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Kitabı oku: «Kabale und Liebe», sayfa 6

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Vierter Akt

Erste Scene

Saal beim Präsidenten.

Ferdinand von Walter, einen offenen Brief in der Hand, kommt stürmisch durch eine Thüre, durch eine andere ein Kammerdiener.

Ferdinand. War kein Marschall da?

Kammerdiener. Herr Major, der Herr Präsident fragt nach Ihnen.

Ferdinand. Alle Donner! Ich frag', war kein Marschall da?

Kammerdiener. Der gnädige Herr sitzt oben am Pharotisch.

Ferdinand. Der gnädige Herr soll im Namen der ganzen Hölle daher kommen. (Kammerdiener geht.)

Zweite Scene

Ferdinand allein, den Brief durchfliegend, bald erstarrend, bald wüthend herumstürzend.

Es ist nicht möglich! nicht möglich! Diese himmlische Hülle versteckt kein so teuflisches Herz – Und doch! doch! Wenn alle Engel herunter stiegen, für ihre Unschuld bürgten – wenn Himmel und Erde, wenn Schöpfung und Schöpfer zusammenträten, für ihre Unschuld bürgten – es ist ihre Hand – Ein unerhörter, ungeheurer Betrug, wie die Menschheit noch keinen erlebte! – Das also war's, warum man sich so beharrlich der Flucht widersetzt! – Darum – o Gott! jetzt erwach' ich, jetzt enthüllt sich mir Alles! – Darum gab man seinen Anspruch auf meine Liebe mit so viel Heldenmuth auf, und bald, bald hätte selbst mich die himmlische Schminke betrogen!

(Er stürzt rascher durchs Zimmer, dann steht er wieder nachdenkend still.)

Mich so ganz zu ergründen! – Jedes kühne Gefühl, jede leise schüchterne Bebung zu erwiedern, jede feurige Wallung – An der feinsten Unbeschreiblichkeit eines schwebenden Lauts meine Seele zu fassen – Mich zu berechnen in einer Thräne – Auf jeden gähen Gipfel der Leidenschaft mich zu begleiten, mir zu begegnen vor jedem schwindelnden Absturz – Gott! Gott! und alles Das nichts als Grimasse? – Grimasse? O, wenn die Lüge eine so haltbare Farbe hat, wie ging es zu, daß sich kein Teufel noch in das Himmelreich hineinlog?

Da ich ihr die Gefahr unsrer Liebe entdeckte, mit welch überzeugender Täuschung erblaßte die Falsche da! Mit welch siegender Würde schlug sie den frechen Hohn meines Vaters zu Boden, und in eben dem Augenblick fühlte das Weib sich doch schuldig! – Was? hielt sie nicht selbst die Feuerprobe der Wahrheit aus – die Heuchlerin sinkt in Ohnmacht. Welche Sprache wirst du jetzt führen, Empfindung? Auch Koketten sinken in Ohnmacht. Womit wirst du dich rechtfertigen, Unschuld? – Auch Metzen sinken in Ohnmacht.

Sie weiß, was sie aus mir gemacht hat. Sie hat meine ganze Seele gesehen. Mein Herz trat beim Erröthen des ersten Kusses sichtbar in meine Augen – und sie empfand nichts? empfand vielleicht nur den Triumph ihrer Kunst? – Da mein glücklicher Wahnsinn den ganzen Himmel in ihr zu umspannen wähnte, meine wildesten Wünsche schwiegen – vor meinem Gemüth stand kein Gedanke, als die Ewigkeit und das Mädchen – Gott! da empfand sie nichts? fühlte nichts, als ihren Anschlag gelungen? nichts, als ihre Reize geschmeichelt? Tod und Rache! Nichts! als daß ich betrogen sei?

Dritte Scene

Der Hofmarschall und Ferdinand.

Hofmarschall (ins Zimmer trippelnd). Sie haben den Wunsch blicken lassen, mein Bester-Ferdinand (vor sich hinmurmelnd). Einem Schurken den Hals zu brechen. (Laut.) Marschall, dieser Brief muß Ihnen bei der Parade aus der Tasche gefallen sein – und ich (mit boshaftem Lachen) war zum Glück noch der Finder.

Hofmarschall. Sie?

