Kitabı oku: «Peter Simpel», sayfa 6

Yazı tipi:

Zehntes Kapitel.

Ein Preßgang, von einem Weibe zurückgeschlagen. – Gefahren eines Bratspießes. – Ein Schmaus für beide Parteien von gerupften Hühnchen, auf meine Kosten. – Auch Genever für Zwanzig. – Ich werde zum Gefangenen gemacht, entwische und erreiche mein Schiff wieder.

—————

Ich muß nun berichten, was mir einige Tage bevor das Schiff absegelte, begegnete, und was zugleich den Beweis liefern soll, daß es nicht gerade nötig ist, Wind und Wetter oder feindliche Kanonen gegen sich zu haben, um in Gefahr zu sein, wenn man einmal in Seiner Majestät Dienste getreten ist; im Gegenteil, ich bin seitdem im Treffen gewesen, und erkläre ohne Bedenken, daß ich mich bei dieser Angelegenheit nicht so sehr beunruhigt fühlte, als bei dem Vorfalle, welchen ich nun erzählen will. Wir wurden segelfertig gemeldet, und der Admiralität lag sehr daran, daß wir abfahren sollten. Das einzige Hindernis unseres Absegelns bestand darin, daß unsere Mannschaft noch nicht vollständig war. Der Kapitän wandte sich an den Hafenadmiral und erhielt die Erlaubnis, Abteilungen ans Land zu schicken, um Matrosen zu pressen. Der zweite und dritte Leutnant und die ältesten Seekadetten wurden jede Nacht mit einigen der zuverlässigsten Leute ans Land beordert, und brachten in der Regel am Morgen ungefähr ein halb Dutzend Leute mit, welche sie in den diversen Bierhäusern und Grogläden, wie der Matrose sie nennt, aufgefangen hatten. Einige derselben wurden zurückbehalten, doch die meisten als dienstuntauglich wieder ans Land gesetzt; es ist nämlich gebräuchlich, wenn ein Mann freiwillig eintritt, oder gepreßt wird, ihn zum Chirurgen in das Cockpit zu schicken, wo er ausgezogen und am ganzen Leibe untersucht wird, um zu sehen, ob er gesund und für Sr. Majestät Dienst fähig ist; wo nicht, so schickt man ihn wieder ans Land. Das Pressen schien mir ein ziemlich ernsthaftes Geschäft, so viel ich aus den Erzählungen schließen konnte, welche ich hörte, und aus der Art, wie unsere Matrosen, welche man zu diesem Dienste verwendete, gewöhnlich geschlagen und verwundet wurden. Die Leute, welche gepreßt wurden, schienen ebenso hartnäckig zu kämpfen, um nicht zum Dienste gezwungen zu werden, als sie es für die Ehre des Landes thaten, wenn sie einmal eingeschifft waren. Ich hatte große Lust, mit von der Partie zu sein, ehe das Schiff absegelte, und bat O'Brien, der überhaupt sehr freundlich gegen mich war und niemand als sich selbst erlaubte, mich zu walken, ob er mich nicht mitnehmen wolle, was er auch in der darauf folgenden Nacht that. Ich schnallte meinen Degen um, sowohl um als Offizier kenntlich zu sein, als zu meinem Schutze. Als die Dämmerung eintrat, fuhren wir an die Küste und landeten bei Gosport. Die Matrosen waren alle mit scharfen Messern bewaffnet und trugen erbsengrüne Jacken, sehr kurze Kittel von sogenanntem Flushing. Wir hielten uns an den Grogläden der Stadt nicht auf, da es noch zu früh war, sondern wandelten ungefähr drei Meilen in den Vorstädten herum, bis wir zu einem Hause kamen, dessen Thür verschlossen war. Allein wir brachen augenblicklich mit Gewalt hinein und beeilten uns, den Durchgang zu besetzen, wo die Hausfrau bereit stand, uns den Eintritt zu wehren. Der Durchgang war lang und schmal, sie aber ein sehr großes korpulentes Weib, so daß ihr Leib denselben fast ausfüllte. In der Hand hielt sie einen langen Bratspieß auf uns gerichtet, mit welchem sie uns im Schach hielt. Die Offiziere, welche die Vordersten waren, wollten ein Weib nicht angreifen; sie dagegen machte mit ihrem Bratspieße solche Ausfälle, daß einige derselben bald zum Rostbraten fertig gewesen wären, wenn sie sich nicht zurückgezogen hätten. Die Matrosen, welche draußen standen, lachten, und überließen es den Offizieren, die Sache abzumachen, wie sie konnten. Endlich rief die Wirtin ihrem Manne zu:

