Kitabı oku: «Glaube, Irrglaube und die Macht der Liebe»

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Gabrielle Jesberger-Günther

Glaube, Irrglaube und die Macht der Liebe

Ein historischer Roman in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Teil 1

Teil 2

Teil 3

Teil 4

Teil 5

Teil 6

Teil 7

Epilog

Impressum neobooks

Vorwort

Glaube, Irrglaube und die Macht der Liebe

Ein historischer Roman

in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges

Gabrielle Jesberger

In den Schicksalen von Lucinde, Magnus und Melisande verdichten sich Lebenswege von Menschen, deren Namen größtenteils in Vergessenheit geraten sind. Sie erinnern

an tatsächliche Begebenheiten und historische Tatsachen. Das Leben der Ordensleute in den Klöstern ist den Herausforderungen der damaligen Zeit nachempfunden.

Für unsere Kinder, Enkel und alle Nachkommen.

Die Ausei­nandersetzung mit dem Schicksal dieser Menschen - in der Zeit unserer Vorfahren vor etwa zehn Generationen - kann den Blick schärfen für das Leid Unschuldiger heutzu­tage in aller Welt und Anstöße geben für ein Engagement gegen Gewalt in unserer Zeit.

Folter ist bis heute in vielen Ländern ein menschenverachtendes Instrument der Unterdrückung.

Heute wird zunehmend durch Gedenkstätten das Schicksal unzähliger auf dem Scheiterhaufen hingerichteter Frauen, Männer und Kinder aus dem Dunkel der Vergangenheit herausgeholt und dem Vergessen entrissen.

Durch die öffentliche Aufmerksamkeit

werden sie rehabilitiert und

es wird ihnen ihre geraubte Würde zurückgegeben.

Wir müssen erkennen, wie wichtig eine Erinnerungskultur für unsere Gesellschaft, für unsere Identität ist.

Unsere Erinnerungen sind nicht nur eine Zeitreise

in die Vergangenheit, sondern immer auch in die Zukunft.

Sie bestimmen, wie kreativ wir

unsere Zukunft planen und gestalten.

Und sie ermutigen uns, die alte Ordnung,

den Lauf der Welt auf den Kopf zu stellen,

eine andere Perspektive einzunehmen,

um neu zu sehen.

Das Bewusstsein für die eigene Geschichte vermittelt Werte, es beleuchtet unsere Wurzeln und ist damit auch für Gegenwart und Zukunft bedeutsam.“

Michael Günther,

Markt Eschau, Erster Bürgermeister

Eine kluge Autorin, die bereits zwei erfolgreiche Werke veröf­fentlich hat, wählt hier den historischen Rahmen des 30jährigen Krieges. Den sie geschickt mit einer tragisch-glücklichen Liebes­geschichte von Lucinde und Magnus verwebt:

Das entblättert sich beim Lesen als historisches Ereig­nis, lan­det bei den Einzelpersonen und deren Vergangen­heit. Und ist dann wieder ganz plastisch ein Jetzt: wie die Schreibende es erwähnt, „ein Er-innern, das er-lösen mag“.

Beeindruckend der Fundus an deutscher Geschichte und damit die Schilderung der damaligen Zustände. Beginnend bei den Ab­hängigkeiten der Klöster von den Kirchen, über jene vom Wohl­wollen derer Vertreter. Faszination, die sich verbietet und endet in akribischem Suchen nach Schwä­chen. Solche führen in die Falle und enden in den Gräueln dieser Zeit – den Hexenpro­zessen. Wetter- und andere Phänomene, für die sich keine Erklärung findet, sie beruhen auf dem „bösen Blick“: So wird man die Leute los, die einem zwar in der Nacht helfen mögen, die jedoch am hel­len Tage verunglimpft, damit lüstern und schadenfroh dem Feuer preisgegeben werden.

Lucinde liest aus den Stimmen der Menschen. Die Frage stellt sich, ob das nicht jeder könnte, würde er das wollen und daran glauben. Heißt doch „personare“ durch­schallen/ hören lassen; da klingt sehr wohl die Person durch, mit der ich es zu tun habe?

Oh nein, das ist vererbte Zauberei, womöglich von der Mutter oder Großmutter. Auf jeden Fall weiblich und somit zu verdam­men. Und, wie dann ein Arzt es ausdrückt, „…so werden die Körper der Frauen zu Schlachtfeldern“. Es graut einen heutzutage, in der Tageszeitung zu lesen, dass es künftig noch mehr Frauen­häuser geben soll.

