Kitabı oku: «Christsein und die Corona-Krise», sayfa 3
4. Helle Seite des Karsamstags
Dies sind einige Fragen, die sich am verlängerten Karsamstag stellen, den die Corona-Krise in diesem Jahr darstellt. Den Karsamstag erfahren wir gegenwärtig intensiv mit seiner dunklen Seite. Wenn wir uns der Corona-Krise wirklich aussetzen und danach fragen, welche Konsequenzen es zu ziehen gilt, zeigt der Karsamstag aber auch seine helle Seite. Der christliche Glaube bringt sie zum Leuchten im Apostolischen Credo, in dem wir bekennen, dass Jesus gestorben ist und begraben wurde und in das Reich des Todes hinabgestiegen ist. Um der Sprengkraft dieses Glaubensgeheimnisses ansichtig zu werden, müssen wir uns der Frage stellen, was sich in diesem Totenreich ereignet hat. Unsere menschliche Erfahrung sagt uns, dass das Reich des Todes der Ort der völligen Verlassenheit und der totalen Einsamkeit ist, weil in ihm jede menschliche Beziehung gestorben und deshalb selbst die Liebe tot ist. Der christliche Karsamstag aber spricht uns zu, dass Jesus in seinem Tod in dieses Reich des Todes gegangen ist, um die Gegenwart Gottes und seine Liebe in dieses Reich zu bringen. Dieses Geschehen hat auch das Reich des Todes in einen neuen Ort des Lebens verwandelt, weil das Undenkbare und Unerwartbare geschehen ist, dass Gott selbst in das Reich des Todes vorgedrungen ist und den Wärmestrom seiner Liebe hat hineinfließen lassen.
Die coronare Osterzeit in diesem Jahr lädt uns ein, den Karsamstag mit seiner dunklen und hellen Seite neu zu erfahren. Denn der Evangelist Johannes weiß zu berichten, dass in jenen Raum, in dem die Jünger aus Furcht die Türen verschlossen hatten, der auferstandene Christus eingetreten ist und ihnen den österlichen Frieden gebracht hat. Nachdem er ihnen seine Hände und seine Seite gezeigt hat, heißt es: »Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen« (Joh 21,20). Der Karsamstag leitet deshalb von selbst zu Ostern und seiner Botschaft hinüber, dass das letzte Wort nicht dem Tod gehört. Er hat nur das zweitletzte Wort. Das letzte Wort behält sich Gott vor, und es heißt Leben: Leben auf dieser Erde unterwegs zum ewigen Leben.
Mit dieser Aussicht können wir Christen auch die Corona-Krise bestehen. Ostern ermöglicht, mit Papst Franziskus gesprochen, die christliche »Ansteckung«, nämlich die Ansteckung der Hoffnung, die von Herz zu Herz geht. Diese österliche Hoffnung nimmt der Corona-Krise nichts von ihrer schmerzlichen Schwere. Aber sie hilft, dass die Krise auch Anlass zu Besinnung, Gewissenserforschung und Glaubensvertiefung werden kann – vorausgesetzt, dass wir nicht einfach zur Normalität vor der Krise zurückkehren wollen, sondern zu einer in der Krise bewährten, im Glauben verwandelten und im Ostergeschehen gereinigten Normalität des menschlichen Lebens und des christlichen Glaubens.
