Kitabı oku: «An der Grenze zur Realität», sayfa 2

Yazı tipi:

Die Pandaschau

Siebzig Pandabären kamen ungeordnet die Straße entlangmarschiert und blieben vor der alten Mühle stehen. Alle zusammen riefen sie: Heh, Müller! Bring uns Mehl!

Der alte Müller, der die alte Mühle nur noch aus Nos­talgie in Schuss hielt, war so taub wie Beethoven zum Schluss. Er verbrachte die meiste Zeit im Internet. Eine Nachbarin jedoch hatte die Pandas rufen gehört und hängte sich aus dem Fenster.

Der Müller kann euch nicht hören!, rief sie. Wenn ihr was von ihm wollt, müsst ihr ihm mailen!

Wie?, riefen die Pandas. Wir sollen dem Müller mailen, dass er uns Mehl bringen soll? Döfer geht’s wohl nicht!

Sie polterten mit ihren weichen Tatzen gegen die Müh­lentür und brüllten sich die Seelen aus dem Leib. Keine Reaktion.

Na, rief die Nachbarin. Was hab ich euch gesagt?

Die Pandas sahen sich an. Einer sagte: Dann hören wir eben auf die Alte.

Die anderen brummten Zustimmung. Hast du die Mail­adresse vom Müller?, fragten sie die Frau.

AlterMüller@web.de, rief sie.

Ein Panda rief einen Freund zuhause an und bat ihn, dem Müller zu mailen. Zwei Stunden später kam der alte Müller mit einem Mehlsack raus und die Pandas puderten sich mit dem Mehl die schwarzen Flecken weg. Dann stellten sie sich nebeneinander auf und einer von ihnen machte Fotos.

Macht ihr das aus Langeweile?, fragte die Nachbarin, die sich das Schauspiel aus der Nähe angeschaut hatte.

Was ist das denn?, fragten die Pandas.

Ihr wisst nicht, was Langeweile ist?, staunte die Frau.

Die Pandas schüttelten sehr vorsichtig die Köpfe. Sie bedankten sich beim alten Müller, indem sie ihm ganz vorsichtig die Hand schüttelten.

Als der Mann der Nachbarin von der Arbeit nach Hause kam, erzählte sie ihm die Geschichte.

Stell dir das mal vor: Der alte Müller hat siebzig Pandas die Tatzen geschüttelt und zwar so behutsam, dass sie ganz weiß geblieben sind. Das hättest du mal sehen sollen! Da hast du was verpasst!

Hab ich eben was verpasst, erwiderte der Mann verärgert. Einer muss das Geld verdienen.

Ehrliche Arbeit

Ein paar Ameisen hatten ihr Erspartes zusammengeschmissen und sich davon ein Stück Gartenschlauch gekauft, nur Schlauch pur, kein Anschlussstück, kein regulierbares Spritzteil, nichts weiter. Nun verbrachten sie ihre gesamte Freizeit in und auf dem Schlauch, nie hatten sie so viel Freude.

Dürfen wir auch mal?, fragten andere.

Ja ok, sagten die Ameisen. Aber nur 5 Minuten.

Auch den anderen Ameisen gefiel der Gartenschlauch und als die Zeit rum war, wollten sie noch länger bleiben.

Nein, sagten die Besitzerameisen. Wir brauchen den ganzen Schlauch, ihr stört. Schmeißt doch auch euer ganzes Erspartes zusammen und kauft euch euer eigenes Stück.

Wir würden uns nie einen Gartenschlauch kaufen, erwiderten die anderen.

Was denn dann?, fragten die einen.

Einen fetten roten Ferrari!, riefen die anderen und schmissen ihr Erspartes zusammen. Sie holten sich einen fetten roten Ferrari und parkten ihn direkt neben dem dunkelgrünen Gartenschlauch. Da kam ein junger Mann mit seinem kleinen Hund vorbei. Der Hund schnupperte an einem Reifen, leckte auch daran.

Hey!, riefen die Ameisen. Das ist kein Leckauto!

Entschuldigt bitte!, rief der Mann. Mein Hund fährt total auf Reifen ab.

Schon gut!, riefen die Ameisen.

Womit habt ihr so viel verdient, fragte der junge Mann, dass ihr euch so ein Auto leisten könnt?