Während die Klosterfrauen Phytotherapie betreiben, wird in Bamberg jeder zehnte Mensch verbrannt. Und Me­lisande erwartet ein Wechselbalg. Wie Lucindes Mutter lebte und starb, wer ihr Vater war – wir erfahren es in solch anschaulicher Weise, dass beim Lesen des Buches ein­drückliche Bilder auftauchen, die wir wohl alle in uns tra­gen.

„Erst am Ende eines Lebens ist es uns Menschen mög­lich zu verstehen, wie die Fäden des Schicksals gewebt sind.“

So spät muss das nicht sein, lassen wir uns ein auf einen Ro­man wie diesen: verfasst von einer lebensklugen Frau, einer Äbtis­sin gleich - freilich im heutigen Kontext: Die uns in aller Deut­lichkeit aufzeigt, dass wir auf den Schultern unserer Vorfahrinnen stehen. Und im Alltag hoffentlich „die Füße im Feuer“ haben …

Nürnberg, im April 2019

Brigitte Rose Meyer

Shamanic Couselor C.S.C.

Naturheilpraktikerin, Präventologin

Prolog

Anno Domini 1618 ist ein großer Komet erschienen in Ge­stalt einer großen und schrecklichen Rute, welche uns von und durch Gott heftig trifft, wegen unserem sündlichen Leben. Wir verdienen sie vielfältig und täglich, notierte der 21jährige Schuhmacher, Hans Heberle, bei Kriegsbeginn in seinem Tagebuch. Der Komet, der so hell war, dass man seinen Schweif sogar am Tag sehen konnte, galt als Künder drohenden Unheils. Wenn die Menschen nicht umkehren, wird Gott sie strafen. Er galt als Ankünden der nahen End­zeit. Wenn die himmlische Ordnung außer Kontrolle gerät, kann das nur bedeuten, dass das Unglück überall wartet und es kein Entrinnen mehr gäbe vor der Katastrophe. Pfarrer Schaller aus Stendal in der Altmark protokol­lierte 11 schwere Erdbeben seit 1510 und folgerte: […], darum muss ruina mundi vor der Tür sein. Ruina mundi, der Einsturz der Welt, das Ende. Das könnte ein Krieg nie gekannten Ausmaßes sein.

Aus heutiger Sicht sind solche Vorstellungen schwer nachvollziehbar. Doch existierten sie in den Köpfen der meisten Menschen. Jedes Ereignis, sei es Blitz oder Don­ner, zu viel oder zu wenig Regen, zu heiß oder zu kalt, wurde als Symptom der Weltlage insgesamt gedeutet und außerdem eingeordnet in ein persönliches Sündenregister. All dies formte die Charaktere - bis hin zu religiösen Ver­werfungen -, die wohl auch jene beispiellose Welle der Hexenverfolgung in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges auslösten.

Die Hoffnung auf Frieden war irgendwann nur noch ein kleines Flämmchen, das zu ersticken drohte. Andererseits weckten die langen Jahre des nicht enden wollenden Schre­ckens, der Not und der Gefahren - in denen der Tod an allen Ecken lauerte - in den Menschen einen übermächtigen Drang, das Leben mit einer Leiden­schaft bis an die Grenzen auszuloten, die kaum zu stillen war. Als gäbe es nur diese eine Möglichkeit, wenigstens für kurze Zeit aus dem Grauen zu fliehen. Denn tief im Inneren schlummerte die Sehnsucht nach Liebe, nach dem Gefühl der Verbundenheit und des gegenseitigen Vertrauens. Auch in dieser Zeit fan­den Herzen zueinander, wurde geheiratet, wurden Kinder geboren. Für die Überlebenden ging das Leben trotz allem weiter. Die Menschen rückten näher zusammen. Und die Liebe, die immer noch größer war als jede Not, gab ihnen die Kraft, durchzuhalten, um aus all den Möglichkeiten, die sich noch fanden, etwas schöpfen zu können, das den letz­ten Funken der Hoffnung wieder aufs Neue zum Glühen brachte.

Nicht nur die Soldaten im Heer, auch die Menschen zu­hause fragten in dieser Zeit, in der der Krieg seine eigenen Gesetze schuf, immer weniger nach bestehenden Regeln, weder nach weltlichen noch nach kirchlichen. Es ging ein­fach nur darum, den Tag irgendwie zu überstehen. Notge­drungen besannen die Menschen sich auf das Wesentliche. Wen interessierte der Unterschied zwischen den Konfessio­nen, wenn es ums nackte Überleben ging?

