Kitabı oku: «An der Grenze zur Realität»

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Funny van Dannen

An der Grenze zur

Realität

Über dieses Buch

Text …

In der Natur

Eine kleine Gurkenwalherde hatte die Orientierung völlig verloren und sich in einen Baggersee verirrt.

Haut ab, ihr Schlampenficker!, rief ein vereinsamter Angler. Ihr vertreibt den Hecht!

Du willst einen Hecht fangen?, fragte die Leitkuh. Wozu denn? Suchst du einen Freund?

Der Angler lachte: Ich will ihn essen, du dumme Kuh! Und jetzt haut ab!

Er schlug mit dem Käscher nach ihr.

Wir suchen den Essigsee, sagte die Leitkuh. Kannst du uns nicht helfen?

Essigsee? Nie gehört, sagte der Angler.

Sucht ihr den Essigsee?, fragte ein Rehkitz, das sich in der Nähe aus Rohrkolben ein Geweih bastelte.

Sag schon, rief der Angler, ich will, dass sie verschwin­den!

Er ist ausgetrocknet, sagte das Rehkitz und setzte sich das Rohrkolbengeweih auf. Wie seh ich aus?

Unmöglich!, riefen alle Gurkenwale. Total doof.

Und wie findest du mich, Angler?, fragte das Kitz.

Mir gefällt’s, brummte der angegraute Mann. Du hast Talent.

Was ist das? Talent?, fragte das Reh.

Wenn man was kann, sagte der Mann, das ist Talent.

Die Wale lachten. So eine miese Erklärung hab ich ja noch nie gehört, rief die Leitkuh. Wenn man was kann! Dann hast du auch Talent zum Kacken, was?

Die Wale grölten. Das Rehkitz wurde ganz nervös. Die Äuglein blitzten, die zarten Hufe trappelten hyperaggres­siv auf dem kieseligen Untergrund, dann krümmte es den Rücken wie eine böse Comic-Katze. Die Zeit stand still. Als es sich wieder entspannte, trieben die Gurkenwale leblos am Ufer. Der Angler stand von seinem Hocker auf und trat gegen die Köpfe der klobigen Tiere.

Sind sie tot?, fragte er das Rehkitz.

Es war verschwunden. Das Kolbengeweih lag am Boden. Der Angler setzte es sich auf. Es passte. Er ging ans Wasser und betrachtete sein Spiegelbild.

Wenn ich einmal tot bin, dachte er, werden sie glauben, dass mein Leben sehr gewöhnlich war. Aber heute steh ich hier am Wasser wie noch niemand vor mir.

Er nickte heftig. Die Kolben fielen auf das Wasser, die Wale wachten auf.

Was war das denn?, fragte die Leitkuh.

Der Angler packte seine Sachen und rief vom Auto aus: Danke für die schöne Zeit!

Märzgeflüster

Als es Frühling wurde, überfiel mich eine große Heiter­keit. Ich war so fröhlich, dass ich Gott bat, mir ein gelbes Auto zu schenken.

Du musst fleißig arbeiten, sagte Gott. Dann kannst du dir bald ein Auto kaufen.

Aber dann wird nicht mehr Frühling sein, sagte ich. Und ob das Auto dann gelb sein wird? Wohl eher schwarz oder silber, wie die meisten Autos hier. Denn so heiter wie heute bin ich nicht alle Tage, um ehrlich zu sein, so bin ich nur ganz selten.

Selber schuld, sagte Gott. Es ist für alles gesorgt. Du musst die Möglichkeiten nur nutzen.

Ach, sagte ich. Hör auf! Ich kann dein Gefasel nicht mehr hören. Die Menschheit ist in einem elenden Zustand. Du hast was falsch gemacht!

Alle Geschöpfe sind zufrieden, sagte Gott, nur ihr Men­schen meckert rum. Ich habe mir große Mühe mit euch gegeben, aber viele wollen nicht begreifen, dass Leben Kämpfen heißt. Sie sind träge.