»Sind sie alle fort, Jem?«

»Ja«, versetzte dieser, »alle in Sicherheit.«

»Nun dann«, gab sie zur Antwort, »will ich bald mit diesen fertig sein.« Und mit diesen Worten machte sie einen solchen Ausfall auf uns mit ihrem Bratspieße, daß, wären wir nicht zurückgewichen und übereinander gepurzelt, sie sicherlich den zweiten Leutnant durchgerannt hätte, welcher die Abteilung kommandierte. Der Gang war im Augenblicke gesäubert. Sobald wir alle auf der Straße waren, schloß sie uns hinaus; so waren wir, drei Offiziere und fünfzehn bewaffnete Leute von einem alten Drachen gänzlich geschlagen; die Matrosen, welche in dem Hause getrunken hatten, waren unterdessen anderswohin entronnen. Allein ich sehe nicht ein, wie es anders kommen konnte; entweder hätten wir das Weib töten oder verwunden müssen, oder sie hätte uns durchbohrt, so entschlossen war sie. Wäre ihr Mann in dem Gange gewesen, mit dem hätte man kurzen Prozeß gemacht; allein was kann man mit einem Weibe anfangen, welches um sich schlägt wie der Teufel, zugleich aber doch die Rechte und Privilegien des zarten Geschlechtes in Anspruch nimmt? Wir gingen alle sehr verdrießlich hinweg, und O'Brien bemerkte, wenn er das nächste Mal wieder an diesem Hause anklopfe, so wolle er die alte Katze umsegeln, denn er werde dann ihre Ladyschaft von hinten angreifen.

Wir besuchten hierauf andere Häuser, wo wir ein paar Leute aufgriffen, aber die meisten entkamen durch die Fenster und Hinterthüren, wenn wir vorne hereintraten. Es war noch ein Grogladen da, das beliebteste Stelldichein der Matrosen auf den Kauffahrteischiffen, wohin sie sich gewöhnlich zurückzogen, wenn sie hörten, daß die Preßgänge los wären. Unsere Offiziere wußten dies wohl, und machten sich deshalb nicht viel aus dem Entwischen der Leute, indem sie voraussahen, sie würden alle nach jenem Platze eilen und sich im Vertrauen auf ihre Zahl mit uns schlagen. Um ein Uhr glaubte man, es sei Zeit, dahin zu gehen; wir marschierten ohne Geräusch vorwärts, allein sie hatten Leute auf der Lauer, und so wie wir um die Ecke des Gäßchens bogen, wurde Lärm gemacht. Ich fürchtete, sie möchten davonlaufen, und wir würden sie verlieren, allein sie hatten sich im Gegenteil in dieser Nacht sehr stark versammelt und waren entschlossen, ein Treffen zu liefern. Die Männer blieben in dem Hause zurück, aber eine Avantgarde von ungefähr dreißig ihrer Weiber empfing uns mit einem Hagel von Steinen und Kot. Einige von unseren Matrosen wurden verwundet, aber sie schienen von dem, was die Weiber thaten, keine Notiz zu nehmen. Sie drangen vor und wurden dann von den Weibern mit Fäusten und Nägeln empfangen. Dessenungeachtet lachten die Matrosen nur dazu und trieben die Weiber mit den Worten auf die Seite: »sei ruhig; Polly; nicht närrisch, Molly; aus dem Wege, Sukey, wir wollen Dir Deinen Liebsten nicht nehmen«, obschon das Blut von ihren zerkratzten Gesichtern herablief. So versuchten wir, uns mit Gewalt einen Weg durch sie zu bahnen, aber ich kam bei dieser Gelegenheit mit genauer Not davon. Ein Weib ergriff mich beim Arme und zog mich gegen sich hin; wäre mein Quartiermeister nicht gewesen, so wäre ich von meiner Partie getrennt worden; allein gerade, als sie mich wegrissen, hielt er mich am Beine fest und hinderte sie. Pack ihn, Grete, rief das Weib einer anderen zu, wir wollen dieses kleine Seekadettchen nehmen, ich brauche ein solches Püppchen für eine Säugamme. Es kamen ihr noch zwei Weiber zu Hilfe, welche mich am anderen Arme festhielten, und sie würden mich der Hand des Quartiermeisters entrissen haben, hätte er nicht seinerseits auch um Hilfe gerufen, worauf zwei Matrosen mein anderes Bein ergriffen. Das war ein Zerren, Stoßen und Ziehen, alles auf meine Kosten; bisweilen gewannen die Weiber ein paar Zoll, dann wieder die Matrosen. Einmal glaubte ich, es sei alles mit mir vorbei, und im nächsten Augenblicke befand ich mich mitten unter meinen eigenen Leuten. »Zieh den Teufel, reck' den Bäcker!« schrie das Weib, und dann brachen sie in ein Gelächter aus, in welches ich, wie ich versichern kann, keineswegs einstimmte; denn ich glaube wirklich, ich sei um einen Zoll größer gezogen und meine Kniee und Schultern schmerzten mich entsetzlich. Zuletzt lachten die Weiber so sehr, daß sie mich nicht mehr festhalten konnten. Dadurch kam ich in die Mitte unserer eigenen Matrosen, wo zu bleiben ich mich sorgfältig bemühte. Nach einigem Quetschen und Schlagen wurde ich durch den Haufen in das Haus gedrängt; die Matrosen von den Kauffahrern hatten sich mit Knitteln und anderen Waffen versehen, und auf den Tischen Posto gefaßt. Es waren mehr als zwei gegen einen von uns, und es erhob sich ein furchtbarer Kampf, indem sie einen ganz verzweifelten Widerstand leisteten. Unsere Matrosen mußten ihre Schlitzmesser brauchen, und in einigen Minuten war ich durch das Schreien und Fluchen, Stoßen und Balgen, Ringen und Fechten ganz verwirrt; dabei erhob sich ein Staub, welcher mich nicht nur blendete, sondern beinahe erstickte. Während mir der Atem fast aus dem Leibe gepreßt wurde, gewannen unsere Matrosen die Oberhand. Kaum hatte die Wirtin und die übrigen Weiber dies bemerkt, so löschten sie alle Lichter aus, so daß ich nicht sagen konnte, wo ich war; unsere Matrosen aber hatten jeder seinen Mann gefaßt, und suchten sie aus der Thür hinaus zu ziehen, wo sie gesammelt und verwahrt wurden. Nun war ich wieder in großer Not; man hatte mich zu Boden geworfen und auf mich getreten. Als ich mich endlich wieder auf die Beine stellen konnte, wußte ich nicht, in welcher Richtung die Thür lag. Ich fühlte überall an der Wand herum und kam zuletzt an eine Thür (das Zimmer war nämlich damals fast leer, indem die Weiber den Männern aus dem Hause gefolgt waren). Ich öffnete sie, fand aber, daß es nicht die rechte war, sondern in ein kleines Nebenzimmer führte, wo ein Feuer brannte, aber kein Licht.