Dies rettete auch das Leben des vermeintlichen Hexen­kindes Lucinde, obwohl ihr Tod schon mit der Geburt - durch das gewaltsame Ende der Mutter auf dem Scheiter­haufen - vorbestimmt schien. Und gerade durch die verwor­renen Kriegsereignisse konnte es sich fügen, dass das Le­ben des schwerverletzten schwedischen Trompeters Mag­nus, obwohl er protestantisch war, in einem katholischen Frauenkloster gerettet wurde. Nur durch einen Regelver­stoß, der in Friedenszeiten unvorstellbar war, fanden zwei Menschen zueinander, denen es durch den Krieg überhaupt erst möglich wurde, eine Liebe jenseits aller Konventionen zu leben.

Der dreißigjährige Krieg 1618 bis 1648 stürzte Europa in einen Krieg, der unvorstellbare Verwüstungen und Trau­mata hinterließ und irgendwann nicht mehr zu kontrollieren war von den Akteuren, die ihn eingeleitet hatten, in einen Krieg, der wie ein Flächenbrand den ganzen Kontinent ergriff. Die Ursachen reichen weit zurück.

Zu Beginn kämpften Katholiken und Protestanten um den wahren Glauben und am Ende Nationen um die Macht: Auf der einen Seite die katholische Liga und auf der ande­ren die protestantische Union innerhalb des alten Kaiserrei­ches, dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.

Gemeinsam mit ihren jeweils Verbündeten im zersplit­terten deutschen Reich trugen die katholisch-habsburgi­schen Mächte Österreich und Spanien ihre Interessenkon­flikte mit dem ebenfalls katholischen Frankreich - aber als Gegner - und den protestantischen Ländern Niederlande, Dänemark und Schweden aus. Frankreich, das sich einge­kreist fühlte von den Habsburgern und den Spaniern, ver­suchte seinerseits, sich die Union im Kampf gegen das katholische Spanien zum Verbündeten zu machen.

Das Geschick der katholischen Kirche war verhängnis­voll verknüpft mit dem des Hauses Österreich. 1618 war die Dynastie der Habsburger die stärkste Macht in Europa. Sie regierten auch in der neuen Welt in Mexiko und rühm­ten sich, weit mehr durch Heiratspolitik, als durch Erobe­rungen mächtig geworden zu sein.

Längst hatte sich ein vielfältiges Spannungsnetz aus po­litischen, dynastischen, konfessionellen und innenpoliti­schen Gegensätzen aufgebaut. Diese historische Gärung trieb auf eine Eskalation zu und entlud sich als Konflikt auf europäischer Ebene: der habsburgisch-französische Gegen­satz und auf der Reichsebene derjenige zwischen Kaiser und katholischer Liga einerseits und protestantischer Union andererseits. Frankreich und Spanien versuchten, die ein­heimischen Fürsten für sich zu gewinnen, so dass viele Herrscher gleichzeitig unter spanischem und französischem Einfluss standen. Es entstand eine schwer überschaubare Konfliktbündelung.

Insgesamt folgten in den dreißig Jahren von 1618 bis 1648 vier Hauptkonflikte aufeinander, die von der Geschichts­wissenschaft als Böhmisch-Pfälzischer, Dänisch-Nieder­sächsischer, Schwedischer und Schwedisch-Französischer Krieg bezeichnet werden.

Der Westfälische Friede 1648 legte die Machtbalance zwischen Kaiser und Reichsständen (eine Gesellschaftsord­nung aus dem Mittelalter) neu fest und wurde Teil der bis 1806 geltenden Verfassungsordnung des Reiches. Die Par­teien verpflichteten sich, die Einzelheiten in einem separa­ten Kongress zu verhandeln. Erst die Ergebnisse dieser Verhandlungen erhielten die letztlich verbindlichen Abma­chungen zu allen Abrüstungs- und Entschädigungsfragen. Die Parteien sicherten einander Amnestie und immerwäh­rendes Vergessen zu. Der eigentliche Friedensvertrag von 1650 bestimmte für über hundert Jahre die politische Neu­ordnung Mitteleuropas.

