Kitabı oku: «Die Verschwörung des Fiesco zu Genua»
Vorrede
Die Geschichte dieser Verschwörung habe ich vorzüglich aus des Cardinals von Retz Conjuration du Comte Jean Louis de Fiesque, der Histoire des Conjurations, Histoire de Gènes und Robertsons Geschichte Karls V. – dem dritten Theil – gezogen. Freiheiten, welche ich mir mit den Begebenheiten herausnahm, wird der Hamburgische Dramaturgist entschuldigen, wenn sie mir geglückt sind; sind sie das nicht, so will ich doch lieber meine Phantasieen als Facta verdorben haben. Die wahre Katastrophe des Komplotts, worin der Graf durch einen unglücklichen Zufall am Ziel seiner Wünsche zu Grunde geht, mußte durchaus verändert werden, denn die Natur des Dramas duldet den Finger des Ohngefährs oder der unmittelbaren Vorsehung nicht. Es sollte mich sehr wundern, warum noch kein tragischer Dichter in diesem Stoffe gearbeitet hat, wenn ich nicht Grund genug in eben dieser undramatischen Wendung fände. Höhere Geister sehen die zarten Spinneweben einer That durch die ganze Dehnung des Weltsystems laufen und vielleicht an die entlegensten Grenzen der Zukunft und Vergangenheit anhängen – wo der Mensch nichts, als das in freien Lüften schwebende Factum sieht. Aber der Künstler wählt für das kurze Gesicht der Menschheit, die er belehren will, nicht für die scharfsichtige Allmacht, von der er lernt.
Ich habe in meinen Räubern das Opfer einer ausschweifenden Empfindung zum Vorwurf genommen. – Hier versuche ich das Gegentheil, ein Opfer der Kunst und Cabale. Aber so merkwürdig sich auch das unglückliche Project des Fiesco in der Geschichte gemacht hat, so leicht kann es doch diese Wirkung auf dem Schauplatz verfehlen. Wenn es wahr ist, daß nur Empfindung Empfindung weckt, so müßte, däucht mich, der politische Held in eben dem Grade kein Subject für die Bühne sein, in welchem er den Menschen hintenansetzen muß, um der politische Held zu sein. Es stand daher nicht bei mir, meiner Fabel jene lebendige Gluth einzuhauchen, welche durch das lautere Product der Begeisterung herrscht; aber die kalte, unfruchtbare Staatsaction aus dem menschlichen Herzen herauszuspinnen und eben dadurch an das menschliche Herz wieder anzuknüpfen – den Mann durch den staatsklugen Kopf zu verwickeln – und von der erfindrischen Intrigue Situationen für die Menschheit zu entlehnen – das stand bei mir. Mein Verhältniß mit der bürgerlichen Welt machte mich auch mit dem Herzen bekannter, als dem Kabinet, und vielleicht ist eben diese politische Schwäche zu einer poetischen Tugend geworden.
Personen des Stücks
Andreas Doria, Doge von Genua. Ehrwürdiger Greis von 80 Jahren.
Spuren von Feuer. Ein Hauptzug: Gewicht und strenge befehlende Kürze.
Gianettino Doria, Neffe des Vorigen. Prätendent. Mann von 26 Jahren.
Rauh und anstößig in Sprache, Gang und Manieren. Bäurisch-stolz.
Die Bildung zerrissen.
(Beide Doria tragen Scharlach)
Fiesco, Graf von Lavagna. Haupt der Verschwörung. Junger, schlanker, blühend-schöner Mann von 23 Jahren – stolz mit Anstand – freundlich mit Majestät – höflich-geschmeidig und eben so tückisch.
(Alle Nobili gehen schwarz. Die Tracht ist durchaus altdeutsch.)
Verrina, verschworner Republikaner. Mann von 60 Jahren. Schwer, ernst und düster. Tiefe Züge.
Bourgognino, Verschworner. Jüngling von 20 Jahren. Edel und angenehm. Stolz, rasch und natürlich.
Calcagno, Verschworner. Hagrer Wollüstling. 30 Jahre. Bildung gefällig und unternehmend.
Sacco, Verschworner. Mann von 45 Jahren. Gewöhnlicher Mensch.
Lomellino, Gianettinos Vertrauter. Ein ausgetrockneter Hofmann.
Zenturione, Zibo, Asserato, Mißvergnügte.