Ferdinand. Durch den lustigsten Zufall. Machen Sie's mit der Allmacht aus.

Hofmarschall. Sie sehen, wie ich erschrecke, Baron.

Ferdinand. Lesen Sie! Lesen Sie! (Von ihm weggehend.) Bin ich auch schon zum Liebhaber zu schlecht, vielleicht lass' ich mich desto besser als Kuppler an.

(Während Jener liest, tritt er zur Wand und nimmt zwei Pistolen herunter.)

Hofmarschall (wirft den Brief auf den Tisch und will sich davon machen). Verflucht!

Ferdinand (führt ihn am Arm zurück). Geduld, lieber Marschall. Die Zeitungen dünken mich angenehm. Ich will meinen Finderlohn haben.

(Hier zeigt er ihm die Pistolen.)

Hofmarschall (tritt bestürzt zurück). Sie werden vernünftig sein, Bester.

Ferdinand (mit starker, schrecklicher Stimme). Mehr als zu viel, um einen Schelmen, wie du bist, in jene Welt zu schicken! (Er dringt ihm die eine Pistole auf, zugleich zieht er sein Schnupftuch.) Nehmen Sie! Dieses Schnupftuch da fassen Sie! – Ich hab's von der Buhlerin.

Hofmarschall. Über dem Schnupftuch? Rasen Sie? Wohin denken Sie?

Ferdinand. Faß dieses End' an, sag' ich! sonst wirst du ja fehl schießen, Memme! – Wie sie zittert, die Memme! Du solltest Gott danken, Memme, daß du zum ersten Mal etwas in deinen Hirnkasten kriegst. (Hofmarschall macht sich auf die Beine.) Sachte! dafür wird gebeten sein. (Er überholt ihn und riegelt die Thür.)

Hofmarschall. Auf dem Zimmer, Baron?

Ferdinand. Als ob sich mit dir ein Gang vor den Wall verlohnte? – Schatz, so knallt's desto lauter, und das ist ja doch wohl das erste Geräusch, das du in der Welt machst – Schlag an!

Hofmarschall (wischt sich die Stirn). Und Sie wollen Ihr kostbares Leben so aussetzen, junger, hoffnungsvoller Mann?

Ferdinand. Schlag an, sag' ich. Ich habe nichts mehr in dieser Welt zu thun.

Hofmarschall. Aber ich desto mehr, mein Allervortrefflichster.

Ferdinand. Du, Bursche? Was, du? – Der Nothnagel zu sein, wo die Menschen sich rar machen? In einem Augenblick siebenmal kurz und siebenmal lang zu werden, wie der Schmetterling an der Nadel? Ein Register zu führen über die Stuhlgänge deines Herrn und der Miethgaul seines Witzes zu sein? Eben so gut, ich führe dich, wie irgend ein seltenes Murmelthier mit mir. Wie ein zahmer Affe sollst du zum Geheul der Verdammten tanzen, apportieren und aufwarten und mit deinen höfischen Künsten die ewige Verzweiflung belustigen.

Hofmarschall. Was Sie befehlen, Herr! wie Sie belieben – Nur die Pistolen weg!

Ferdinand. Wie er dasteht, der Schmerzenssohn! – Dasteht dem sechsten Schöpfungstag zum Schimpfe! Als wenn ihn ein Tübinger Buchhändler dem Allmächtigen nachgedruckt hätte! – Schade nur, ewig Schade für die Unze Gehirn, die so schlecht in diesem undankbaren Schädel wuchert.

Diese einzige Unze hätte dem Pavian noch vollends zum Menschen geholfen, da sie jetzt nur einen Bruch von Vernunft macht – Und mit Diesem ihr Herz zu theilen? – Ungeheuer! Unverantwortlich! – Einem Kerl, mehr gemacht, von Sünden zu entwöhnen, als dazu anzureizen.

Hofmarschall. O! Gott sei ewig Dank! Er wird witzig.

