauchten und im Wasser paddelten. Auch sie hatten Angst, aber ihr Instinkt trieb sie genau auf das Land zu. Mit vorgereckten Schnauzen begannen sie zu schwimmen.

Diese Schweine waren den Lords hochwillkommen, ganz besonders dem feisten Bordprediger James Taurean, der beim Anblick der Schweine an knusprigen Braten dachte und sich im Geist bereits der Völlerei hingab und selig grinste. Da konnten sie bald wieder zur Jagd blasen, um sich die Bäuche vollzuschlagen.

Seine geistige Schwelgerei wurde jäh unterbrochen. Neben dem einen Schwein tauchte ein Wasserwirbel auf wie ein sich drehender, quirliger Trichter, an dessen gewölbter Oberfläche Schaum entstand.

Ein paar Haie hatten sich bei dem Wrack herumgetrieben, den Rattenpulk aber offenbar als zu mager empfunden. Das Strampeln der Beine lockte die Haie an, die ein paarmal ihre Beute umkreisten und sich dabei gegenseitig in die Quere gerieten.

Der Kommandant sah mit offenem Mund zu, was sich da auf See dicht vor dem Riff tat. Er wollte nach den Seesoldaten brüllen, doch die waren hinter einer Landzunge verschwunden und immer noch mit ihrer aussichtslosen Rattenjagd beschäftigt.

„Das – das sind Haie“, stammelte James Taurean. Er zuckte heftig zusammen, als die Rückenflosse eines riesigen Haies auftauchte, der dicht neben seinem Opfer wieder auf Tiefe ging.

Die beiden Schweine gerieten in Panik. Wild strampelnd quiekten sie, drehten sich um ihre Achse und wußten nicht, was sie tun sollten.

Ein nervenzerfetzender, tierischer Schrei drang über das Wasser, als ein Hai zupackte. Eins der Schweine wurde unter Wasser gerissen und wild hin und her geschlenkert.

Das Wasser färbte sich in einer langgestreckten Wolke rosarot. Noch einmal tauchte das Schwein auf, aber da waren gleich zwei oder drei Haie zur Stelle. Wasser kochte und brodelte an jener Stelle.

Das gleiche Schicksal widerfuhr dem zweiten Schwein, das jetzt laut quiekend vor Angst das Ufer zu erreichen versuchte.

Sie sahen, wie ein mächtiger Wirbel es übergangslos in die Tiefe riß, wie eine rosa Wolke aufstieg und das Wasser wild kochte.

Der Rest spielte sich unsichtbar für sie unter Wasser ab, wo sich die Haie um die Beute balgten.

Starr vor Entsetzen standen die Lords am Ufer und trauerten ihrem Frischfleisch nach.

Auf den Gesichtern etlicher anderer Männer aber lag ein hinterhältiges Grinsen, das reine Schadenfreude ausdrückte. Die Lords hatten erst vorgestern ein Schwein am Strand braten und die Mannschaft hungern lassen. Nicht mal die Knochen hatten sie ihnen gegeben. Sie mußten sich mit schimmeligem Hartbrot und Madenkäse begnügen.

So war es kein Wunder, daß sie heimlich grinsten. Sie gönnten den gefräßigen Meeresräubern die Beute mehr als ihren Offizieren.

„Der Herr will uns prüfen“, stammelte Sir James. „Wir sollten in uns gehen und beten.“

Dabei sank er im weichen Sand auf die Knie.

„Verschonen Sie uns mit Ihrer dämlichen Litanei“, sagte John Macleod angewidert. „Die Haie haben uns das Fleisch weggefressen, niemand anderer sonst. Der Herr hat was anderes zu tun, als sich um zwei armselige Schweine zu kümmern.“

„Aber so prüft er uns Menschen!“ jammerte Sir James. Damit waren zwei fette Braten ausgefallen, und er sah sich schon im Geist aus Hunger über die Ratten herfallen.

Die hatten sich mittlerweile zerstreut. Und sie nervten die Seesoldaten, die sich zusätzlich mit Knüppeln bewaffneten. Immer wieder gelang es etlichen der Biester, das Land zu erreichen. Waren sie erst mal am Ufer, dann verschwanden sie so schnell wie der Blitz im Strauchwerk und wurden nicht mehr gesehen.