Viele können es gar nicht begreifen, erwiderte ich. Sie sind zu doof oder zu sanftmütig. Denen hättest du mehr von was-auch-immer mitgeben müssen.

Undankbarer!, sagte Gott.

Er grollte.

Du bist dumm und sanftmütig und dennoch hast du eine Frau gefunden, die dich liebt. Du hast dich fortgepflanzt, was willst du denn noch?

Aber die anderen!, sagte ich. All die Unglücklichen!

Denk einfach mal an dich, sagte Gott. Liebst du dich überhaupt?

Nein, sagte ich, warum sollte ich?

Aus Nächstenliebe, sagte er. Jeder ist sich selbst der Nächste!

Ich war von dieser Interpretation von Nächstenliebe überrascht und sagte: Liebe ist ein großes Wort.

Ein großes Gefühl, sagte Gott.

Ein großer Gedanke, sagte ich.

Eine große Sauerei, sagte Gott.

Eine große Geschichte, sagte ich.

Falsch, sagte Gott, um Sauerei zu steigern, hättest du »eine riesengroße Scheiße« sagen müssen.

Eine riesengroße Scheiße, sagte ich.

Planetenkotze!, rief Gott.

Und ich rief: Sonnenkotze!

Siehst du?, sagte Gott. Geht doch!

Auf einem Tisch

Eine feste Kiwi und eine dunkelblonde Wimper streiten sich über das Wesen der Welt. Die Kiwi findet die Welt lustig und sehr erfüllend: Immer, wenn mich etwas berührt, könnte ich platzen vor Glück!

Wart’s ab, meint die Wimper. Spätestens wenn sie dir mit dem Schälmesser auf die Pelle rücken, wirst du dich sehr anders fühlen! Und wenn sie dich gegessen haben, wirst du völlig auseinandergenommen und was von dir übrigbleibt, kann Gottseidank nicht vor Glück platzen.

Wer will mich essen?, fragt die Kiwi.

Menschen, sagt die Wimper. Große Wesen aus Fleisch und Blut!

Meinst du Koteletts?, fragt die Kiwi.

Du bist so doof! ruft die Wimper. Aber mit mir willst du über so etwas Wichtiges wie das Wesen der Welt diskutieren! Du solltest bescheidener sein! Also, pass auf: Menschen sind keine Koteletts, sie essen Koteletts, manche jedenfalls. Kiwis und Koteletts sind als Nahrung sozusagen Kollegen.

Kollegen, sagt die Kiwi langsam und ausgesprochen liebe­voll. Kollegen. Ist das ein Gen?

Nein!, ruft die Wimper, das hat mit Genen nichts zu tun! Die Menschen essen Kiwis und Koteletts und Brot und Wurst und Ei und Reis.

Und Kollegen, sagt die Kiwi.

Die Wimper will weg. Verdammt! Kein Wind, kein Luft­hauch! Kann hier mal bitte jemand ein Fenster aufreißen!, ruft sie. Doch es ist Nacht und alles still.

Warum essen uns die Menschen?, fragt die Kiwi.

Menschen müssen essen, erklärt die Wimper, sonst ver­hungern sie, also, sie sterben und werden zu Staub.

Wie schön!, ruft die Kiwi. Ich möchte auch zu Staub werden!

Kommt noch, sagt die Wimper.

Wie aufregend!, ruft die Kiwi. Ich könnte platzen vor Aufregung!

Bitte nicht, sagt die Wimper. So ganz bist du mir lieber.

Und woher weißt du so viel?, fragt die Kiwi. Oder tust du nur so schlau?

Ich war mal Teil eines Menschen, erzählt die Wimper. Mit meinem Volk beschützte ich ein Auge.

Die Kiwi staunt. Vor wem?

Fäuste, Steine, Raketen, sagt die Wimper. Vögel, Blitze, Meteoriten. Das ganze fliegende Gesocks.

Du bist klein, wendet die Kiwi ein.

Wir waren viele, entgegnet die Wimper. Dann fiel ich aus, jetzt bin ich frei.

Frei!, ruft die Kiwi. Was du für Wörter kennst!