Mit Arbeit, sagten die Ameisen. Wir können ja nichts anderes.

Ist doch ok, sagte der Mann im Weitergehen. Für ehrliche Arbeit muss sich niemand schämen.

Er bog mit seinem Hündchen um die Ecke und die Ameisen spielten im Ferrari weiter Verstecken.

Schule für Große

Lebenskunde Anfang November

Wir hatten in Lebenskunde über St. Martin gesprochen und auf Schülerseite war die Meinung vorherrschend, dass es mit einem Stück Mantel nicht getan sein könnte.

Er hätte dem Bettler mindestens noch ein paar Goldstücke zustecken müssen, sagte Barbara. Als Heiliger muss man großzügig sein, da geht nicht Geiz ist geil.

Der Lehrer schüttelte den Kopf.

Ihr müsste die Geschichte historisch richtig einordnen. Das war doch finsterstes Mittelalter, da war das Leben eines armen Teufels gar nichts wert. Kennt ihr denn nicht die germanischen Sagen, die nordischen Heldenepen? Da wurden Menschen abgeschlachtet wie heutzutage die Schweine und die Hühner.

Und die Puten!, rief Jens dazwischen.

Exakt, sagte der Lehrer. Da galt das Recht des Stärkeren und sonst gar nichts. Und Martin war Soldat, vergesst das bitte nicht. Ihr habt doch noch die Bilder dieser deutschen Soldaten in Afghanistan vor Augen, die neulich für Empörung sorgten. Und die Soldaten damals waren noch viel härter drauf, oder glaubt ihr, die hätten mit Holzschwertern gekämpft?

Das verstehe ich nicht, sagte Lola. Wie kann denn ein Heiliger Soldat sein?

Gute Frage!, rief der Lehrer. Hat jemand eine Antwort?

Ich meldete mich und sagte, dass im Prinzip jede Berufsgruppe Heilige stellen könne, bis auf die Zuhälter vielleicht.

Der Lehrer sagte: Ja, schon. Doch das hilft uns nicht weiter. Wir überlegten.

Ich hab’s!, rief Heiko. Der wurde erst in dem Moment zum Heiligen, als er den Mantel teilte, oder?

Exakt!, rief der Lehrer. Das war die Wende! Vorher war Martin ein ganz normaler römischer Offizier, für den so ein Bettler ein atmendes Stück Dreck darstellte. Und plötzlich sieht er in ihm den leidenden Mitmenschen und hilft. Das ist der Punkt. Sehr gut, Heiko!

Wir alle sahen Heiko an. Er lächelte.

Bist du jetzt stolz?, fragte Linda.

Was soll das, Linda?, rief der Lehrer. Selbst beteiligst du dich kaum am Unterricht. Nimm dir an Heiko ruhig ein Beispiel. Wenn ihr alle so konzentriert mitarbeiten würdet, hättet ihr vom Leben schon viel mehr kapiert.

Ich will das nicht kapieren, sagte Linda kühl und ruhig. Was soll denn daran toll sein, wenn ein Bedürftiger von einem Besatzer einen halben Umhang kriegt? Da hat der Staat doch wohl voll versagt, wenn jemand halbnackt im Schnee rumsitzen muss.

Du hast Recht, sagte der Lehrer. Die Römer hatten kein funktionierendes Sozialsystem. Aber das können wir ihnen nicht vorwerfen, weil so etwas noch gar nicht erfunden war. Es gab weder Hartz IV noch Sozialhilfe. Das hieß damals Almosen und lief auf Spendenbasis.

Almosen?, fragte Lennart. Was ist das denn für ein komisches Wort? Hat das was mit Moos zu tun?

Wird mit nur einem O geschrieben, sagte der Lehrer. Das kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Erbarmen.

Na, passt doch!, rief Linda. Ist ja auch erbärmlich, was es bei uns an Sozialhilfe gibt!

Linda!, rief der Lehrer. Sei nicht ungerecht. Unser Sys­tem ist eins der besten der Welt und es ist nicht unsere Schuld, wenn viele der Bedürftigen ihr Geld für Unterhal­tungselektronik, Telefone, Tabak und Drogen ausgeben, anstatt ihren Kindern dafür gesundes Essen zu kaufen.