Bruno Forte
Der Glaube an den Gott Jesu Christi und die Pandemie
1. Die Herausforderung
Die Welt vor dem Corona-Virus war zunehmend von der Erfahrung der »Globalisierung« geprägt, die in vergleichsweise kurzer Zeit und rasch zugunsten der großen Akteure wirtschaftlicher und politischer Macht vor sich ging, hauptsächlich auf der Grundlage der Ausbeutung der als »abhängig« geltenden Völker und auf Kosten der als »Abfall« angesehenen Gebiete. Der Prozess hatte sich im Sinne einer »Globalisierung der Gleichgültigkeit« entwickelt, getragen von Selbstsucht und Gier starker Mächte und der Aufrechterhaltung von Abhängigkeitssystemen zu ihren Gunsten. Manche sahen in der außerordentlichen Entwicklung der Industrieländer nachgerade ein Anzeichen dafür, dass die Geschichte sich endlich ihrer Vollendung näherte; Francis Fukuyama etwa, amerikanischer Politologe mit japanischen Wurzeln, hatte sogar erklärt: »Wenn wir heute an einem Punkt angelangt sind, wo wir uns keine Welt vorstellen können, die sich wesentlich von der unseren unterscheidet, wo anscheinend keine grundsätzliche Verbesserung gegenüber unserer derzeitigen Ordnung mehr denkbar ist, dann müssen wir auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Geschichte an ihrem Ende angelangt ist.«25
Dieser Lesart zufolge ist das Ende der Geschichte nicht das Ende von Ereignissen – schon gar nicht großer und bedeutender –, sondern das Ende der Geschichte als eines einzigen und fortlaufenden Evolutionsprozesses, der die Erfahrungen aller Völker zu allen Zeiten umfasst: Den Höhepunkt dieses Prozesses bildet – nach Ansicht Fukuyamas – die »liberale Demokratie« nach amerikanischem Vorbild, die das Ziel der ideologischen Evolution der Menschheit und die endgültige Regierungsform unter den Menschen sei und sich mithin als das »Ende der Geschichte« darstelle. Von dieser – durch die globalen Informationskanäle popularisierten – Sicht gelangt man nur allzu schnell zu dem Anspruch, das erzielte Resultat verteidigen zu müssen, auch um den Preis völliger Gleichgültigkeit gegenüber den Bedürfnisse und Rechten anderer: Das »Wir zuerst«, das etwa in Donald Trumps Slogan America first zum Leitsatz erhoben wurde und Prozesse des Zerreißens und der Abschottung gegenüber anderen wie den »Brexit« inspirierte, bringt eine Wertehierarchie zum Ausdruck, in der das Prinzip der grundlegenden Gleichheit der Menschen und das Recht aller auf Zugang zu den grundlegenden Gütern der Natur de facto ausgesetzt ist, während die Verantwortung für den Schutz der Umwelt der Durchsetzung der Interessen des Stärkeren untergeordnet wird.
Auch wenn das »Phänomen Greta Thunberg« in dieser Hinsicht ein erstaunliches Alarmsignal gesendet hat, das vor allem von der jungen Generation aufgegriffen wird, scheint die herrschende Logik auf der politischen und ökonomischen Weltbühne davon unbeeindruckt. Die Vorherrschaft einer egoistischen und anmaßenden Sicht hat sich insbesondere in den sogenannten fortschrittlichen Gesellschaften auf breiter Basis in einem immer extremeren Konsumismus niedergeschlagen und drückt sich in hedonistischen Lebensstilen aus. Die Vorstellung, im Namen einer gerechteren Chancen- und Güterverteilung, die allen zugutekommt, Opfer auf sich zu nehmen, gilt hier als anachronistisch und irrelevant. Das stolze Gefühl, Herren der Welt zu sein und sich für das Schicksal des Großteils der Menschheit nicht einmal mehr interessieren zu müssen, scheint zum entscheidenden Faktor des Fortschritts, zur tragenden Kraft der amerikanischen und westlichen »Überflussgesellschaft« (John Kenneth Galbraith: affluent society), zur Binde vor den Augen derer geworden zu sein, die mehr Glück gehabt haben und blind sind für das Leid und Elend unzähliger anderer. Doch manche haben mit Weitblick vorausgesehen, dass eine derartige Lebens- und Verhaltensweise nicht lange würde gutgehen können, und sogar prophezeit, dass kein Atomkrieg und kein plötzlicher globaler Finanzcrash, sondern womöglich ein winziges Virus das Ende der Welt einläuten würde – zumindest jener Welt, die auf der Gewalt und den Interessen des Stärkeren aufgebaut ist …
