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Kitabı oku: «Fadette», sayfa 8

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Achtzehntes Kapitel

Landry fühlte sich durch die Art, wie die kleine Fadette so bescheiden und gelassen von ihrer Häßlichkeit sprach, eigentümlich gerührt. Er rief sich ihre Züge, die er in der Dunkelheit des Steinbruches kaum in ihren oberflächlichen Umrissen zu erkennen vermochte, ins Gedächtnis zurück und sagte ihr, ohne daran zu denken, ihr schmeicheln zu wollen:

»Aber, Fadette, du bist nicht so häßlich, wie du meinst, oder wie du es glauben machen willst. Da giebt es viel Häßlichere als du bist, denen man keinen Vorwurf daraus macht.«

»Ob ich es nun etwas mehr oder weniger bin, Landry, so kannst du doch nicht sagen, daß ich ein hübsches Mädchen bin. Laß das auch nur gut sein, und bemühe dich nicht mich zu trösten, denn ich habe keinen Kummer darüber.«

»Nun, wer weiß, wie du aussehen würdest, wenn du gekleidet wärest wie die anderen Mädchen, und trügest auch dein Haar, wie sie, unter einem Häubchen aufgesteckt? In einer Hinsicht sind alle Leute einverstanden, nämlich: daß du gar nicht so übel wärest, wenn nur deine Nase nicht so kurz, dein Mund nicht so groß und deine Haut nicht so dunkel wäre; und dann sagt man auch, daß es in der ganzen Gegend hier herum, kein paar Augen gebe, die sich mit den deinigen messen könnten, und wenn du nur nicht so keck und spöttisch dreinschauen wolltest, dann würde man sich sehr gern von diesen Augen ansehen lassen.«

In dieser Art sprach Landry weiter, ohne sich Rechenschaft von dem zu geben, was er sagte. Er war einmal im Zuge die Fehler und die Vorzüge der kleinen Fadette gegeneinander abzuwiegen, zum erstenmale hatte er eine Aufmerksamkeit und ein Interesse für sie, deren er sich einen Augenblick zuvor noch nicht fähig geglaubt hätte. Sie bemerkte dies wohl, da sie aber zu klug war, um die Sache ernsthaft zu nehmen, bewahrte sie vollkommen den Schein der Unbefangenheit.

»Meine Augen,« sagte sie, »sehen das Gute freundlich an, und was nicht gut ist, mitleidig an. Und ich tröste mich leicht darüber, wenn ich solchen mißfalle, die mir selbst nicht gefallen; und ich kann nicht begreifen, warum diese schönen Mädchen, die ich so umworben sehe, mit allen so gefällig und freundlich thun, als ob alle die Burschen, die ihnen entgegenkommen, nach ihrem Geschmacke wären. Was mich betrifft, wenn ich schön wäre, würde ich es nur für den sein wollen, der mir gefiele, und nur gegen ihn würde ich liebenswürdig sein.«

Landry dachte an die Madelon, aber die kleine Fadette ließ ihn nicht lange bei diesem Gedanken verweilen; sie setzte das Gespräch in folgender Art fort:

»Darin also, Landry, besteht mein ganzes Unrecht gegen andere, daß ich nicht darnach trachte, mir ihr Mitleiden oder ihre Nachsicht für meine Häßlichkeit zu erbetteln. Daß ich mich ihnen, ohne diese hinter einer Ausstaffierung zu verbergen, so zeige, wie ich da bin, das also ärgert sie, und darüber vergessen sie, daß ich ihnen oft Gutes erzeigt und niemals Böses zugefügt habe. Wenn ich auf der anderen Seite auf meine Person auch Sorgfalt verwenden möchte, woher sollte ich denn die Mittel nehmen, um mich zu putzen? Habe ich jemals gebettelt, obgleich ich für mich auch nicht über einen Sous zu verfügen habe? Giebt meine Großmutter mir außer dem Unterschlupf und der Nahrung auch nur das geringste? Und ist's etwa meine Schuld, wenn ich aus den alten Fetzen, die meine Mutter für mich dagelassen hat, nichts zu machen weiß, weil niemand mir die Anleitung dazu gab? Bin ich doch seit meinem zehnten Jahre ganz mir selbst überlassen, ohne daß ich bei irgend jemanden Liebe oder Erbarmen gefunden hätte. Ich weiß recht gut, was man mir eigentlich vorwirft, und du hast nur aus Mitleiden mich damit verschont, es auszusprechen: Man wirft mir vor, daß ich sechzehn Jahre alt sei, und daß ich mich recht gut vermieten könnte, dann würde ich einen Lohn haben und was sonst zu meinem Unterhalt gehört; aber weil ich von Natur träge sei, und aus Liebe zum müßigen Herumtreiben, bliebe ich bei meiner Großmutter, die mich nicht einmal leiden könne, und die recht gut die Mittel habe, sich eine Magd zu halten.«

