Kitabı oku: «Maria Stuart / Мария Стюарт»

Yazı tipi:

Friedrich Schiller

Maria Stuart

* * *

© ООО «Издательство АСТ», 2024

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Maria Stuart
Trauerspiel in fünf Aufzügen

Personen

Elisabeth,

Königin von England

Maria Stuart,

Königin von Schottland, Gefangne in England

Robert Dudley,

Graf von Leicester

Georg Talbot,

Graf von Shrewsbury

Wilhelm Cecil,

Baron von Burleigh, Großschatzmeister

Graf von Kent

Wilhelm Davison,

Staatssekretär

Amias Paulet,

Ritter, Hüter der Maria

Mortimer,

sein Neffe

Graf Aubespine,

französischer Gesandter

Graf Bellievre,

außerordentlicher Botschafter von Frankreich

Okelly,

Mortimers Freund

Drugeon Drury,

zweiter Hüter der Maria

Melvil,

ihr Haushofmeister

Burgoyn,

ihr Arzt

Hanna Kennedy,

ihre Amme

Margareta Kurl,

ihre Kammerfrau

Sheriff

der Grafschaft

Offizier der Leibwache

Französische und englische Herren

Trabanten

Hofdiener

der Königin von England

Diener und Dienerinnen

der Königin von Schottland

Erster Aufzug

Im Schloß zu Fotheringhay. – Ein Zimmer.

Erster Auftritt

Hanna Kennedy, Amme der Königin von Schottland, in heftigem Streit mit Paulet, der im Begriff ist, einen Schrank zu öffnen. Drugeon Drury, sein Gehilfe, mit Brecheisen.


Kennedy.

 
Was macht Ihr, Sir? Welch neue Dreistigkeit!
Zurück von diesem Schrank!
 

Paulet.

 
Wo kam der Schmuck her?
Vom obern Stock ward er herabgeworfen,
Der Gärtner hat bestochen werden sollen
Mit diesem Schmuck – Fluch über Weiberlist!
Trotz meiner Aufsicht, meinem scharfen Suchen
Noch Kostbarkeiten, noch geheime Schätze!
 

(Sich über den Schrank machend.)

 
Wo das gesteckt hat, liegt noch mehr!
 

Kennedy.

 
Zurück, Verwegener!
Hier liegen die Geheimnisse der Lady.
 

Paulet.

 
Die eben such ich.
 

(Schriften hervorziehend.)

Kennedy.

 
Unbedeutende
Papiere, bloße Übungen der Feder,
Des Kerkers traur’ge Weile zu verkürzen.
 

Paulet.

 
In müß’ger Weile schafft der böse Geist.
 

Kennedy.

 
Es sind französische Schriften.
 

Paulet.

 
Desto schlimmer!
Die Sprache redet Englands Feind.
 

Kennedy.

 
Konzepte
Von Briefen an die Königin von England.
 

Paulet.

 
Die überlief’r ich – Sieh! Was schimmert hier?
 

(Er hat einen geheimen Ressort geöffnet und zieht aus einem verborgenen Fach Geschmeide hervor.)

 
Ein königliches Stirnband, reich an Steinen,
Durchzogen mit den Lilien von Frankreich!
 

(Er gibt es seinem Begleiter.)

 
Verwahrt’s, Drury. Legt’s zu dem übrigen!
 

(Drury geht ab.)

Kennedy.

 
O schimpfliche Gewalt, die wir erleiden!
 

Paulet.

 
Solang sie noch besitzt, kann sie noch schaden,
Denn alles wird Gewehr in ihrer Hand.
 

Kennedy.

 
Seid gütig, Sir. Nehmt nicht den letzten Schmuck
Aus unserem Leben weg! Die jammervolle
Erfreut der Anblick alter Herrlichkeit,
Denn alles andere habt Ihr uns entrissen.
 

Paulet.

 
Es liegt in guter Hand. Gewissenhaft
Wird es zu seiner Zeit zurückgegeben!
 

Kennedy.

 
Wer sieht es diesen kahlen Wänden an,
Daß eine Königin hier wohnt? Wo ist
Die Himmeldecke über ihrem Sitz?
Muß sie den zärtlich weichgewöhnten Fuß
Nicht auf gemeinen rauhen Boden setzen?
Mit groben Zinn – die schlechtste Edelfrau
Würd’ es verschmähn – bedient man ihre Tafel.
 

Paulet.

 
So speiste sie zu Sterlyn ihren Gatten,
Da sie aus Gold mit ihrem Buhlen trank.
 

Kennedy.

 
Sogar des Spiegels kleine Notdurft mangelt.
 

Paulet.

 
Solang sie noch ihr eitles Bild beschaut,
Hört sie nicht auf, zu hoffen und zu wagen.
 

Kennedy.

 
An Büchern fehlt’s, den Geist zu unterhalten
 

Paulet.

 
Die Bibel ließ man ihr, das Herz zu bessern.
 

Kennedy.

 
Selbst ihre Laute ward ihr weggenommen.
 

Paulet.

 
Weil sie verbuhlte Lieder drauf gespielt.
 

Kennedy.

 
Ist das ein Schicksal für die Weicherzogne,
Die in der Wiege Königin schon war,
Am üpp’gen Hof der Mediceerin
In jeder Freuden Fülle aufgewachsen!
Es sei genug, daß man die Macht ihr nahm,
Muß man die armen Flitter ihr mißgönnen?
In großes Unglück lehrt ein edles Herz
Sich endlich finden, aber wehe tut’s,
Des Lebens kleine Zierden zu entbehren.
 