Die haben wenigstens noch Kinder!, rief Jens. Die anderen sind nicht so doof.

Jens, bitte!, rief der Lehrer. Das ist ja unerträglich. Du weißt ja gar nicht, wie dumm diese Bemerkung war. Es sind doch nicht nur sozial schwache und geistig benachteiligte Leute, die Kinder bekommen. Unsere Verteidigungsministerin z.B., das weiß doch jeder, die ist achtfache Mutter.

Sieben!, riefen alle.

Ich wollte nur testen, sagte der Lehrer, ob ihr euch überhaupt für Politik interessiert. Bravo! Also Jens, das war nichts. Wenn du selbst Kinder hättest, wüsstest du, wie viel Freude sie machen. Du siehst das viel zu negativ. Du müsstest dich generell mal fragen, ob du das Leben liebst oder ob du mehr darunter leidest. Und wenn du mehr darunter leidest, dann solltest du dich der Frage stellen, ob du mehr an anderen leidest oder an dir selbst. Und wenn ...

Da ging die Pausenklingel. Wir standen auf.

Stellt euch alle diese Fragen!, rief der Lehrer. Das ist die Hausaufgabe.

Urmode

Vor vielen, vielen, gefühlten hunderttausend Jahren saß ein Baumstamm im Wald auf einer glitschigen bemoos­ten Bank und trank Jägermeister aus der Flasche.

Lass mich mal kosten, bat ein junger Säbelzahntiger.

Nein, sagte der Baumstamm. Davon wird dir schlecht.

Ach, bitte, sagte der Tiger. Das sagst du doch nur, um mich abzuwimmeln. Ich weiß, dass dieses Zeug happy und unbesiegbar macht.

Ha!, lachte der Baumstamm. Wer hat dir denn den Quatsch erzählt?

Da entriss der Tiger dem Baumstamm die Flasche und trank sie mit gierigen Zügen leer. Er brüllte fürchterlich und schrie: Jetzt schnapp ich mir das Einhorn mit den prallsten Oberschenkeln.

Siehst du!, rief der Baumstamm. Jetzt bist du übermütig geworden!

So gefall ich mir am besten! rief der junge Tiger und schlich theatralisch los. Bevor er die Einhornherde zu Gesicht bekam, hatte diese bereits seine Fahne gerochen und war auf die steilste Anhöhe gesprungen, die der betrunkene Tiger nicht meistern konnte. Immer wieder kullerte er ins Tal und blieb schlussendlich ausgepowert liegen. Das Einhorn mit der längsten Zunge sagte: Für heute sind wir sicher. Und morgen hat er einen dicken Kopf. Aber übermorgen wird er es wieder versuchen. Und ich weiß, auf wen er es abgesehen hat.

Du meinst mich, nicht wahr?, sagte das Einhorn mit den prallsten Oberschenkeln.

Ja, sagte das Einhorn mit der längsten Zunge. Ich schlage vor, du wartest, bis er schnarcht. Dann gehst du runter und erledigst ihn.

Er ist so ein schönes Tier, sagte das Einhorn mit den prallsten Oberschenkeln.

Du bist auch ein schönes Tier, sagte das Einhorn mit den kleinsten, gemeinsten Augen. Worauf wartest du? Er schnarcht.

Da stieg das Einhorn mit den prallsten Oberschenkeln hinunter ins Tal und stach dem Säbelzahntiger seine tödliche Waffe ins Herz.

Am nächsten Tag kam der Baumstamm auf dem Weg zur Arbeit am toten Tiger vorbei. Er zog ihm das Fell ab und hängte es sich über. Die Kollegen nickten beeindruckt, als sie ihn so kommen sahen, und sein Lieblingskollege fragte: Wo kriegst du bloß immer die geilen Klamotten her?

Gänse

Ein deutscher Gewichtheber, der seine Karriere wegen Magersucht hatte beenden müssen, wachte eines Morgens mit zwei Gänsen an den Füßen auf.

Ach du Scheiße!, rief er aus. Wo kommt ihr denn her?

Die Gänse verstanden ihn nicht, aber sie fragten auf polnisch: Kannst du uns bitte losbinden, wir verpassen sonst den Zug nach Rio de Janeiro.

