Kitabı oku: «Erinnerungen eines "Kofferträgers"», sayfa 2

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Schillers Lust am Regieren und an griffigen Formulierungen

Schiller, der bereits als Berliner und Hamburger Wirtschaftssenator ministerielle Verwaltungserfahrung gesammelt hatte, machte das Regieren im Rahmen der Großen Koalition erkennbar Spaß. Das galt auch für die berühmten »Plisch und Plum«-Beziehungen mit dem CSU-Finanzminister Strauß, die durchaus auf gegenseitigen Respekt gegründet waren.

Im Übrigen waren seitens der SPD in der Großen Koalition mit Willy Brandt, Helmut Schmidt, Georg Leber sowie Walter Arendt u. a. zahlreiche gestandene und erfahrene Spitzenpolitiker vertreten, sodass die SPD – wie man heute sagt – »gut aufgestellt war« und innerhalb der Koalitionsregierung sowie in der Bevölkerung hohes Ansehen genoss.

Diese Lust am Regieren war bei Schiller auch nach außen deutlich und erleichterte – zusammen mit seinem unbestrittenen Sachverstand – die Zusammenarbeit mit den gesellschaftlichen Gruppen. So war für Schiller angesichts der damaligen Konjunkturkrise das erfolgreiche Jonglieren mit dem neuen Stabilitäts- und Wachstumsgesetz eine reine Freude.

Allgemein waren die Große Koalition und das erstmalige Mitregieren der Sozialdemokraten etwas Neues mit einem gewissen Sensationscharakter. Daher gaben sich die Spitzen aus dem In- und Ausland die Klinke in die Hand, um den neuen Wirtschaftsminister kennen zu lernen und auszuloten.

Mir ist in besonderer Erinnerung, mit welchem Interesse auch und gerade wichtige Besucher aus den USA ihre Aufwartung machten, um beeindruckt festzustellen, dass der »Neue« auch durchaus des Englischen mächtig war. So zählten zu den ersten ausländischen Besuchern der Chef des weltweiten ESSO-Konzerns sowie der renommierte Journalist Joe Kraft aus den USA.

Aus deutscher Sicht ist festzuhalten, dass an der Spitze wichtiger Wirtschaftsverbände an sich konservativ gesinnte Vertreter standen, diese aber zugleich auch das demokratisch zustandegekommende Mitregieren der SPD akzeptierten und zum Teil – wie sie mir sagten – auch durch ihre Wahlentscheidung gefördert hatten. Auch ist anzumerken, dass mit Namen wie Fritz Berg, Hans-Martin Schleyer, Ludwig Poullain sowie Hermann Josef Abs und Edmund Rehwinkel gestandene Führungspersönlichkeiten vorhanden waren, genau so wie – auf Gewerkschaftsseite – Ludwig Rosenberg, Otto Brenner sowie Heinz Kluncker. Sie alle waren von der Professionalität Schillers beeindruckt, was seine Akzeptanz begünstigte. Hinzu kam seine telegene Ausstrahlung, die durch Schlankheit und gut geschnittene Maßanzüge unterstrichen wurde. Kein Wunder, dass er alsbald auch zum »Krawattenmann« des Jahres gekürt wurde, der überdies gestreifte Schlipse bei ebenfalls gestreiften Hemden salonfähig machte. Auch seine Tanzfreude machte sehr schnell die Medienrunde und wurde auch durch den STERN verbreitet, der ihn auf der Titelseite zum »Mann des Jahres« kürte.

Dasselbe galt für eine große Zahl erfahrener und sachkundiger Wirtschaftsjournalisten, die damals noch nicht – wie heute – im digitalen Zeitalter zu schnellen und oft oberflächlichen Printberichten gezwungen waren. So waren diese Journalisten für Schiller als Testmultiplikatoren und als sachkundige Wirtschaftsfachleute sehr willkommen. Sie hatten im Übrigen auch mehr Zeit für ihre abgewogenen Kommentare als heutzutage im Zeitalter der Tweets und oft künstlichen »breaking news«.