Da es durch diesen Vertrag im Heiligen Römischen Reich weder Besiegte noch Sieger gab, konnte eine Ver­handlungslösung erreicht werden. Auf der anderen Seite wurde die deutsche Nation vor dem Irrweg bewahrt, die nationale Identität an eine Konfession zu binden, so wie es in fast allen anderen europäischen Ländern der Fall war. Damit hatte Deutschland vielen Nachbarn etwas voraus: ein politisch-konfessionelles System, das auf Ausgleich ausge­richtet war. Außerdem hatte das Reich eine fest fixierte Verfassung, die dem Einzelnen als Mitglied seiner Konfes­sion Freiheitsrechte garantierte.

Die Kriegshandlungen und die durch sie verursachten Seuchen und Hungersnöte verwüsteten und entvölkerten ganze Landstriche. In Teilen Süddeutschlands überlebte nur etwa ein Drittel der Bevölkerung. Nach den wirtschaftli­chen und sozialen Katastrophen benötigten einige vom Krieg betroffenen Territorien mehr als ein Jahrhundert, um sich von den Folgen zu erholen. Da der Krieg sich haupt­sächlich auf deutschsprachigen Gebieten abspielte, die bis heute noch Teil Deutschlands sind, führten die Erfahrungen der Kriegszeit, nach Meinung von Experten, zur Veranke­rung eines Kriegstraumas im kollektiven deutschen Ge­dächtnis.

Auch in der Kunst - in vielen Gemälden, Liedern und Gedichten - hat der Dreißigjährige Krieg bis heute seine Spuren hinterlassen. Das Kinderlied Maikäfer flieg, der Vater ist im Krieg, die Mutter ist im Pommerland, Pom­merland ist abgebrannt …., mit dem ihm zugeordneten Reim: Bet, Kinder bet, Morgen kommt der Schwed, Morgen kommt der Ochsenstern, der wird die Kinder beten lern. Bet, Kinder bet, steht als Symbol für die kollektive Nieder­lage der Deutschen und blieb im kulturellen Gedächtnis haften. Der als Volksheld und Retter in der Not gefeierte Martin Rinckart verfasste: Nun danket alle Gott. Im 18. Jahrhundert beschäftigte sich Friedrich Schiller als Histori­ker und Dramatiker mit dem Krieg und veröffentliche Die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges sowie sein Drama Wallenstein.

Bücher über Astrologie hatten in dieser Zeit den Rang von Weltliteratur in der doppelten Bedeutung des Wortes: Vielleicht in ihr allein haben sich Ost und West, Christen, Mohammedaner und Buddhisten mühelos verstanden. Die Astrologie durchdrang bis ins 17. Jahrhundert hinein u. a. das philosophische Den­ken und viele Naturwissen­schaften wie Medizin und Bo­tanik. Grimmelshausens Vermengung der Begriffe Astrolo­gie und Astronomie ist Ausdruck beider Disziplinen seit dem sternenkundlichen Studium der Babylonier. Die kos­misch-mathematischen Grundlagen ließen die Treffsi­cherheit von Vorhersagen as­tronomischer Prozesse und Konstellationen gleichsam von selbst auf die Astrologie über­tragen. So fand sich die biblisch gehei­ligte Zahl sieben der klassischen „Wandelsterne“ Saturn, Jupiter, Mars, Sonne, Venus, Merkur, Mond als Zahl der Tage eines Mondum­laufviertels, d. h. einer Woche, sowie der Haupt­sterne des Orion, der Plejaden und der beiden Bären-Ge­stirne wieder. Keplers bahnbrechenden Gesetze sind nicht zuletzt der Suche nach solchen Zahlenkorrespon­denzen als Zeichen eines harmonischen Weltgefüges zu verdanken. Astrologi­schen Vorstellungen liegen in der Regel Mythen zugrunde und umgekehrt waren die astrolo­gische Ideenwelt und das Christentum durchaus vereinbar.

Im Gegensatz zum wissenschaftlichen Anspruch und religiösen Gehalt der Astrologie stand die enge Beziehung der Sternenkunde zur Magie. Hexen und Geisterwesen ließen sich im Zeichen des Okkultismus leicht in sie einbe­ziehen. Zauberhandlungen wurden durch die Wahl der ge­eigneten Planetenstunde abgesichert. Vor allem die Stunde des als zaubersüchtig geltenden Saturn, der zudem mit dem Teufel korrespondieren konnte, kam dafür in Frage. Zudem fungierten die Sterne als Medium des göttlichen Willens. Die große Konjunktion von 1514 war für Luther ein Warn­zeichen Gottes. Melanchton begeisterte sich öffentlich für die Astrologie.