Ich hatte eben meinen Irrtum entdeckt und wollte mich zurückziehen, als ich von hinten hineingeschoben wurde und der Schlüssel sich drehte.

Hier war ich nun ganz allein, und ich muß gestehen, in großer Angst, da ich an die Rache dachte, welche die Weiber an mir nehmen würden. Ich glaubte, mein Tod sei gewiß und ich werde, wie ich einst von Orpheus in meinen Büchern gelesen, von diesen Bacchantinnen in Stücke zerrissen werden. Doch stellte ich mir wieder vor, daß ich ein Offizier in Seiner Majestät Diensten sei, und die Pflicht es mir gebiete, im Notfalle mein Leben für König und Vaterland zu opfern. Meine arme Mutter fiel mir ein; da mich jedoch dieser Gedanke trostlos machte, so suchte ich ihn zu vertreiben, und mir alles ins Gedächtnis zurückzurufen, was ich von der Tapferkeit und dem Mute verschiedener großer Männer gelesen hatte, wenn ihnen der Tod ins Angesicht blickte. Ich blinzelte durch das Schlüsselloch und bemerkte, daß die Lichter wieder angezündet und nur Weiber in dem Zimmer waren, welche alle zugleich sprachen und nicht an mich dachten. Allein ein paar Minuten darauf kam ein Weib von der Straße herein mit langen, schwarzen, über die Schulter herabhängenden Haaren und ihrer Haube in der Hand.

»Gut!« schrie sie, »sie haben mir meinen Mann weggeschnappt; aber ich will mich auffressen lassen, wenn ich nicht das Seekadettchen in diesem Zimmer eingeschachtelt habe, und er soll seinen Platz einnehmen.«

Ich glaubte, ich müsse sterben, als ich das Weib ins Auge faßte und sie nebst einigen anderen auf die Thür zukommen sah, um sie aufzuschließen. Als die Thür sich öffnete, zog ich meinen Degen, entschlossen, wie ein Offizier zu sterben. Während sie vorrückten, zog ich mich in einen Winkel zurück und schwang meinen Degen, ohne ein Wort zu sagen.

