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Chancen und Grenzen im internen Mentoring

Mentees, die an einem internen Mentoring teilnehmen, erhalten bereits dadurch eine Wertschätzung, dass der Arbeitgeber sie an einer individuellen Personalentwicklungsmaßnahme teilnehmen lässt.

Die Vorteile des internen Mentorings sind schnell darstellbar: Mentees und MentorInnen verfolgen die gleichen Unternehmensziele und kennen die Unternehmensphilosophie. Aufgrund der räumlichen Nähe entfallen meist aufwendige und teure Fahrten und sowohl Mentees als auch MentorInnen sind der Personalabteilung bzw. der Projektleitung bekannt. Die Mentees profitieren von den bestehenden Kontakten und Netzwerken ihrer MentorInnen und können neue Beziehungen im Unternehmen knüpfen. Bei aktuellen Fragen oder Problemstellungen ist der Weg zu den MentorInnen kurz, und in den meisten Fällen ist es möglich, auch zwischen den geplanten Mentoring-Gesprächen einen kurzen Termin zu vereinbaren oder eine Frage zu stellen. Die Mentees werden durch den Kontakt zu ihren MentorInnen im Unternehmen sichtbarer.

Häufig ist auch ein sogenanntes Shadowing Teil des internen Mentorings, d. h., die Mentees begleiten ihre MentorInnen bei der Arbeit oder auf bestimmten Veranstaltungen. Dadurch erleben die Mentees ihre MentorInnen in deren Arbeitsalltag und erweitern ihren Erfahrungshorizont auf einer ganz praktischen Ebene. Tipps und Ratschläge der MentorInnen können so oftmals besser verstanden werden.

Gerade in sehr großen Unternehmen oder Konzernen kann internes Mentoring auch an verschiedenen Standorten stattfinden. Dies bietet die z. B. Möglichkeit, KollegInnen anderer Niederlassungen oder die Arbeit der Hauptverwaltung besser kennenzulernen.

Es gibt jedoch auch Situationen, in denen ein internes Mentoring nicht sinnvoll ist. Die Gründe dafür können sowohl im persönlichen Bereich der Mentees liegen als auch in der Unternehmensorganisation. Exemplarisch hierfür sind z. B.:

Mentees, die in „kritischen“ Bereichen tätig sind (z. B. Revision, Rechtsabteilung, Personalabteilung) oder sehr vorstandsnah arbeiten

Mentees, für deren Themen sich im Unternehmen keine passenden MentorInnen finden lassen (z. B. spezielle Fragestellungen, Internationales, wie eine Entsendung ins Ausland o. Ä.)

Mentees, für die keine persönlich passenden MentorInnen im Unternehmen tätig sind

eine zu geringe Unternehmensgröße

In diesen Fällen sollte alternativ ein Cross-Mentoring in Betracht gezogen werden.

Voraussetzungen für ein internes Mentoring

Voraussetzungen im Unternehmen sind u. a.:

Unternehmensgröße von >400 MitarbeiterInnen

klare Zielsetzung des Unternehmens, was mit dem Mentoring erreicht werden soll

genaue Definition der Zielgruppe (ältere MitarbeiterInnen, PotenzialträgerInnen etc.)

Abstimmung mit dem Betriebs- bzw. Personalrat

klare Kommunikation innerhalb des Unternehmens bzgl. der Zielgruppe

ein transparentes Auswahlverfahren, das allen MitarbeiterInnen und Führungskräften erläutert wird

eine Projektgruppe, die für das gesamte Programm und die Betreuung verantwortlich ist

Transparenz ist eine wesentliche Voraussetzung für ein erfolgreiches internes Mentoring-Programm. Die Information, dass im Unternehmen ein internes Mentoring-Programm angeboten wird, sollte so früh und umfassend wie möglich kommuniziert werden. Je nach Unternehmenskultur sind Informationsveranstaltungen, Bekanntmachung im Intranet oder Aushänge möglich. Diese Informationen sollten Folgendes beinhalten:

die Zielsetzung des Unternehmens

die potenzielle Zielgruppe

die Voraussetzungen für eine Teilnahme

die Dauer des Programms

Ergänzend können mögliche Alternativen für die MitarbeiterInnen, die nicht der Zielgruppe entsprechen, genannt werden. Falls Mentoring als ein Bestandteil der Personalentwicklung geplant ist, kann ggf. eine Teilnahme zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein.

Die verantwortlichen Führungskräfte sollten ebenfalls vor der Einführung des Programms ausführlich über die geplante Maßnahme informiert werden. Eventuell wird ein(e) MitarbeiterIn als Mentee teilnehmen. Oder das Unternehmen sucht die MentorInnen innerhalb der Führungskräfte und KollegInnen werden direkt angesprochen.