Paulet.

 
Sie wenden nur das Herz dem Eiteln zu,
Das in sich gehen und bereuen soll.
Ein üppig lastervolles Leben büßt sich
in Mangel und Erniedrigung allein.
 

Kennedy.

 
Wenn ihre zarte Jugend sich verging,
Mag sie’s mit Gott abtun und ihrem Herzen —
In England ist kein Richter über sie.
 

Paulet.

 
Sie wird gerichtet, wo sie frevelte.
 

Kennedy.

 
Zum Freveln fesseln sie zu enge Banden.
 

Paulet.

 
Doch wußte sie aus diesen engen Banden
Den Arm zu recken in die Welt, die Fackel
Des Bürgerkrieges in das Reich zu schleudern
Und gegen unsere Königin, die Gott
Erhalte, Meuchelrotten zu bewaffnen.
Erregte sie aus diesen Mauern nicht
Den Bösewicht Parry und den Babington
Zu der verfluchten Tat des Königsmords?
Hielt dieses Eisengitter sie zurück,
Das edle Herz des Norfolk zu umstricken?
Für sie geopfert fiel das beste Haupt
Auf dieser Insel unterm Henkerbeil —
Und schreckte dieses jammervolle Beispiel
Die Rasenden zurück, die sich wetteifernd
Um ihrentwillen in den Abgrund stürzen?
Die Blutgerüste füllen sich für sie
Mit immer neuen Todesopfern an,
Und das wird nimmer enden, bis sie selbst,
Die Schuldigste, darauf geopfert ist.
– O Fluch dem Tag, da dieses Landes Küste
Gastfreundlich diese Helena empfing.
 

Kennedy.

 
Gastfreundlich hätte England sie empfangen?
Die Unglückselige, die seit dem Tag,
Da sie den Fuß gesetzt in dieses Land,
Als eine Hilfeflehende, Vertriebne
Bei der Verwandten Schutz zu suchen kam,
Sich wider Völkerrecht und Königswürde
Gefangen sieht, in enger Kerkerhaft
Der Jugend schöne Jahre muß vertrauern —
Die jetzt, nachdem sie alles hat erfahren,
Was das Gefängnis Bittres hat, gemeinen
Verbrechern gleich, vor des Gerichtes Schranken
Gefordert wird und schimpflich angeklagt
Auf Leib und Leben – eine Königin!
 

Paulet.

 
Sie kam ins Land als eine Mörderin,
Verjagt von ihrem Volk, des Throns entsetzt,
Den sie mit schwerer Greueltat geschändet.
Verschworen kam sie gegen Englands Glück,
Der spanischen Maria blut’ge Zeiten
Zurückzubringen, Engelland katholisch
Zu machen, an den Franzmann zu verraten.
Warum verschmähte sie’s, den Edinburger
Vertrag zu unterschreiben, ihren Anspruch
An England aufzugeben und den Weg
Aus diesem Kerker schnell sich aufzutun
Mit einem Federstrich? Sie wollte lieber
Gefangen bleiben, sich mißhandelt sehen,
Als dieses Titels leerem Prunk entsagen.
Weswegen tat sie das? Weil sie den Ränken
Vertraut, den bösen Künsten der Verschwörung,
Und unheilspinnend diese ganze Insel
Aus ihrem Kerker zu erobern hofft.
 

Kennedy.

 
Ihr spottet, Sir – Zur Härte fügt Ihr noch
den bittern Hohn! Sie hegte solche Träume,
Die hier lebendig eingemauert lebt,
Zu der kein Schall des Trostes, keine Stimme
Der Freundschaft aus der lieben Heimat dringt,
Die längst kein Menschenangesicht mehr schaute
Als ihrer Kerkermeister finstre Stirn,
Die erst seit kurzem einen neuen Wächter
Erhielt in eurem rauhen Anverwandten,
Von neuen Stäben sich umgittert sieht —
 

Paulet.

 
Kein Eisengitter schützt vor ihrer List.
Weiß ich, ob diese Stäbe nicht durchfeilt,
Nicht dieses Zimmers Boden, diese Wände,
Von außen fest, nicht hohl von innen sind
Und den Verrat einlassen, wenn ich schlafe?
Fluchvolles Amt, das mir geworden ist,
Die unheilbrütend Listige zu hüten.
Vom Schlummer jagt die Furcht mich auf, ich gehe
Nachts um, wie ein gequälter Geist, erprobe
Des Schlosses Riegel und der Wächter Treu’
Und sehe zitternd jeden Morgen kommen,
Der meine Furcht wahr machen kann. Doch wohl mir!
Wohl! Es ist Hoffnung, daß es bald nun endet.
Denn lieber möcht’ ich der Verdammten Schar
Wachstehend an der Höllenpforte hüten,
Als diese ränkevolle Königin.
 

Kennedy.

 
Da kommt sie selbst!
 

Paulet.

 
Den Christus in der Hand,
Die Hoffart und die Weltlust in dem Herzen.
 

Zweiter Auftritt

Maria im Schleier, ein Kruzifix in der Hand. Die Vorigen.


Kennedy(ihr entgegeneilend).

 
O Königin! Man tritt uns ganz mit Füßen,
Der Tyrannei, der Härte wird kein Ziel
Und jeder neue Tag häuft neue Leiden
Und Schmach auf dein gekröntes Haupt.
 