Ferdinand. Ich will ihn gelten lassen. Die Toleranz, die der Raupe schont, soll auch Diesem zu gute kommen. Man begegnet ihm, zuckt etwa die Achsel, bewundert vielleicht noch die kluge Wirthschaft des Himmels, der auch mit Träbern und Bodensatz noch Creaturen speist; der dem Raben am Hochgericht und einem Höfling im Schlamme der Majestäten den Tisch deckt – Zuletzt erstaunt man noch über die große Polizei der Vorsicht, die auch in der Geisterwelt ihre Blindschleichen und Taranteln zur Ausfuhr des Gifts besoldet – Aber (indem seine Wuth sich erneuert) an meine Blume soll mir das Ungeziefer nicht kriechen, oder ich will es (den Marschall fassend und unsanft herumschüttelnd) so, und so, und wieder so durcheinander quetschen.

Hofmarschall (für sich hinseufzend). O mein Gott! Wer hier weg wäre!

Hundert Meilen von hier, im Bicêtre zu Paris, nur bei Diesem nicht!

Ferdinand. Bube! Wenn sie nicht rein mehr ist? Bube! wenn du genossest, wo ich anbetete? (wüthender) Schwelgtest, wo ich einen Gott mich fühlte. (Plötzlich schweigt er, darauf fürchterlich.) Dir wäre besser, Bube, du flöhest der Hölle zu, als daß dir mein Zorn im Himmel begegnete! – Wie weit kamst du mit dem Mädchen? Bekenne!

Hofmarschall. Lassen Sie mich los. Ich will Alles verrathen.

Ferdinand. O! es muß reizender sein, mit diesem Mädchen zu buhlen, als mit andern noch so himmlisch zu schwärmen – Wollte sie ausschweifen, wollte sie, sie könnte den Werth der Seele herunterbringen und die Tugend mit der Wollust verfälschen. (Dem Marschall die Pistole aufs Herz drückend.) Wie weit kamst du mit ihr? Ich drücke ab, oder bekenne!

Hofmarschall. Es ist nichts – ist ja Alles nichts. Haben Sie nur eine Minute Geduld. Sie sind ja betrogen.

Ferdinand. Und daran mahnst du mich, Bösewicht? – Wie weit kamst du mit ihr? Du bist des Todes, oder bekenne!

Hofmarschall. Mon Dieu! Mein Gott! Ich spreche ja – so hören Sie doch nur – Ihr Vater – Ihr eigener, leiblicher Vater-Ferdinand (grimmiger). Hat seine Tochter an dich verkuppelt? Und wie weit kamst du mit ihr? Ich ermorde dich, oder bekenne!

Hofmarschall. Sie rasen. Sie hören nicht. Ich sah sie nie. Ich kenne sie nicht. Ich weiß gar nichts von ihr.

Ferdinand (zurücktretend). Du sahst sie nie? Kennst sie nicht? Weißt gar nichts von ihr? – Die Miller ist ist verloren um deinetwillen; die leugnest sie dreimal in einem Athem hinweg? – Fort, schlechter Kerl! (Er gibt ihm mit der Pistole einen Streich und stößt ihn aus dem Zimmer.) Für deines Gleichen ist kein Pulver erfunden!

Vierte Scene

Ferdinand nach einem langen Stillschweigen, worin seine Züge einen schrecklichen Gedanken entwickeln.

Verloren! ja, Unglückselige! – Ich bin es. Du bist es auch. Ja, bei dem großen Gott! wenn ich verloren bin, bist du es auch! Richter der Welt! Fordre sie mir nicht ab! Das Mädchen ist mein. Ich trat dir deine ganze Welt für das Mädchen ab, habe Verzicht gethan auf deine ganze herrliche Schöpfung. Laß mir das Mädchen. – Richter der Welt! dort winseln Millionen Seelen nach dir – dorthin kehre das Auge deines Erbarmens – mich laß allein machen, Richter der Welt! (Indem er schrecklich die Hände faltet.) Sollte der reiche, vermögende Schöpfer mit einer Seele geizen, die noch dazu die schlechteste seiner Schöpfung ist? – Das Mädchen ist mein! Ich einst ihr Gott, jetzt ihr Teufel!

(Die Augen graß in einen Winkel geworfen.)

Eine Ewigkeit mit ihr auf ein Rad der Verdammniß geflochten – Augen in Augen wurzelnd – Haare zu Berge stehend gegen Haare – auch unser hohles Wimmern in eins geschmolzen – und jetzt zu wiederholen meine Zärtlichkeiten und jetzt ihr vorzusingen ihre Schwüre – Gott! Gott!

die Vermählung ist fürchterlich – aber ewig! (Er will schnell hinaus.

