Kitabı oku: «Friedrich Glauser – Wachtmeister Studer»

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Friedrich Glauser

Wachtmeister Studer

Sammlung

Friedrich Glauser

Wachtmeister Studer

Sammlung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2020

1. Auflage, ISBN 978-3-962816-31-5

null-papier.de/657


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Inhaltsverzeichnis

Wacht­meis­ter Stu­der

Die Fie­ber­kur­ve

Mat­to re­giert

Der Chi­ne­se

Krock & Co

Li­te­ra­tur­ver­zeich­nis

In­dex

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

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Wachtmeister Studer

Autor

Fried­rich Charles Glau­ser (✳ 4. Fe­bru­ar 1896 in Wien; † 8. De­zem­ber 1938 in Ner­vi bei Ge­nua) war ein Schwei­zer Schrift­stel­ler. Er gilt als ei­ner der ers­ten deutsch­spra­chi­gen Kri­mi­au­to­ren.

Schrift­stel­ler zu sein, hieß für Fried­rich Glau­ser zu­nächst, Ge­dich­te zu schrei­ben. In der ly­ri­schen Form glaub­te er, sein in­ne­res Er­le­ben aus­drücken zu kön­nen. Vor­bil­der wa­ren für ihn Sté­pha­ne Mall­ar­mé und Ge­org Trakl; der Ton ent­spricht dem ex­pres­sio­nis­ti­schen Te­nor der Zeit am Ende des Ers­ten Welt­krie­ges. Doch kei­ner die­ser Tex­te wur­de ge­druckt. Für die Samm­lung sei­ner Ge­dich­te, die Glau­ser 1920 zu­sam­men­stell­te, fand sich kein Ver­le­ger. Sei­ne Ge­dich­te wur­den da­her erst post­hum ver­öf­fent­licht.

In den letz­ten drei Le­bens­jah­ren schrieb Glau­ser fünf Kri­mi­nal­ro­ma­ne, in de­ren Mit­tel­punkt Wacht­meis­ter Stu­der steht, ein ei­gen­sin­ni­ger Kri­mi­nal­po­li­zist mit Ver­ständ­nis für die Ge­fal­le­nen der Ge­sell­schaft.

Der Kri­mi­nal­ro­man »Mat­to re­giert« spielt in ei­ner psych­ia­tri­schen Kli­nik und man merkt ihm ge­nau­so wie den an­de­ren Ro­ma­nen an, dass der Au­tor ei­ge­ne Er­leb­nis­se ver­ar­bei­tet hat. Mit ein­dring­li­chen Mi­lieu­stu­di­en und pa­cken­den Schil­de­run­gen der so­zi­al­po­li­ti­schen Si­tua­ti­on ge­lingt es ihm, den Le­ser in sei­nen Bann zu schla­gen.

Glau­ser ist nach der Auf­fas­sung von Er­hard Jöst »ei­ner der wich­tigs­ten Weg­be­rei­ter des mo­der­nen Kri­mi­nal­ro­mans«. Sei­ne Ro­ma­ne und drei wei­te­re Bän­de mit Pro­sa­tex­ten wur­den zwi­schen 1936 und 1945 ver­öf­fent­licht.

Glau­sers Nach­lass be­fin­det sich im Schwei­ze­ri­schen Li­te­ra­tu­rar­chiv in Bern.

Bei ei­ner Umfrage im Jahr 1990 un­ter 37 Kri­mi­fach­leu­ten nach dem »bes­ten Kri­mi­nal­ro­man al­ler Zei­ten« lan­de­te Wacht­meis­ter Stu­der als bes­ter deutsch­spra­chi­ger Kri­mi auf Platz 4.

Einer will nicht mehr mitmachen

Der Ge­fan­ge­nen­wär­ter mit dem drei­fa­chen Kinn und der ro­ten Nase brumm­te et­was von »ewi­gem G’­stürm«, – weil ihn Stu­der vom Mit­ta­ges­sen weg­hol­te. Aber Stu­der war im­mer­hin ein Fahn­der­wacht­meis­ter von der Ber­ner Kan­tons­po­li­zei, und so konn­te man ihn nicht ohne wei­te­res zum Teu­fel ja­gen.

Der Wär­ter Liech­ti stand also auf, füll­te sein Was­ser­glas mit Rot­wein, leer­te es auf einen Zug, nahm einen Schlüs­sel­bund und kam mit zum Häft­ling Schlumpf, den der Wacht­meis­ter vor knapp ei­ner Stun­de ein­ge­lie­fert hat­te.

Gän­ge… Dunkle lan­ge Gän­ge… Die Mau­ern wa­ren dick. Das Schloss Thun schi­en für Ewig­kei­ten ge­baut. Über­all hock­te noch die Käl­te des Win­ters.

Es war schwer, sich vor­zu­stel­len, dass drau­ßen ein war­mer Mai­en­tag über dem See lag, dass in der Son­ne Leu­te spa­zie­ren gin­gen, un­be­schwert, dass an­de­re in Boo­ten auf dem Was­ser schau­kel­ten und sich die Haut braun bren­nen lie­ßen.