Ah, Rio de Janeiro!, rief der Gewichtheber. Ihr wollt mich wohl veräppeln.

Er wollte den Gänsen die Hälse verknoten, aber die Tiere waren stärker als er. Er konnte es nicht schaffen. Da rief er seine Freundin an. Sie kam und band die Tiere los. Sie sprangen vom Bett und tanzten Samba.

Sind doch ganz nett, die beiden, sagte seine Freundin. Warum hast du sie nicht einfach losgebunden?

Ich kam nicht drauf, sagte der Mann. Das musst du mir glauben.

Ja, gut, sagte die Freundin gelangweilt und tanzte mit den Gänsen. Sie wurden immer ausgelassener.

Los, tanz mit uns!, rief die Freundin.

Ich kann keinen Samba!, rief der ehemalige Gewichtheber und ging in die Küche. Er schnitt Blutwurst in die Pfanne, briet sie schön knusprig, hatte dann aber doch keine Lust auf sie. Er tat die Blutwurst auf einen Teller und ging zurück ins Schlafzimmer.

Hey!, rief er. Will von euch jemand Blutwurst?

Seine Freundin winkte ab: Samba tanzen und Blutwurst essen? Bist du verrückt?

Die Gänse aber sahen interessiert zu ihm hinüber. Er warf den Gänsen die Scheiben einzeln zu. Sie fingen sie mit dem Schnabel aus der Luft und als sie alle waren, steckten sie die Köpfe zusammen und schnatterten sich was zu. Übersetzt hieß es in etwa: Komm, wir bleiben hier. Es gibt Samba und Blutwurst, was will man mehr?

Sie fragten die Frau: Can we stay? We like your way of life.

Bruno!, rief die Freundin. Die Gänse würden gerne bleiben, geht das?

Haben sie denn kein Zuhause?, fragte Bruno.

Die Freundin übersetzte.

No, sagten die Gänse. No home. We are homeless geese from Eastern Europe.

Die Freundin übersetzte.

Na gut, sagte Bruno.

Also blieben sie und es dauerte keine Woche, da hatte er was mit ihnen. Die Freundin kriegte es heraus und stellte ihn vor die Wahl: Die Gänse oder ich. Also inserierte Bruno: Gänse günstig abzugeben.

Ein junger Mann erschien und fragte: Sind die auch belastbar?

Wie, meinte Bruno.

Nervlich, sagte der Mann. Bei mir läuft ständig Musik und dazu singe ich laut mit.

Das macht denen nichts!, sagte Bruno.

Er bekam 30 Euro für die beiden Gänse, weg waren sie. Bei ihrem neuen Besitzer durften die Gänse den ganzen Tag fernsehen und Sudokus lösen, bis eines Tages ein falscher Zeuge Jehovas auftauchte. Die Gänse waren allein zu Hause. Sie öffneten die Tür und der fette Zeuge stopfte sie in seinen Trolley. Er ging in den nächstbesten Park und drohte den lärmenden Gänsen mit dem Schlimmsten:

Wenn ihr nicht still seid, schmeiß ich mich auf euch!

Die Gänse lärmten weiter und der falsche Zeuge warf sich zwei Mal auf den Trolley. Zwei Tage später, am Weihnachtstag 2004, verputzte er mit seiner Schwester die beiden Gänse und am Abend säuberten sie die Knochen mit einem Spezial-Gänsefleischentferner. Dann bastel­ten sie aus den Knochen eine Art Pullover. Die Schwes­ter zog ihn an.

Steht dir gut, sagte der falsche Zeuge, aber du musst was drunterziehn. Vor deiner hellen Haut heben sich die hellen Knochen so gut wie gar nicht ab.

Erst wollte die Schwester es nicht einsehen. Sie stellte sich vor einen Spiegel.

Du hast Recht, Mäuschen!, rief sie. Ich seh ja aus wie nackt!

Sie zog ein schwarzes T-Shirt ihres Bruders unter den Knochenpulli.

Total avantgardistisch!, sagte der Bruder. Stell dich mal vor den Weihnachtsbaum.

Er machte ein Foto von ihr.

Du schaffst es immer wieder, deine Individualität zu betonen, sagte er anerkennend. Da hast du echt Talent.

Die Schwester holte einen Kopfsalat aus dem Kühlschrank und warf die Blätter auf den Tannenbaum.