Maria.

 
Faß dich!
Sag an, was neu geschehen ist?
 

Kennedy.

 
Sieh her!
Dein Pult ist aufgebrochen, deine Schriften,
Dein einz’ger Schatz, den wir mit Müh gerettet,
Der letzte Rest von deinem Brautgeschmeide
Aus Frankreich ist in seiner Hand. Du hast nun
Nichts königliches mehr, bist ganz beraubt.
 

Maria.

 
Beruhige dich, Hanna. Diese Flitter machen
Die Königin nicht aus. Man kann uns niedrig
Behandeln, nicht erniedrigen. Ich habe
In England mich an viel gewöhnen lernen,
Ich kann auch das verschmerzen. Sir, Ihr habt euch
Gewaltsam zugeeignet, was ich euch
Noch heut zu übergeben willens war.
Bei diesen Schriften findet sich ein Brief,
Bestimmt für meine königliche Schwester
Von England – Gebt mir Euer Wort, daß Ihr
Ihn redlich an sie selbst wollt übergeben
Und nicht in Burleighs ungetreue Hand.
 

Paulet.

 
Ich werde mich bedenken, was zu tun ist.
 

Maria.

 
Ihr sollt den Inhalt wissen, Sir. Ich bitte
In diesem Brief um eine große Gunst —
Um eine Unterredung mit ihr selbst,
Die ich mit Augen nie gesehen – Man hat mich
Vor ein Gericht von Männern vorgefordert,
Die ich als meinesgleichen nicht erkennen,
Zu denen ich kein Herz mir fassen kann.
Elisabeth ist meines Stammes, meines
Geschlechts und Ranges – Ihr allein, der Schwester,
Der Königin, der Frau kann ich mich öffnen.
 

Paulet.

 
Sehr oft, Mylady, habt Ihr Euer Schicksal
Und Eure Ehre Männern anvertraut,
Die Eurer Achtung minder würdig waren.
 

Maria.

 
Ich bitte noch um eine zweite Gunst,
Unmenschlichkeit allein kann mir sie weigern.
Schon lange Zeit entbehr ich im Gefängnis
Der Kirche Trost, der Sakramente Wohltat.
Und die mir Kron’ und Freiheit hat geraubt,
Die meinem Leben selber droht, wird mir
Die Himmelstüre nicht verschließen wollen.
 

Paulet.

 
Auf Euren Wunsch wird der Dechant des Orts —
 

Maria(unterbricht ihn lebhaft).

 
Ich will nichts vom Dechanten. Einen Priester
Von meiner eigenen Kirche fordre ich.
– Auch Schreiber und Notarien verlang ich,
Um meinen letzten Willen aufzusetzen.
Der Gram, das lange Kerkerelend nagt
An meinem Leben. Meine Tage sind
Gezählt, befürcht ich, und ich achte mich
Gleich einer Sterbenden.
 

Paulet.

 
Das tut Ihr wohl,
Das sind Betrachtungen, die Euch geziemen.
 

Maria.

 
Und weiß ich, ob nicht eine schnelle Hand
Des Kummers langsames Geschäft beschleunigt?
Ich will mein Testament aufsetzen, will
Verfügung treffen über das, was mein ist.
 

Paulet.

 
Die Freiheit habt Ihr. Englands Königin
Will sich mit Eurem Raube nicht bereichern.
 

Maria.

 
Man hat von meinen treuen Kammerfrauen,
Von meinen Dienern mich getrennt – Wo sind sie?
Was ist ihr Schicksal? Ihrer Dienste kann ich
Entraten, doch beruhigt will ich sein,
Daß die Getreun nicht leiden und entbehren.
 

Paulet.

 
Für Eure Diener ist gesorgt.
 

(Er will gehen.)

Maria.

 
Ihr geht, Sir? Ihr verlaßt mich abermals,
Und ohne mein geängstigt fürchtend Herz
Der Qual der Ungewißheit zu entladen.
Ich bin, dank Eurer Späher Wachsamkeit,
Von aller Welt geschieden, keine Kunde
Gelangt zu mir durch diese Kerkermauern,
Mein Schicksal liegt in meiner Feinde Hand.
Ein peinlich langer Monat ist vorüber,
Seitdem die vierzig Kommissarien
In diesem Schloß mich überfallen, Schranken
Errichtet, schnell, mit unanständiger Eile,
Mich unbereitet, ohne Anwalts Hilfe,
Vor ein noch nie erhört Gericht gestellt,
Auf schlaugefaßte schwere Klagepunkte
Mich, die Betäubte, Überraschte, flugs
Aus dem Gedächtnis Rede stehen lassen —
Wie Geister kamen sie und schwanden wieder.
Seit diesem Tage schweigt mir jeder Mund,
Ich such umsonst in Eurem Blick zu lesen,
Ob meine Unschuld, meiner Freunde Eifer,
Ob meiner Feinde böser Rat gesiegt.
Brecht endlich Euer Schweigen – laßt mich wissen,
Was ich zu fürchten, was zu hoffen habe.
 

Paulet (nach einer Pause).

 
Schließt Eure Rechnung mit dem Himmel ab.
 

Maria.

 
Ich hoffe auf seine Gnade, Sir – und hoffe
Auf strenges Recht von meinen ird’schen Richtern.
 

Paulet.