2. Die Frage
Die hypothetische Bedrohung ist plötzlich Realität geworden: Auch wenn der Westen zu Beginn der Tragödie von Wuhan – der chinesischen Stadt, wo sich die ersten dramatischen Auswirkungen von Covid-19 zeigten – noch mit einer gewissen Sorglosigkeit auf das »chinesische Übel« blickte und dachte, um sich davor zu schützen, genüge es, die Verbindungen zum asiatischen Riesen zu kappen, vergingen nur wenige Wochen, bis deutlich wurde, dass der tückische Feind bereits mitten unter uns war. Die Bagatellisierungsversuche einiger Machthaber auf dem Planeten Erde waren bald vom Tisch: Die Pandemie war inzwischen überall auf dem Vormarsch, und die Immunitätsbehauptung hielt der tragischen Evidenz der Zahlen derer, die durch das Corona-Virus erkrankten, und mehr noch derer, die in der Folge starben, nicht stand. Besonders erschreckend war die Zahl der Betroffenen unter den alten Menschen: Gewiss waren sie dem Angriff des Virus aufgrund ihrer Anfälligkeit stärker ausgesetzt, doch in mehreren Ländern führte ein Zusammenspiel aus schwerwiegenden Versäumnissen und ungerechtfertigten Verzögerungen der zu ihrem Schutz zu treffenden Maßnahmen Situationen herbei, die für viele von ihnen tödlich endeten. Danach dauerte es nicht mehr lange, bis sich die Pandemie als eine Bedrohung für alle Altersgruppen herausstellte: Die Todesfälle unter den jungen Menschen hinterließen größeren Eindruck, und gleichzeitig fügte die Schwächung der tragenden Wirtschafts- und Gesellschaftskräfte dem Leben nicht weniger Länder schwerste Schäden zu. Die erste Frage, die daraufhin in vielen Herzen und Köpfen aufstieg, war die universale Frage, die sich immer dann stellt, wenn Schmerz und Tod in unseren Häusern Einzug halten und unsere Gefühle und unsere Person direkt betreffen: Warum? Warum all dieses Übel? Warum all dieser Schmerz?
Für viele war es von diesen Überlegungen aus nur noch ein kleiner Schritt zu jener grundlegenden Frage nach dem, der im Letzten für alles verantwortlich ist: Wenn Gott existiert und wenn er gerecht ist, warum dann dieses tödliche Virus? Wenn er ein guter Gott ist, wie kann er dann zulassen, dass so viel Böses unter uns und insbesondere unter den Schwächsten und Wehrlosesten wütet? Wenn er ein Vater ist, warum behandelt er uns dann nicht wie seine Kinder? Es ist eine uralte Frage, die mit dramatischer Aktualität wiederkehrt: wegen des plötzlichen Ausbruchs der Pandemie und wegen des neuen und unerwarteten Schauspiels, dem wir beiwohnen und das ebenso tragisch wie nah ist: nah an uns, unserem Leben, unseren Gefühlen, unserer Arbeit, unseren Häusern. 1755 veranlasste das Erdbeben von Lissabon Voltaire, im Candide und in seinem Gedicht über die Katastrophe von Lissabon die Überzeugungskraft des Urteils eines Gottfried Wilhelm Leibniz, der von unserer Welt als von der »besten aller möglichen Welten« gesprochen hatte, zu bestreiten. Jenes entsetzliche Ereignis schien ihm dessen Theorie von der Theodizee an der Wurzel zu untergraben: Angesichts der unzähligen unschuldigen Opfer lässt sich keine »Rechtfertigung Gottes« aufrechterhalten und kann vor allem keine »Lehre vom Gesetz und der Gerechtigkeit Gottes« unverändert bestehen bleiben.