Romano, Maler. Frei, einfach und stolz.
Muley Hassan, Mohr von Tunis. Ein confiscirter Mohrenkopf. Die Physiognomie eine originelle Mischung von Spitzbüberei und Laune.
Deutscher der herzoglichen Leibwache. Ehrliche Einfalt. Handfeste Tapferkeit.
Drei aufrührerische Bürger.
Leonore, Fiesco's Gemahlin. Dame von 18 Jahren. Blaß und schmächtig.
Fein und empfindsam. Sehr anziehend, aber weniger blendend. Im Gesicht schwärmerische Melancholie. Schwarze Kleidung.
Julia, Gräfin Wittwe Imperiali, Dorias Schwester. Dame von 25 Jahren.
Groß und voll. Stolze Kokette. Schönheit, verdorben durch Bizarrerie. Blendend und nicht gefallend. Im Gesicht ein böser moquanter Charakter. Schwarze Kleidung.
Bertha, Verrinas Tochter. Unschuldiges Mädchen.
Rosa, Arabella, Leonorens Kammermädchen.
Mehrere Nobili, Bürger, Deutsche, Soldaten, Bediente, Diebe.
Der Schauplatz Genua. – Die Zeit 1547.
Erster Aufzug
Saal bei Fiesco Man hört in der Ferne eine Tanzmusik und den Tumult eines Balls.
Erster Auftritt
Leonore maskiert, Rosa, Arabella fliehen zerstört auf die Bühne.
Leonore (reißt die Maske ab). Nichts mehr! Kein Wort mehr! Es ist am Tag. (Sie wirft sich in einen Sessel.) Das wirft mich nieder.
Arabella. Gnädige Frau-Leonore (aufstehend). Vor meinen Augen! eine stadtkundige Kokette! im Angesicht des ganzen Adels von Genua! (Wehmütig.) Rosa! Bella! und vor meinen weinenden Augen.
Rosa. Nehmen Sie die Sache für Das, was sie wirklich war – eine Galanterie-Leonore. Galanterie? – und das emsige Wechselspiel ihrer Augen? das ängstliche Lauern auf ihre Spuren? der lange verweilende Kuß auf ihren entblößten Arm, daß noch die Spur seiner Zähne im flammrothen Fleck zurückblieb? Ha! und die starre tiefe Betäubung, worein er, gleich dem gemalten Entzücken, versunken saß, als wär' um ihn her die Welt weggeblasen und er allein mit dieser Julia im ewigen Leeren? Galanterie? – gutes Ding, das noch nie geliebt hat, streite mir nicht über Galanterie und Liebe.
Rosa. Desto besser, Madonna. Einen Gemahl verlieren heißt zehen Cicisbeo Profit machen.
Leonore. Verlieren? – ein kleiner aussetzender Puls der Empfindung und Fiesco verloren? Geh, giftige Schwätzerin – komm mir nie wieder vor die Augen! – eine unschuldige Neckerei – vielleicht eine Galanterie? Ist es nicht so, meine empfindende Bella?
Arabella. O ja! ganz zuverlässig so!
Leonore (in Tiefsinn versunken). Daß sie darum in seinem Herzen sich wüßte? – daß hinter jedem seiner Gedanken ihr Name im Hinterhalt läge? – ihn anspräche in jeder Fußtapfe der Natur? – Was ist das? wo gerath' ich hin? Daß ihm die schöne majestätische Welt nichts wäre, als der prächtige Demant, worauf nur ihr Bild – nur ihr Bild gestochen ist? – daß er sie liebte? – Julien! O deinen Arm her – halte mich, Bella!
(Pause. Die Musik läßt sich von Neuem hören.)
Leonore (aufgefahren). Horch! War das nicht die Stimme Fiescos, die aus dem Lärme hervordrang? Kann er lachen, wenn seine Leonore im Einsamen weinet? Nicht doch, mein Kind! Es war Gianettino Dorias bäurische Stimme.
Arabella. Sie war's, Signora! Aber kommen Sie in ein anderes Zimmer.
Leonore. Du entfärbst dich, Bella! du lügst – ich lese in euren Augen – in den Gesichtern der Genueser ein Etwas – ein Etwas. (Sich verhüllend.) O gewiß! diese Genueser wissen mehr, als für das Ohr einer Gattin taugt.
Rosa. O der Alles vergrößernden Eifersucht!