»Nun«, rief das Weib, welches mich zum Gefangenen gemacht hatte, »ich muß sagen, ich sehe gerne eine Pfütze im Sturme. Seht mir einmal den kleinen Zwiebackkauer an, wie er fechten will; komm, mein Schatz, Du gehörst mir.«

»Nie«, rief ich voll Unwillen aus, »zurück! oder ich werde etwas Mißliebiges thun (ich hielt dabei den Degen vorwärts gezückt), ich bin ein Offizier und Gentleman.«

»Sall!« schrie das häßliche Weib, »hol einen Lumpen und einen Eimer Spülwasser, ich will ihm den Degen aus der Faust drehen.«

»Nein, nein«, versetzte ein anderes, ziemlich gut aussehendes junges Weib, »laß ihn mir, thu ihm nichts zu leid; es ist wirklich ein hübsches Männchen. Wie heißt Du, mein Lieber?«

»Peter Simpel ist mein Name«, erwiderte ich, »ich bin königlicher Offizier, deshalb nehmt Euch in acht, was Ihr thut.«

»Fürchte Dich nicht, Peter, es soll Dir niemand etwas thun; aber Du mußt Deinen Degen nicht vor den Damen ziehen, das steht einem Offizier und Gentleman nicht an. Stecke Deinen Degen ein und sei ein guter Junge.«

»Ich will nicht«, war meine Antwort, »wenn Ihr mir nicht versprecht, daß ich unbelästigt fortgehen kann.«

»Ich verspreche es Dir, Du sollst es auf mein Wort, Peter; – auf meine Ehre, bist Du damit zufrieden?«

»Ja«, entgegnete ich, »wenn jede von Euch das Nämliche verspricht.«

»Auf unsere Ehre«, schrieen alle mit einander, worauf ich mich zufrieden gab, meinen Degen in die Scheide steckte und das Zimmer verlassen wollte.

»Halt, Peter«, sagte das junge Weib, welche meine Partei genommen hatte, »ich muß einen Kuß haben, bevor Du gehst!«

»Und ich, wir alle«, schrieen die Weiber.

Ich wurde sehr unwillig und versuchte meinen Degen wieder zu ziehen, aber sie hatten mich eingeschlossen und verhinderten mich daran.

»Denken Sie an Ihre Ehre«, rief ich dem jungen Weibe zu und sträubte mich.

»Meine Ehre, Gott behüte Dich, Peter, je weniger wir davon sprechen, desto besser.«

»Aber Ihr habt mir versprochen, daß ich im Frieden fortgehen darf«, sagte ich der Gesellschaft.

»Gut, Du sollst es, aber vergiß nicht, Peter, daß Du ein Offizier und Gentleman bist. – Du wirst gewiß nicht so schäbig sein und fortgehen, ohne uns zu traktieren. Was hast Geld in Deiner Tasche?«

Und ohne mir Zeit zur Antwort zu lassen, fühlte sie in meine Tasche, zog meine Börse heraus und öffnete sie.

»Ei, Peter«, sprach sie, »Du bist ja so reich wie ein Jude«, und zählte dreißig Schillinge auf den Tisch. »Nun was sollen wir davon haben?«

»Was Euch beliebt«, entgegnete ich, »vorausgesetzt, daß Ihr mich dann gehen laßt.«

»Gut denn, es soll zu einer Gallone Wachholder langen. Sall, rufe Madame Flanagan.«

»Madame Flanagan, eine Gallone Schnaps und frische Gläser!«

Madame Flanagan nahm den größten Teil meines Geldes und kehrte in einer Minute mit dem Schnaps und Weingläsern zurück.

»Nun, Peter, mein Schatz, wollen wir uns um den Tisch setzen und es uns recht schmecken lassen.«

»O nein!« erwiderte ich, »nehmt mein Geld, trinkt den Branntwein, nur laßt mich gehen.«

Allein sie wollten nicht auf mich hören. Ich mußte mich zu ihnen setzen; der Schnaps wurde eingeschenkt und sie zwangen mich, ein Glas zu trinken, was ich mit großem Widerwillen that. Es hatte jedoch eine gute Wirkung, denn es gab mir Mut und in ein paar Minuten fühlte ich mich so stark, als ob ich es mit allen aufnehmen könnte. Die Thür des Zimmers befand sich auf der Seite des Kamins, und ich sah den Schürhaken glühend heiß zwischen dem Roste stecken.