Die Zel­len­tü­re ging auf. Stu­der blieb einen Au­gen­blick auf der Schwel­le ste­hen. Zwei waag­rech­te, zwei senk­rech­te Ei­sen­stan­gen durch­kreuz­ten das Fens­ter, das hoch oben lag. Der Dach­first ei­nes Hau­ses war zu se­hen – mit al­ten, schwar­zen Zie­geln – und über ihm weh­te als blen­dend blau­es Tuch der Him­mel. Aber an der un­te­ren Ei­sen­stan­ge hing ei­ner! Der Le­der­gür­tel war fest ver­knüpft und bil­de­te einen Kno­ten. Dun­kel hob sich ein schie­fer Kör­per von der weiß­ge­kalk­ten Wand ab. Die Füße ruh­ten merk­wür­dig ver­dreht auf dem Bett. Und im Na­cken des Er­häng­ten glänz­te die Gür­tel­schnal­le, weil ein Son­nen­strahl sie von oben traf.

»Herr­gott!« sag­te Stu­der, schoss vor, sprang aufs Bett – und der Wär­ter Liech­ti wun­der­te sich über die Be­weg­lich­keit des äl­te­ren Man­nes – pack­te den Kör­per mit dem rech­ten Arm, wäh­rend die lin­ke Hand den Kno­ten auf­knüpf­te.

Stu­der fluch­te, weil er sich einen Na­gel ab­ge­bro­chen hat­te. Dann stieg er vom Bett und leg­te den leb­lo­sen Kör­per sanft nie­der.

»Wenn Ihr nicht so ver­dammt rück­stän­dig wä­ret«, sag­te Stu­der, »und we­nigs­tens Draht­git­ter vor den Fens­tern an­brin­gen wür­det, dann könn­ten sol­che Sa­chen nicht pas­sie­ren. – So! Aber jetzt spring, Liech­ti, und hol den Dok­tor!«

»Ja, ja!« sag­te der Wär­ter ängst­lich und hum­pel­te da­von.

Zu­erst mach­te der Fahn­der­wacht­meis­ter künst­li­che At­mung. Es war wie ein Re­flex. Et­was, das aus der Zeit stamm­te, da er einen Sa­ma­ri­ter­kurs mit­ge­macht hat­te. Und erst nach fünf Mi­nu­ten fiel es Stu­der ein, das Ohr auf die Brust des Lie­gen­den zu le­gen und zu lau­schen, ob das Herz noch schla­ge. Ja, es schlug noch. Lang­sam. Es klang wie das Ti­cken ei­ner Uhr, die man ver­ges­sen hat auf­zu­zie­hen; Stu­der pump­te wei­ter mit den Ar­men des Lie­gen­den. Un­ter dem Kinn durch, von ei­nem Ohr zum an­de­ren, lief ein ro­ter Strei­fen.

»Aber Schlumpf­li!« sag­te Stu­der lei­se. Er nahm sein Nas­tuch aus der Ta­sche, wisch­te sich zu­erst selbst die Stir­ne ab, dann fuhr er mit dem Tuch über das Ge­sicht des Bur­schen. Ein Bu­ben­ge­sicht: jung, zwei di­cke Fal­ten über der Na­sen­wur­zel. Trot­zig. Und sehr bleich.

Das war also der Schlumpf Er­win, den man heut mor­gen in ei­nem Kra­chen des Obe­raar­g­aus ver­haf­tet hat­te. Schlumpf Er­win, an­ge­klagt des Mor­des an Wit­schi Wen­de­lin, Kauf­mann und Rei­sen­der in Ger­zen­stein.

Zu­fall, dass man zur rech­ten Zeit ge­kom­men war! Vor ei­ner Stun­de etwa hat­te man den Schlumpf ord­nungs­ge­mäß im Ge­fäng­nis ein­ge­lie­fert, der Wär­ter mit dem drei­fa­chen Kinn hat­te un­ter­schrie­ben – man konn­te ge­trost den Zug nach Bern neh­men und die gan­ze Sa­che ver­ges­sen. Es war nicht die ers­te Ver­haf­tung, die man vor­ge­nom­men hat­te, es wür­de auch nicht die letz­te sein. Wa­rum hat­te man das Be­dürf­nis ver­spürt den Schlumpf Er­win noch ein­mal zu be­su­chen?

Zu­fall?