Was heißt denn das schon wieder? Ich bin nicht mehr am Menschen dran, erklärt die Wimper, und du nicht an der Pflanze. Wir sind frei, wir können gehen, wohin wir wollen.

Ich kann nur rollen, sagt die Kiwi. Aber nur wo’s schräg ist oder wenn mich jemand schubst. Kannst du dich selbst bewegen?

So gut wie, meint die Wimper. Ich arbeite eng mit der Luft zusammen.

Es wird hell, bemerkt die Kiwi. Ich liebe das.

Das nennt man Tag, sagt die Wimper, das kommt vom Sonnenlicht.

Ich liebe Tags!, ruft die Kiwi.

Das heißt Tage!, schreit die Wimper. Tage!!! Lern endlich Deutsch, du dummes Obst!

Tu ich doch die ganze Zeit, sagt die Kiwi leise. Wie heißt der Himmel jetzt? Die Wimper schweigt.

Ach bitte!, ruft die Kiwi. Nur dieses eine Wort noch!

Morgenrot!, schreit die Wimper. Morgenrot!!!

Menage à trois

Zwei Steinbeißer hatten sich gleichzeitig in eine alte mor­sche Schiffsplanke verliebt und kämpften um sie. Das Holz hasste Gewalt und bot an, sich mit beiden gleichzeitig zu paaren.

Und dann bekommst du von uns beiden Kinder?, fragten die Fische gleichzeitig.

Vielleicht, sagte das Holz, vielleicht auch nicht.

Da paarten sich die Steinbeißer am einen und am anderen Ende mit dem Holz. Es genoss die Paarung sehr, war aber unfruchtbar.

Immer wieder kamen die Steinbeißer angeschwommen und paarten sich mit dem Holz, bis es ihnen dämmerte, dass es keine Nachkommen geben würde, da waren sie schon alt und schwach.

Warum hast du uns angelogen?, fragten sie das Holz.

Liebt ihr mich oder nicht?, fragte das Holz zurück.

Ja schon, brummten die Steinbeißer. Aber wir hätten uns fortpflanzen sollen!

Nein, sagte das Holz. Eure Instinkte sind im Eimer. Wer sich in morsches Holz verliebt, pflanzt sich nicht fort, das ist nur folgerichtig.

Ach so, sagten die Steinbeißer, und schwammen mit geschlossenen Augen fort.

Schule für Große

Folge 287

In Kunst sollten wir Jesus malen.

Ihr seid doch alle Christen, oder?, fragte Frau Christiansen.

Keiner sagte nein.

Darf ich Wachsmalkreiden nehmen?, fragte Sonja.

Was ihr wollt, sagte Frau Christiansen. Hauptsache, es wird ein gutes Bild.

Alle gaben sich große Mühe. Obwohl viele von der Kirche nicht viel halten, spürte man den Willen, Jesus gerecht zu werden. Ich glaube, alle mögen ihn. In den letzten Stunden vor den Ferien wurde dann über die fertigen Werke gesprochen.

Eugen, fragte Frau Christiansen, warum hast du Jesus am Kreuz gemalt?

Weil das für ihn am typischsten ist, sagte Eugen.

Und warum splitternackt und grellgeschminkt? Bist du homosexuell?

Nein, sagte Eugen. Ich mag Glamour, das ist alles.

Gut, sagte Frau Christiansen, gefällt mir gut! Auch der Hund unten am Kreuz. Ist das Jesus’ Hund?

Nein, meiner, sagte Eugen. Er soll Treue über den Tod hinaus symbolisieren.

Aha, sagte Frau Christiansen. Auch gut. Und du, Sonja, warum hat dein Jesus Brüste und einen Stringtanga?

Weil er eine Frau ist, sagte Sonja.

Wie finden die anderen das, fragte Frau Christiansen. Darf man Jesus als Frau malen?

Von mir aus, sagte Peter. Aber der Papst würde bestimmt abkotzen.

Peter, bitte!, ermahnte ihn Frau Christiansen. Drück dich gewählter aus. Hillary?