 
Recht soll Euch werden. Zweifelt nicht daran.
 

Maria.

 
Ist mein Prozeß entschieden, Sir?
 

Paulet.

 
Ich weiß nicht.
 

Maria.

 
Bin ich verurteilt?
 

Paulet.

 
Ich weiß nichts, Mylady.
 

Maria.

 
Man liebt hier rasch zu Werk zu gehen. Soll mich
Der Mörder überfallen, wie die Richter?
 

Paulet.

 
Denkt immerhin, es sei so, und er wird Euch
In beßrer Fassung dann, als diese, finden.
 

Maria.

 
Nichts soll mich in Erstaunen setzen, Sir,
Was ein Gerichtshof in Westminsterhall,
Den Burleighs Haß und Hattons Eifer lenkt,
Zu urteln sich erdreiste – Weiß ich doch,
Was Englands Königin wagen darf zu tun.
 

Paulet.

 
Englands Beherrscher brauchen nichts zu scheuen
Als ihr Gewissen und ihr Parlament.
Was die Gerechtigkeit gesprochen, furchtlos,
Vor aller Welt wird es die Macht vollziehn.
 

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Mortimer, Paulets Neffe, tritt herein und, ohne der Königin einige Aufmerksamkeit zu bezeugen, zu Paulet.


Mortimer.

 
Man sucht Euch, Oheim.
 

(Er entfernt sich auf ebendie Weise. Die Königin bemerkt es mit Unwillen und wendet sich zu Paulet, der ihm folgen will.)

Maria.

 
Sir, noch eine Bitte.
Wenn Ihr mir was zu sagen habt – von Euch
Ertrag ich viel, ich ehre Euer Alter.
Den Übermut den Jünglings trag ich nicht,
Spart mir den Anblick seiner rohen Sitten.
 

Paulet.

 
Was ihn Euch widrig macht, macht mir ihn wert.
Wohl ist es keiner von den weichen Toren,
Die eine falsche Weiberträne schmelzt —
Er ist gereist, kommt aus Paris und Reims
Und bringt sein treu altenglisch Herz zurück:
Lady, an dem ist Eure Kunst verloren!
 

(Geht ab.)

Vierter Auftritt

Maria. Kennedy.


Kennedy.

 
Darf Euch der Rohe das ins Antlitz sagen!
Oh, es ist hart!
 

Maria (in Nachdenken verloren).

 
Wie haben in den Tagen unsers Glanzes
Dem Schmeichler ein zu willig Ohr geliehn;
Gerecht ist’s, gute Kennedy, daß wir
Des Vorwurfs ernste Stimme nun vernehmen.
 

Kennedy.

 
Wie? so gebeugt, so mutlos, teure Lady?
Wart Ihr doch sonst so froh, Ihr pflegtet mich zu trösten,
Und eher mußt’ ich Euren Flattersinn
Als Eure Schwermut schelten.
 

Maria.

 
Ich erkenn ihn.
Es ist der blut’ge Schatten König Darnleys,
Der zürnend aus dem Gruftgewölbe steigt,
Und er wird nimmer Friede mit mir machen,
Bis meines Unglücks Maß erfüllet ist.
 

Kennedy.

 
Was für Gedanken —
 

Maria.

 
Du vergissest, Hanna —
Ich aber habe ein getreu Gedächtnis —
Der Jahrestag dieser unglückseligen Tat
Ist heute abermals zurückgekehrt,
Er ist’s, den ich mit Buß’ und Fasten feire.
 

Kennedy.

 
Schickt endlich diesen bösen Geist zur Ruh’.
Ihr habt die Tat mit jahrelanger Reu’,
Mit schweren Leidensproben abgebüßt.
Die Kirche, die den Löseschlüssel hat
Für jede Schuld, der Himmel hat vergeben.
 

Maria.

 
Frischblutend steigt die längst vergebne Schuld
Aus ihrem leichtbedeckten Grab empor!
Des Gatten racheforderndes Gespenst
Schickt keines Messedieners Glocke, kein
Hochwürdiges in Priesters Hand zur Gruft.
 

Kennedy.

 
Nicht Ihr habt ihn gemordet! Andre taten’s!
 

Maria.

 
Ich wußte drum. Ich ließ die Tat geschehn
Und lockt’ ihn schmeicheln in das Todesnetz.
 

Kennedy.

 
Die Jugend mildert Eure Schuld. Ihr wart
So zarten Alters noch.
 

Maria.

 
So zart – und lud
Die schwere Schuld auf mein so junges Leben.
 

Kennedy.

 
Ihr wart durch blutige Beleidigung
Gereizt und durch des Mannes Übermut,
Den Eure Liebe aus der Dunkelheit,
Wie eine Götterhand, hervorgezogen,
Den Ihr durch Euer Brautgemach zum Throne
Geführt, mit Eurer blühenden Person
Beglückt und Eurer angestammten Krone.
Konnt’ er vergessen, daß sein prangend Los
Der Liebe großmutsvolle Schöpfung war?
Und doch vergaß er’s, der Unwürdige!
Beleidigte mit niedrigem Verdacht,
Mit rohen Sitten Eure Zärtlichkeit,
Und widerwärtig wurd’ er Euren Augen.
Der Zauber schwand, der Euren Blick getäuscht,
Ihr floht erzürnt des Schändlichen Umarmung
Und gabt ihn der Verachtung preis – Und er —
Versucht’ er’s, Eure Gunst zurückzurufen?
Bat er um Gnade? Warf er sich bereuend
Zu Euren Füßen, Besserung versprechend?
Trotz bot Euch der Abscheuliche – Der Euer
Geschöpf war, Euren König wollt’ er spielen,
Vor Euren Augen ließ er Euch den Liebling,
Den schönen Sänger Rizzio, durchbohren —
Ihr rächtet blutig nur die blut’ge Tat.
 