Was die Ministeriumsarbeit anging, so war sie stark von Schillers Arbeitseifer geprägt. Da er während der gesamten Woche zumeist in Bonn war, bedeutete dies viele nächtliche Arbeitstunden im Ministerium in kleinem Kreis und mit wenig Nahrungszufuhr, da in dem Vorort von Bonn für schnelles Catering die Gelegenheit noch nicht gegeben war. Hinzu kam, dass ab normalem Dienstschluss viele Akten nicht mehr zugänglich waren und auch fachkundige Bedienstete nach Feierabend nicht mehr zur Verfügung standen. Doch irgendwie wurde dieses Manko ausgeglichen.

Die allgemeine Akzeptanz von Schillers Wirtschaftspolitik wurde auch dadurch gestärkt, dass er eine besondere Freude an griffigen Formulierungen hatte, welche in der Öffentlichkeit »ankamen« und damit die allgemeine Wirksamkeit seiner Politik erhöhten. Der berühmte »Marsch durch die Talsohle« ist wohl der bekannteste Name, »Konzertierte Aktion« ein anderer, und der Aufruf an die Genossen, »die Tassen im Schrank zu lassen« blieb nicht ohne Eindruck und wurde viel zitiert. Ebenfalls hatte das Wort »Ein guter Abgang ziert den Turner« seine Bedeutung, auch wenn Schiller mir wiederholt versicherte, er sähe zwar sportlich aus, betreibe aber kein Sport. Als neues Wort lernte ich auch den Ausdruck »Petitessen«, um auf diese Weise die Spreu vom Weizen zu trennen.

Andererseits wurde nach meiner Meinung die große semantische Bedeutung von politischen Schlagwörtern allgemein unterschätzt. Als Beispiel seien die sog. »Notstandsgesetze« für den Krisenfall genannt. Sie gaben schon vom unglücklichern Namen her Anlass zu Gegenreaktionen. Beim Begriff »Berufsverbot« dürfte das ähnlich gewesen sein. Im Wirtschaftsministerium wurde seinerzeit der Begriff »Konjunkturzuschlag« gewählt, um etwas Gegenteiliges zu umschreiben. Es ging dabei nicht darum, dass man etwas bekam, sondern dass einem stattdessen etwas genommen wurde, um angesichts einer überbordenden Konjunktur Kaufkraft abzuschöpfen. Doch war dies dem Namen beim besten Willen nicht zu entnehmen. Wie oft in der Verwaltung verselbstständigen sich Begriffe, die irgendein Beamter am Beginn eines Gesetzentwurfes als angemessen betrachtet. Später denkt kaum noch jemand darüber nach und ändert daher auch nicht eine manchmal unglückliche Arbeitsbezeichnung.

Bei aller Wertschätzung sollte eine gewisse und durchaus verständliche »Schwäche« Schillers nicht unerwähnt bleiben, die allerdings durch entsprechendes Taktieren seiner Umgebung zumeist behoben werden konnte. Es geht um den Widerwillen mancher hochbeschäftigten Politiker, sich für wichtige Redner- oder Reisetermine mehrere Monate im Voraus festzulegen oder bei Unwohlsein einen Termin abzusagen. Leider ist eine solche mittelfristige Festlegung unumgänglich, aber von einem Minister nicht immer leicht zu bekommen.

Schiller sagte einmal zu mir: »Ihr Beamten habt es leicht. Im Falle einer Grippe lasst ihr euch krankschreiben und bleibt zuhause. Bei einem Minister ist dies schwierig, wenn nicht unmöglich. Wir müssen das im Allgemeinen durchstehen.« Recht hatte er.

Hierzu einige anekdotische Beispiele, die trotz ungünstiger Ausgangslage am Ende gleichwohl eine Lösung ermöglichten: Gleich zu Beginn seiner Amtszeit lag eine hochrangige Einladung aus New York vor, im Rahmen einer ohnehin geplanten USA- Vorstellungsreise bei seinen US-Kollegen einen Vortrag vor deutschen und amerikanischen Wirtschaftsvertretern zu halten. Der Vorgang mit Zusageentwurf lag lange auf dem Tisch des Ministers, der aber die Akte mehrfach kommentarlos zurückgab. Also Wiedervorlage von mir veranlasst nach einigen Tagen und Hinweis auf den nahenden Termin. Daraufhin eine »Entscheidung« des Ministers: »Herr Fischer, sagen Sie den Termin ab.«