»Nun ja, ist dies nicht auch die Wahrheit?« sagte Landry. »Man wirft dir vor, daß du nicht gern arbeiten magst, und deine Großmutter selbst sagt jedem, der es nur hören mag, daß sie sich viel besser dabei stehen würde, statt deiner eine Magd zu nehmen.«

»Meine Großmutter sagt dies, weil sie gern schimpft und sich beklagt. Und doch, wenn ich sage, daß ich fortgehen will, hält sie mich davon zurück, weil sie recht gut weiß, daß ich ihr nützlicher bin, als sie es Wort haben will. Sie hat nicht mehr die Augen und die Beine eines fünfzehnjährigen Mädchens, um die Kräuter suchen zu können, aus denen sie ihre Tränke und Pulver bereitet; um diese zu finden, muß man oft sehr weit gehen und sich an schwierig zu betretende Stellen wagen. Außerdem sagte ich dir schon, daß ich selbst an den Kräutern Eigenschaften entdecke, die ihr unbekannt geblieben sind, und sie ist sehr erstaunt, wenn ich Heilmittel bereite, von deren vortrefflicher Wirksamkeit sie sich bald nachher überzeugt. Sind unsere Tiere nicht so schön, daß man darüber staunen muß, solch ein Vieh bei Leuten zu finden, die es doch nur auf die Gemeinde-Weide treiben können? Nun, meine Großmutter weiß recht gut, wem sie es zu verdanken hat, daß unsere Schafe so seine Wolle und unsere Ziegen so gute Milch geben. O, sie hat gar keine Lust mich gehen zu lassen, und ich trage ihr viel mehr ein, als ich ihr koste. Und ich selbst, ich habe meine Großmutter darum doch lieb, wenn sie mich auch noch so hart behandelt und mir nur wenig giebt. Aber ich habe noch einen anderen Grund, weshalb ich nicht von ihr gehe, und wenn du willst, Landry, will ich dir sagen, warum ich es nicht thue.«

»So sage es mir,« erwiderte Landry, der gar nicht müde wurde der kleinen Fadette zuzuhören.