Werden diese Informationen nicht bzw. nur unzulänglich kommuniziert, kann es zu Unstimmigkeiten bzw. Missverständnissen bei den MitarbeiterInnen kommen. Wird bekannt, dass eine bestimmte Personengruppe, z. B. Frauen, durch das Programm gefördert wird, ohne dass die dahinterstehende Absicht kommuniziert wurde, sind Neid und Vorurteile der KollegInnen fast vorprogrammiert. Bei der genannten Zielgruppe können es z. B. männliche Kollegen sein, die sich über die „ungerechtfertigte Frauenförderung“ beschweren, oder auch Kolleginnen, die eine Maßnahme für Frauen ablehnen, weil sie keinen „Bonus aufgrund der Tatsache, dass sie Frauen sind“, wollen oder das Gefühl vermeiden möchten, „einer defizitären Gruppe“ anzugehören, für die ein Extraprogramm angeboten wird. Eine ganz einfache und klare Lösung wäre in diesem Fall, die aktuellen Zahlen des Unternehmens vorzulegen. Ist eine Förderung von Frauen in Führungspositionen das Ziel, kann der bisher erreichte Frauenanteil als Argumentationsgrundlage dienen.

Zusammensetzung und Aufgabe der Projektgruppe

Wie erfolgreich ein Mentoring-Programm wird, hängt primär von den Tandems (Mentees & MentorInnen) ab, die im Mittelpunkt der Maßnahme stehen. Um für die Mentees und MentorInnen ideale Rahmenbedingungen zu gewährleisten, ist es unbedingt erforderlich, dass es im Unternehmen jemanden gibt, der die Verantwortung für das Programm und seine Durchführung hat. Das umfasst u. a. die Planung, die Organisation und das Matching und auch, während der späteren Durchführung als AnsprechpartnerIn für die Tandems zur Verfügung zu stehen. Eine häufige (und falsche!) Annahme ist, dass Mentoring „wie von selbst“ funktioniert. Nach dem Zusammenstellen der Tandems werden diese häufig sich selbst überlassen und haben keine AnsprechpartnerInnen bei Fragen oder Problemen.

Die Aufgabe „Projektgruppe“ wird in vielen Fällen an die Personal- oder Personalentwicklungs-Abteilung übertragen. Diese Konstellation hat Vorteile:

Die PersonalerInnen

… kennen alle Mitarbeitenden im Unternehmen.

… wissen um die Notwendigkeit einer klar strukturierten Maßnahme.

… kennen das Instrument Mentoring und wissen, wie es genutzt werden kann.

… sind für das Unternehmen eine relativ kostengünstige Lösung, da sie vor Ort tätig sind.

… haben teilweise Insider-Wissen über persönliche oder berufliche Probleme der MitarbeiterInnen.

… können sich vorstellen, wer mit wem warum ein gutes Tandem bilden könnte.

Dieses Wissen der PersonalerInnen kann sich jedoch auch als Hindernis darstellen, weil der notwendigerweise neutrale Blick auf die potenziellen Mentees und MentorInnen dadurch verstellt sein kann.

Unterstützung durch externe ExpertInnen

Bei der Implementierung eines internen Mentoring-Programms kann die – zumindest teilweise – Unterstützung externer ExpertInnen sehr sinnvoll sein. Da die Mitglieder der Projektgruppe im selben Unternehmen tätig sind wie die TeilnehmerInnen am Mentoring und damit im weitesten Sinne deren KollegInnen, ist eine neutrale Bewertung der Eignung und das spätere Zusammenstellen der Tandems aus rein sachlicher Perspektive sehr schwierig.

MitarbeiterInnen der Personalabteilung wissen in den meisten Fällen mehr als andere KollegInnen über die potenziellen Mentees. Sie wissen, ob jemand verheiratet, geschieden oder ledig ist. Sie kennen den Krankenstand und sind häufig auch in private Themen wie Trennung oder zu pflegende Angehörige involviert. Dieses Wissen sorgt im Berufsalltag für Verständnis, steht einer neutralen Betrachtung jedoch im Weg. Tatsächliche oder vermeintliche Sympathien oder Antipathien („Die aus der Buchhaltung verstehen sich gar nicht mit den KollegInnen aus dem Marketing!“) verstellen den Blick auf die für das Mentoring relevanten Themen.

Auswahlverfahren für internes Mentoring

Nachdem das Unternehmen sich – ggf. in Zusammenarbeit mit der Projektgruppe und/oder externen ExpertInnen – auf die Zielgruppe und die Anzahl der Tandems geeinigt hat, ist der nächste Schritt das Auswahlverfahren. Wesentlich im Mentoring ist die Freiwilligkeit aller Teilnehmenden, insbesondere der Mentees. Durch ein Bewerbungsverfahren ist neben der Freiwilligkeit auch die Motivation der potenziellen Mentees gewährleistet. Bewährt haben sich verschiedene Instrumente, die ggf. kombiniert werden können:

eine Informationsveranstaltung für alle potenziell geeigneten MitarbeiterInnen

eine schriftliche Bewerbung, die von der Projektgruppe oder unabhängigen ExpertInnen beurteilt wird