Leonore. (schwermüthig schwärmend). Da er noch Fiesco war – dahertrat im Pomeranzenhain, wo wir Mädchen lustwandeln gingen, ein blühender Apoll, verschmolzen in den männlich-schönen Antinous. Stolz und herrlich trat er daher, nicht anders, als wenn das durchlauchtige Genua auf seinen jungen Schultern sich wiegte; unsere Augen schlichen diebisch ihm nach und zuckten zurück, wie auf dem Kirchenraub ergriffen, wenn sein wetterleuchtender Blick sie traf. Ach, Bella! wie verschlangen wir seine Blicke! wie parteiisch zählte sie der ängstliche Neid der Nachbarin zu! Sie fielen unter uns wie der Goldapfel des Zanks, zärtliche Augen brannten wilder, sanfte Busen pochten stürmischer, Eifersucht hatte unsere Eintracht zerrissen.
Arabella. Ich besinne mich. Das ganze weibliche Genua kam in Aufruhr um diese schöne Eroberung.
Leonore (begeistert). Und nun mein ihn zu nennen! verwegenes, entsetzliches Glück! Mein Genuas größten Mann, (mit Anmuth) der vollendet sprach aus dem Meißel der unerschöpflichen Künstlerin, alle Größen seines Geschlechts im lieblichsten Schmelze verband – Höret, Mädchen! kann ich's nun doch nicht mehr verschweigen! – Höret, Mädchen, ich vertraue euch etwas, (geheimnißvoll) einen Gedanken – als ich am Altar stand neben Fiesco – seine Hand in meine Hand gelegt – hatt' ich den Gedanken, den zu denken dem Weibe verboten ist – dieser Fiesco, dessen Hand jetzt in der deinigen liegt – dein Fiesco – aber still! daß kein Mann uns belausche, wie hoch wir uns mit dem Abfall seiner Vortrefflichkeit brüsten – dieser dein Fiesco – Weh euch, wenn das Gefühl euch nicht höher wirft! – wird – uns Genua von seinen Tyrannen erlösen!
Arabella (erstaunt). Und diese Vorstellung kam einem Frauenzimmer am Brauttag?
Leonore. Erstaune, Bella! Der Braut in der Wonne des Brauttags! (Lebhafter.) Ich bin ein Weib – aber ich fühle den Adel meines Bluts, kann es nicht dulden, daß dieses Haus Doria über unsre Ahnen hinauswachsen will. Jener sanftmüthige Andreas – es ist eine Wollust, ihm gut zu sein – mag immer Herzog von Genua heißen, aber Gianettino ist sein Neffe – sein Erbe – und Gianettino hat ein freches, hochmüthiges Herz. Genua zittert vor ihm, und Fiesco, (in Wehmuth hinabgefallen) Fiesco – weinet um mich – liebt seine Schwester.
Arabella. Arme, unglückliche Frau-Leonore. Geht jetzt und sehet diesen Halbgott der Genueser im schamlosen Kreis der Schwelger und Buhldirnen setzen, ihre Ohren mit unartigem Witze kitzeln, ihnen Märchen von verwünschten Prinzessinnen erzählen – das ist Fiesco! – Ach, Mädchen! nicht Genua allein verlor seinen Helden – auch ich meinen Gemahl!
Rosa. Reden Sie leiser. Man kömmt durch die Galerie.
Leonore (zusammenschreckend). Fiesco kommt. Flieht! flieht! Mein Anblick könnte ihm einen trüben Augenblick machen. (Sie entspringt in ein Seitenzimmer. Die Mädchen ihr nach.)
Zweiter Auftritt
Gianettino Doria maskiert im grünen Mantel. Ein Mohr. Beide im Gespräch.
Gianettino. Du hast mich verstanden.
Mohr. Wohl.
Gianettino. Die weiße Maske.
Mohr. Wohl.
Gianettino. Ich sage – die weiße Maske!
Mohr. Wohl! wohl! wohl!
Gianettino. Hörst du? Du kannst sie nur (auf seine Brust deutend) hieher verfehlen.
Mohr. Seid unbekümmert.
Gianettino. Und einen tüchtigen Stoß!
Mohr. Er soll zufrieden sein.
Gianettino (hämisch). Daß der arme Graf nicht
Mohr. Um Vergebung – wie schwer möchte ungefähr sein Kopf ins Gewicht fallen?