Der Jesus war ein Mann, das ist verbürgt. Den darf man nicht als Frau darstellen, das ist historisch falsch.

Richtig, sagte Frau Christiansen und sah mein Bild sehr lange an.

Ich hatte es mit Deckfarben angelegt und fand es sehr gelungen. Um nicht zu sagen: extremistisch ausdrucksstark.

Ja, sagte Frau Christiansen, nicht schlecht, ich meine, es hat eine gewisse Wucht. Auch durch die dicke schwarze Brillenfassung. Kann man machen, aber historisch natürlich genauso falsch wie Sonjas Bild. Solche Brillen gab es damals mit Sicherheit nicht. Und dann, ich muss schon sagen, mich erinnert dieses Portrait doch arg an diesen französischen Philosophen, diesen kleinen, hässlichen Kerl, wie hieß er doch?

Meinen Sie Sartre, fragte Udo, den Vater von Jacqueline Bouvier?

Ja, sagte Frau Christiansen. Aber das war nicht der Vater von Jacqueline Bouvier, der späteren Jackie Kennedy und noch späteren Onassis. Du meinst den Lebensgefährten von Simone de Beauvoir, nicht zu verwechseln mit Simon de Bolivar.

Sie lachte.

Manchmal seid ihr aber auch zu doof! Na, wie auch immer. Glaubt ihr, Jesus hätte so großen Erfolg gehabt, wenn er so hässlich wie Jean-Paul Sartre gewesen wäre?

Nein, sagte Dunja, sicher nicht. Zum Erfolg gehört immer eine gewisse Ansehnlichkeit. Ich glaube nicht, dass wir in einem eher hässlichen Mann den Sohn Gottes sehen würden.

Seh ich auch so, meinte Frau Christiansen. Einen hässlichen Erlöser will keiner, der muss schon schön sein.

Ich war schockiert und sackte im Stuhl zusammen.

Sie sah mich an. Ja, ist so!, rief sie. Kann ich auch nicht ändern, und würde ich auch gar nicht wollen. Dein Bild ist gut. Authentisch, nachhaltig, alles. Aber der Mensch will Schönheit, Schönheit und Wahrhaftigkeit und Heiligkeit und Mut und Klugheit, alles, alles, aber ohne Schönheit kannst du nichts verkaufen.

Ich sackte immer tiefer, ich rutschte vom Stuhl unter den Tisch und leckte vor Abscheu über die Worte der Lehrerin den Boden ab.

Nun schaut euch den Gestörten an!, sagte Frau Christiansen. Nur weil er die Realität nicht erträgt, leckt er den Boden ab!

Sie ging zum Pult und schrieb einen Tadel ins Klassenbuch. Dann schickte sie mich hinaus, um meine Zunge abzuwaschen. Als ich wiederkam, sprachen sie über Udos Bild. Er hatte Jesus als sympathischen Fisch in der Mitte des Ozeans dargestellt, die anderen Fische freundlich und interessiert lauschend drumherum, manche hatten sogar Ohren. Lauschende Fische! Ich lag schon wieder fast am Boden. Sogar die Haie guckten nett, mit nach oben gezogenen Mundwinkeln.

Sehr poetisch, sagte Frau Christiansen. In dir scheint ein kleiner Franz von Assisi zu stecken, was?

Udo von Assisi, flüsterte ich Dunja ins Ohr.

Sag es uns allen, sagte Frau Christiansen, los!

Oh, sagte ich, nichts Besonderes!

Bitte, sagte sie, es interessiert uns.

Na gut, ich sagte: Der heilige Franziskus und Dschingis Khan waren Zeitgenossen. Stellen Sie sich vor, es hätte damals schon das Fernsehen gegeben, und die beiden zusammen in einer Talkshow!

Unsinn, sagte Frau Christiansen, du redest nur Unsinn! Ich müsste dich schon wieder tadeln.