ein Assessment-Center, in dem alle Interessierten ihre Eignung und Motivation darstellen können (ggf. mit externer Unterstützung)

ein persönliches, ausführliches Interview mit den KandidatInnen, die grundsätzlich für die Maßnahme geeignet sind

eine Matrix, mit deren Hilfe mögliche Verbindungen zwischen Mentees und MentorInnen erkannt werden können, die sonst nicht deutlich geworden wären (z. B. eine Zusammenarbeit in der Vergangenheit)

ein Profil, das anhand der vorliegenden Informationen (Bewerbung, Interview etc.) über die potenziellen Mentees erstellt wird und in dem Motivation, Eignung, evtl. Alternativen und Ausschlusskriterien (in Bezug auf potenzielle MentorInnen) vermerkt werden

Anhand dieses Vorgehens wird deutlich, warum für Teile des Mentorings eine externe Begleitung hilfreich sein kann. Es ist nicht auszuschließen, dass auch die professionellsten, besten und erfahrensten PersonalerInnen sich nicht von ihren – zutiefst subjektiven – Eindrücken frei machen können. Das sehr hilfreiche Wissen über Personen oder Abteilungen hilft in der täglichen Kommunikation und Projektplanung. Im Mentoring steht es eher im Weg, weil so viele Mentee-MentorIn-Konstellationen gar nicht bedacht bzw. im Vorfeld ausgeschlossen werden.

Das Matching bei internen Programmen

Das Matching ist eine der größten Herausforderungen im Mentoring. Die Zusammenstellung der Tandems, die im Durchschnitt ca. 12 Monate in einem intensiven, ehrlichen und vertrauensvollen Austausch miteinander verbringen sollen, erfordert viel Fingerspitzengefühl und Expertise. Die MentorInnen sollen die Mentees fordern, aber nicht überfordern. Die Mentees sollen ihre Komfortzone verlassen und neue Blickwinkel einnehmen, zeitgleich aber ihrer originären Tätigkeit nachgehen und die geforderten Leistungen erbringen. Im Mittelpunkt des Auswahlverfahrens stehen die durch Bewerbung, Assessment-Center oder Interview identifizierten Ziele und die Persönlichkeit der Mentees. Was soll am Ende des Programms erreicht sein? Gibt es aktuelle Konflikte, die begleitet werden sollen? Ist bereits ein weiterer Karriereschritt geplant und wird Unterstützung auf dem Weg benötigt? Ist das Thema die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Oder die Stärkung des eigenen Auftretens? Je genauer diese Fragen geklärt sind, umso größer ist die Chance, das passende Pendant zu finden.

Denken Sie beim Matching-Prozess an eine Partnerbörse, dann haben Sie eine ungefähre Vorstellung. Wie bei der Partnerwahl gilt auch beim Matching, dass in den meisten Fällen nicht 100 Prozent des gewünschten Profils erfüllt werden. Das bedeutet nicht, dass die Wünsche der Mentees nicht berücksichtigt werden, sondern dass professionelle Mentoring-ExpertInnen darauf achten, dass es etwas gibt, was wir „konstruktive Unähnlichkeit“ nennen. Bei aller notwendigen Sympathie und Harmonie braucht es im Tandem eine gewisse Reibung, damit der Austausch über „sehr harmonische Gespräche“ hinausgeht und die Mentees ihre definierten Ziele gemeinsam mit den MentorInnen erreichen. Denn im Gegensatz zu der erwähnten Partnervermittlung ist das Mentoring bereits im Vorfeld zeitlich limitiert, die Partner müssen also zeitnah mit der Arbeit beginnen.

Frau – Mann, Frau – Frau oder Mann – Mann?

Eine weitere Entscheidung, die Unternehmen und Projektgruppe treffen müssen, ist die Zusammenstellung der Tandems anhand des Geschlechts. Möglich sind gleichgeschlechtliche („same gender“) oder gemischtgeschlechtliche („cross gender“) Tandems. Welche Kombination geeignet ist, lässt sich nicht grundsätzlich beantworten.

Eine Hilfestellung kann die Wahl der Zielgruppe sein: Stehen z. B. Themen wie „Väter in Elternzeit“ im Fokus, ist eine Mann-Mann-Kombination sinnvoll. Hier agiert der Mentor als Rollen-Modell, eine Mentorin wäre – auch bei ansonsten perfekter Eignung – nicht die richtige Wahl. Die Zielsetzung „Mehr Frauen in Führungspositionen“ erfordert dagegen nicht zwingend Mentorinnen für die Mentees. In diesem Fall kann, trotz der Zielgruppe „Frauen“, ein männlicher Ansprechpartner die richtige Wahl sein. Ein Mentor kann z. B. die Wirkung der Mentee aus männlicher Sicht beurteilen bzw. männliche Verhaltensweisen erklären.

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