Was tun? Gehorchen oder nicht? Ich entschied mich für »passive Gehorsamsverweigerung« und tat zunächst einmal nichts in der Überzeugung, dass eine Zusage angesichts der Bedeutung der kürzlichen Amtsübernahme und des wichtigen Publikums letztlich unerlässlich sein würde. Tatsächlich begann der Minister, sich nach einigen Tagen auf die New York-Rede vorzubereiten, die er sodann auch hielt. Hätte ich seinen Absage-»Befehl« gehorsamst ausgeführt, wäre es falsch gewesen, hätte in New York zu verständnislosen Enttäuschungen und vielleicht sogar letztlich doch noch zu einer Zusage des Ministers geführt.

Ein anderes Beipiel für gewisse Einflussmöglichkeiten eines Persönlichen Referenten: Der frühere amerikanische Hochkommissar John McCloy war in Bonn und wollte auch Schiller sehen. Dieser sagte mir aber, er habe keine Zeit und sei überdies im Bundestag beschäftigt. Daraufhin wies ich auf die großen Verdienste des Deutschenfreundes bei der Schaffung der Bundesrepublik hin und machte zudem darauf aufmerksam, dass dem Minister im Bundestag ein Dienstzimmer zur Verfügung stünde, wo ein solches Gespräch zwischendurch stattfinden könnte. Ich schlug vor, in der Zwischenzeit mit dem Gast am Rhein vor dem Parlament spazieren zu gehen, bis eine Zusammenkunft möglich sei. So geschah es auch, und ich fühlte mich geehrt, mit McCloy über seine Zeit als Hochkommissar auf dem (gegenüber liegenden) Petersberg plaudern zu können. Hierbei kam mir sprachlich und atmosphärisch auch mein Studienaufenthalt in den USA zugute.

Ein weiteres Beispiel für eine letztlich doch gefundene Ad-hoc-Lösung: Schiller hatte im badischen Kaiserstuhlgebiet einen Vortrag vor der Landjugend gehalten, der dort sehr gut ankam. Daher hatten die Jungwinzer die Absicht, den Minister in Bonn zum Erntedankfest zu besuchen. So standen sie also gegen 10 Uhr morgens nach mehrstündiger Busfahrt unangemeldet vor dem Ministerium. Auch hier konnte ich letztlich das Einverständnis Schillers erreichen, diese Gruppe so lange durch Bonn und Umgebung zu kutschieren, bis ein Besuchstermin beim Minister möglich war. So geschah es dann auch gegen 18 Uhr, wobei die übermüdeten Jungwinzer anschließend ja auch noch mehrere Stunden zurückfahren mussten.

An diesen wie an anderen Beispielen zeigt sich, dass im Konfliktfall ein Minister eine gewissse Eigenverantwortlichkeit seines Persönlichen Referenten durchaus zu schätzen weiß, wenn sie letztlich einem guten Zweck dient.

Schiller und das Essen

Wegen einiger Anekdoten in diesem Bereich verdient dieses Thema eine gewisse Erwähnung anhand von mehreren Beispielen: Zum einen legte Schiller wenig Wert auf ausgedehnte Festessen aus Anlass von Messeeröffnungen usw. Nach einer schnellen Suppe brach er im Allgemeinen auf und erkundigte sich später bei mir etwas sadistisch, ob ich denn satt geworden sei oder vielleicht Hunger hätte.

Ich zog daraus folgende Konseqenz, um in Zukunft meine volle Leistungsfähigkeit nicht zu gefährden: Nachdem ich meinen Minister entsprechend beim Messeveranstalter abgeliefert hatte, sprach ich bei der Fahrerkantine vor, wo es zumeist einfache Kost gab. Dabei wurde ich zuweilen darauf aufmerksam gemacht, dass für Minister Schiller bereits ein Fahrer gemeldet sei. Meine Erwiderung: Ich sei der Ersatzfahrer. So konnte ich nach der Festrede meines Chefs gesättigt neben ihm im Wagen Platz nehmen, ohne dass er davon wusste.