Was machst du denn jetzt?, rief der falsche Zeuge.

Mischwald, sagte die Schwester.

Der netteste Mensch der Welt

Schwuli sah so abgerissen aus, dass der Gebrauchtwagenhändler gar nicht mit ihm sprechen wollte. Er machte nur sehr schnelle Geh-weg-Gesten mit den Fingern einer Hand. Da nannte Schwuli ihn einen furzenden Schmetterling. Der Gebrauchtwagenhändler war von diesem Aus­­druck angewidert und wünschte Schwuli einen Schlag­anfall.

Dann lege ich mein Geld eben woanders an!, rief Schwuli und ging.

Er sog die betörenden Fliederdüfte gierig ein und wurde von einem dunkelblauen Kinderhandschuh, der in einem Gartenzaun steckte, angesprochen: Hey, Schwuli! Zeig mir die Welt!

Heute nicht, sagte Schwuli. Ich muss noch meine Oma kreuzigen.

Der Kinderhandschuh musste schlucken.

Das musst du jetzt nicht wirklich, oder?

Mann!, brüllte Schwuli. Du kennst mich doch. Ich bin der netteste Mensch der Welt.

Wieso heißt du eigentlich Schwuli?, fragte der Handschuh. Du bist doch gar nicht homosexuell.

Weil ich so nett bin, sagte Schwuli. Wenn du nett bist, nennen sie dich Schwuli oder Arschloch oder Opfer oder Penner, weißt du doch.

Ich bin auch nett, sagte der Handschuh, aber zu mir sagen alle nur Handschuh.

Korrekt, sagte Schwuli. Und warum hängst du hier ab?

Verloren worden, sagte der Handschuh. Jemand hat mich hier reingesteckt, damit ich gut zu sehen bin.

Nett, sagte Schwuli.

Mit wem reden Sie denn?, fragte eine Frau von 48.

Mit dem Handschuh, sagte Schwuli. Er sprach mich an.

Schade, dass sie einen an der Waffel haben, sagte die Frau. Sie sehn so schlecht gar nicht aus.

Er ist auch nett!, rief der Kinderhandschuh. Seine Kleider sind dreckig, aber sein Penis ist sauber und die Hände auch.

Zeigen Sie mal, sagte die Frau.

Schwuli hielt die Hände hin. Da spuckte die Frau ganz schnell drauf und rannte weg.

So eine Gestörte!, rief der Kinderhandschuh.

Ach, sagte Schwuli, sag nicht so krasse Sachen. Frauen in den Wechseljahren haben oft solche Hitzewallungen. Dann halten sie die Welt nicht aus und machen Sachen, die sie kurze Zeit später sehr bereuen.

Da kam die Frau zurück. Sie wischte mit einem Tempo Schwulis Hände ab und sagte: Tut mir leid. Ich habe manchmal so eine universelle Wut auf alle Idioten.

Schon gut, sagte Schwuli. Und die Wechseljahre?

Bis jetzt habe ich meine Periode noch immer regelmäßig, sagte die Frau. Also, ich muss weiter. Tschüss.

Die war auch nett, sagte der Kinderhandschuh.

Ja, sagte Schwuli. Nette Menschen erkennen einander, das ist das Schöne am Leben.

Unterirdisch

Einen halben Meter unter der Erdkruste hatten einige Erdgeister aus Mundharmonikaresten eine Bar gebaut und sie nach dem großen Komponisten »Morricone« getauft. Nun saßen sie am Tresen und starrten auf die mit kalter Lava gefüllten Flaschen.

Die Etiketten sind zu dick und zu weich, sagte ein Erdgeist.

Stimmt, sagte ein anderer. Sie hängen runter wie Schwabbelbäuche.

Hey Leute!, rief ein anderer, das ist unsere allererste selbstgebaute Bar, seid nicht zu streng mit ihr.

Und warum steht auf den Etiketten nicht Lava, sondern Love?, fragte ein vorbeihuschender, virtueller Maulwurfs­hügel.

Weil das für uns dasselbe ist, du Ei!, riefen die Erd­geister.

Zwei Zahlen

Eine Zwei lag tot im Straßengraben.

Was ist mit dir?, rief eine beschwippste Vier, die von einem Betriebsausflug nach Hause ging.