Der Papst und sagen wir mal Präsident Obama würden heutzutage auch nicht zusammen in einer Talkshow auftreten. Die müssen ihre Bücher dort gar nicht bewerben. Und Dschingis Khan konnte nicht mal schreiben.

Frau Christiansen, sagte ich. Sie machen auch Fehler. Obama und Dschingis Khan sind doch total verschiedene Typen.

Wir schweifen ab, rief die Lehrerin. Schnell! Wir haben noch zwei Minuten. Schaut euch das Bild von Dunja an.

Sie hielt es hoch.

Gut, murmelten alle.

Und die Stirnbandmessage?

Peace, sagte Eugen, kann ja nicht verkehrt sein.

Kitschig, sagte Frau Christiansen. Das ist ein Hippie, nicht Jesus!

Dunja schossen Tränen in die Augen.

Warum malen Sie nicht mal ein Bild von Jesus? fragte Peter.

Das mach ich, rief die Lehrerin, das mach ich!

Dann nahm sie ihre Handtasche vom Pult und ging mit ausgestreckten Armen hinaus. Das macht sie oft und das soll heißen: Ihr kreuzigt mich durch eure Existenz. Hat sie uns mal verraten, als sie beim Schulfest vom Prosecco angeschickert war. Jetzt sind wir schon gespannt.

In der Krise

Zwei Bratwürste standen an einem herrlichen Frühlings­tag auf und wollten sich über die große Wirtschaftskrise unterhalten. Es ging nicht.

Es geht nicht, sagte die eine. Sie hieß Lisa P. Wir sind beide viel zu dumm, um auch nur ansatzweise zu verstehen, was da passiert.

Aber alle reden über die Krise, entgegnete die andere Bratwurst. Sie hieß Marco C. Glaubst du, die sind alle viel intelligenter als wir?

Hat schon mal eine Bratwurst den Nobelpreis bekommen?, fragte Lisa zurück. War eine Bratwurst schon mal Fußballbundestrainer oder Ingenieur?

Nein, sagte Marco. So gesehen hast du Recht. Aber die Menschen sind auch Spinner, findest du nicht? Sie glauben an so was wie Gott und Derivate. Und ewiges Leben, das ist doch völlig gaga.

Ja, sagte Lisa. Sie sind nicht so realistisch wie wir Bratwürste. Das macht sie anfälliger für Krisen. Wir wissen, dass wir auf der Welt sind, um gegessen zu werden. Punktum. Das ist für uns in Ordnung, aber die Menschen haben viel mehr Energie als wir, die treibt die tollsten Blüten. Sie haben Sex und spielen Golf und Musik.

Sex, fragte Marco, was ist das denn?

Sex ist immer vor Sieben, sagte Lisa. Und manchmal stöhnen sie dabei. Klingt gar nicht gut.

Und Golf?

Auch seltsam, sagte Lisa. Dafür brauchen sie Schläger.

Oha!, rief Marco. Sind Schläger nicht ganz üble Typen?

Ja, sagte Lisa. Sie schlagen kleine, weiße, niedliche Bälle. Die fliegen schreiend durch die Luft und verste­cken sich in Löchern. Aber die Menschen finden sie und schlagen sie immer wieder.

Und Musik?, fragte Marco. Ist das noch schlimmer als Sex und Golf?

Geht so, sagte Lisa. Manchmal schon. Aber dafür braucht man Ohren.

Kenn ich, sagte Marco. Sieht scheiße aus. Stell dir vor, wir hätten Ohren!

Nein, sagte Lisa, das stell ich mir nicht vor. Ich möchte Schönheit, Schönheit und Perfektion. Und du möchtest das auch, wir sind so. Perfekt und schön. Die Menschen sind anders. Sie haben keinen Wert an sich. Hast du schon mal einen nackt gesehen?

Nein, sagte Marco, womit denn?

Augen, sagte Lisa. Menschen und Tiere und Würfel haben Augen. Ein Regenwurm hat mir mal erzählt, wie Menschen aussehen. Sie haben Ausstülpungen und Extremitäten, unten, oben, vorne, hinten.