Vi­el­leicht… Was ist schon Zu­fall?… Es war nicht zu leug­nen, dass man dem Schick­sal des Schlumpf Er­win teil­nahms­voll ge­gen­über­stand. Rich­ti­ger ge­sagt, dass man den Schlumpf Er­win lieb­ge­won­nen hat­te… Wa­rum?… Stu­der in der Zel­le strich sich ein paar Male mit der fla­chen Hand über den Na­cken. Wa­rum? Weil man kei­nen Sohn ge­habt hat­te? Weil der Ver­haf­te­te auf der gan­zen Rei­se sei­ne Un­schuld be­teu­ert hat­te? Nein. Un­schul­dig sind sie alle. Aber die Be­teue­run­gen des Schlumpf Er­win hat­ten ehr­lich ge­klun­gen. Ob­wohl…

Ob­wohl der Fall ei­gent­lich ganz klar lag. Den Kauf­mann und Rei­sen­den Wen­de­lin Wit­schi hat­te man am Mitt­woch­mor­gen mit ei­nem Ein­schuss hin­ter dem rech­ten Ohr, auf dem Bau­che lie­gend, in ei­nem Wal­de in der Nähe von Ger­zen­stein auf­ge­fun­den. Die Ta­schen der Lei­che wa­ren leer… Die Frau des Er­mor­de­ten hat­te be­haup­tet, ihr Mann habe drei­hun­dert Fran­ken bei sich ge­tra­gen.

Und am Mitt­wo­cha­bend hat­te Schlumpf im Gast­hof zum ›Bä­ren‹ eine Hun­der­ter­no­te ge­wech­sel­t… Am Don­ners­tag­mor­gen woll­te ihn der Land­jä­ger ver­haf­ten, aber Schlumpf war ge­flo­hen.

So war es eben ge­kom­men, dass der Po­li­zei­haupt­mann am Don­ners­tag­abend den Wacht­meis­ter Stu­der in sei­nem Büro auf­ge­sucht hat­te:

»Stu­der, du musst an die fri­sche Luft. Mor­gen früh gehst du den Schlumpf Er­win ver­haf­ten. Es wird dir gut tun. Du wirst zu dick…«

Es stimm­te, lei­der… Ge­wiss, sonst schick­te man zu sol­chen Ver­haf­tun­gen Ge­frei­te. Es hat­te den Fahn­der­wacht­meis­ter ge­trof­fen… Auch Zu­fall?… Schick­sal?… Ge­nug, man war an den Schlumpf ge­ra­ten, und man hat­te ihn lieb­ge­won­nen. Eine Tat­sa­che! Mit Tat­sa­chen, auch wenn sie nur Ge­füh­le be­tref­fen, muss man sich ab­fin­den. Der Schlumpf! Si­cher­lich kein wert­vol­ler Mensch! Man kann­te ihn auf der Kan­tons­po­li­zei. Ein Une­he­li­cher. Die Be­hör­de hat­te sich fast stän­dig mit ihm be­schäf­ti­gen müs­sen. Si­cher wo­gen die Ak­ten auf der Ar­men­di­rek­ti­on min­des­tens an­dert­halb Kilo. Le­bens­lauf? Ver­ding­bub bei ei­nem Bau­ern. Dieb­stäh­le. – Vi­el­leicht hat er Hun­ger ge­habt? Wer kann das hin­ter­drein noch fest­stel­len? – Dann ging es, wie es in sol­chen Fäl­len im­mer geht. Er­zie­hungs­an­stalt Tes­sen­berg. Aus­bruch. Dieb­stahl. Wie­der ge­fasst. Ge­prü­gelt. End­lich ent­las­sen. Ein­bruch. Witz­wil. Ent­las­sen. Ein­bruch. Thor­berg drei Jah­re. Ent­las­sen. Und dann hat­te es Ruhe ge­ge­ben – zwei vol­le Jah­re. Der Schlumpf hat­te in der Baum­schu­le El­len­ber­ger in Ger­zen­stein ge­ar­bei­tet. Sech­zig Rap­pen Stun­den­lohn. Hat­te sich in ein Mäd­chen ver­liebt. Die bei­den woll­ten hei­ra­ten. Hei­ra­ten! Stu­der schnaub­te durch die Nase. So ein Bursch und hei­ra­ten! Und dann war der Mord an dem Wen­de­lin Wit­schi pas­sier­t…

Es war ja be­kannt, dass der alte El­len­ber­ger in sei­nen Baum­schu­len mit Vor­lie­be ent­las­se­ne Sträf­lin­ge an­stell­te. Nicht nur, weil sie bil­li­ge Ar­beits­kräf­te wa­ren, nein, der El­len­ber­ger schi­en sich in ih­rer Ge­sell­schaft wohl­zu­füh­len. Nun, je­der Mensch hat sei­nen Spar­ren, und es war nicht zu leug­nen, dass die Rück­fäl­li­gen sich ganz gut hiel­ten beim al­ten El­len­ber­ger… Und nur weil der Schlumpf am Mitt­wo­cha­bend eine Hun­der­ter­no­te im Bä­ren ge­wech­selt hat­te, soll­te er den Raub­mord be­gan­gen ha­ben?… Der Bur­sche hat­te das so er­klärt: es sei er­spar­tes Geld ge­we­sen, er habe es bei sich ge­tra­gen…