Da half alles Hinundhergerenne nicht. Flitzten die Soldaten zur einen Seite, dann huschten auf der anderen tropfnasse Ratten an Land und verschwanden eiligst. Ihr Fang nahm sich daher auch mehr als bescheiden aus. Insgesamt vier Ratten waren erlegt worden. Von den anderen war nichts mehr zu sehen.

Die Ratten hatten damit Besitz von Elisabeth Castle ergriffen, denn sie würden sich unter den optimalen Bedingungen sehr schnell vermehren und bald das ganze Eiland bevölkern.

Die Mienen der Lords verdüsterten sich. Ganz besonders Scaleby suchte wieder nach einem Sündenbock, dem er die Verantwortung aufbürden konnte. Er empfand unbändigen Haß auf die Kerle – auf jene, die desertiert und mit den Jollen abgehauen waren, und auf diejenigen, die ihn vorgestern überfallen, einen Sack über den Kopf gestülpt und ihn jämmerlich verdroschen hatten.

Sein Körper, verweichlicht und dick, hatte diese Tortur noch nicht verkraftet, und so schmerzte ihn jede Bewegung.

Natürlich war nicht zu erfahren gewesen, wer ihm diese Tracht Prügel verabreicht hatte. Dafür war jeder fünfte Mann ausgepeitscht worden, was den gegenseitigen Haß nur weiter schürte.

Eine weitere Niederlage hatte er erlitten, als er den Seewolf gejagt hatte. Sein anfänglicher Triumph war zerbröselt wie morsches Tauwerk. Er war verhöhnt und verlacht worden.

„Was gedenken Sie jetzt zu tun, Sir Thomas?“ fragte er den Kommandanten, der mit verschränkten Armen am Strand herumwanderte und immer wieder zur „Respectable“ blickte. Der Bug des riesigen Schiffes lag fest auf, während das Heck noch frei im Wasser schwamm. Es saß unverrückbar fest auf dem großen Korallenriff. „Wir scheinen dazu verdammt zu sein, auf dieser Insel den Rest unseres Lebens zu verbringen, und dieses erbärmliche Leben müssen wir mit Meuchelmördern, Halsabschneidern, aufmüpfigen Knechten, Ratten und Ungeziefer teilen. Sie sind der Kommandant und haben gefälligst eine Entscheidung zu treffen, die uns aus dieser Lage erlöst.“

Sir Thomas wandte sich zu ihm um. Seine Nase schien noch spitzer zu sein, der Mund war ein verkniffener Strich, und in seinen hellen Augen funkelte es boshaft.

„Sieh an“, sagte er höhnisch. „Jetzt bin ich also wieder der Kommandant, obwohl man meine Befehle vorher grundsätzlich sabotiert und unterlaufen hat. Die Gentlemen sitzen nunmehr in der Patsche und sind grundsätzlich einverstanden, daß ich jetzt Entscheidungen treffe, um sie aus dem Dilemma zu befreien. Sie sehen mich überrascht, Durchlaucht. Aber da Sie schon immer ein Mann großer Worte und kleiner Taten waren, überlasse ich Ihnen in diesem Fall großzügig die Entscheidung. Tun Sie doch, was Sie wollen“, fügte er schroff hinzu.

Scaleby, ohnehin bis zum Hals mit Galle geladen, wollte erst eine geharnischte Antwort geben, aber dann zuckte er nur mit den Schultern und fuhr vorsichtig mit der Zunge über einen Zahn, der nur noch als eine scharfe Splitterruine in seinem Mund stand. Sobald er ihn berührte, zuckte er schmerzhaft zusammen. Das hatte er auch den Kerlen zu verdanken, die ihn so heimtückisch überfallen hatten.