Der Unterschied zu der furchtbaren Pandemie unserer Tage besteht darin, dass das Erdbeben von 1755 zeitlich und hinsichtlich der Opferzahlen begrenzt war, während heute unser Wissen über dieses Virus derart minimal ist, dass sich keine realistische Prognose bezüglich der Dauer und Reichweite seines zerstörerischen Wirkens treffen lässt, und wir nicht einmal über eine zuverlässige Prävention in Form eines Impfstoffs oder über ein wirksames Gegenmittel in Form eines Arzneistoffs verfügen. Der Mythos vom homo emancipator, der sein Schicksal selbst bestimmt und Herr über seine in allen Belangen siegreichen Kräfte ist, wird hier von Grund auf infrage gestellt. Und auch wenn dies keine Rechtfertigung dafür sein darf, den Möglichkeiten der Wissenschaft mit Pessimismus zu begegnen, darf es doch auch kein Anlass für eine Wissenschaftsgläubigkeit sein, die über ihre unvermeidlichen Grenzen hinwegsieht. Gewiss wird es erforderlich sein, so viel wie irgend möglich in menschliche Ressourcen und wirtschaftliches Potential zu investieren, um den Fängen der Pandemie zu entkommen, doch es wird ebenso erforderlich sein, weit demütiger und wachsamer zu bleiben als in der Vergangenheit, damit wir nicht Gefahr laufen, uns im Zusammenhang mit der Natur und ihren möglichen Reaktionen auf die Übergriffe des Menschen und seines Handelns in der Geschichte mit neuen und vielleicht noch schlimmeren Bedrohungen auseinandersetzen zu müssen.
3. Der leidende Gott
Und das Antlitz Gottes? Wie stellt sich angesichts so großen Leids der Gott dar, den Jesus Christus als personale Liebe und ewige Zwiesprache der Drei, die in der Liebe Eins sind, geoffenbart hat? Eine erste Antwort auf diese Frage ist sicherlich die, dass Gott, wie ihn der in unsere Mitte gekommene Sohn verkündet hat, dem Schmerz der Welt weder als ungerührter Beobachter noch als despotischer Gebieter über Leiden und Freuden seiner Geschöpfe gegenübersteht. Vielmehr ist er der Gott-mit-uns, dem unser Leiden Schmerz bereitet, weil er uns liebt, der dieses Leiden aber zulässt, weil er unsere Freiheit achtet, und der uns eben in seinem gekreuzigten Sohn hilft, das Kreuz zu tragen, wie er es getragen hat. Das Kreuz Christi ist der Ort, an dem Gott im Schweigen spricht: Das Geheimnis, das in der Finsternis des Karfreitags verborgen ist, ist das Geheimnis von Gottes Schmerz und seiner Liebe zu den Menschen. Mit seinem Kreuzestod ist der Sohn in die Endlichkeit des Menschen, in den Abgrund seiner Armut, seines Leids, seiner Einsamkeit, seiner Dunkelheit eingetreten. Und dort hat er den bitteren Kelch geleert und die Erfahrung unseres Menschseins bis zur Neige ausgekostet: Auf dem Weg des Leidens ist er bis zur äußersten Möglichkeit Mensch geworden.
Genau so hat auch der Vater den Schmerz kennengelernt: In der Stunde des Kreuzes, als der Sohn sich ihm in bedingungslosem Gehorsam und in Solidarität mit den Sündern hingab, hat auch der Vater um den Unschuldigen gelitten, der dem Tod überantwortet war, und sich dennoch entschieden, ihn hinzugeben, um den Menschen in der Erniedrigung und Schmach des Kreuzes die dreifaltige Liebe zu ihnen zu offenbaren und die Möglichkeit, daran teilzuhaben. »Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat« (Joh 3,16). »Darin offenbarte sich die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. Darin besteht die Liebe: Nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat« (1 Joh 4,9–10). Und der Geist, den der sterbende Jesus dem Vater übergab (Joh 19,30), war das göttliche Band in jenem schmerzlichen Riss, der sich auftat zwischen dem Herrn des Himmels und der Erde und Jesus, »für uns zur Sünde gemacht« (2 Kor 5,21) – auf dass sich im Tod ein Durchgang öffnete und den Söhnen und Töchtern der Weg des Sohnes zur Fülle des Lebens erschlossen wurde. »So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an« (Röm 8,26).