Maria.

 
Und blutig wird sie auch an mir sich rächen,
Du sprichst mein Urteil aus, da du mich tröstest.
 

Kennedy.

 
Da Ihr die Tat geschehn ließt, wart Ihr nicht
Ihr selbst, gehörtet Euch nicht selbst. Ergriffen
Hatt’ Euch der Wahnsinn blinder Liebesglut,
Euch unterjocht dem furchtbaren Verführer,
Dem unglücksel’gen Bothwell – Über Euch
Mit übermüt’gem Männerwillen herrschte
Der Schreckliche, der Euch durch Zaubertränke,
Durch Höllenkünste das Gemüt verwirrend,
Erhitzte —
 

Maria.

 
Seine Künste waren keine andre
Als seine Männerkraft und meine Schwachheit.
 

Kennedy.

 
Nein, sag ich. Alle Geister der Verdammnis
Mußt’ er zu Hilfe rufen, der dies Band
Um Eure hellen Sinne wob. Ihr hattet
Kein Ohr mehr für der Freundin Warnungsstimme,
Kein Aug’ für das, was wohlanständig war.
Verlassen hatte Euch die zarte Scheu
Der Menschen; Eure Wangen, sonst der Sitz
Schamhaft errötender Bescheidenheit,
Sie glühten nur vom Feuer des Verlangens.
Ihr warft den Schleier des Geheimnisses
Von Euch; des Mannes keckes Laster hatte
Auch Eure Blödigkeit besiegt, Ihr stelltet
Mit dreister Stirne Eure Schmach zur Schau.
Ihr ließt das königliche Schwert von Schottland
Durch ihn, den Mörder, dem des Volkes Flüche
Nachschallten, durch die Gassen Edinburgs
Vor Euch hertragen im Triumph, umringtet
Mit Waffen Euer Parlament, und hier,
Im eignen Tempel der Gerechtigkeit,
Zwangt Ihr mit frechem Possenspiel die Richter,
Den Schuldigen des Mordes loszusprechen —
Ihr gingt noch weiter – Gott!
 

Maria.

 
Vollende nur!
Und reicht’ ihm meine Hand vor dem Altare!
 

Kennedy.

 
O laßt ein ewig Schweigen diese Tat
Bedecken! Sie ist schauderhaft, empörend,
Ist einer ganz Verlornen wert – Doch Ihr seid keine
Verlorne – ich kenn Euch ja, ich bin’s,
Die Eure Kindheit auferzogen. Weich
Ist Euer Herz gebildet, offen ist’s
Der Scham – der Leichtsinn nur ist Euer Laster.
Ich wiederhol es, es gibt böse Geister,
Die in des Menschen unverwahrter Brust
Sich augenblicklich ihren Wohnplatz nehmen,
Die schnell in uns das Schreckliche begehn
Und, zu der Höll’ entfliehend, das Entsetzten
In dem befleckten Busen hinterlassen.
Seit dieser Tat, die Euer Leben schwärzt,
Habt Ihr nichts Lasterhaftes mehr begangen,
Ich bin ein Zeuge Eurer Besserung.
Drum fasset Mut! Macht Friede mit Euch selbst!
Was Ihr auch zu bereuen habt, in England
Seid Ihr nicht schuldig, nicht Elisabeth,
Nicht Englands Parlament ist Euer Richter.
Macht ist’s, die Euch hier unterdrückt; vor diesen
Anmaßlichen Gerichtshof dürft Ihr Euch
Hinstellen mit dem ganzen Mut der Unschuld.
 

Maria.

 
Wer kommt?
 

(Mortimer zeigt sich an der Türe.)

Kennedy.

 
Es ist der Neffe. Geht hinein.
 

Fünfter Auftritt

Die Vorigen. Mortimer scheu hereintretend.


Mortimer (zur Amme).

 
Entfernt Euch, haltet Wache vor der Tür,
Ich habe mit der Königin zu reden.
 

Maria (mit Ansehn).

 
Hanna, du bleibst.
 

Mortimer.

 
Habt keine Furcht, Mylady.
Lernt mich kennen.
 

(Er überreicht ihr eine Karte.)


Maria (sieht sie an und fährt bestürzt zurück).

 
Ha! Was ist das?
 

Mortimer (zur Amme).

 
Geht, Dame Kennedy.
Sorgt, daß mein Oheim uns nicht überfalle!
 

Maria (zur Amme, welche zaudert und die Königin fragend ansieht).

 
Geh! Geh! Tu, was er sagt.
 

(Die Amme entfernt sich mit Zeichen der Verwunderung.)

Sechster Auftritt

Mortimer. Maria.


Maria.

 
Von meinem Oheim,
Dem Kardinal von Lothringen, aus Frankreich!
(Liest.) »Traut dem Sir Mortimer, der Euch dies bringt,
Denn keinen treuern Freund habt Ihr in England.«
 

(Mortimer mit Erstaunen ansehend.)