Bei anderer Gelegenheit stand ein Lufthansaflug von Köln Bonn nach München mit Zwischenlandung in Stuttgart an. All das in der Mittagszeit zwischen 11 und 15 Uhr. Dabei war die Anfahrt zum Flughafen Köln Bonn seinerzeit noch zeitaufwändig, weil es keine Autobahn gab und man über die Dörfer fahren musste.

Ich rief also im Vorfeld der Reise beim Lufthansabüro in Köln an, um zu erfahren, ob unsere Buchung in Ordnung sei, was bejaht wurde. Sodann fragte ich, was es zu essen geben würde; und ich wusste, dass es gemäß Flugplan nichts geben würde. Von der Lufthansa erhielt ich nach einigem Zögern die Antwort: »Snacks.« Auf meine Frage, was das sei, wurde mir gesagt, dass dies »Kekse« bedeutete. Daraufhin merkte ich mein Erstaunen darüber an, dass der nicht unerhebliche Mehrpreis für Erster-Klasse-Flüge offenbar nur für die Ledersitzen bezahlt würde, was aber schwer zu vermitteln sei. Jedenfalls fügte ich ergänzend hinzu, dass der Flug in die Mittagszeit fiele und ich für das Wohlergehen meines Chefs verantwortlich sei. Daher bäte ich um Nachsicht, wenn ich einige Schnittchen vorbereiten und während des Fluges mit meinem Chef verspeisen würde.

Kurz darauf rief der Bürochef von Lufthansa Köln an und erwähnte, ich hätte um ein Mittagessen gebeten. Dieses würde also wunschgemäß gereicht werden. Ich habe dem energisch widersprochen, weil ich mit keinem Wort um so eine Extra-Behandlung gebeten hätte. Auch sei es schwer verständlich, dass diese Sonderbehandlung offenbar nur uns beiden, nicht aber den übrigen Erster-Klasse-Passagieren zuteil würde. Man denke nur an die Möglichkeit, dass ein zufällig mitreisender Journalist dies genüsslich aufspießen würde.

Daraufhin erfolgter ein weiterer Anruf von der Lufthansa-Zentrale aus Frankfurt: Man habe beschlossen, auf diesem Flug allen Passagieren der Ersten Klasse ein Mittagessen anzubieten. Ich wies nachdrücklich darauf hin, dass wir einen solchen Wunsch nicht geaüßert hätten und es sich daher um eine rein betriebswirtschaftliche Entscheidung von Lufthansa handele.

Wie dem auch sei: Beim Start in Köln/Bonn wurde deutlich, dass die Lufthansa für diesen Flug extra eine zusätzliche Flugbegleiterin bis zum Zwischenstopp in Stuttgart eingesetzt hatte. Angesichts der zeitlichen Enge für die Bewirtung unterrichtete sie den Minister gleich beim Einsteigen, was zum Lunch alles angeboten würde, und fragte ihn ganz dezidiert, welche der vier verfügbaren Suppen er denn haben möchte.

Ich hatte den Minister über all dies vorher nicht unterrichtet und war daher erstaunt, als er der Flugbegleiterin sagte, er habe keinen Hunger und möchte gar nichts essen. Daraufhin erzählte ich ihm den Hintergrund und veranlasste ihn, das volle Menu zu kosten, was er auch tat. Im Übrigen dürften die anderen Passagiere in der Ersten Klasse freudig erstaunt gewesen sein, dass ihnen überraschenderweise ein Lunch mit Champagner angeboten wurde, was gemäß Flugplan an sich gar nicht vorgesehen war.

Zum Thema »Mittagessen« soll eine andere Anekdote nicht unerwähnt bleiben: Eines Tages erhielt ich einen Anruf aus Stuttgart von der Mercedes-Vorstandsküche. Im Hinblick auf ein geplantes Mittagessen des Ministers mit dem Vorstand wurde ich gefragt, was er essen möchte. Dabei wurde mir signalisiert, dass man sich keinerlei Beschränkungen auferlegen sollte. Meine Antwort war kurz: Der Minister bevorzuge einfaches Essen. Daher sei eine Linsensuppe sehr willkommen. Nach einer kurzen Pause kam sodann die weitere Frage, was denn nach diesem Vorspeisewunsch der Minister als Hauptgericht gern essen möchte. Ich machte deutlich, dass die besagte Linsensuppe als Hauptgericht angesehen würde. Dabei fügte ich hinzu, dass Schiller als Hamburger Hanseat es bevorzugen würde, wenn diese in einer Terrine mit einem Brötchen gereicht würde: Die Essensfrage wurde daraufhin bis zur Vorstandsetage mit mir erörtert, und ich habe dabei die Sache heruntergespielt und lediglich auf einen Essenswunsch reagiert. Letztlich sei es Sache des Gastgebers, eine Entscheidung über das zu servierende Gericht zu treffen.