Voll eklig, sagte Marco. Kein Wunder, dass sie keinen Wert an sich haben.

Ja, sagte Lisa. Und weil sie keinen Wert haben, müssen sie Werte schaffen, um sich gut zu fühlen.

Gut fühlen, fragte Marco, was ist das denn?

Verstehst du nicht, beschied ihm Lisa. Wir Bratwürste haben keine Gefühle. Gefühle machen Menschen laut oder leise, je nachdem.

Schon kompliziert, diese Menschen, meinte Marco. Und sie können wirklich Werte schaffen?

Na, schau dich an!, rief Lisa. Oder mich! Sie haben uns gemacht.

Machen?, sagte Marco langsam. Menschen können machen?

Ja, sagte Lisa, deshalb heißen manche auch Machos.

Marco staunte: Was du alles weißt!

Lisa legte sich hin.

Ich bin müde.

Und die Krise?, fragte Marco. Hat die auch mit diesem Machen zu tun?

Natürlich, sagte Lisa. Menschen machen uns, Menschen machen Geld, Menschen machen Menschen, Menschen machen Krisen und Werte und Worte. Leg dich bitte hinter mich, ich schlaf nicht gern allein.

Marco schmiegte sich an sie.

Weißt du, wie die Menschen das nennen?, fragte Lisa.

Liebe, sagte Marco stolz.

Nein, sagte Lisa, Löffelchen-Stellung.

Das Attentat

Der Sommer war wieder da und Prinzessin Trudi spielte mit ihrem Lieblingsfrosch im Sonnenschein.

Trudi, sagt der Frosch. Meine Zunge ist ganz trocken, mach uns noch ein Bierchen auf.

Nein!, rief die Prinzessin. Du bist schon betrunken!

Und wenn schon! rief der Frosch. Betrunkener ist noch schöner! Was hast du denn?

Ach, seufzte die Prinzessin. Mein Leben ist so langweilig!

Weil du nichts kannst, sagte der Frosch. Wenn du etwas könntest, würdest du nicht so langweilig sein.

Du findest mich langweilig?, rief die Prinzessin. Du findest mich langweilig, obwohl ich Klavier und Geige spiele und Gedichte schreibe?

Du bist musisch völlig unbegabt, sagte der Frosch. Mit deinen klobigen Pfoten solltest du Steinmetzin werden.

Da trat die Prinzessin mit schmerzverzerrtem Gesicht auf ihren Lieblingsfrosch. Er sagte Quak und starb.

Da kam ihr zweiter Lieblingsfrosch angehüpft und kritisierte Trudi: Immer müssen wir Frösche unter deinen impulsiven Reaktionen leiden!

Er hat nicht gelitten, entgegnete Trudi und warf den Frosch an die Wand. Er durchschlug die Mauer und noch eine und noch eine und noch eine und traf die Königin mitten ins Herz. Sie war auf der Stelle tot. Kugelfrosch tötet Königin, stand tags darauf in allen Zeitungen und alle fragten sich, wie es den Gegnern der Monarchie gelungen war, so gefährliche Frösche zu züchten.

Nora und der Teufelsaustreiber

Ein Teufelsaustreiber hatte bei Nora geklingelt und sich als der Teufelsaustreiber Peter Lustig vorgestellt.

Das wüsst ich aber!, rief Nora empört, wenn Peter Lus­tig jetzt Teufelsaustreiber wäre!

Ich bin nicht Peter Lustig, sagte der Teufelsaustreiber. Ich heiße genauso, aber ich bin ein ganz anderer.

Das seh’ ich, sagte Nora und blickte dem kleinen, sehr dicken Mann direkt in die Augen. Sie waren strahlend blau und hatten sowas Frisches, dass es Nora fast den Atem nahm.

Haben Sie Probleme mit dem Teufel?, fragte der Mann.

Mit dem Teufel?, fragte Nora. Nee. Aber wenn Sie wollen, können Sie für 5 Euro meinen Rasen mähen.

Ok, sagte der Mann. Wo steht der Mäher?

Ich hab keinen, sagt Nora.