„Ich habe es nicht immer so gemeint“, sagte er schließlich. „Jedenfalls müssen wir Offiziere gegen das Schiffspack zusammenhalten. Wir haben keinen einzigen loyalen Mann mehr.“

„Wem sagen Sie das, Durchlaucht? Die einzigen, auf die man sich verlassen konnte, waren die fünf requirierten Kerle von der Piraten-Schebecke. Aber die haben sich ja auch abgesetzt.“

„Bastarde waren das, Piratengesindel, die an unserer ganzen Misere schuld sind. Saboteure und Strolche der Meere, Deserteure, die den ehrenvollen Kriegsdienst auf einem Schiff Ihrer Majestät der Piraterie vorgezogen haben.“

„So kann man das auch sehen“, erwiderte Sir Thomas und grinste bei den Worten ein bißchen. „Aber nun schlagen Sie doch auch mal was vor, Durchlaucht. Ich bin sicher, daß Sie vor guten Einfällen nur so strotzen.“

„Zuerst müssen wir dafür sorgen, daß die Jolle an die Kette gelegt und verschlossen wird. Wir haben nur noch die eine. Wir müssen verhindern, daß noch weitere Kerle desertieren.“

„Ich denke, Sie halten die Kerle für Meuchelmörder und Halsabschneider? Seien Sie doch froh, wenn sie verschwinden.“

„Und wer erledigt die anfallende Arbeit?“ fragte Scaleby empört. „Sollen wir etwa selbst Bäume fällen und Hütten bauen? Das ist ja geradezu grotesk. Ich bin gewohnt, Bedienstete um mich zu haben, und ich werde mich doch nicht dazu herablassen, gemeine Handarbeit zu verrichten. Sie würden das auch nicht tun, Sir.“

„Ich warte immer noch auf Ihre geistreichen Vorschläge“, knurrte der Kommandant. Sein Blick war nach wie vor auf das Wrack gerichtet, das so nah und doch so unerreichbar fern für sie war.

„Das Wrack muß vom Riff gebracht, repariert und wieder seetüchtig hergerichtet werden“, sagte Scaleby. „Das ist unsere vordringlichste Aufgabe.“

„Ich habe schon über bessere Witze nicht lachen können, Durchlaucht. Über diesen schon gar nicht. Wir haben alles versucht, doch ohne den geringsten Erfolg. Ich nahm an, Sie hätten vernünftigere Vorschläge zu unterbreiten.“

„Das ist ein absolut vernünftiger Vorschlag“, entgegnete der Lord gereizt. „Ich jedenfalls habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Wir müssen die Angelegenheit nur energischer anpacken.“

Sir Godfrey Ballantine stand unvermittelt bei ihnen, um sich an der Unterhaltung zu beteiligen. Er war ein junger, aufgeblasener Schnösel, der überall gern mitredete, sich sehr wichtig tat, aber nie etwas Konkretes zu bieten hatte, weil er nicht über die geringste Erfahrung im praktischen Leben verfügte.

„Jawohl, energisch!“ tönte er. „Sehr energisch. Ich denke da an eine geräumige Holzhütte mit einem weit ausladenden Freikamin. Das Glas für die Fenster besorgen wir vom Schiff. Ich dachte ferner daran, die Seesoldaten und das andere Pack als Diener anzustellen. Natürlich muß man ihnen vorher das entsprechende Benehmen beibringen. Damit steht das Gesindel dann automatisch nicht mehr im Dienst Ihrer Majestät und erhält auch dementsprechend keinen Sold.“

Sir Thomas drehte sich langsam zu ihm um und musterte den eifrigen Earl, der ihn jetzt verwirrt anblickte.

„Wovon faseln Sie eigentlich, wenn ich fragen darf?“

„Von einem herrschaftlichen, uns gemäßen Sitz auf Elisabeth Castle natürlich“, erwiderte der Earl. „Schließlich muß man sich notgedrungen vorübergehend einrichten, bis ein anderes Schiff diese Insel anläuft und uns abholt.“

„Aha“, sagte Sir Thomas gallig. „Sie scheinen ein sehr gläubiger Mensch zu sein, mein lieber Sir Godfrey. Ich für meine Person glaube nicht daran, daß uns hier ein Schiff abholt. Wie sollte es auch?“

„Die Admiralität wird uns vermissen, Sir. Und man wird sicherlich eine Expedition ausrüsten, um uns zu retten. Daran glaube ich fest.“

„Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat!“ tönte Sir James gesalbt, der sich den Männern ebenfalls genähert hatte.