Ich bin tot, sagte die Zwei ganz leise.

Ermordet?, fragte die Vier.

Nein, nein!, rief die Zwei. Herzversagen, Altersschwäche, keine Ahnung. Immer müsst ihr Vieren alles dramatisieren.

Die Vier setzte sich neben die tote Zwei ins Gras und sah sie an.

Du siehst aus wie immer.

Warum auch nicht, sagte die Zwei. Bloß weil ich tot bin, muss ich ja nicht anders aussehen.

Wie geht’s dir denn?, fragte die Vier und streute Erde auf die Zwei.

Gut, sagte die Zwei. Aber hör auf, mich mit Dreck zu bewerfen.

Entschuldige, sagte die Vier. Ich war ganz in Gedanken. Wie findest du mein Plastikherz?

Geht so, sagte die Zwei. Soll ich mal reinpieksen?

Nein!, rief die Vier. Das hat mir Heinz geschenkt.

Heinz, die Eins?, rief die Zwei.

Ja!, jubelte die Vier. Er liebt mich und das ist für immer. Wir werden heiraten.

Aber er ist noch mit Ulli, der Null, zusammen, sagte die Zwei. Ist das kein Problem für dich?

Doch, sagte die Vier. Sie steht noch zwischen uns.

Dann seid ihr zusammen die 104, folgerte die Zwei.

Für eine Tote kannst du noch ganz schön kombinieren!, sagte die Vier.

Restenergie, flüsterte die Zwei. Wenn du eine halbe Stunde später hier vorbeigekommen wärst, hättest du von mir nichts mehr gehört.

Und warum bist du nicht einfach still?, fragte die Vier. Man muss nicht immer alles geben. Das Leben ist kein Fußballspiel. Und diese Gegend hier ist nachts ganz still viel schöner.

Ja, flüsterte die Zwei. Du bist gar nicht so doof, wie ich dachte.

Das waren ihre letzten Worte. Die Vier stand auf und ging. Noch wochenlang hatte sie den letzten Satz der Zwei im Ohr. Die Sache war dumm gelaufen.

Elterngespräch

Ich bin so ungeduldig, sagt Antonia, immer diese Ungeduld! Wenn ich mir einen Film anschaue, wünsche ich mir schon nach fünf Minuten, er wäre endlich vorbei.

Du musst dir gute Filme anschauen, sagt Immo, Filme, die dich fesseln.

Fesseln?, fragt Antonia. Wie meinst du das?

Ach, sagt Immo, sagt man doch so. Ich meine, wenn mich etwas langweilt, möchte ich auch, dass es schnell vorbei ist. Das geht wohl jedem so.

Du meinst, ich bin nichts Besonderes?, fragt Antonia.

Natürlich bist du etwas Besonderes, sagt Immo. Also generell auf jeden Fall. Aber so eine Reaktion ist sehr normal, da musst du dir keine Sorgen machen.

Sorgen mach ich mir auch keine, sagt Antonia. Aber jetzt zum Beispiel, da denke ich: Wann hört dieses blöde Gequatsche endlich auf? Verstehst du? Immer diese Ungeduld!

Immo nickt. Das ist nicht gesund, Antonia! Du musst ruhiger werden.

Geht nicht, sagt Antonia. Ich schlafe nicht mal ruhig, also kurz vielleicht, doch dann lauf ich durchs dunkle Haus und denke: Wann ist die Nacht endlich vorbei?

Warum machst du kein Licht an?, fragt Immo.

Wozu?, ruft Antonia. Ich gehe gern durch dunkle Räume, sie sind meine besten Freunde.

Antonia, sagt Immo, du musst andere Prioritäten setzen. Zum Beispiel Kinderkriegen. Das könnte dich von deiner Ungeduld ablenken oder dich zwingen, geduldiger zu werden.

Du immer mit deinem Kinderkriegen!, ruft Antonia. Das ist doch kein Allheilmittel!

Nein, sagt Immo. So etwas gibt es nicht. Ach, lass es! Kinder sollte man ohnehin nur um ihrer selbst willen bekom­men oder einfach so, alles andere ist Missbrauch.

Gut, sagt Antonia. Dann will ich erstmal eins einfach so.

Ok, sagt Immo.