Cha­bis!… Er­spart!… Bei sech­zig Rap­pen Stun­den­lohn? Das mach­te im Mo­nat rund hun­dert­fünf­zig Fran­ken… Zim­mer­mie­te drei­ßig… Es­sen? – Zwei Fran­ken fünf­zig am Tag für einen Schwer­ar­bei­ter war we­nig ge­rech­net. Fün­fund­sieb­zig und drei­ßig macht hun­dert­fünf, Wä­sche fünf – Zi­ga­ret­ten, Wirt­schaft, Tanz, Haar­schnei­den, Bad – Blie­ben im bes­ten Fal­le fünf Fran­ken im Mo­nat. Und dann soll­te er in zwei Jah­ren drei­hun­dert Fran­ken er­spart ha­ben? Un­mög­lich! Das Geld bei sich ge­tra­gen ha­ben? Psy­cho­lo­gisch un­denk­bar. Sol­che Leu­te kön­nen kein Geld in der Ta­sche tra­gen, ohne es zu ver­put­zen… Auf der Bank? Vi­el­leicht. Aber nur so in der Brief­ta­sche?…

Und doch, der Schlumpf hat­te drei­hun­dert Fran­ken bei sich ge­habt. Nicht ganz. Zwei Hun­der­ter­no­ten und etwa acht­zig Fran­ken. Stu­der sah das Ein­lie­fe­rungs­pro­to­koll, das er un­ter­zeich­net hat­te:

»Por­te­mon­naie mit In­halt: 282 Fr. 25.«

Al­so… Es stimm­te al­les! So­gar der Flucht­ver­such im Bahn­hof Bern. Ein dum­mer Flucht­ver­such! Kin­disch! Und doch so be­greif­lich! Dies­mal lang­te es ja für le­bens­läng­lich…

Stu­der schüt­tel­te den Kopf. Und doch! Und doch! Et­was stimm­te nicht an der gan­zen Sa­che. Vo­rerst war es nur ein Ein­druck, ein ge­wis­ses un­an­ge­neh­mes Ge­fühl. Und der Fahn­der­wacht­meis­ter frös­tel­te. Die­se Zel­le war kalt. Kam denn der Dok­tor nicht bald?

Woll­te der Schlumpf ei­gent­lich gar nicht auf­wa­chen?… Ein tiefer Atem­zug hob die Brust des Lie­gen­den, die ver­dreh­ten Au­gen ka­men in die rich­ti­ge Stel­lung und Schlumpf sah den Wacht­meis­ter an. Stu­der fuhr zu­rück.

Ein un­an­ge­neh­mer Blick. Und jetzt öff­ne­te Schlumpf den Mund und schrie. Ein hei­se­rer Schrei – Schre­cken, Ab­wehr, Furcht, Ent­set­zen… Viel lag in dem Schrei. Er woll­te nicht en­den.

»Still! Willst still sein!« flüs­ter­te Stu­der. Er be­kam Herz­klop­fen. Schließ­lich tat er das ein­zig mög­li­che: er leg­te sei­ne Hand auf den lau­ten Mun­d…

»Wenn du still bist«, sag­te der Wacht­meis­ter, »dann bleib ich noch eine Wei­le bei dir, und du kannst eine Zi­ga­ret­te rau­chen, wenn der Dok­tor fort ist. Hä? Ich bin doch noch zur rech­ten Zeit ge­kom­men…« und ver­such­te ein Lä­cheln.

Aber das Lä­cheln wirk­te auf den Schlumpf durch­aus nicht an­ste­ckend. Zwar sein Blick wur­de sanf­ter, aber als Stu­der sei­ne Hand vom Mun­de fort­nahm, sag­te Schlumpf lei­se:

»Wa­rum habt Ihr mich nicht hän­gen las­sen, Wacht­meis­ter?«

Schwer auf die­se Fra­ge eine rich­ti­ge Ant­wort zu fin­den! Man war doch kein Pfar­rer…

Es war still in der Zel­le. Drau­ßen tschilp­ten Spat­zen. Im Hof un­ten sang ein klei­nes Mäd­chen mit dün­ner Stim­me:

»O du liebs En­ge­li,

Ros­marins­ten­ge­li,

Al­li­weil, al­li­weil, blib i dir treu…«

Da sag­te Stu­der und sei­ne Stim­me klang hei­ser:

»Eh, du hast mir doch er­zählt, dass du hei­ra­ten willst? Das Meit­schi… es wird doch zu dir hal­ten, oder? Und wenn du sagst, du bist un­schul­dig, so ist’s doch gar nicht si­cher, dass du ver­ur­teilt wirst. Und du kannst dir doch den­ken, dass ein Selbst­mord­ver­such die größ­te Dumm­heit ge­we­sen ist, die du hast ma­chen kön­nen. Das wird dir als Ge­ständ­nis aus­ge­leg­t…«

»Es war doch kein Ver­such. Ich hab wirk­lich…«

Aber Stu­der brauch­te nicht zu ant­wor­ten. Es ka­men Schrit­te den Gang ent­lang, der Wär­ter Liech­ti sag­te »Da drin ist er, Herr Dok­tor.«

»Scho wie­der z’wäg?« frag­te der Dok­tor und griff nach Schlumpfs Hand­ge­lenk. »Künst­li­che At­mung? Fein!«

Stu­der stand vom Bett auf und lehn­te sich ge­gen die Wand.