Und womit soll ich den Rasen mähen?, fragte der Di­cke.

Mit einem Nagelscherchen, sagte Nora.

Was denn?, rief der Mann. Soll ich etwa jeden Halm einzeln abschneiden? Es war von Mähen die Rede.

Na, wenn Sie kein Geld brauchen, sagte Nora und wollte die Tür schließen.

Nein, rief der Dicke, nun neugierig geworden. Ich mach’s. Wo ist der Rasen?

Kommen Sie, sagte Nora und führte den Teufelsaustreiber in ihr Schlafzimmer. Dort stand ein Bett, das aussah wie ein Fußballplatz, ein Bett mit echtem Rasen.

Jeder Halm soll exakt 2 cm lang sein, sagte Nora und gab dem Dicken ein Nagelscherchen und ein Lineal.

Schlafen Sie auf dem Rasen? fragte der Dicke.

Ja, sagte Nora. Glauben Sie vielleicht, ich spiele in meinem Schlafzimmer Fußball?

Der Teufelsaustreiber ging an die Arbeit und gegen Abend war er fertig. Er suchte Nora und fand sie in der Küche.

Wollen Sie auch einen Milchkaffee?

Gerne, sagte der Teufelsaustreiber. Ich bin fertig.

Oh!, rief Nora. Das ging aber schnell.

Ich bin fleißig, sagte der Mann. Und ich mache gern tüchtig voran. Lahmärsche hasse ich.

Geht mir auch so, sagte Nora.

Sie schlafen also auf dem Rasen, sagte der Dicke.

Nora nickte. Ich bin totaler Fußballfan, wissen Sie. Aber nicht von einem bestimmten Verein, von Fußball überhaupt.

Schön, sagte der Dicke, wenn man sich für Sport be­geis­tern kann. Aber fehlt Ihnen denn nicht das Publikum?

Beim Schlafen?, fragte Nora.

Ja, sagte der Dicke. Gehört doch irgendwie dazu.

Nora sah ihn kritisch an. Na, Sie sind mir ja einer. Vor Publikum schlafen! So was würde mir nie einfallen. Ist doch viel zu laut. Und dann die Hooligans. Also Sie sind echt verrückt.

Und wie decken Sie sich zu?, fragte der Dicke. Mit einer Flagge?

Gar nicht, erklärte Nora. Ich schlafe nackt. In mir ist so viel Wärme, ich brauche keine Decke. Und ein Ohr muss auf dem Elfmeterpunkt liegen, sonst kann ich nicht einschlafen.

Sie stellte den Milchkaffee auf den Tisch.

Und sonst?, fragte der Dicke. Was machen Sie beruflich?

Früher, sagte Nora, war ich Rechtsanwaltsgehilfin, dann hab ich in der Lotterie gewonnen. Sofortrente. Seitdem beschäftige ich mich hauptsächlich mit Hitparadenstatistiken der 70er, 80er und 90er Jahre.

Lecker, der Milchkaffee, sagte Peter Lustig. Er stand auf und legte sein Kärtchen auf den Tisch.

Rufen Sie mich an, wenn’s der Rasen wieder braucht.

Nein, sagte Nora. Sie wollen ja nur mein Geld. Sie gab ihm die 5€.

Danke, sagte der Dicke und boxte Nora zärtlich in den Bauch.

Oh Gott!, rief sie. Jetzt bin ich von Ihrer Faust schwanger!

Ja, sagte der Dicke. In zwei Jahren werden Sie eine kleine, lustige Faust bekommen und wo die hinschlägt, wächst kein Gras mehr.

Was reden Sie denn?, rief Nora. Wollen Sie mir Angst machen?

Nein, nein, sagte der Dicke. Ich wollte witzig sein.

Nein, sagte Nora. Sie wollten mir zum Abschied wenigstens verbal eine reinhaun, weil Sie neidisch sind.

Auf was denn?, fragte der Teufelsaustreiber.

Auf meine kleine, heile Welt!, rief Nora und schloss die Tür mit ganz viel Feingefühl.