Der Präsident tritt herein.)

Fünfte Scene

Der Präsident und Ferdinand.

Ferdinand (zurücktretend). O! – mein Vater!

Präsident. Sehr gut, daß wir uns finden, mein Sohn. Ich komme, dir etwas Angenehmes zu verkündigen, und etwas, lieber Sohn, das dich ganz gewiß überraschen wird. Wollen wir uns setzen?

Ferdinand (sieht ihn lange Zeit starr an). Mein Vater! (Mit stärkerer Bewegung zu ihm gehend und seine Hand fassend.) Mein Vater! (Seine Hand küssend, vor ihm niederfallend.) O mein Vater!

Präsident. Was ist dir, mein Sohn? Steh auf. Deine Hand brennt und zittert.

Ferdinand (mit wilder, feuriger Empfindung). Verzeihung für meinen Undank, mein Vater! Ich bin ein verworfener Mensch. Ich habe Ihre Güte mißkannt! Sie meinten es mit mir so väterlich! – O! Sie hatten eine weissagende Seele – jetzt ist's zu spät – Verzeihung! Verzeihung!

Ihren Segen, mein Vater!

Präsident (heuchelt eine schuldlose Miene). Steh auf, mein Sohn!

Besinne dich, daß du mir Räthsel sprichst.

Ferdinand. Diese Millerin, mein Vater – O, Sie kennen den Menschen – Ihre Wuth war damals so gerecht, so edel, so väterlich warm – nur verfehlte der warme Vatereifer des Weges – diese Millerin!

Präsident. Martre mich nicht, mein Sohn. Ich verfluche meine Härte!

Ich bin gekommen, dir abzubitten.

Ferdinand. Abbitten an mir! Verfluchen an mir! – Ihre Mißbilligung war Weisheit. Ihre Härte war himmlisches Mitleid – Diese Millerin, Vater-Präsident. Ist ein edles, ein liebes Mädchen. – Ich widerrufe meinen übereilten Verdacht. Sie hat meine Achtung erworben.

Ferdinand (springt erschüttert auf). Was? auch Sie? – Vater! auch Sie? – und nicht wahr, mein Vater, ein Geschöpf wie die Unschuld? – Und es ist so menschlich, dieses Mädchen zu lieben?

Präsident. Sage so: es ist Verbrechen, sie nicht zu lieben.

Ferdinand. Unerhört! Ungeheuer! – Und Sie schauen ja doch sonst die Herzen so durch! Sahen sie noch dazu mit Augen des Hasses! – Heuchelei ohne Beispiel – Diese Millerin, Vater-Präsident. Ist es werth, meine Tochter zu sein. Ich rechne ihre Tugend für Ahnen und ihre Schönheit für Gold. Meine Grundsätze weichen deiner Liebe – Sie sei dein!

Ferdinand (stürzt fürchterlich aus dem Zimmer). Das fehlte noch!

– Leben Sie wohl, mein Vater. (Ab.)

Präsident (ihm nachgehend). Bleib! Bleib! Wohin stürmst du? (Ab.)

Sechste Scene

Ein prächtiger Saal bei der Lady.

Lady und Sophie treten herein.

Lady. Also sahst du sie? Wird sie kommen?

Sophie. Diesen Augenblick. Sie war noch im Hausgewand und wollte sich nur in der Geschwindigkeit umkleiden.

Lady. Sage mir nichts von ihr – Stille – wie eine Verbrecherin zittre ich, die Glückliche zu sehen, die mit meinem Herzen so schrecklich harmonisch fühlt – Und wie nahm sie sich bei der Einladung?

Sophie. Sie schien bestürzt, wurde nachdenkend, sah mich mit großen Augen an und schwieg. Ich hatt mich schon auf ihre Ausflüchte vorbereitet, als sie mit einem Blick, der mich ganz überraschte, zur Antwort gab: Ihre Dame befiehlt mir, was ich mir morgen erbitten wollte.

Lady (sehr unruhig). Laß mich, Sophie. Beklage mich. Ich muß erröthen, wenn sie nur das gewöhnliche Weib ist, und wenn sie mehr ist, verzagen.