Tatsächlich gab es dann nur die besagte Linsensuppe, und offenbar wurde die passende Terrine extra dafür angeschafft. Es war mir als junger Regierungsrat ein Vergnügen, die hochrangigen Herren bei diesem einfachen Mahl zu beobachten, das ihnen offenbar gut mundete. Beim Hineingehen in das Speisezimmer unterrichtete ich Schiller über diese Wahl mit dem Bemerken, ich hätte dies bei meinem sonst so begrenzten Entscheidungsspielraum allein so vorgeschlagen. Als dann die Stuttgarter Zeitung – von mir instruiert – in ihrer Überschrift titelte: »Der Minister bevorzugt einfache Kost«, war Schiller (als Sozialdemokrat) damit sehr zufrieden.


Menukarte vom Mercedes-Benz-Vorstandslunch mit Schiller

Die bereits erwähnte lukullische Zurückhaltung Schillers wurde zuweilen auch bei ausländischen Anlässen deutlich. So fanden die vierteljährlichen Treffen der EWG- Finanzminister immer außerhalb der Hauptstädte in pompösem Rahmen statt. In Frankreich war einmal ein festliches Abendessen im Versailler Schloss vorgesehen, an dem aber Schiller nicht mehr teilnahm. Stattdessen hatte er mich gebeten, beim Gastgeber ein paar Sandwiches zu besorgen, was ich auch tat. Auf dem Rückflug in der Bundeswehrmaschine bat er sodann darum, den mit französischen Trikolorfarben versehenen Karton zu öffnen. Dieser enthielt zur allgemeinen Überraschung lediglich eine Apfelsine sowie ein Baguette ohne jeglichen Belag. Das schmiss der Minister sodann missmutig durch das Flugzeug. Der mitreisende Finanzminister Strauß war da weniger zimperlich, hob die Brotstange auf, brach sie für uns beide durch und aß seinen Teil genüsslich.

Da Schiller auf dem Rückflug in Brüssel landen musste, wies Strauß, der bekanntlich einen Pilotenschein besaß, seinen Kollegen darauf hin, dass wetterbedingt wahrscheinlich eine solche Landung nicht möglich sei. Daraufhin bat Schiller den Piloten eindringlich, in Brüssel zu landen. Doch unterstrich dieser, dass Schiller zwar an Land zuständig sei, er als Flugzeugführer aber in der Luft allein entscheide. Das Problem wurde letztlich dadurch entschärft, dass die Maschine nach mehreren Versuchen schließlich doch in Brüssel landete.

Auch in anderen Fällen war Schiller gegenüber den Bundeswehrpiloten verständlicherweise machtlos. So kam es bei Ratssitzungen in Brüssel oder Luxemburg im Winter schon einmal vor, dass die Maschine zwar startbereit war, aber erst noch enteist werden musste, was einige Zeit in Anspruch nahm. Auch gab es Fälle, wo es technisch zwar keine Probleme gab, aber die Startfreigabe sich verzögerte, weil der eingereichte Flugplan überholt war. In anderen Fällen bestand der Minister trotz meiner Hinweise darauf, mit dem Hubschrauber zur Sitzung des Bundesbankzentralrats von Bonn nach Frankfurt zu fliegen, anstatt mit der Bahn entlang dem Rhein oder mit dem Dienstwagen anzureisen. So musste der Polizeihubschrauber – selbst im Sommer – mehrmals wegen Nebels über dem Rhein den Weiterflug abbrechen, nachdem er vorher bei geringer Sichtweite schon wiederholt mal über, mal unter Stromleitungen geflogen war. Dabei musste dann im Benehmen mit der örtlichen Polizei erst einmal ein Landeplatz, zumeist ein Sportplatz, gefunden und gesichert werden. Nach einer solchen Notlandung wurde der Minister sodann mit einem Polizeiwagen nach Frankfurt gefahren, und es machte ihm offenbar wenig aus, dass er dazu den engen Platz mit Verkehrsschildern und anderen Geräten teilen musste, die zunächst einmal neu zu ordnen waren, um für uns Raum zu schaffen. Manchmal stand dafür nur ein VW-Käfer zur Verfügung, in den wir uns dann hineinzwängen mussten.