 
Ist’s möglich? Ist’s kein Blendwerk, das mich täuscht?
So nahe find ich einen Freund und wähnte mich
Verlassen schon von aller Welt – find ihn
In Euch, dem Neffen meines Kerkermeisters,
In dem ich meinen schlimmsten Feind —
 

Mortimer (sich ihr zu Füßen werfend).

 
Verzeihung
Für diese verhaßte Larve, Königin,
Die mir zu tragen Kampf genug gekostet,
Doch der ich’s danke, daß ich mich Euch nahen,
Euch Hilfe und Errettung bringen kann.
 

Maria.

 
Steht auf – Ihr überrascht mich, Sir – Ich kann
So schnell nicht aus der Tiefe meines Elends
Zur Hoffnung übergehen – Redet, Sir —
Macht mir dies Glück begreiflich, daß ich’s glaube.
 

Mortimer (steht auf).

 
Die Zeit verrinnt. Bald wird mein Oheim hier sei,
Und ein verhaßter Mensch begleitet ihn.
Eh’ Euch ihr Schreckensauftrag überrascht,
Hört an, wie Euch der Himmel Rettung schickt.
 

Maria.

 
Er schickt sie durch ein Wunder seiner Allmacht!
 

Mortimer.

 
Erlaubt, daß ich von mir beginne.
 

Maria.

 
Redet, Sir!
 

Mortimer.

 
Ich zählte zwanzig Jahre, Königin,
In strengen Pflichten war ich aufgewachsen,
In finsterm Haß den Papsttums aufgesäugt,
Als mich die unbezwingliche Begierde
Hinaustrieb auf das feste Land. Ich ließ
Der Puritaner dumpfe Predigtstuben,
Die Heimat hinter mir, in schnellem Lauf
Durchzog ich Frankreich, das gepriesene
Italien mit heißem Wunsche suchend.
Es war die Zeit des großen Kirchenfests,
Von Pilgerscharen wimmelten die Wege,
Bekränzt war jedes Gottesbild, es war,
Als ob die Menschheit auf der Wandrung wäre,
Wallfahren nach dem Himmelreich – Mich selbst
Ergriff der Strom der glaubenvollen Menge
Und riß mich in das Weichbild Roms —
Wie ward mir, Königin!
Als mir der Säulen Pracht und Siegesbogen
Entgegenstieg, des Kolosseums Herrlichkeit
Den Staunenden umfing, ein hoher Bildnergeist
In seine heitre Wunderwelt mich schloß!
Ich hatte nie der Künste Macht gefühlt:
Es haßt die Kirche, die mich auferzog,
Der Sinne Reiz, kein Abbild duldet sie,
Allein das körperlose Wort verehrend.
Wie wurde mir, als ich ins Innre nun
Der Kirchen trat und die Musik der Himmel
Herunterstieg und der Gestalten Fülle
Verschwenderisch aus Wand und Decke quoll,
Das Herrlichste und Höchste, gegenwärtig,
Vor den entzückten Sinnen sich bewegte,
Als ich sie selbst nun sah, die Göttlichen,
Den Gruß des Engelsm, die Geburt des Herrn,
Die Heil’ge Mutter, die herabgestiegne
Dreifaltigkeit, die leuchtende Verklärung —
Als ich den Papst drauf sah in seiner Pracht
Das Hochamt halten und die Völker segnen.
O, was ist Goldes, was Juwelen Schein,
Womit der Erde Könige sich schmücken!
Nur er ist mit dem Göttlichen umgeben.
Ein wahrhaft Reich der Himmel ist sein Haus,
Denn nicht von dieser Welt sind diese Formen.
 

Maria.

 
O schonet mein! Nicht weiter.Höret auf,
Den frischen Lebensteppich vor mir aus
Zu breiten – Ich bin elend und gefangen.
 

Mortimer.

 
Auch ich war’s, Königin! und mein Gefängnis
Sprang auf, und frei auf einmal fühlte sich
Der Geist,den Lebens schönen Tag begrüßend.
Haß schwur ich nun dem engen dumpfen Buch,
Mit frischem Kranz die Schläfe mir zu schmücken,
Mich fröhlich an die Fröhlichen zu schließen.
Viel edle Schotten drängten sich an mich,
Und der Franzosen muntre Landsmannschaften.
Sie brachten mich zu Eurem edeln Oheim,
Dem Kardinal von Guise – Welch ein Mann!
Wie sicher, klar und männlich groß! – Wie ganz
Geboren, um die Geister zu regieren!
Das Muster eines königlichen Priesters,
Ein Fürst der Kirche, wie ich keinen sah!
 

Maria.

 
Ihr habt sein teures Angesicht gesehn,
Des vielgeliebten, des erhabnen Mannes,
Der meiner zarten Jugend Führer war.
O redet mir von ihm. Denkt er noch mein?
Liebt ihn das Glück, blüht ihm das Leben noch,
Steht er noch herrlich da, ein Fels der Kirche?
 

Mortimer.

 
Der Treffliche ließ selber sich herab,
Die hohen Glaubenslehren mir zu deuten
Und meines Herzen Zweifel zu zerstreun.
Er zeigt mir, daß grübelnde Vernunft
Den Menschen ewig in der Irre leitet,
Daß seine Augne sehen müssen, was
Das Herz soll glauben, daß ein sichtbar Haupt
Der Kirche not tut, daß der Geist der Wahrheit
Geruht hat auf den Sitzungen der Väter.
Die Wahnbegriffe meiner kind’schen Seele,
Wie schwanden sie vor seinem siegenden
Verstand und vor der Suada seines Mundes!
Ich kehrte in derKirche Schoß zurück,
Schwur meinen Irrtum ab in seine Hände.
 