Sophie. Aber, Milady – das ist die Laune nicht, eine Nebenbuhlerin zu empfangen. Erinnern Sie sich, wer Sie sind. Rufen Sie Ihre Geburt, Ihren Rang, Ihre Macht zu Hilfe. Ein stolzeres Herz muß die stolze Pracht Ihres Anblicks erheben.

Lady (zerstreut). Was schwatzt die Närrin da?

Sophie (boshaft). Oder ist es vielleicht Zufall, daß eben heute die kostbarsten Brillanten an Ihnen blitzen? Zufall, daß eben heute der reichste Stoff Sie bekleiden muß – daß Ihre Antichambre von Heiducken und Pagen wimmelt und das Bürgermädchen im fürstlichen Saal Ihres Palastes erwartet wird?

Lady (auf und ab voll Erbitterung). Verwünscht! Unerträglich! Daß Weiber für Weiberschwächen solche Luchsaugen haben! – Aber wie tief, wie tief muß ich schon gesunken sein, daß eine solche Creatur mich ergründet!

Ein Kammerdiener (tritt auf). Mamsell Millerin-Lady (zu Sophien). Hinweg, du! Entferne dich! (Drohend, da diese noch zaudert.) Hinweg! Ich befehl' es! (Sophie geht ab, Lady macht einen Gang durch den Saal.) Gut! Recht gut, daß ich in Wallung kam! Ich bin, wie ich wünschte! (Zum Kammerdiener.) Die Mamsell mag hereintreten. (Kammerdiener geht. Sie wirft sich in den Sopha und nimmt eine vornehm-nachlässige Lage an.)

Siebente Scene

Luise Millerin tritt schüchtern herein und bleibt in einer großen Entfernung von der Lady stehen; Lady hat ihr den Rücken zugewandt und betracht sie eine Zeit lang aufmerksam in dem gegenüber stehenden Spiegel. (Nach einer Pause.)

Luise. Gnädige Frau, ich erwarte Ihre Befehle.

Lady (dreht sich nach Luisen um und nickt nur eben mit dem Kopfe, fremd und zurückgezogen). Aha! Ist Sie hier? – Ohne Zweifel die Mamsell – eine gewisse – wie nennt man Sie doch?

Luise (etwas empfindlich). Miller nennt sich mein Vater, und Ihro Gnaden schickten nach seiner Tochter.

Lady. Recht! Recht! ich entsinne mich – die arme Geigerstochter, wovon neulich die Rede war. (Nach einer Pause vor sich.) Seht interessant, und doch keine Schönheit – (Laut zu Luisen.) Treten Sie näher, mein Kind. (Wieder vor sich.) Augen, die sich im Weinen übten – Wie lieb' ich sie, diese Augen! (Wiederum laut.) Nur näher – Nur ganz nah – Gutes Kind, ich glaube, du fürchtest mich?

Luise (groß, mit entschiedenem Ton). Nein, Milady. Ich verachte das Urtheil der Menge.

Lady (vor sich). Sieh doch! und diesen Trotzkopf hat sie von ihm. (Laut.) Man hat Sie mir empfohlen, Mamsell. Sie soll was gelernt haben und sonst auch zu leben wissen – Nun ja. Ich will's glauben – auch nähm' ich die ganze Welt nicht, einen so warmen Fürsprecher Lügen zu strafen.

Luise. Doch kenn' ich Niemand, Milady, der sich Mühe gäbe, mir eine Patronin zu suchen.

Lady (geschraubt). Mühe um die Clientin oder Patronin?

Luise. Das ist mir zu hoch, gnädige Frau.

Lady. Mehr Schelmerei, als diese offene Bildung vermuthen läßt!

Luise nennt sie sich? Und wie jung, wenn man fragen darf?

Luise. Sechzehn gewesen.

Lady (steht rasch auf). Nun ist's heraus! Sechzehn Jahre! Der erste Puls dieser Leidenschaft! – Auf dem unberührten Clavier der erste einweihende Silberton – Nichts ist verführender – Setz dich, ich bin dir gut, liebes Mädchen – Und auch er liebt zum ersten Mal – Was Wunder, wenn sich die Strahlen eines Morgenroths finden? (Sehr freundlich und ihre Hand ergreifend.) Es bleibt dabei, ich will dein Glück machen, Liebe – Nichts, nichts als die süße, frühe verfliegende Träumerei. (Luisen auf die Wange klopfend.) Meine Sophie heirathet. Du sollst ihre Stelle haben – Sechzehn Jahr! Es kann nicht von Dauer sein.