Gianettino. Hundert Zechinen schwer.
Mohr (bläst durch die Finger). Puh! Federleicht!
Gianettino. Was brummst du da?
Mohr. Ich sag' es ist eine leichte Arbeit.
Gianettino. Das ist deine Sorge. Dieser Mensch ist ein Magnet. Alle unruhigen Köpfe fliegen gegen seine Pole. Höre, Kerl! fasse ihn ja recht.
Mohr. Aber, Herr – ich muß flugs auf die That nach Venedig.
Gianettino. So nimm deinen Dank voraus. (wirft ihm einen Wechsel zu.)
In höchstens drei Tagen muß er kalt sein. (Ab.)
Mohr (indem er den Wechsel vom Boden nimmt). Das nenn' ich Credit!
Der Herr traut meiner Jaunerparole ohne Handschrift. (Ab.)
Dritter Auftritt
Calcagno, hinter ihm Sacco. Beide in schwarzen Mänteln.
Calcagno. Ich werde gewahr, daß du alle meine Schritte belauerst.
Sacco. Und ich beobachte, daß die mir alle verbirgst. Höre, Calcagno, seit einigen Wochen arbeitet etwas auf deinem Gesichte, das nicht geradezu just dem Vaterland gilt. – Ich dächte, Bruder, wir Beide könnten schon Geheimniß gegen Geheimniß tauschen, und am Ende hätte Keiner beim Schleichhandel verloren – Wirst du aufrichtig sein?
Calcagno. So sehr, daß, wenn deine Ohren nicht Lust haben, in meine Brust hinunter zu steigen, mein Herz dir halbwegs auf meiner Zunge entgegen kommen soll – Ich liebe die Gräfin Fiesco.
Sacco (tritt verwundernd zurück). Wenigstens das hätt' ich nicht entziffert, hätte ich alle Möglichkeiten Revue passieren lassen – Deine Wahl spannt meinen Witz auf die Folter, aber es ist um ihn geschehen, wenn sie glückt.
Calcagno. Man sagt, sie sei ein Beispiel der strengsten Tugend.
Sacco. Man lügt. Sie ist das ganze Buch über den abgeschmackten Text. Eins von beiden, Calcagno, gib dein Gewerb oder dein Herz auf-Calcagno. Der Graf ist ihr ungetreu. Eifersucht ist die abgefeimteste Kupplerin. Ein Anschlag gegen die Doria muß den Grafen in Athem halten und mir im Palaste zu schaffen geben. Während er nun den Wolf aus der Hürde scheucht, soll der Marder in seinen Hühnerstall fallen.
Sacco. Unverbesserlich, Bruder! Habe Dank. Auch mich hast du plötzlich des Rothwerdens überhoben. Was ich mich zu denken geschämt habe, kann ich jetzt laut vor dir sagen. Ich bin ein Bettler, wenn die jetzige Verfassung nicht übern Haufen fällt.
Calcagno. Sind deine Schulden so groß?
Sacco. So ungeheuer, daß mein Lebensfaden, achtfach genommen, am ersten Zehentheil abschnellen muß. Eine Staatsveränderung soll mir Luft machen, hoff' ich. Wenn sie mir auch nicht zum Bezahlen hilft, soll sie doch meinen Gläubigern das Fordern entleiden.
Calcagno. Ich verstehe – und am Ende, wenn Genua bei der Gelegenheit frei wird, läßt sich Sacco Vater des Vaterlands taufen. Wärme mir Einer das verdroschene Märchen von Redlichkeit auf, wenn der Bankerott eines Taugenichts und die Brunst eines Wollüstlings das Glück eines Staats entscheiden. Bei Gott, Sacco! ich bewundre in uns Beiden die feine Speculation des Himmels, der das Herz des Körpers durch die Eiterbeulen der Gliedmaßen rettet – Weiß Verrina um deinen Anschlag?
Sacco. So weit der Patriot darum wissen darf. Genua, weißt du selbst, ist die Spindel, um welche sich alle seine Gedanken mit einer eisernen Treue drehen. An dem Fiesco hängt jetzt sein Falkenaug. Auch dich hofft er halbwegs zu einem kühnen Komplott.
Calcagno. Er hat eine treffliche Nase. Komm, laß uns ihn aufsuchen und seinen Freiheitssinn mit dem unsrigen schüren. (Gehen ab.)