Unter Papst Leo X. wurde eine Professur für Astrologie an der päpstlichen Universität in Rom eingerichtet. Andere akademische Hochburgen waren Bologna, Padua und Paris. Die großen Astronomen Kopernikus, Galilei und Kepler praktizierten die Sterndeutung. Kepler, der von Kaiser Ru­dolf II. gefördert wurde, erstellte u. a. für Wallenstein die Horoskope. Richelieu konsultierte, wie andere hochste­hende Politiker des Hofes einen der damals bedeu­tendsten Sterndeutern, der bei der Geburt von Ludwig XIV. dessen Horoskop erstellte.

Der astrologisch aufgebaute, berühmteste deutsche Ro­man des 17. Jahrhunderts Simpli­cissimus (das Leben eines Jungen aus dem Spessart, der den Dreißigjäh­rigen Krieg überlebt) ist ein letztes Monument der uneinge­schränkten Macht der Astrologie. Grimmelshausen strebte mit seinem Werk noch mehr an durch seine eigenen schmerzlichen Erfahrungen und sein sozialkritisches Enga­gement. Göttlich anerkannt war für ihn zweifellos die As­trologie als unver­brüchliche Legitimation universaler Ord­nung. Kometen, im Volksglauben schon immer als göttliches Omen gewertet, gliederten sich zwanglos in das astrologi­sche System ein und sollten Naturkatastrophen, Geburt oder Todesfälle von Herrschern anzeigen. Astrologische Stundentabellen durf­ten weder in Bauernpraktiken noch an den großen astrono­mischen Uhren wichtiger Städte, wie am Dom zu Münster in Westfalen, fehlen. In seinem 1671 erschienen Ewig-wäh­renden Calender lieferte Grimmelshausen einen Überblick über das gesamte astrologische System.

Mit wachsendem zeitlichem Abstand sahen Schriftstel­ler in dem großen Konflikt des 17. Jahrhunderts zunehmend eine Metapher für die Schrecken des Krieges überhaupt.

Wer sich nach Licht sehnt,

ist nicht lichtlos,

denn die Sehnsucht

ist schon Licht.

Bettina von Arnim

Teil 1

Maria an der Sonne, Kloster am Schmerlenbach,

im Sommer 1625

Die kleine Lucinde hatte ein auffallendes ovales Mal am Hals nahe dem linken Ohrläppchen. Ein Mal, das auf den ersten Blick schien wie eine Brandnarbe. Geheimnisvoll wie die Erinnerung an eine Verletzung oder Verbrennung, die es doch im Leben des kleinen Mädchens niemals gege­ben hatte.

In den ersten Lebensjahren war das Kind den ganzen Tag über an der Seite von Mutter Anna, der Äbtissin. Kaum konnte Lucinde laufen, hielt sie sich mit ihrem Händchen am Rock des langen schwarzen Ordenskleides fest und begleitete die Mutter mit ihren kleinen Schritten auf dem Weg durch die Räume des Klosters und in die Kapelle zu den Andachten. Als wolle auch sie die Psalmen mitsingen, so andächtig bewegte sie die Lippen.

Am Tag vor Heiligabend hatte der Konvent Lucindes fünften Geburtstag gefeiert. Am Morgen lag eine Flöte auf ihrem Platz beim Frühstück. Die Mutter hatte sie im Dorf schnitzen lassen. Lucinde jauchzte vor Freude, verschlang eilig ihren Hirsebrei und wartete voller Ungeduld bis alle vom Tisch aufgestanden waren. Unermüdlich blies sie nun und versuchte, dem Instrument Töne zu entlocken. Es dauerte nicht lange, da erkannte Anna bereits eine Melodie. Schon am zweiten Weihnachts­feiertag spielte Lucinde „Es ist ein Ros entsprungen“. Und die Äbtissin summte mit „… aus einer Wurzel zart …“.

Weihnachten lag nun schon wieder einige Monate zu­rück. Als Lucinde an Christi Himmelfahrt überraschend mit ihrer hellen Stimme im Chor des versammelten Konvents fehlerfrei das Gloria Patri sang, brachte sie alle zum Stau­nen und über die Gesichter der frommen Schwestern huschte ein leises Lächeln.

Am 15. August beging der Konvent feierlich das Fest Maria Himmelfahrt. Schwester Adelgunde hatte ein Kleid aus weißem Leinen für Lucinde genäht, ein einfaches „Hängerchen“ mit Volants. Aus Gänseblümchen hatte sie ein Kränzchen geflochten, unter dem ihre rotblonden Haare in Locken über ihre Schultern rieselten und golden in der Sonne glänzten.