Dieser Tod in Gott bedeutet also in keiner Weise den Tod Gottes, den Nietzsches »toller Mensch« auf den Plätzen der Welt ausgerufen hat: Es gibt kein Heiligtum und wird nie eines geben, in dem man das requiem aeternam Deo (»Gott ruhe in Frieden«) in Wahrheit anstimmen kann! Die Liebe, die den Hingebenden an den Hingegebenen und in diesem an die Welt bindet, wird den Tod besiegen, auch wenn dieser scheinbar triumphiert. Gottes Leidenskelch ist gefüllt mit einem Trank des Lebens, der auf ewig hervorquillt und sprudelt (vgl. Joh 7,37–39). Die Frucht vom Baum des Kreuzes ist die Freudenbotschaft von Ostern: Der Beistand, der »Tröster« (Joh 14,6) des Gekreuzigten wird ausgegossen über alles Fleisch, um der Tröster aller Gekreuzigten zu sein und in der Erniedrigung und Schmach des Kreuzes, aller Kreuze der Geschichte, die stärkende und verwandelnde Gegenwart des Gottes zu offenbaren, an den Christen glauben. In diesem Sinne ist das am Kreuz geoffenbarte göttliche Leiden wirklich die gute Nachricht: »Wenn die Menschen wüssten […]«, schreibt Jacques Maritain, »dass Gott mit uns und sehr viel mehr als wir unter allem Bösen ›leidet‹, das die Erde verwüstet, dann würde sich zweifellos vieles ändern, und viele Seelen würden befreit«.26 So ruft das »Wort vom Kreuz« (1 Kor 1,18) den Jünger auf überraschende Weise in die Nachfolge: Auf dem Weg des Kreuzes – in der Armut, der Schwäche, dem Schmerz und schließlich in der Übergabe an den Tod – können wir dem Gott des Lebens begegnen. Im Schmerz ist der gekreuzigte Herr auf unserer Seite, ist mit uns und für uns. Mit ihm wird es möglich, unser Leiden zu verwandeln in einen Weg des Glaubens und eine Morgenröte des Lebens, das mehr und mehr als Gabe für andere gelebt wird.
4. Die »Berührung« Gottes
Auch in Zeiten des Corona-Virus kann also geschehen, was sich einst auf den Straßen Galiläas zutrug: »Und immer, wenn er [Jesus] in ein Dorf oder eine Stadt oder zu einem Gehöft kam, trug man die Kranken auf die Straße hinaus und bat ihn, er möge sie wenigstens den Saum seines Gewandes berühren lassen. Und alle, die ihn berührten, wurden geheilt« (Mk 6,56). Die Berührung Jesu heilt, weil sie die Berührung Gottes ist: jenes Gottes, der aus Liebe zu uns Mensch geworden ist, um unser Menschsein zu »berühren« und in jeder Hinsicht zu teilen und uns das Geschenk des Heils zu übermitteln, das von ihm kommt. Der Ort, an dem diese göttliche Berührung ihren Höhepunkt erreicht, ist das Kreuz: Am Kreuz macht sich Jesus den Schmerz aller zu eigen, nimmt unsere Sünden und unsere Übel auf sich und schenkt uns in der Zeit und für die Ewigkeit die Fülle des Lebens. Am Kreuz ist der ewige Sohn auch in den Abgrund der Schwäche, der Zerbrechlichkeit, der Schmerzen, der Einsamkeit, der Dunkelheit eingetreten, den so viele wegen des Corona-Virus erlebt haben und noch erleben. Am Kreuz hat Jesus uns die Liebe Gottes zu jedem Menschen geoffenbart und uns gezeigt, dass wir – wir alle, ohne Ausnahme – daran teilhaben können. Und der Geist, den der sterbende Jesus dem Vater übergab, wurde ausgegossen, um der göttliche Tröster zu sein, der uns hilft, das Böse zu besiegen, Schmerz in Liebe, Leiden in Hingabe, Krankheit in Heilung, Zerbrechlichkeit in Stärke zu verwandeln – auch angesichts der Geißel dieses verheerenden Virus.