Ich klagte über Kälte, obgleich ich Fieberhitze hatte, und sie gestatteten mir, hinzugehen, um meine Hände zu wärmen. Sobald ich das Kamin erreicht hatte, riß ich den rotglühenden Schürhaken heraus, schwang ihn über meinem Kopfe und drang auf die Thür zu. Sie sprangen alle auf, um mich zu halten, allein ich versetzte der Vordersten einen Schlag, worauf sie mit einem Schrei zurückrannte (ich glaube, ich habe ihr die Nase verbrannt). Ich nahm die Gelegenheit wahr, entwischte auf die Straße und schwang den Schürhaken immer um den Kopf, während alle Weiber schreiend hinter mir drein kamen.

Ich hörte nicht eher auf zu rennen und meinen Schürhaken zu schwingen, bis ich von Schweiß dampfte und der Schürhaken ganz kalt war. Dann schaute ich zurück und fand mich allein.

Es war sehr finster, jedes Haus verschlossen und nirgends ein Licht zu sehen. An der Ecke hielt ich still und wußte nicht, wo ich war, oder was ich thun sollte. Ich fühlte mich in der That sehr unglücklich und überlegte, was wohl das Beste für mich sein möchte, als einer der Quartiermeister, welcher zufällig am Lande geblieben war, um die Ecke bog. Ich erkannte ihn an seiner erbsengrünen Jacke und dem Strohhute als einen der Unsrigen, und war sehr erfreut, ihn zu sehen. Als ich ihm erzählte, was vorgefallen war, versetzte er, er sei gerade im Begriff, in ein Haus zu gehen, wo die Leute ihn kannten und einlassen würden.

Als wir hier ankamen, waren die Leute des Hauses sehr höflich, die Wirtin machte uns auf Bestellung des Quartiermeisters Wermutbier, das mir sehr gut vorkam. Als wir den Krug geleert hatten, schliefen wir beide auf unsern Stühlen ein. Ich erwachte nicht früher, als bis ich nach sieben Uhr von dem Quartiermeister geweckt wurde; dann nahmen wir ein Boot und fuhren nach unserem Schiffe.



Elftes Kapitel.

O'Brien nimmt mich in seinen Schutz. – Die Schiffsmannschaft wird bezahlt, daher auch die Marktschiffweiber, die Juden und der Emancipationist nach der Mode. – Wir gehen zur See. – Doctor O'Briens Heilart der Seekrankheit. – Eine Pille von dem Doktor wirkt mehr als eine Dosis.

—————

Als wir ankamen, begab ich mich zum ersten Leutnant und erzählte ihm die ganze Geschichte, wie ich behandelt worden war, indem ich ihm den Schürhaken vorwies, welchen ich mit an Bord gebracht hatte. Er hörte mich ganz geduldig an und sagte dann:

»Gut, Herr Simpel, Sie mögen der größte Dummkopf Ihrer Familie sein; ich aber weiß das anders und ersuche Sie, nie sich bei mir als Dummkopf anstellen zu wollen. Dieser Schürhaken beweist das Gegenteil; wenn Ihr Witz Ihnen dienen kann, sich selbst aus Gefahren zu ziehen, so erwarte ich, Sie werden ihn auch zum Besten des Dienstes verwenden.«

Er schickte sodann nach O'Brien und gab ihm eine Lektion, weil er mich den Preßgang mitmachen ließ, wobei er besonders hervorhob (und da hatte er recht), daß ich von keinem Nutzen gewesen sei, und wie leicht ein ernsthafter Zufall hätte eintreffen können. Ich ging auf das Hauptverdeck, wo O'Brien zu mir kam.

»Peter,« sagte er, »ich bin ausgescholten worden, weil ich Dich gehen ließ, deshalb ist es auch billig, daß Du von mir gedroschen wirst, weil Du mich gebeten hast.«

Ich wünschte diesen Punkt zu widerlegen; er schnitt aber jedes Argument kurz ab, indem er mich die Luke hinunter stieß.

So endete mein eifriger Versuch, für Seiner Majestät Dienst Matrosen zu schaffen.