Maria.

 
So seid Ihr einer jener Tausende,
Die er mit seiner Rede Himmelskraft,
Wie der erhabne Prediger des Berges,
Ergriffen und zum ew’gen Heil geführt!
 

Mortimer.

 
Als ihn des Amtes Pflichten bald darauf
Nach Frankreich riefen, sandt’ er mich nach Reims,
Wo die Gesellschaft Jesu, fromm geschäftig,
Für Englands Kirche Priester auferzieht.
Den edeln Schotten Morgan fand ich hier,
Auch Euren treuen Leßley, den gelehrten
Bischof von Roße, die auf Frankreichs Boden
Freudlose Tage der Verbannung leben —
Eng schloß ich mich an diese Würdigen
Und stärkte mich im Glauben – Eines Tages,
Als ich mich umsah in des Bischofs Wohnung,
Fiel mir ein weiblich Bildnis in die Augen
Von rührend wundersamem Reiz; gewaltig
Ergriff es mich in meiner tiefsten Seele,
Und, des Gefühls nicht mächtig, stand ich da.
Da sagte mir der Bischof: Wohl mit Recht
Mögt Ihr gerührt bei diesem Bilde weilen.
Die schönste aller Frauen, welche leben,
Ist auch die jammernswürdigste von allen,
Um unsers Glaubens willen duldet sie,
Und Euer Vaterland ist’s, wo sie leidet.
 

Maria.

 
Der Redliche! Nein, ich verlor nicht alles,
Da solcher Freund im Unglück mir geblieben.
 

Mortimer.

 
Drauf fing er an, mit herzerschütternder
Beredsamkeit mir Euer Märtyrtum
Und Eurer Feinde Blutgier abzuschildern.
Auch Euern Stammbaum wies er mir, er zeigt
Mir Eure Abkunft von dem hohen Hause
Der Tudor, überzeugt mich, daß Euch
Allein gebührt, in England zu herrschen,
Nicht dieser Afterkönigin, gezeugt
In ehebrecherischem Bett, die Heinrich
Ihr Vater, selbst verwarf als Bastardtochter.
Nicht seinem einz’gen Zeugnis wollt’ ich traun,
Ich holte Rat bei allen Rechtsgelehrten,
Viel alte Wappenbücher schlug ich nach,
Und alle Kundige, die ich befragte,
Bestätigten mir Eures Anspruchs Kraft.
Ich weiß nunmehr, daß Euer gutes Recht
An England Euer ganzes Unrecht ist,
Daß Euch dies Reich als Eigentum gehört,
Worin Ihr schuldlos als Gefangne schmachtet.
 

Maria.

 
O dieses unglücksvolle Recht! Es ist
Die einz’ge Quelle aller meiner Leiden.
 

Mortimer.

 
Um diese Zeit kam mir die Kunde zu,
Daß Ihr aus Talbots Schloß hinweggeführt
Und meinem Oheim übergeben worden —
Des Himmels wundervolle Rettungshand
Glaubt’ ich in dieser Fügung zu erkennen,
Ein lauter Ruf des Schicksals war sie mir,
Das meinen Arm gewählt, Euch zu befreien.
Die Freunde stimmen freudig bei, es gibt
Der Kardinal mir seinen Rat und Segen
Und lehrt mich der Verstellung schwere Kunst.
Schnell ward der Plan entworfen, und ich trete
Den Rückweg an ins Vaterland, wo ich,
Ihr wißt’s, vor zehen Tagen bin gelandet.
 

(Er hält inne.)

 
Ich sah Euch, Königin – Euch selbst!
Nicht Euer Bild! – O welchen Schatz bewahrt
Dies Schloß! Kein Kerker! Eine Götterhalle,
Glanzvoller als der königliche Hof
Von England – O des Glücklichen, dem es
Vergönnt ist, eine Luft mit Euch zu atmen!
Wohl hat sie recht, die Euch so tief verbirgt!
Aufstehen würde Englands ganze Jugend,
Kein Schwert in seiner Scheide müßig bleiben
Und die Empörung mit gigantischem Haupt
Durch diese Friedensinsel schreiten, sähe
Der Brite seine Königin!
 

Maria.

 
Wohl ihr,
Säh jeder Brite sie mit Euren Augen!
 

Mortimer.

 
Wär’ er, wie ich, ein Zeuge Eurer Leiden,
Der Sanftmut Zeuge und der edlen Fassung,
Womit Ihr das Unwürdige erduldet.
Denn geht Ihr nicht aus allen Leidensproben
Als eine Königin hervor? Raubt Euch
Des Kerkers Schmach von Eurem Schöheitsglanze?
Euch mangelt alles, was das Leben schmückt,
Und doch umfließt Euch ewig Licht und Leben.
Nie setz ich meinen Fuß auf diese Schwelle,
Daß nicht mein Herz zerrissen wird von Qualen,
Nicht von der Lust entzückt, Euch anzuschauen! —
Doch furchtbar naht sich die Entscheidung, wachsend
Mit jeder Stunde dringet die Gefahr,
Ich darf nicht länger säumen – Euch nicht länger
Das Schreckliche verbergen —
 

Maria.