Gott berührt uns durch Kreuz und Auferstehung Jesu, den Ursprung des siegreichen und gewissen Lebens, und befähigt uns, den finsteren Weg der Prüfung zu gehen und ihn in eine Schule des Glaubens und der Güte, in eine Quelle der befreienden und rettenden Liebe zu verwandeln: »Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert« (Mt 10,38 und Lk 14,27). Wer den gekreuzigten Jesus liebt und ihm nachfolgt, kann sich unmöglich nicht dazu berufen fühlen, jenen, die leiden, ihr Kreuz zu erleichtern, durch tätige Hingabe an die anderen, durch tatkräftiges und wachsames Bemühen, jedes Golgota in einen Ort der Auferstehung und Lebensfülle zu verwandeln. Genau das tun die vielen Menschen – Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger, medizinische Fachkräfte, Priester, Arbeiter –, die sich in diesen Zeiten der Pandemie für das Gemeinwohl einsetzen und dafür, dass die wesentlichen Dienste auch weiterhin geleistet werden können. In denen, die sich bemühen, so zu leben und zu handeln, ist das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht worden (vgl. 1 Kor 1,17). Durch sie erreicht uns die Berührung der göttlichen Gnade, die vergibt, heilt, tröstet und erneuert, und durch sie wird der Sieg des zum Leben wiederauferstandenen Herrn greifbar. Auch das ist eine Weise, wie Gott in dieser dramatischen Pandemie zu uns spricht. In einem Gedicht von Emily Dickinson – einsamer Ruferin im Amerika des 19. Jahrhunderts – heißt es: »Wer nicht den Himmel fand – hier unten – / Der geht auch oben fehl – / Denn Engel mieten nebenan, / Wohin wir auch verziehn«.27 Man muss also die Augen des Glaubens bemühen, um »die Heiligen von nebenan« zu erkennen, wie Papst Franziskus sie nennt, und sich an ihnen ein Beispiel zu nehmen.
Auch noch in anderer Hinsicht lässt die Tragödie der Pandemie die Berührung Gottes erkennbar werden: Viele haben erfahren und oft entdeckt oder wiederentdeckt, welche große Hilfe ihnen in diesen schmerzlichen Zeiten aus dem Glauben erwachsen ist. Der Glaube gibt uns Augen und Herz, um zu verstehen, dass Gott nicht der Rivale des Menschen, sondern sein aufrichtigster und treuester Verbündeter ist. Wer an Jesus Christus glaubt, der weiß, dass der ewige Sohn am Kreuz unseren Tod und unsere Sünden auf sich genommen hat, weil er uns helfen wollte, unser Kreuz zu tragen. Gott, der Liebe ist, wird den, der auf ihn vertraut, niemals verlassen. Dank des Glaubens an Gott kann die Furcht durch Hoffnung, egoistische Verschlossenheit durch neuen Schwung im Einsatz für andere, Einsamkeit durch tätige Solidarität mit den Bedürftigsten besiegt werden. In diesen Zeiten der von außen auferlegten Einschließung fand bei vielen die Besinnung auf das, was unsere engen Alltagshorizonte übersteigt, mehr Raum ebenso wie das Gebet, das als Quelle des Lichts und des Friedens erfahren oder wiederentdeckt wurde. Für etliche war es ein Gewinn, über das nachzudenken, was wir durchgemacht haben und wie wichtig es ist, Entscheidungen zu treffen, die von dem klaren und mutigen Willen inspiriert sind, die noch bis vor kurzem vorherrschende Logik des Konsumismus und Hedonismus zu überwinden. Sich dem Dienst am Gemeinwohl zu verschreiben und auf Gott, der Liebe ist, zu vertrauen, befreit von der Angst, weil es uns die Wahrheit erfahren lässt, die in den Worten des ersten Johannesbriefs ausgedrückt ist: »Die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht« (1 Joh 4,18).
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