Endlich war die Fregatte vollständig bemannt, und als wir von andern Schiffen Abteilungen Matrosen erhalten hatten, wurde Befehl erteilt, uns auszuzahlen, bevor wir in See gingen. Die Leute am Lande finden immer aus, wenn ein Schiff ausbezahlt wird; daher waren wir schon in aller Frühe von Booten umringt, mit Juden und anderem Volke beladen, von denen einige Zutritt verlangten, um ihre Waren zu verkaufen, andere um für dasjenige Zahlung zu erhalten, was sie den Matrosen auf Kredit gegeben hatten. Allein der erste Leutnant gestattete keinem, an Bord zu kommen, bis das Schiff ausbezahlt war, obschon sie so stark drängten, daß er sich gezwungen sah, Schildwachen in den Bugen auszustellen, um die Boote abzutreiben, wenn sie herankamen. Ich stand gerade im Gange und betrachtete das Gedränge in den Booten, als ein schwarz aussehender Kerl in einem derselben zu mir sagte:

»Sir, lassen Sie mich durch die Geschützpforte hinein schlüpfen, ich werde Ihnen ein sehr hübsches Präsent machen«; hier ließ er mich ein goldenes Petschaft sehen.

Ich befahl sogleich der Schildwache, ihn fortzutreiben, denn ich war sehr beleidigt, daß er glaubte, ich könne bestochen werden, den Befehlen nicht zu gehorchen. Ungefähr um elf Uhr kamen auf dem Seemagazinboot der Buchhalter und der Kassier mit seiner Geldkiste an Bord, und wurden in die Vorkajütte gewiesen, wo sie der Kapitän am Zahltisch erwartete. Die Matrosen wurden einer nach dem andern herein gerufen, und weil der Betrag der Löhnung schon zum voraus berechnet war, so waren sie sehr schnell ausbezahlt. Sie faßten ihr Geld in den Hut, nachdem es in Gegenwart der Offiziere und des Kapitäns aufgezählt worden war. Außerhalb der Kajütte stand ein großer Mann in schwarzer Kleidung mit glattgekämmten Haare, welcher von dem Hafenadmiral die Erlaubnis erhalten hatte, an Bord zu kommen; dieser ging jeden Matrosen, wie er mit seinem Geld im Hute herauskam, um einen Beitrag zur Emancipation der westindischen Sklaven an, aber die Matrosen wollten ihm nichts geben, und schwuren, »die Neger wären besser daran als sie, denn sie hätten bei Tag nicht härter zu arbeiten, und bei Nacht nicht Wache um Wache zu halten.«

»Gedient ist überall gedient, mein alter Psalmsinger,« erwiderte einer. »Sie dienen ihren Herren, wie es ihre Schuldigkeit ist, wir dienen dem König, weil er ohne uns nichts kann, und er fragt uns nie um unsere Einwilligung, sondern greift selbst zu.«

»Ja,« versetzte der Gentleman mit den glattgekämmten Haaren, »aber Sklaverei ist etwas ganz anderes.«

»Kann nicht sagen, daß ich da einen Unterschied sehe. Du, Bill?«

»Ich auch nicht, und ich meine, wenn sie nicht gern da blieben, so liefen sie davon.«

»Davon? – die armen Geschöpfe,« sagte der schwarze Gentleman, »wenn sie dies thäten, so würden sie gegeißelt.«

»Gegeißelt? – gut, und wenn wir davon laufen, so werden wir gehängt, die Neger sind besser daran als wir, nicht wahr, Tom?«

Eben trat des Zahlmeisters Gehilfe heraus; er war so etwas von einem Advokaten, d. h. er hatte mehr Erziehung genossen, als es bei Seeleuten gewöhnlich der Fall ist.

»Ich hoffe, Sir,« sprach der Schwarze, »Sie werden etwas beisteuern.«

»Ich nicht, mein Schatz; ich bin jeden Pfennig meines Geldes schuldig und noch darüber, fürchte ich.«

»Nur eine Kleinigkeit, Sir.«

»Was, Du mußt ein höllischer Schurke sein, daß Du von einem Manne verlangen kannst, er solle weggeben, was nicht sein Eigentum ist. Sagte ich Dir nicht, ich sei alles schuldig? Es ist ein altes Sprichwort: zuerst gerecht, dann freigebig. Nun ist meine Ansicht, daß Du ein methodistischer nichtsnutziger Lumpenhund bist, und wenn je einer ein solcher Esel ist, Dir Geld zu geben, so wirst Du es für Dich selbst behalten.«

Als der Mann sah, daß er an der Thür nichts erhalten könne, so ging er auf das untere Verdeck hinunter, woran er aber nicht sehr klug that, denn da nun die Leute bezahlt waren, so wurde den Booten gestattet, an die Seite herbeizukommen, und so viel Branntwein eingeschmuggelt, daß die meisten Matrosen mehr oder weniger betrunken wurden. Als er zu den Soldaten hinunter kam, fing er an, Bilder auszuteilen, die einen Schwarzen in Ketten knieend darstellten, welcher sagte: »Bin ich nicht euer Bruder?« Einige der Matrosen lachten, und schwuren, sie wollten ihren Bruder an die Schiffswand ankleben, um für die Schiffsmannschaft zu beten; andere waren sehr ungehalten und schimpften auf ihn. Zuletzt kam ein Mann, welcher betrunken war, auf ihn zu.