Vierter Auftritt
Julia erhitzt. Fiesco, der einen weißen Mantel trägt, eilt ihr nach.
Julia. Lakaien! Läufer!
Fiesco. Gräfin, wohin? Was beschließen Sie?
Julia. Nichts, im mindesten nichts. (Bediente.) Mein Wagen soll vorfahren.
Fiesco. Sie erlauben – er soll nicht. Hier ist eine Beleidigung.
Julia. Pah! doch wohl das nicht – Weg! Sie zerren mir ja die Garnierung in Stücken – Beleidigung? Wer ist hier, der beleidigen kann? So gehen Sie doch.
Fiesco (auf einem Knie.) Nicht, bis Sie mir den Verwegenen sagen. – Julia (steht still mit angestemmten Armen). Ah, schön! schön! sehenswürdig! Rufe doch Jemand die Gräfin von Lavagna zu diesem reizenden Schauspiel! – Wie, Graf? wo bleibt der Gemahl? Diese Stellung taugte ausnehmend in das Schlafgemach Ihrer Frau, wenn sie im Kalender ihrer Liebkosungen blättert und einen Bruch in der Rechnung findet. Stehen Sie doch auf. Gehen Sie zu Damen, wo Sie wohlfeiler markten. So stehen Sie doch auf. Oder wollen Sie die Impertinenzen Ihrer Frau mit Ihren Galanterieen abbüßen?
Fiesco (springt auf). Impertinenzen? Ihnen?
Julia. Aufzubrechen – den Sessel zurückzustoßen – der Tafel den Rücken zu kehren – der Tafel, Graf! an der ich sitze.
Fiesco. Es ist nicht zu entschuldigen.
Julia. Und mehr ist es nicht? – Über die Fratze! und ist es denn meine Schuld, (sich belächelnd) daß der Graf seine Augen hat?
Fiesco. Das Verbrechen Ihrer Schönheit, Madonna, daß er sie nicht überall hat.
Julia. Keine Delicatesse, Graf, wo die Ehre das Wort führt. Ich fordre Genugthuung. Finde ich sie bei Ihnen? oder hinter den Donnern des Herzogs?
Fiesco. In den Armen der Liebe, die Ihnen den Mißtritt der Eifersucht abbittet.
Julia. Eifersucht? Eifersucht? Was will denn das Köpfchen? (Vor einem Spiegel gesticulierend.) Ob sie wohl eine bessere Fürsprache für ihren Geschmack zu erwarten hat, als wenn ich ihn für den meinigen erkläre? (Stolz.) Doria und Fiesco? – ob sich die Gräfin von Lavagna nicht geehrt fühlen muß, wenn die Nichte des Herzogs ihre Wahl beneidenswürdig findet? (Freundlich, indem sie dem Grafen ihre Hand zum Küssen reicht.) Ich setze den Fall, Graf, daß ich sie so fände.
Fiesco (lebhaft). Grausamste, und mich dennoch zu quälen! – Ich weiß es, göttliche Julia, daß ich nur Ehrfurcht gegen Sie fühlen sollte. Meine Vernunft heißt mich das Knie des Unterthans vor dem Blut Dorias beugen, aber mein Herz betet die schöne Julia an. Eine Verbrecherin ist meine Liebe, aber eine Heldin zugleich, die kühn genug ist, die Ringmauer des Rangs durchzubrechen und gegen die verzehrende Sonne der Majestät anzufliegen.
Julia. Eine große, große, gräfliche Lüge, die auf Stelzen heranhinkt – Seine Zunge vergöttert mich, sein Herz hüpft unter dem Schattenriß einer Andern.
Fiesco. Oder besser, Signora, es schlägt unwillig dagegen und will ihn hinwegdrücken. (Indem er die Silhouette Leonorens, die an einem himmelblauen Bande hängt, herabnimmt und sie der Julia überliefert.) Stellen Sie Ihr Bild an diesem Altar auf, so können Sie diesen Götzen zerstören.
Julia (steckt das Bild hastig zu sich, vergnügt). Ein großes Opfer, bei meiner Ehre, das meinen Dank verdient. (Sie hängt ihm die ihrige um.) So, Sklave! trage die Farbe deines Herrn. (Sie geht ab.)