Die Pflanzen für den Kräuterbüschel zu sammeln war in jedem Sommer die Aufgabe Schwester Hedwigs. Seit Lu­cinde auf den Beinen war, durfte sie mit ihr die Kräuter auswählen. Geduldig erklärte ihr die Schwester: „In die Mitte kommt eine hochgewachsene Königskerze mit ihren leuchtend gelben Blüten. Dazu binden wir je einen Zweig Johanniskraut, Thymian, Salbei, Beifuß, Frauenmantel und Schafgarbe. Jetzt haben wir sieben.“ „Lass uns doch auch noch die orangegelbe Ringelblume dazu nehmen, Schwes­ter Hedwig“, bat Lucinde. „Ja, du hast recht“, sagte sie, „dann sollte aber auch nicht die Rose fehlen, denn so kom­men wir auf die Zahl neun.“ „Warum müssen es denn ge­rade sieben oder neun Kräuter sein?“, wollte Lucinde wis­sen. Schwester Hedwig lächelte: „Wir können auch noch Pfefferminze, Ysop und den Lavendel dazu nehmen, so haben wir zwölf.“ „Zwölf ist die Zahl der Apostel“, rief Lucinde und war stolz, dass sie das schon wusste. „Und neun ist die Zahl der Heiligen Dreifaltigkeit“, ergänzte Schwester Hedwig. „Ja“, rief Lucinde begeistert, „weil drei mal drei neun sind!“

Schwester Adelgunde, die die ganze Zeit schmunzelnd zugehört hatte, wusste, dass die Rose die Blume der Got­tesmutter Maria sei und uns daher Schutz verleihe. „Unn moi Moddä hoad gewissd, dass des Koannsgraud unn die Ringelblumme Gligg inde Liewe väschbrischd!“ (Und meine Mutter wusste, dass Johanniskraut und Ringelblume Glück in der Liebe verspricht.) „Das ist doch blanker Aber­glaube!“, schimpfte Schwester Hedwig und schüttelte ent­rüstet den Kopf. Schwester Adelgunde antwortete mit ih­rem kollernden Lachen und einem Augenzwinkern.

Wenn Mutter Anna die große Kiste mit den Buchstaben aus Holz hervorholte zappelte Lucinde vor Aufregung. Geduldig erklärte die Mutter ihr jeden einzelnen Buchsta­ben und es verging kaum ein Monat, da konnte das Kind sie bereits zu Wörtern und sogar zu ersten kleinen Sätzen zu­sammenbauen. Doch als Lucinde sie anschließend im Psalmenbuch suchte, fand sie kein einziges Wort. Die Mutter erklärte ihr, dass das Buch in lateinisch geschrieben sei und Lucinde wollte nun auch diese fremde Sprache verstehen. Als sie am Nachmittag im Kräutergarten das Unkraut zwischen den Sommerblumen herauszupfte, hörte Anna sie durch das Fenster: „Deus – Gott, mensa – Tisch, Gloria – Ehre. Domus, Domus, was heißt wieder Domus?“ „Haus!“, rief Mutter Anna lachend hinaus.

Gerade schöpfte Lucinde Wasser aus dem Brunnen, als sie das Klappern von Pferdehufen herankommen hörte. „Mutter, ich glaub, wir bekommen Besuch!“, rief sie und eilte ins Haus. „Der Bischof!“, hörte sie die Mutter erschro­cken ausrufen. „Rasch, mein Kind, geh in die Zelle!“

Bisher war es im Einvernehmen des Konvents gelungen, den Aufenthalt des Mädchens geheim zu halten. Nur sehr wenige Eingeweihte wussten von ihr und auf sie war abso­luter Verlass. Schwester Adelgunde machte sich weniger Sorgen. Sie war überzeugt und murmelte vor sich hin: „Voä unsärä Äbdissin wäd aa en Bischoff kloa.“ (Vor unserer Äbtissin wird auch ein Bischof klein.) Und laut, dass alle es hören sollten, sagte sie entschieden: „Denn Bischoff dou isch goarned grouss äsdemieän!“ (Den Bischof beachte ich gar nicht.)