Luise (küßt ihr ehrerbietig die Hand). Ich danke für diese Gnade, Milady, als wenn ich sie annehmen dürfte.

Lady (in Entrüstung zurückfallend). Man sehe die große Dame! – Sonst wissen sich Jungfern Ihrer Herkunft noch glücklich, wenn sie Herrschaften finden – Wo will denn Sie hinaus, meine Kostbare? Sind diese Finger zur Arbeit zu niedlich? Ist es Ihr Bischen Gesicht, worauf Sie so trotzig thut?

Luise. Mein Gesicht, gnädige Frau, gehört mir so wenig, als meine Herkunft.

Lady. Oder glaubt Sie vielleicht, das werde nimmer ein Ende nehmen? – Armes Geschöpf, wer dir das in den Kopf setzte – mag er sein, wer er will – er hat euch Beide zum Besten gehabt. Diese Wangen sind nicht im Feuer vergoldet. Was dir dein Spiegel für massiv und ewig verkauft, ist nur ein dünner, angeflogener Goldschaum, der deinem Anbeter über kurz oder lang in der Hand bleiben muß – Was werden wir dann machen?

Luise. Den Anbeter bedauern, Milady, der einen Demant kaufte, weil er in Gold schien gefaßt zu sein.

Lady (ohne darauf achten zu wollen). Ein Mädchen von Ihren Jahren hat immer zween Spiegel zugleich, den wahren und ihren Bewunderer – die gefällige Geschmeidigkeit des letztern macht die rauhe Offenherzigkeit des erstern wieder gut. Der eine rügt eine häßliche Blatternarbe. Weit gefehlt, sagt der andere, es ist ein Grübchen der Grazien. Ihr guten Kinder glaubt jenem nur, was euch dieser gesagt hat, hüpft von einem zum andern, bis ihr zuletzt die Aussagen beider verwechselt – Warum begaffen Sie mich so?

Luise. Verzeihen Sie, gnädige Frau – Ich war so eben im Begriff, diesen prächtig blitzenden Rubin zu beweinen, der es nicht wissen muß, daß seine Besitzerin so scharf wider Eitelkeit eifert.

Lady (erröthend). Keinen Seitensprung, Lose! – Wenn es nicht die Promessen Ihrer Gestalt sind, was in der Welt könnte Sie abhalten, einen Stand zu erwählen, der der einzige ist, wo Sie Manieren und Welt lernen kann, der einzige ist, wo Sie sich Ihrer bürgerlichen Vorurtheile entledigen kann?

Luise. Auch meiner bürgerlichen Unschuld, Milady?

Lady. Läppischer Einwurf! Der ausgelassenste Bube ist zu verzagt, uns etwas Beschimpfendes zuzumuthen, wenn wir ihm nicht selbst ermunternd entgegen gehn. Zeige Sie, wer Sie ist. Gebe Sie sich Ehre und Würde, und ich sage Ihrer Jugend für alle Versuchung gut.

Luise. Erlauben Sie, gnädige Frau, daß ich mich unterstehe, daran zu zweifeln. Die Paläste gewisser Damen sind oft die Freistätten der frechsten Ergötzlichkeit. Wer sollte der Tochter des armen Geigers den Heldenmuth zutrauen, den Heldenmuth, mitten in die Pest sich zu werfen und doch dabei vor der Vergiftung zu schaudern? Wer sollte sich träumen lassen, daß Lady Milford ihrem Gewissen einen ewigen Skorpion halte, daß sie Geldsummen aufwende, um den Vortheil zu haben, jeden Augenblick schamroth zu werden? – Ich bin offenherzig, gnädige Frau – Würde Sie mein Anblick ergötzen, wenn Sie einem Vergnügen entgegen gingen? Würden Sie ihn ertragen, wenn Sie zurückkämen? – O besser, besser, Sie lassen Himmelsstriche uns trennen – Sie lassen Meere zwischen uns fließen! – Sehen Sie sich wohl für, Milady – Stunden der Nüchternheit, Augenblicke der Erschöpfung könnten sich melden – Schlangen der Reue könnten Ihren Busen anfallen, und nun – welche Folter für Sie, im Gesicht Ihres Dienstmädchens die heitre Ruhe zu lesen, womit die Unschuld ein reines Herz zu belohnen pflegt. (Sie tritt einen Schritt zurück.) Noch einmal, gnädige Frau. Ich bitte sehr um Vergebung.