Fiesco (mit Feuer). Julia liebt mich! Julia! Ich beneide keinen Gott. (Frohlockend im Saal.) Diese Nacht sei eine Festnacht der Götter, die Freude soll ihr Meisterstück machen. Holla! holla! (Menge Bediente.) Der Boden meiner Zimmer lecke cyprischen Nektar, Musik lärme die Mitternacht aus ihrem bleiernen Schlummer auf, tausend brennende Lampen spotten die Morgensonne hinweg – Allgemein sei die Lust, der bacchantische Tanz stampfe das Todtenreich in polternde Trümmer!
(Er eilt ab. Rauschendes Allegro, unter welchem der Mittelvorhang aufgezogen wird und einen großen illuminierten Saal eröffnet, worin viele Masken tanzen. Zur Seite Schenk – und Spieltische von Gästen besetzt.)
Fünfter Auftritt
Gianettino halb betrunken. Lomellin. Zibo. Zenturione. Verrina.
Sacco. Calcagno. Alle maskiert. Mehrere Damen und Nobili.
Gianettino (lärmend). Bravo! Bravo! Diese Weine glitschen herrlich, unsre Tänzerinnen springen à merveille. Geh Einer von euch, streu' es in Genua aus, ich sei heitern Humors, man könne sich gütlich thun – Bei meiner Geburt! sie werden den Tag roth im Kalender zeichnen und drunter schreiben: Heute war Prinz Doria lustig.
Gäste (setzen die Gläser an). Die Republik! (Trompetenstoß.)
Gianettino (wirft das Glas mit Macht auf die Erde). Hier liegen die
Scherben. (Drei schwarze Masken fahren auf, versammeln sich um Gianettino.)
Lomellin (führt den Prinzen vor). Gnädiger Herr, Sie sagten mir neulich von einem Frauenzimmer, das Ihnen in der Lorenzokirche begegnete?
Gianettino. Das hab' ich auch, Bursche, und muß ihre Bekanntschaft haben.
Lomellin. Die kann ich Eurer Gnaden verschaffen.
Gianettino (rasch). Kannst du? Kannst du? Lomellin, du hast dich neulich zur Procuratorwürde gemeldet. Du sollst sie erhalten.
Lomellin. Gnädiger Prinz, es ist die zweite im Staat, mehr denn sechzig Edelleute bewerben sich darum, alle reicher und angesehener, als Euer Gnaden unterthäniger Diener.
Gianettino (schnaubt ihn trotzig an). Donner und Doria! Du sollst Procurator werden. (Die drei Masken kommen vorwärts.) Adel in Genua? Laß sie all ihre Ahnen und Wappen zumal in die Wagschale schmeißen, was braucht es mehr, als ein Haar aus dem weißen Bart meines Onkels, Genuas ganze Adelschaft in alle Lüfte zu schnellen? Ich will, du sollst Procurator sein, das ist so viel als alle Stimmen der Signoria.
Lomellin (leiser). Das Mädchen ist die einzige Tochter eines gewissen Verrina.
Gianettino. Das Mädchen ist hübsch, und trutz allen Teufeln! muß ich sie brauchen.
Lomellin. Gnädiger Herr! das einzige Kind des starrköpfigsten Republikaners!
Gianettino. Geh in die Hölle mit deinem Republikaner! Der Zorn eines Vasallen und meine Leidenschaft! Das heißt, der Leuchtthurm muß einstürzen, wenn Buben mit Muscheln darnach werfen. (Drei schwarze Masken treten mit großen Bewegungen näher.) Hat darum Herzog Andreas seine Narben geholt in den Schlachten dieser Lumpenrepublikaner, daß sein Neffe die Gunst ihrer Kinder und Bräute erbetteln soll? Donner und Doria! diesen Gelust müssen sie niederschlucken, oder ich will über den Gebeinen meines Oheims einen Galgen aufpflanzen, an dem sich ihre genuesische Freiheit zu Tod zappeln soll. (Die drei Masken treten zurück.)
Lomellin. Das Mädchen ist eben jetzt allein. Ihr Vater ist hier und eine von den drei Masken.
Gianettino. Erwünscht, Lomellin. Gleich bringe mich zu ihr.
Lomellin. Aber Sie werden eine Buhlerin suchen und eine Empfindlerin finden.
Gianettino. Gewalt ist die beste Beredsamkeit. Führe mich alsobald hin; den republikanischen Hund will ich sehen, der am Bären Doria hinaufspringt. (Fiesco begegnet ihm an der Thür.) Wo ist die Gräfin?