Lucinde überraschte die Schwestern beinahe täglich aufs Neue. Kaum konnte sie krabbeln, da streifte sie schon auf allen Vieren neugierig, einem instinktiven Gespür fol­gend, im Klostergarten umher. In ihrer funkensprühenden Spontaneität jauchzte sie vor Freude über jeden kleinen Käfer, den sie über ihre Hand spazieren ließ. Auf ihre ganz eigene Weise unterhielt sie sich mit jedem Vogel im Baum und kam atemlos auf ihren noch wackeligen Beinen zur Mutter, um ihr wieder eine neue Geschichte zu erzählen, die er ihr vorgezwitschert habe.

Gerade saß Lucinde am Weiher und lockte mit einem Lied die Frösche heran. Selbst Anna war inzwischen über­zeugt, dass diese glockenhelle reine Stimme des Kindes eine magische Kraft ausstrahlte, denn bald erfüllte ein lau­tes Quaken die Frühlingsluft und Lu­cinde quakte im Kon­zert mit, bis sie in lautes Lachen aus­brach, dass ihr beinahe die Luft ausging.

Vom allerersten Tag an war Lucinde der Sonnenschein im ganzen Konvent. Alle hatten sie ins Herz geschlossen. Ihr Name Lucinde, die Leuchtende, die Lichtbringerin, war seit ihrer Taufe wie eine Prophezeiung. Und es schien wie ein ungeschriebenes Gesetz, dass auch sie eines Tages den Schleier nehmen und vielleicht sogar die Nachfolgerin der Ehrwürdigen Mutter Anna werden würde.

Lucindes Wissbegierde war kaum zu stillen. Die Mutter besorgte ihr Buntstifte und das Kind malte unermüdlich die Käfer, die Vögel, die Blumen und die Bäume, die es im Garten entdeckte. Früh wollte Lucinde es den Schwestern nachmachen und endlich auch schreiben lernen. Beteten die Schwestern in der Kapelle, saß sie aufmerksam zwischen ihnen und lernte in kurzer Zeit nicht nur den Rosenkranz, sondern auch die lateinischen Verse in der Liturgie.

Als Auslöser des Dreißigjährigen Krieges

galt der Prager Fenstersturz im Mai 1618, mit dem der Aufstand der böhmischen Stände offen ausbrach. Kaiser Rudolf II. hatte den böhmischen Ständen Religionsfreiheit zugesichert, doch sein ab 1612 regierender Bruder Matthias verbot die protestanti­sche Religion. Er griff in die Verwal­tung der Stände ein und erließ ein Versammlungsverbot.

Mit Degen und Pistolen bewaffnet stürmten Adelige die böhmische Kanzlei in der Prager Burg. Am Ende der hitzi­gen Diskussion mit den kaiserlichen Stellvertretern wurden diese mit dem Kanzleisekretär aus dem Fenster geworfen. Zwar überlebten sie, doch der Aufstand hatte Folgen. Man wollte sich keine Konfession aufzwingen lassen, sich frei versammeln und schreiben, was man dachte. Alle Beamten, die zur Anerkennung der neuen Machthaber bereit waren, wurden in ihren Stellungen bestätigt.

Im Sommer 1618 begannen die ersten Gefechte in Süd­böhmen. Die böhmische Ständeversammlung erklärte die Königswahl Ferdinands II. für ungültig und machte den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zum neuen König.

Im Mai 1618 zog Friedrich mit seiner englischen Frau Elisabeth in Prag ein. Zwar suchte das Königspaar die Un­terstützung des Volkes, doch sie waren von vorherein zum Scheitern verurteilt. Zunächst flogen vor allem der schönen jungen Königin die Herzen zu. Die ein­zige Tochter des englischen Königs galt als eine der schönsten Frauen in dieser Zeit. Die Böhmen bejubelten König Friedrich, um der Macht des katholischen Kaisers zu entgehen.

Der König lebte nach strengen Regeln, er war bei Ver­wandten in Frankreich aufgewachsen und dort im calvinis­tischen Glauben erzogen. Die Königin beherrschte die tschechische Sprache nicht. Außerdem brüskierte sie schon bald die Bürger mit ihrem verschwen­derischen Lebenswan­del. Seiner Sache sicher, den katholi­schen Glauben auszu­rotten, ordnete Friedrich an, die Heili­genbilder in den Kirchen zu entfernen. Er verbot Bilder der Muttergottes aufzuhängen, kannte kein Erbarmen, im gro­ßen Veitsdom das Altarbild von Lucas Cranach dem Älte­ren zu zerstören und schickte zwei Mägde, um die Reliquien als Brennmate­rial fortzutragen. Die Bevölkerung war aufgebracht, muti­gen Bür­gern gelang es, Bruchstücke des Altarbildes vor der Zerstö­rung zu retten und zu verstecken. Es kam zum großen calvinistischen Bil­dersturm. Königin Elisabeth ver­langte die Entfernung der Statue des Heiligen Wenzels von der Karlsbrücke, doch die Bürger erschienen mit Waffen, um die Entheiligung des gekreuzigten Erlösers über der Moldau zu verhindern. Das Königspaar erkannte nicht, auf welchen Irrwegen es sich befand, mit ihren mehr als unge­schickten Bemühungen der vermeintlichen Sittenlo­sigkeit in Prag Einhalt zu gebieten.