»Willst Du wirklich behaupten, daß dieser heulende schwarze Dieb mein Bruder ist?«

»Allerdings,« versetzte der Methodist.

»Dann nimm dies für Deine höllische Lüge,« sagte der Matrose, indem er ihn rechts und links in das Gesicht schlug und ihn in den Kabelkasten hinab warf, von wo er herauf kletterte und sich so bald als möglich aus dem Staube machte.

Das Schiff befand sich nun in einem Zustande von Verwirrung und Aufruhr: da waren Juden, welche Kleider zu verkaufen oder für verkaufte Kleider Geld einzuziehen hatten; Männer und Frauen aus den Marktschiffen, die ihre langen Rechnungen vorwiesen und Zahlung forderten, oder durch Schmeichelei zu erhalten suchten; andere Leute vom Lande mit hunderterlei kleinen Forderungen, und die Matrosenweiber, welche sich enge an sie drängten und jede vorgewiesene Rechnung als eine Erpressung oder Räuberei bestritten. Das war ein Schreien und ein Drohen, Lachen und Weinen – denn die Weiber mußten alle vor Sonnenuntergang das Schiff verlassen. Bald wurde ein Jude umgeworfen und seine ganze Kiste mit Ware im Raume umher gezogen, bald jagte ein Matrose einem Juden nach, der ihn betrogen hatte. Alles zankte oder jauchzte; viele waren schwer betrunken. Es schien mir, daß die Matrosen einen schwierigen Punkt zu bestehen hatten; es waren dreierlei Gläubiger gegen sie, die Juden für Kleider, die Männer aus dem Marktschiffe für Zehrung im Hafen, und ihre Weiber wegen des Unterhalts in ihrer Abwesenheit. Das Geld, welches sie erhielten, reichte im allgemeinen nicht weiter, als eine dieser Forderungen zu berichtigen. Man darf annehmen, daß die Weiber den besten Teil davon bekamen; den andern wurde eine Kleinigkeit bezahlt und der Rest versprochen, wenn sie von ihrer Fahrt zurück kämen. Obgleich, wie die Sachen nun standen, es scheinen mochte, daß zwei von den Parteien schlecht behandelt wurden, so waren sie doch mehr als entschädigt, weil ihre Rechnungen so übertrieben waren, daß, wenn auch nur ein Drittel davon bezahlt wurde, ihnen noch ein Profit bleiben mußte. Ungefähr um fünf Uhr wurde Befehl gegeben, das Schiff zu säubern. Alle bestrittenen Punkte wurden von dem Marinesergeanten mit seinen Leuten beigelegt, welche ihre Gegner von den Juden trennten. Personen aller Art, welche nicht auf das Schiff gehörten, männliche oder weibliche, wurden entfernt. Man gab mit der Pfeife das Zeichen zum Niederlassen der Hängematten, schaffte die Betrunkenen ins Bett und das Schiff war auf einmal ruhig. Niemand wurde wegen Trunkenheit gestraft, weil der Zahltag an Bord eines Kriegsschiffes so angesehen wird, als sei mit ihm alles unordentliche Benehmen des Matrosen gleichsam ausgelöscht, und es beginne nun ein neues Blatt im Buche seines Lebens; denn obgleich einige Freiheit gestattet ist, und die Matrosen im Hafen selten gepeitscht werden, so wird doch in dem Augenblicke, wo der Anker an den Bugen ist, strenge Mannszucht gehandhabt, und Betrunkenheit darf nicht länger auf Vergebung hoffen.