»Ja, also«, sag­te der Dok­tor. »Was ma­chen wir mit ihm? Selbst­ge­fähr­lich! Sui­ci­dal! Na ja, das kennt man. Wir wer­den eine psych­ia­tri­sche Ex­per­ti­se ver­lan­gen… Nicht wahr?«

»Herr Dok­tor, ich will nicht ins Ir­ren­haus«, sag­te Schlumpf laut und deut­lich, dann hus­te­te er.

»So? Und warum nicht? Naja, dann könn­te man… Ihr habt doch si­cher eine Zwei­er­zel­le, Liech­ti, in die man den Mann le­gen könn­te, da­mit er nicht so al­lein ist… Geht das? Fein…«

Dann, lei­se, so, wie man auf dem Thea­ter flüs­tert, je­des Wort ver­ständ­lich: »Was hat er an­ge­stellt?«

»Ger­zen­stei­ner Mord!« flüs­ter­te der Wär­ter eben­so deut­lich zu­rück.

»Ah, ah«, nick­te der Dok­tor be­küm­mert – so schi­en es we­nigs­tens. Schlumpf dreh­te den Kopf, sah hin­über zum Wacht­meis­ter. Stu­der lä­chel­te, Schlumpf lä­chel­te zu­rück. Sie ver­stan­den sich.

»Und wer ist die­ser Herr da?« frag­te der Arzt. Das Lä­cheln der bei­den brach­te ihn in Ver­le­gen­heit.

Stu­der trat so hef­tig vor, dass der Dok­tor einen Schritt zu­rück­wich. Der Wacht­meis­ter stand steif da. Sein blei­ches Ge­sicht mit der merk­wür­dig schma­len Nase pass­te nicht so recht zu dem ein we­nig ver­fet­te­ten Kör­per.

»Wacht­meis­ter Stu­der von der Kan­tons­po­li­zei!« Es klang auf­rüh­re­risch und bo­ckig.

»So, so! Freut mich, freut mich! Und Sie sind mit der Un­ter­su­chung des Fal­les be­traut?« Der blon­de Arzt ver­such­te sei­ne Si­cher­heit wie­der­zu­ge­win­nen.

»Ich hab ihn ver­haf­tet«, sag­te Stu­der kurz. »Üb­ri­gens, ich will gern noch eine Wei­le bei ihm blei­ben bis er sich be­ru­higt hat. Ich hab Zeit. Der nächs­te Zug nach Bern fährt erst um halb fün­f…«

»Fein!« sag­te der Arzt. »Wun­der­bar! Tut das nur, Wacht­meis­ter. Und heut abend legt Ihr mir den Mann in eine Zwei­er­zel­le. Ver­stan­den, Liech­ti?«

»Ja­wohl, Herr Dok­tor.«

»Le­bet wohl mit­ein­an­der«, sag­te der Arzt und setz­te den Hut auf. Liech­ti frag­te ob er schlie­ßen sol­le. Stu­der wink­te ab. Ge­gen Haft­psy­cho­sen wa­ren wohl of­fe­ne Tü­ren das wirk­sams­te Ge­gen­mit­tel.

Und die Schrit­te ver­hall­ten im Gang.

Um­ständ­lich setz­te Stu­der den Stroh­halm in Brand, den er aus der Bris­sa­go ge­zo­gen hat­te, hielt die Flam­me un­ter das Ende der­sel­ben, war­te­te bis der Rauch oben her­aus­quoll und steck­te sie dann in den Mund.

Dann zog er ein gel­bes Päck­li aus der Ta­sche, sag­te: »So, nimm eine!« Schlumpf sog den ers­ten Zug der Zi­ga­ret­te tief in die Lun­gen. Sei­ne Au­gen leuch­te­ten. Stu­der setz­te sich aufs Bett.

– Der Wacht­meis­ter sei ein Gu­ter, sag­te der Schlumpf.

Und Stu­der muss­te sich zu­sam­men­neh­men, um ein merk­wür­di­ges Ge­fühl im Hal­se zu un­ter­drücken. Um es zu ver­trei­ben, gähn­te er aus­gie­big.