 
Ist mein Urteil
Gefällt? Entdeckt mir’s frei. Ich kann es hören.
 

Mortimer.

 
Es ist gefällt. Die zweiundvierzig Richter haben
Ihr Schuldig ausgesprochen über Euch. Das Haus
Der Lords und der Gemeinen, die Stadt London
Bestehen heftig dringend aud des Urteils
Vollstreckung; nur die Königin säumt nocht
– Aus arger List, daß man sie nötige,
Nicht aus Gefühl der Menschlichkeit und Schonung.
 

Maria (mit Fassung).

 
Sir Mortimer, Ihr überrascht mich nicht,
Erschreckt mich nicht. Auf solche Botschaft war ich
Schon längst gefaßt. Ich kenne meine Richter.
Nach den Mißhandlungen, die ich erlitten,
Begreif ich wohl, daß man die Freiheit mir
Nicht schenken kann – Ich weiß, wo man hinauswill.
In ew’gem Kerker will man mich bewahren
Und meine Rache, meinen Rechtsanspruch
Mit mir verscharren in Gefängnisnacht.
 

Mortimer.

 
Nein, Königin – o nein! nein! Dabei steht man
Nicht still. Die Tyrannei begnügt sich nicht,
Ihr Werk nur halb zu tun. Solang Ihr lebt,
Lebt auch die Furcht der Könign von England.
Euch kann kein Kerker tief genug begraben,
Nur Euer Tod versichert ihren Thron.
 

Maria.

 
Sie könnt’ es wagen, mein gekröntes Haupt
Schmachvoll auf einen Henkerblock zu legen?
 

Mortimer.

 
Sie wird es wagen. Zweifelt nicht daran.
 

Maria.

 
Sie könnt so die eigne Majestät
Und aller Könige im Staube wälzen?
Und fürchtet sie die Rache Frankreichs nicht?
 

Mortimer.

 
Sie schließt mit Frankreich einen ew’gen Frieden,
Dem Duc von Anjou schenkt sie Thron und Hand.
 

Maria.

 
Wird sich der König Spaniens nicht waffnen?
 

Mortimer.

 
Nicht eine Welt in Waffen fürchtet sie,
Solang sie Frieden hat mit ihrem Volke.
 

Maria.

 
Den Briten wollte sie dies Schauspiel geben?
 

Mortimer.

 
Dies Land, Mylady, hat in letzten Zeiten
Der königlichen Frauen mehr vom Thron
Herab aufs Blutgerüste steigen sehn.
Die eigne Mutter der Elisabeth
Ging diesen Weg, und Katharina Howard,
Auch Lady Gray war ein gekröntes Haupt.
 

Maria (nach einer Pause).

 
Nein, Mortimer! Euch blendet eitle Furcht.
Es ist die Sorge Eures treuen Herzens,
Die Euch vergebne Schrecknisse erschafft.
Nicht das Schafott ist’s, das ich fürchte, Sir.
Es gibt noch andre Mittel, stillere,
Wodurch sich die Beherrscherin von England
Vor meinem Anspruch Ruhe schaffen kann.
Eh’ sich ein Henker für mich findet, wird
Noch eher sich ein Mörder dingen lassen.
– Das ist’s, wovor ich zittre, Sir! und nie
Setz ich des Bechers Rand an meine Lippen,
Daß nicht ein Schauder mich ergreift, er könnte
Kredenzt sein von der Liebe meiner Schwester.
 

Mortimer.

 
Nicht offenbarm, noch heimlich soll’s dem Mord
Gelingen, Euer Leben anzutasten.
Seid ohne Furcht! Bereitet ist schon alles,
Zwölf edle Jünglinge des Landes sind
In meinem Bündnis, haben heute früh
Das Sakrament darauf empfangen, Euch
Mit starkem Arm aus diesem Schloß zu führen.
Graf Aubespine, der Abgesandte Frankreichs,
Weiß um den Bund, er bietet selbst die Hände,
Und sein Palast ist’s, wo wir uns versammeln.
 

Maria.

 
Ihr macht mich zittern, Sir – doch nicht für Freude.
Mir fliegt ein böses Ahnen durch das Herz.
Was unternehmt Ihr? Wißt ihr’s? Schrecken euch
Nicht Babingtons, nicht Tichburns blut’ge Häupter,
Auf Londons Brücke warnend aufgesteckt,
Nicht das Verderben der Unzähligen,
Die ihren Tod in gleichem Wagstück fanden
Und meine Ketten schwerer nur gemacht?
Unglücklicher, verführter Jüngling – flieht!
Flieht, wenn’s noch Zeit ist – wenn der Späher Burleigh
Nicht jetzt schon Kundschaft hat von euch, nicht schon
In eure Mitte den Verräter mischte.
Flieht aus dem Reiche schnell! Marien Stuart
Hat noch kein Glücklicher beschützt.
 

Mortimer.

 
Mich schrecken
Nicht Babingtons, nicht Tichburns blut’ge Häupter,
Auf Londons Brücke warnend aufgesteckt,
Nicht das Verderben der unzähl’gen andern,
Die ihren Tod in gleichem Wagstück fanden;
Sie fanden auch darin den ew’gen Ruhm,
Und Glück schon ist’s, für Eure Rettung sterben.
 

Maria.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
06 aralık 2024
Yazıldığı tarih:
1801
Hacim:
261 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
978-5-17-165489-4
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