Den andern Tag war alles bereit, in See zu stechen, den Offizieren wurde kein Urlaub mehr bewilligt, Vorrat jeder Art an Bord gebracht, die großen Boote aufgewunden und befestigt. Am übernächsten Morgen bei Tagesanbruch gab man uns vom Flaggenschiff im Hafen das Signal zum Ankerlichten; wir hatten Befehl erhalten, in der Bucht von Biscaya zu kreuzen. Der Kapitän kam an Bord, die Leiter wurde heraufgezogen, und wir fuhren mit herrlichem Nordostwinde durch die Nadeln. Ich bewunderte die Ansicht der Insel Wight, erblickte mit Bewunderung die Alum-Bay, erstaunte über die Nadelfelsen und fühlte mich dann so unwohl, daß ich hinabgehen mußte. Was in den nächsten sechs Tagen vorkam, kann ich nicht sagen. Ich dachte, ich müsse jeden Augenblick sterben, lag die ganze Zeit über in meiner Hängematte oder auf den Kisten, und konnte weder essen, trinken, noch umhergehen. O'Brien kam am siebenten Morgen zu mir und sagte, es werde nie wieder gut mit mir werden, wenn ich mich nicht selbst anstrenge; er habe mich gerne und deshalb unter seinen Schutz genommen, und um seine Anhänglichkeit an mich zu beweisen, wolle er für mich thun, was er für einen andern zu thun sich nie die Mühe gegeben hätte, nämlich mir eine gute Tracht Schläge geben; dies sei ein Hauptmittel gegen die Seekrankheit. Die That folgte dem Worte, er gab mir ohne Gnade Rippenstöße und nahm dann das Ende eines Strickes und zerdrasch mich, bis ich seinem Befehle gehorchte und sogleich auf das Verdeck ging. Bevor er zu mir kam, hätte ich es nie für möglich gehalten, ihm zu gehorchen; ich versuchte es, auf die eine oder die andere Art die Leiter zum Hauptverdecke hinauf zu kriechen, wo ich mich auf die Kugelrecken niedersetzte und bitterlich weinte. Was hätte ich gegeben, wenn ich wieder zu Hause gewesen wäre! Es war nicht meine Schuld, daß ich der größte Dummkopf der Familie war, und doch, wie wurde ich dafür bestraft! Wenn dies von O'Brien Freundlichkeit war, was hatte ich von denen zu erwarten, welche nicht an mir teilnahmen? Allein nach und nach kam ich wieder zu mir selbst, fühlte mich in der That bedeutend besser und schlief diese Nacht sehr gesund. Den andern Morgen kam O'Brien wieder zu mir.

»Es ist ein garstiges schleichendes Fieber, diese Seekrankheit, mein Peter, und wir müssen es austreiben,« und nun begann er eine Wiederholung des gestrigen Heilverfahrens, bis ich fast lederweich war. Ob die Furcht, geschlagen zu werden, meine Seekrankheit vertrieb, oder was immer die wirkliche Ursache davon gewesen sein mag – so viel ist gewiß, ich fühlte nach dieser zweiten Tracht Prügel nichts mehr, und als ich den andern Morgen erwachte, war ich sehr hungrig. Ich eilte, mich anzukleiden, bevor O'Brien käme, und ich sah ihn nicht bis zum Frühstücke.

»Peter,« sagte er, »laß mich Deinen Puls fühlen.«

»O nein,« versetzte ich, »ich bin wirklich ganz wohl.«

»Ganz wohl? Kannst Du Zwieback und gesalzne Butter essen?«

»Ja, ich kann.«

»Und ein Stück fetten Speck?«

»Auch das kann ich.«

»Dank' mir's Peter,« erwiderte er, »Du wirst nun von meiner Medizin nichts mehr bekommen, bis Du wieder krank bist.«

»Ich hoffe nicht,« gab ich zur Antwort, »denn sie war nicht sehr angenehm.

»Angenehm, Du dummer Simpel, wann hast Du je von einer angenehmen Arznei gehört, außer man verschriebe sie sich selbst? Ich glaube, Du würdest Zuckerkandis gegen das gelbe Fieber nehmen. Lebe und lerne, Junge, und danke dem Himmel, daß Du jemand gefunden hast, der Dich hinlänglich liebt, um Dich zu prügeln, wenn es für Deine Gesundheit gut ist.«

Ich erwiderte, daß ich zuversichtlich hoffe, so sehr ich mich auch ihm verpflichtet fühle, keine Beweise seiner Anhänglichkeit mehr nötig zu haben.

»Keine so schlagenden Beweise, meinst Du, Peter? aber laß mich Dir sagen, es waren aufrichtige Beweise; denn seitdem Du krank gewesen bist, habe ich Dein Schweinefleisch gegessen und Deinen Grog getrunken, welch letzterer in der Bai von Biscaya nicht zu reichlich gegeben werden kann. Da ich Dich nun kuriert habe, wirst Du alles dies in Deinen eigenen kleinen Brotkorb hinein stecken, so daß ich keinen Vorteil dabei habe; daher denke ich, Du werdest überzeugt sein, daß Du Deiner Lebtage nie zwei uneigennützigere Trachten Schläge bekommen hast. Doch sprechen wir nicht mehr davon, und sei mir willkommen.«