Diese Entweihung verärgerte die Bürger Prags und der Widerstand wuchs. Kunstwerke von Rubens, dem berühm­testen Maler der Zeit des Frühbarocks, ver­schwanden ebenso, denn in seinen Werken spielten Heilige und die Gottesmutter eine große Rolle. Auch in Antwerpen, der Heimatstadt von Rubens fand ein Bildersturm statt. Rubens reagierte gelassen: „Was der Mensch erschafft, ist vergäng­lich.“

Am Weißen Berg bei Prag kam es im November 1620 zur Schlacht. Die kaiserlichen Truppen waren in der Über­zahl. In zwei Stunden war die Schlacht vorbei, das protes­tantische Heer besiegt. Panisch verließ daraufhin das Kö­nigspaar Prag - verlor unterwegs die Kronjuwelen, die den Siegern in die Hände fielen - und ging ins Exil nach Den Haag. Kaiser Ferdinand verhängte die Reichsacht über Friedrich. Der böhmische Aufstand war niedergeschlagen.

Mit der Schlacht wurde die endgültige Glaubensspal­tung auf dem Kontinent besiegelt. Der Krieg hätte nun zu Ende sein können, doch habsburger Truppen folgten dem fliehenden Friedrich und verwüsteten die reformierte Kur­pfalz. Der Weiße Berg wurde ein Symbol für die begin­nende nationale Tragödie.

Die Schlacht hatte schwerwiegende Folgen für Böhmen: Prag wurde geplündert, Ferdinand II. ging brutal vor, er war wieder Herrscher und ließ ein Blutgericht abhalten. 27 Menschen wurden wegen Majestätsbeleidigung angeklagt und vor einem großen Publikum hingerichtet. Dem adeligen Jelsenius wurde vor der Enthauptung die Zunge herausge­schnitten. Einige Köpfe wurden noch jah­relang an öffentli­chen Plätzen zur Schau gestellt.

In den böhmischen Ländern begann eine gewaltsame Rekatholisierung, die auch auf die österreichischen Länder übertragen wurde. Die Erziehung in einem Jesuitenkloster war maßgeblich verantwortlich für Ferdinands entschiedene Ablehnung des Protestantismus und auch für seine un­rühmliche Bezeichnung als Jesuitenkaiser. Er war sehr fromm und besuchte täglich mindestens einmal die Messe. Außerdem war er prüde und ließ Gemälde mit Nacktdar­stellungen aus der Sammlung seines Vorgängers, Rudolfs II., verbrennen.

Der Kaiser verhängte scharfe Strafmaßnahmen über das ganze Land und vertrieb 30.000 protestantische Familien. Adelige Güter zog er als Reparationen ein, die er zur Til­gung seiner Schulden an seine katholischen Gläubiger ver­teilte. Von diesen großen Umschichtungen des Vermögens profitierte vor allem der habsburgische Feldherr Albrecht von Wallenstein.

Allmählich wurde der Aufstand für Europa von Bedeu­tung, denn die Überzeugung setzte sich durch, dass für die neue Regierung unter Friedrich in Böhmen die Religion nur ein Deckmantel für ihre nationalen und politischen Beweg­gründe gewesen sei. Das erste Kapitel des Dreißigjährigen Krieges war beendet, doch die Folgen der Schlacht am Weißen Berg wurden nicht nur für Böhmen zum Wende­punkt, sondern auch für andere Nationen in Europa und so zum gesamteuropäischen Drama. Die Schlacht wurde zu einer Initialzündung eines langen und folgenschweren Konfliktes. Nicht nur die Politik Böhmens, sondern insge­samt die europäische Politik wurde von den einzelnen Reli­gionen geprägt, in welche die Christengemeinschaft zerfiel.

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