Lady (in großer innrer Bewegung herumgehend). Unerträglich, daß sie mir das sagt! Unerträglicher, daß sie Recht hat! (Zu Luisen tretend und ihr starr in die Augen sehend.) Mädchen, du wirst mich nicht überlisten. So warm sprechen Meinungen nicht. Hinter diesen Maximen lauert ein feurigeres Interessen, das dir meine Dienste besonders abscheulich malt – das dein Gespräch so erhitzte – das ich (drohend) entdecken muß.

Luise (gelassen und edel). Und wenn Sie es nun entdeckten? Und wenn Ihr verächtlicher Fersenstoß den beleidigten Wurm aufweckte, dem sein Schöpfer gegen Mißhandlung noch einen Stachel gab? – Ich fürchte Ihre Rache nicht, Lady – Die arme Sünderin auf dem berüchtigten Henkerstuhl lacht zum Weltuntergang. Mein Elend ist so hoch gestiegen, daß selbst Aufrichtigkeit es nicht mehr vergrößern kann. (Nach einer Pause sehr ernsthaft.) Sie wollen mich aus dem Staub meiner Herkunft reißen. Ich will sie nicht zergliedern, diese verdächtige Gnade. Ich will nur fragen, was Milady bewegen konnte, mich für die Thörin zu halten, die über ihre Herkunft erröthet? Was sie berechtigen konnte, sich zur Schöpferin meines Glücks aufzuwerfen, ehe sie noch wußte, ob ich mein Glück auch von ihren Händen empfangen wollte? – Ich hatte meinen ewigen Anspruch auf die Freuden der Welt zerrissen. Ich hatte dem Glück seine Übereilung vergeben – Warum mahnen Sie mich aufs Neu an dieselbe? – Wenn selbst die Gottheit dem Blick der Erschaffenen ihre Strahlen verbirgt, daß nicht ihr oberster Seraph vor seiner Verfinsterung zurückschaure – warum wollen Menschen so grausam-barmherzig sein? – Wie kommt es, Milady, daß Ihr gepriesenes Glück das Elend so gern um Neid und Bewunderung anbettelt? – Hat Ihre Wonne die Verzweiflung so nöthig zur Folie? – O lieber! so gönnen Sie mir doch eine Blindheit, die mich allein noch mit meinem barbarischen Loos versöhnt – Fühlt sich doch das Insekt in einem Tropfen Wassers so selig, als wär' es ein Himmelreich, so froh und so selig, bis man ihm von einem Weltmeer erzählt, worin Flotten und Wallfische spielen! – Aber glücklich wollen Sie mich ja wissen? (Nach einer Pause plötzlich zur Lady hintretend und mit Überraschung fragend:) Sind Sie glücklich, Milady? (Diese verläßt sie schnell und betroffen, Luise folgt ihr und hält ihr die Hand vor den Busen.) Hat dieses Herz auch die lachende Gestalt Ihres Standes? Und wenn wir jetzt Brust gegen Brust und Schicksal gegen Schicksal auswechseln sollten – und wenn ich in kindlicher Unschuld – und wenn ich auf Ihr Gewissen – und wenn ich als meine Mutter Sie fragte – würden Sie mir wohl zu dem Tausche rathen?

Lady (heftig bewegt in den Sopha sich werfend). Unerhört! Unbegreiflich! Nein, Mädchen! Nein! Diese Größe hast du nicht auf die Welt gebracht, und für einen Vater ist sie zu jugendlich. Lüge mir nicht. Ich höre einen andern Lehrer-Luise (fein und scharf ihr in die Augen sehend). Es sollte mich doch wundern, Milady, wenn Sie jetzt erst auf diesen Lehrer fielen, und doch vorhin schon eine Condition für mich wußten.