»So, Schlumpf­li«, sag­te er dann. »Und jetzt. Wa­rum hast du Schluss ma­chen wol­len?«

– Das kön­ne man nicht so ohne wei­te­res sa­gen, mein­te der Schlumpf. Es sei ihm al­les ver­lei­det ge­we­sen. Und er ken­ne ja den Be­trieb. Wenn man ein­mal ver­haf­tet sei, dann käme man nicht mehr los. Vor­be­straft! – Und jetzt wer­de es für le­bens­läng­lich lan­gen… Und das Meit­schi, von dem der Wacht­meis­ter ge­spro­chen habe, das wer­de ja­wohl auch nicht war­ten wol­len. Es wäre schön dumm, wenn es das täte. – Wer denn das Meit­schi sei? – Es hei­ße Son­ja und sei die Toch­ter vom er­mor­de­ten Wit­schi. – Und ob die Son­ja glau­be, dass er den Mord be­gan­gen habe? – Das wis­se er nicht. Er sei ein­fach fort, da­mals, als er ge­hört habe, man be­schul­di­ge ihn. – Wie das denn zu­ge­gan­gen sei, dass man ge­ra­de auf ihn ver­fal­len sei? – Eh, we­gen der Hun­der­ter­no­te, die er im ›Leu­en‹ ge­wech­selt habe. – Im ›Leu­en‹? Nicht im ›Bä­ren‹? – Es kön­ne auch im ›Bä­ren‹ ge­we­sen sein. Na­tür­lich im ›Bä­ren‹! Der ›Leu­en‹ sei die für­neh­me Wirt­schaft, da hät­ten sie ein­mal bei ei­nem An­lass auf­ge­spiel­t…

»Bei wel­chem An­lass? Und wer hat auf­ge­spielt?«

»Bei ei­ner Hoch­zeit. Der Bu­cheg­ger hat Kla­ri­net­te ge­spielt, der Schrei­er Kla­vier und der Ber­tel Bass­gei­ge. Und ich Hand­har­fe…«

»Schrei­er? – Bu­cheg­ger? – Die – die kenn’ ich doch!« Stu­der run­zel­te die Stirn.

»Denk wohl!« sag­te der Schlumpf, und ein klei­nes Lä­cheln ent­stand in sei­nen Mund­win­keln. »Der Bu­cheg­ger hat oft von Euch er­zählt und der Schrei­er auch. Ihr habt ihn vor drei Jah­ren ge­schnapp­t…«

Stu­der lach­te. So, so! Alte Be­kann­te! – Und die hät­ten sich also zu ei­ner Länd­ler­ka­pel­le zu­sam­men­ge­tan? »Länd­ler­ka­pel­le?« Schlumpf tat be­lei­digt. »Nein! Ein rich­ti­ger Jazz­band. Der El­len­ber­ger, un­ser Meis­ter, hat uns so­gar einen eng­li­schen Na­men ge­ge­ben: ›The Con­vict Ban­d‹! Das soll hei­ßen: Die Sträf­lings­mu­si­k…«

Der Bur­sche Schlumpf schi­en ganz zu­frie­den zu sein, von ne­ben­säch­li­chen Din­gen zu spre­chen. Aber wenn man vom Mord an­fing, ver­such­te er ab­zu­bie­gen.

Stu­der war ein­ver­stan­den. Der Schlumpf soll­te nur ab­schwei­fen, wenn er Freu­de dar­an hat­te. Nicht drän­gen! Es kommt al­les von selbst, wenn man ge­nü­gend Ge­duld hat…

»Dann habt Ihr auch in den um­lie­gen­den Dör­fern ge­spielt?«

»So­wie­so!«

»Und or­dent­lich Geld ver­dient?«

»Zünf­tig…« Zö­gern. Schwei­gen.

»Also, Schlumpf­li, ich will dir ja glau­ben, dass du den Wit­schi nicht um­ge­bracht hast – um ihm die Brief­ta­sche zu rau­ben. Drei­hun­dert Fran­ken hast du er­spart ge­habt?«

»Ja, drei­hun­dert Er­spar­tes…« Schlumpf blick­te zum Fens­ter auf, seufz­te, viel­leicht weil der Him­mel so blau war.

»Du hast also die Toch­ter vom Er­mor­de­ten hei­ra­ten wol­len? Son­ja hieß sie? Und die El­tern, die wa­ren ein­ver­stan­den?«

»Der Va­ter schon; der alte Wit­schi hat ge­sagt, ihm sei es gleich. Er war oft beim El­len­ber­ger zu Be­such und dort hat er mit mir ge­spro­chen, der Er­mor­de­te, wie Ihr sag­t… Er hat ge­meint, ich sei ein or­dent­li­cher Bursch, und wenn ich auch ein Vor­be­straf­ter sei, man sol­le nicht zu Ge­richt sit­zen, und wenn ich ein­mal die Son­ja zur Frau hät­te, dann wür­de ich kei­ne Dumm­hei­ten mehr ma­chen. Die Son­ja sei ein or­dent­li­ches Meit­schi… Und dann hat mir mein Meis­ter die Ober­gärt­ner­stel­le ver­spro­chen, weil doch der Cot­te­reau schon alt ist und ich tüch­tig bin…«

»Cot­te­reau? Hat der die Lei­che ge­fun­den?«

»Ja. Er geht je­den Mor­gen spa­zie­ren. Der Meis­ter lässt ihn ma­chen, was er will. Der Cot­te­reau stammt aus dem Jura, aber man merkt ihm das Wel­sche nicht mehr an. Am Mitt­woch­mor­gen ist er in die Baum­schu­le ge­lau­fen ge­kom­men und hat er­zählt, im Wal­de lie­ge der Wit­schi, er­schos­sen… Dann hat ihn der Meis­ter gleich auf den Land­jä­ger­pos­ten ge­schickt, um die Mel­dung zu ma­chen.«