Sir Thomas seufzte entsagungsvoll. Diese Kerle hatten nichts als Stroh in ihren Köpfen. Der eine wollte einen herrschaftlichen Sitz auf der Insel haben, mit Dienern natürlich, und der andere wartete mit Vorschlägen auf, die nicht in die Tat umzusetzen waren. Und das alles salbte der feiste Overlord mit seinen Bibelsprüchen, von denen er sich die meisten aus Unkenntnis aus den Fingern sog.

„Ich denke nicht daran, den Rest meines Lebens auf diesem dreckigen Eiland zu verbringen“, empörte sich Scaleby. „Wenn sich Sir Godfrey hier häuslich niederlassen will, mit Dienerschaft und eingebildetem Luxus, dann mag er das tun. Er wird sicher ein paar Jahrzehnte warten müssen, bis sich ein Schiff in diese Ecke verirrt.“

Der schnöselige Earl sah empört drein. „Ich will hier auch nicht verkommen, aber wir können im Augenblick nichts tun als abzuwarten. Der Herr wird sicher mit uns ein Einsehen haben, wie Sir James schon sehr richtig bemerkte. In dieser Zeit sollten wir uns ruhig etwas verwöhnen lassen. Ich denke da an ausgedehnte Jagdausflüge und was der Dinge mehr sind.“

Anscheinend kapierte der Earl immer noch nicht, wo sie gelandet waren. Von ausgedehnten Jagdausflügen konnte auf diesem kleinen Eiland nun wahrhaftig nicht die Rede sein, und so beschied ihm Sir Thomas höhnisch, er könne ja Ratten jagen, von denen es auf der Insel demnächst mehr als genug geben werde.

Das Bürschchen mit der weißgrauen Perücke zog angewidert die Nase hoch. Was er auf der Insel jagen wollte, waren bestenfalls ein paar Schweine und Ziegen. Aber sie hatten jetzt wirklich anderes zu tun, als sich mit seinen Allüren zu befassen.

John Macleod war auch dafür, noch einmal alles zu versuchen, um die Galeone wieder flottzukriegen.

„Es ist aussichtslos!“ schrie Sir Thomas. „Das Schiff sitzt unverrückbar fest auf den Korallen. Begreifen Sie das endlich. Ich habe mich bereits ein paarmal davon überzeugt.“

„Dann bleibt uns nur die Jolle“, sagte Scaleby düster. „Wir könnten Proviant und andere nützliche Dinge von der Galeone abbergen. Mit der Jolle segeln wir nach Westen, bis wir auf Land stoßen.“

„Da werden Sie aber viel Geduld brauchen, bis Sie Land sehen“, sagte der Kommandant. „Wenn schon, dann müssen wir nach Osten segeln, denn da liegt der indische Kontinent. Seit wir keinen Navigator mehr haben, wird selbst das sehr schwierig, wenn die Offiziere schon Westen und Osten verwechseln.“

Scaleby lief rot an und war sehr verlegen.

„Ähem – das meinte ich ja auch“, sagte er schnell. „Dieser Navigator war sowieso ein unfähiger Tölpel. Er hat es nicht mal geschafft, uns vom Riff fernzuhalten. Nur gut, daß wir auch ihn zum Tode verurteilt haben, diesen nichtsnutzigen Deserteur.“

Webster, wie der Navigator hieß, war in Wirklichkeit ein hervorragender Mann gewesen, das konnte selbst Sir Thomas nicht ableugnen. Aber der Lord setzte grundsätzlich jede andere Leistung herab, obwohl er von Navigation so gut wie nichts verstand. Er bildete sich ein, dadurch seine eigene Unfähigkeit vertuschen zu können.

Nach langem Überlegen stimmte Sir Thomas schließlich widerwillig zu. Sie würden zur Galeone hinausfahren und sich noch mal genau informieren, wie weit sie auf den Korallen saß. Außerdem mußte natürlich alles abgeborgen werden, was noch brauchbar war, wenn sich die Hoffnung als trügerisch erwies.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.