Lady (springt auf). Es ist nicht auszuhalten! – Ja denn! weil ich dir doch nicht entwischen kann. Ich kenn' ihn – weiß Alles – weiß mehr, als ich wissen mag. (Plötzlich hält sie inne, darauf mit einer Heftigkeit, die nach und nach bis beinahe zum Toben steigt.) Aber wag' es, Unglückliche – wag' es, ihn jetzt noch zu lieben oder von ihm geliebt zu werden – Was sage ich? – Wag' es, an ihn zu denken oder einer von seinen Gedanken zu sein – Ich bin mächtig, Unglückliche – fürchterlich – so wahr Gott lebt! Du bist verloren!

Luise (standhaft). Ohne Rettung, Milady, sobald Sie ihn zwingen, daß er Sie lieben muß.

Lady. Ich verstehe dich – aber er soll mich nicht lieben. Ich will über diese schimpfliche Leidenschaft siegen, mein Herz unterdrücken und das deinige zermalmen – Felsen und Abgründe will ich zwischen euch werfen; eine Furie will ich mitten durch euren Himmel gehen; mein Name soll eure Küsse, wie ein Gespenst Verbrecher, auseinander scheuchen; deine junge blühende Gestalt unter seiner Umarmung welk, wie eine Mumie, zusammenfallen – Ich kann nicht mit ihm glücklich werden – aber du sollst es auch nicht werden – Wisse das, Elende! Seligkeit zerstören ist auch Seligkeit.

Luise. Eine Seligkeit, um die man Sie schon gebracht hat, Milady. Lästern Sie Ihr eigenes Herz nicht. Sie sind nicht fähig, Das auszuüben, was Sie so drohend auf mich herabschwören. Sie sind nicht fähig, ein Geschöpf zu quälen, das Ihnen nichts zu Leide gethan, als daß es empfunden hat wie Sie – Aber ich liebe Sie um dieser Wallung willen, Milady.

Luise (die sich jetzt gefaßt hat). Wo bin ich? Wo war ich? Was hab' ich merken lassen? Wen hab' ich's merken lassen? – O Luise, edle, große, göttliche Seele! Vergib's einer Rasenden – Ich will dir kein Haar kränken, mein Kind. Wünsche! Fordre! Ich will dich auf den Händen tragen, deine Freundin, deine Schwester will ich sein – Du bist arm – Sieh! (Einige Brillanten herunternehmend.) Ich will diesen Schmuck verkaufen – meine Garderobe, Pferd und Wagen verkaufen – Dein sei Alles, aber entsag' ihm!

Luise (tritt zurück voll Befremdung). Spottet sie einer Verzweifelnden, oder sollte sie an der barbarischen That im Ernst keinen Antheil gehabt haben? – Ha! So könnt' ich mir ja noch den Schein einer Heldin geben und meine Ohnmacht zu einem Verdienst aufputzen. (Sie steht eine Weile gedankenvoll, dann tritt sie näher zur Lady, faßt ihre Hand und sieht sie starr und bedeutend an.) Nehmen Sie ihn denn hin, Milady! – Freiwillig tret' ich Ihnen ab den Mann, den man mit Haken der Hölle von meinem blutenden Herzen riß. – Vielleicht wissen Sie es selbst nicht, Milady, aber Sie haben den Himmel zweier Liebenden geschleift, von einander gezerrt zwei Herzen, die Gott aneinander band; zerschmettert ein Geschöpf, das ihm nahe ging wie Sie, das er zur Freude schuf wie Sie, das ihn gepriesen hat wie Sie, und ihn nun nimmermehr preisen wird – Lady! ins Ohr des Allwissenden schreit auch der letzte Krampf des zertretenen Wurms – Es wird ihm nicht gleichgültig sein, wenn man Seelen in seinen Händen mordet! Jetzt ist er Ihnen! Jetzt, Milady, nehmen Sie ihn hin! Rennen Sie in seine Arme! Reißen Sie ihn zum Altar – Nur vergessen Sie nicht, daß zwischen Ihren Brautkuß das Gespenst einer Selbstmörderin stürzen wird – Gott wird barmherzig sein – Ich kann mir nicht anders helfen! (Sie stürzt hinaus.)

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 ekim 2017
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