»Und was hast du ge­macht, nach­dem du vom Cot­te­reau die Neu­ig­keit er­fah­ren hast?«

Ach, mein­te der Schlumpf, sie hät­ten alle Angst ge­habt, weil der Ver­dacht auf sie fal­len müs­se, als Vor­be­straf­te. Aber den gan­zen Tag sei es ru­hig ge­we­sen, nie­mand sei in die Baum­schu­le ge­kom­men. Nur der Cot­te­reau habe sich nicht be­ru­hi­gen kön­nen, bis ihn der Meis­ter an­ge­schnauzt habe, er sol­le mit dem G’­stürm auf­hö­ren…

»Und am Mitt­wo­cha­bend hast du die hun­dert Fran­ken im ›Bä­ren‹ ge­wech­selt?«

»Am Mitt­wo­cha­bend, ja…«

Stil­le. Stu­der hat­te das Päck­chen Pa­ri­si­en­nes ne­ben sich lie­gen las­sen. Ohne zu fra­gen nahm Schlumpf eine Zi­ga­ret­te, der Wacht­meis­ter gab ihm die Schach­tel Zünd­höl­zer und sag­te:

»Ver­steck bei­des. Aber lass dich nicht er­wi­schen!«

Schlumpf lä­chel­te dank­bar.

»Wann habt Ihr Fei­er­abend in der Baum­schu­le?«

»Um sechs. Wir ha­ben den Zehn­stun­den­tag.« Dann füg­te Schlumpf eif­rig hin­zu: »Über­haupt, in der Gärt­ne­rei kenn ich mich aus. Der Vor­ar­bei­ter auf dem Tes­sen­berg hat im­mer ge­sagt, ich kann et­was. Und ich schaff’ gern…«

»Das ist mir gleich!« Stu­der sprach ab­sicht­lich streng. »Nach dem Fei­er­abend bist du ins Dorf, in dein Zim­mer. Wo hast du ge­wohnt?«

»Bei Hof­manns, in der Bahn­hof­stra­ße. Ihr fin­det das Haus leicht. Die Frau Hof­mann war eine Gu­te… Sie ha­ben eine Kor­be­rei.«

»Das in­ter­es­siert mich nicht! Du bist in dein Zim­mer, hast dich ge­wa­schen. Dann bist du zum Nachtes­sen ge­gan­gen? Oder?«

»Ja.«

»Also: sechs Uhr Fei­er­abend.« Stu­der zog ein No­tiz­heft aus der Ta­sche und be­gann nach­zu­schrei­ben. »Sechs Uhr Fei­er­abend, halb sie­ben – vier­tel vor sie­ben Nachtes­sen…« Auf­bli­ckend: »Hast du schnell ge­ges­sen? Lang­sam? Hast du Hun­ger ge­habt?«

»Nicht viel Hun­ger…«

»Dann hast du schnell ge­ges­sen und warst um sie­ben fer­tig…«

Stu­der schi­en in sein No­tiz­buch zu star­ren, aber sei­ne Au­gen wa­ren be­weg­lich. Er sah die Ver­än­de­rung in den Ge­sichts­zü­gen des Schlumpf und un­ter­brach die Span­nung, in­dem er harm­los frag­te:

»Wie viel hast du für das Nachtes­sen be­zahlt?«

»Eins fünf­zig. Zu Mit­tag hab ich im­mer beim El­len­ber­ger eine Sup­pe ge­ges­sen und Brot und Käs mit­ge­bracht. Der El­len­ber­ger hat nur fünf­zig Rap­pen für den Tel­ler Sup­pe ver­langt, und z’Im­mis hat er um­sonst ge­ge­ben, denn der El­len­ber­ger war im­mer an­stän­dig mit uns, wir ha­ben ihn gern ge­habt, er hat so koh­lig da­her­ge­re­det, er sieht aus, wie ein ur­al­ter Mann, hat kei­ne Zäh­ne mehr, aber…« dies al­les in ei­nem Atem­zug, als ob der Re­den­de vor ei­ner Un­ter­bre­chung Angst hät­te. Doch Stu­der woll­te dies­mal auf das Ge­schwätz nicht ein­ge­hen.

»Was hast du am Mitt­wo­cha­bend zwi­schen sie­ben und acht Uhr ge­macht?« frag­te er streng. Er hielt den Blei­stift zwi­schen den ma­ge­ren Fin­gern und blick­te nicht auf.

»Zwi­schen sechs und sie­ben?« Schlumpf at­me­te schwer.

»Nein, zwi­schen sie­ben und acht. Um sie­ben warst du mit dem Nachtes­sen fer­tig, um acht hast du im ›Bä­ren‹ eine Hun­der­ter­no­te ge­wech­selt. Wer hat dir die drei­hun­dert Fran­ken ge­ge­ben?«

Und Stu­der blick­te den Bur­schen fest an. Schlumpf dreh­te den Kopf zur Sei­te, plötz­lich warf er sich her­um, drück­te die Au­gen in die Ell­bo­gen­beu­ge. Sein Kör­per zit­ter­te.