Die Eröffnung der Deutschen Automobilausstellung in Frankfurt am 14. September 1967

Man mag Minister Schiller zugute halten, dass er bei wichtigen Reden oft bis zur letzten Minute am Text arbeitete. Das bedeutete logistisch – im Falle Frankfurts –, dass dann eine Mitarbeiterin mit Schreibmaschine bereitgehalten werden musste. Gegen 23 Uhr war sodann das Werk vollbracht, und der Text sollte nun für die Journalisten usw. vervielfältigt werden. Da es damals noch keine modernen Kopiermaschinen gab, war dies kein leichtes Unterfangen. Doch konnte hierfür ein Weg gefunden werden.

Nach Überfliegen des Textes gab ich zu bedenken, dass eine bestimmte Passage vielleicht etwas zu frivol gestaltet war für ein konservatives Publikum. Die Stelle betraf einen Hinweis auf eine gerade erschienene Shell-Studie über den Motorisierungsgrad im Jahre 2000. Das veranlasste Schiller zu folgendem Zusatz in seiner Rede: »Schon heute kann die gesamte amerikanische Nation auf den Vordersitzen transportiert werden, und wir wissen ja alle, wozu die Rücksitze benutzt werden.«

Auf meinen Einwand erklärte der Minister, es gehöre aus professionellen Gründen zu einer Standardrede, am Anfang durch eine hurmovolle Bemerkung allgemeine Aufmerksamkeit zu bewirken und damit die Erwartung des Publikums zu vergrößern. Aus demselben Grund müsse nach etwa der Hälfte des Vortrags eine aufrüttelnde Bemerkung fallen, um einer gewissen Ermüdung des Publikums entgegenzuwirken. Diesem Ziel sollte die entsprechende Textpassage dienen. Daher plädiere er auch dafür, sie zu belassen.

So weit, so gut. Gegen zwei Uhr nachts dann ein Anruf des Ministers: Er habe sich das noch einmal überlegt und gebe mir recht, die inkriminerte Passage besser zu streichen. Daraufhin mein Einwand, dass der Redetext inzwischen in großer Stückzahl vervielfältigt sei und deshalb nicht mehr geändert werden könne. Schiller schlug sodann vor, den Satz über die Rücksitze in Amerika auf allen Rede-Kopien durch Schwärzen unkenntlich zu machen.

Zusammen mit der Sekretärin haben wir beide uns in den restlichen Nachtstunden umgehend an die Arbeit gemacht. Zur Sicherheit erbat ich vor Beginn der Veranstaltung sodann von Schiller sein Redemanuskript, um auch bei ihm den Satz zu schwärzen und so zu vermeiden, dass der frivole Satz nicht doch versehentlich ausgesprochen wurde.

Als dann der Minister sich der inkriminierten Seite näherte, bemerkte ich, dass er zusehends etwas nervös wurde, weil er sich offenbar an die (geschwärzte) Passage erinnerte. Als es dann soweit war, stach ihm die unkenntlich gemachte Stelle ins Auge, und er überlegte offenbar, ob und was er nun sagen sollte. So verstieg er sich zu dem Hinweis über die amerikanische Sitzplatzkapazität in den überdimensionierten Wagen: »Und da fragt man sich, wozu die Rücksitze nötig sind.«


Schiller auf einer Messe

Damit hatte er praktisch dasselbe gesagt, was wir vorher in mühsamer Nacht-Arbeit geschwärzt hatten. Dies habe ich dem Minister auch in geziemender Form vorgehalten und gebeten, uns künftig vor solchen nächtlichen »Schwarzarbeiten« zu bewahren.

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