Stu­der war­te­te. Er war nicht un­zu­frie­den. Mit klei­nen Buch­sta­ben schrieb er in sein No­tiz­buch: ›Son­ja Wit­schi‹ und mal­te hin­ter die Wor­te ein großes Fra­ge­zei­chen. Dann wur­de sei­ne Stim­me weich, als er sag­te:

»Schlumpf­li, wir wer­den die Sa­che schon ein­ren­ken. Ich hab’ dich ex­tra nicht ge­fragt, was du am Diens­tag­abend, also am Abend vor dem Mord, ge­tan hast. Da hät­test du mich doch nur an­ge­lo­gen. Und dann steht es si­cher in den Ak­ten, und ich kann auch dei­ne Wir­tin fra­gen… Aber sag mir noch: Was ist die Son­ja für ein Meit­schi? Ist sie das ein­zi­ge Kind?«

Schlumpfs Kopf fuhr in die Höhe.

»Ein Bru­der ist noch da. Der Ar­min!«

»Und den Ar­min magst du nicht?«

Dem habe er ein­mal zünf­tig auf den Gring ge­ge­ben, sag­te Schlumpf und zeig­te die Zäh­ne wie ein knur­ren­der Hund.

»Der Ar­min hat dir die Schwes­ter nicht gön­nen mö­gen?«

»Ja; und mit dem Va­ter hat er auch im­mer Krach ge­habt. Der Wit­schi hat sich oft ge­nug über ihn be­klag­t…«

»So­so… Und die Mut­ter?«

»Die Alte hat im­mer Ro­ma­ne ge­le­sen…« (›die Al­te‹, sag­te der Bur­sche re­spekt­los). »Sie ist mit dem Ge­mein­de­prä­si­den­ten Äsch­ba­cher ver­wandt und der hat ihr den Bahn­hof­ki­osk in Ger­zen­stein ver­schafft. Dort ist sie im­mer ge­hockt und hat ge­le­sen, wäh­rend der Va­ter hau­siert hat… Nicht ge­ra­de hau­siert. Er ist mit ei­nem Zehn­der­li her­um­ge­fah­ren, als Rei­sen­der für Bo­den­wich­se, Kaf­fee… Und das Zehn­der­li hat man ja auch ge­fun­den, ganz in der Nähe, es stand an der Stra­ße…«

»Und wo ist der alte Wit­schi ge­le­gen?«

»Hun­dert Me­ter da­von, im Wald, hat der Cot­te­reau er­zähl­t…«

Stu­der zeich­ne­te Männ­lein in sein No­tiz­buch. Er war plötz­lich weit weg. Er war in dem Kra­chen im Obe­raar­gau, wo er den Bur­schen ver­haf­tet hat­te. Die Mut­ter hat­te ihm auf­ge­macht. Eine merk­wür­di­ge Frau, die­se Mut­ter des Schlumpf! Sie war gar nicht er­staunt ge­we­sen. Sie hat­te nur ge­fragt: »Aber er darf noch z’Mor­gen es­sen?«.

Ein klei­nes Mäd­chen in Ger­zen­stein, eine alte Mut­ter im Obe­raar­gau… und zwi­schen bei­den der Bur­sche Schlumpf, an­ge­klagt des Mor­des…

Es kam ganz dar­auf an, was für ein Un­ter­su­chungs­rich­ter den Fall über­neh­men wür­de… Man müss­te mit dem Mann re­den kön­nen. Vi­el­leicht…

Schrit­te ka­men nä­her. Der Wär­ter Liech­ti er­schi­en in der Tür und sein ro­tes Ge­sicht glänz­te bos­haft.

»Wacht­meis­ter, der Herr Un­ter­su­chungs­rich­ter will Euch spre­chen.«

Und Liech­ti grins­te un­ver­schämt. Es war nicht schwer zu er­ra­ten, was das Grin­sen zu be­deu­ten hat­te. Ein Fahn­der hat­te sei­ne Kom­pe­ten­zen über­schrit­ten und wur­de ein­ge­la­den, den fäl­li­gen Rüf­fel in Empfang zu neh­men…

»Leb wohl, Schlumpf­li!« sag­te Stu­der. »Mach kei­ne Dumm­hei­ten mehr. Soll ich die Son­ja grü­ßen, wenn ich sie seh’? Ja? Also; ich komm dich dann viel­leicht ein­mal be­su­chen. Leb wohl!«

Und wäh­rend Stu­der durch die lan­gen Gän­ge des Schlos­ses schritt, konn­te er den Blick nicht los wer­den und den Blick nicht deu­ten, mit dem ihm Schlumpf nach­ge­blickt hat­te. Er­stau­nen lag dar­in, ja­wohl, aber hock­te nicht auch eine trost­lo­se Verzweif­lung auf dem Grun­de?

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