»Dieser Grund ist,« sagte sie, »weil meine Mutter mir damals, als ich noch kaum zehn Jahre alt war, ein armes Kind auf dem Halse zurückgelassen hat. Es ist sehr häßlich, ebenso häßlich wie ich, ja noch viel mißgestalteter, da es von Geburt an lahm ist. Ein elendes, kränkliches Kind, das immer voller Zorn und Verdruß ist, weil der arme Junge immer seine Leiden hat. Alle Leute zerren und quälen an meinem armen Grashüpfer herum, und wollen ihn immer heruntersetzen. Meine Großmutter schilt und zankt ihn viel zuviel, und würde ihn auch zuviel prügeln, wenn ich ihn nicht gegen ihre Mißhandlungen schützen würde, indem ich so thue, als ob ich ihn durch Zanken und Lärmen zurecht weisen und statt ihrer züchtigen wollte. Aber ich nehme mich immer sehr in acht, daß ich ihn bei Erteilung dieser Prügel nicht wirklich berühre, und er selbst weiß das recht gut. Sobald er etwas Verkehrtes angerichtet hat, kommt er deshalb auch sogleich herbeigelaufen, sucht sich in meinem Rock zu verstecken und sagt: ›haue mich nur tüchtig, ehe die Großmutter mich packt. ‹ Und dann schlage ich auf ihn los, daß es rein zum lachen ist, und der kleine Bösewicht schreit aus Leibeskräften. Ich sorge auch sonst für ihn, aber ich kann es nicht immer verhindern, daß der arme Schlingel nicht manchmal recht zerlumpt aussieht. Wenn ich nur einige Lappen habe, richte ich sie zu einem Kleidungsstück für ihn zusammen, und wenn er krank ist, nehme ich mich seiner an, daß er bald wieder gesund wird, während er unter der Pflege meiner Großmutter sterben würde, denn sie versteht es gar nicht kranke Kinder zu behandeln. So erhalte ich diesen armen, schwachen Knaben am Leben, der ohne mich sehr unglücklich wäre und bald unter der Erde an der Seite unseres armen Vaters liegen würde, den ich vor dem Tode nicht habe bewahren können. Ich weiß nicht, ob ich dem armen Kinde einen Dienst erweise, wenn ich es am Leben erhalte, verwachsen und von so wenig angenehmen Wesen, wie es ist; aber ich kann nun einmal nicht anders handeln. Wenn ich daran denke, in einen Dienst zu treten, um etwas Geld für mich zu haben, und mir aus dem Elend, in dem ich mich hier befinde, heraushelfen zu können, bricht mir bei dem Gedanken an meinen armen Grashüpfer schier das Herz vor Erbarmen, und ich mache mir Vorwürfe, als ob ich seine Mutter wäre, und als ob ich ihn durch meine Schuld zu Grunde gehen sehen müßte. Siehst du, Landry, das sind nun alle meine Fehler, und das Böse, das man mir zur Last legt. Der liebe Gott mag mein Richter sein: ich verzeihe allen, die mich so verkennen.«

Neunzehntes Kapitel

Landry hörte alles, was die kleine Fadette sagte mit der gespanntesten Aufmerksamkeit an, und fand gegen keinen ihrer Gründe auch nur das geringste einzuwenden. Besonders die Art, wie sie von ihrem kleinen Bruder, dem Grashüpfer, sprach, brachte auf ihn einen Eindruck hervor, als ob er plötzlich in sich eine Freundschaft für sie erwachen fühlte, und als ob er gegen die ganze Welt Partei für sie ergreifen müßte.

»Wer dir jetzt noch Unrecht geben würde, Fadette,« sagte er, »der würde selbst im Unrecht sein, denn alles, was du da gesagt hast, ist ganz so, wie es sein muß. Niemand kann darnach an deinem guten Herzen zweifeln, und ebensowenig an deiner gesunden Vernunft. Warum thust du nicht dazu, daß man dich auch für das ansieht, was du wirklich bist? Man würde dann nicht mehr schlecht von dir reden, und manche würden dir Gerechtigkeit widerfahren lassen.«

»Ich habe es dir ja schon gesagt, Landry,« erwiderte sie, »daß ich gar kein Verlangen darnach habe, jemanden zu gefallen, der mir nicht gefällt.«

»Aber, wenn du mir dies sagst, so kommt das also …!

Landry verstummte plötzlich, ganz erstaunt, ja fast erschrocken über das, was ihm da beinah entfahren wäre. Nachdem er sich gesammelt hatte, hob er wieder an:

»Das kommt also,« sagte er noch halb stockend, »weil du vor mir mehr Achtung hast, als vor anderen? Ich glaubte ganz bestimmt, du hättest mich gehaßt, weil ich niemals gut gegen dich gewesen bin.«

»Es ist schon möglich, daß ich dich ein wenig haßte,« antwortete die Fadette, »aber wenn dies auch so gewesen ist, Landry, von heute an wird es nicht mehr so sein, und ich werde dir jetzt auch sagen warum. Ich habe dich für stolz gehalten, und das bist du auch; aber du verstehst es auch deinen Stolz zu überwinden, um deine Pflicht zu erfüllen, und dadurch hast du um so mehr Verdienst. Obgleich der Stolz, den man dir von Kindesbeinen an anerzogen hat, dich dazu drängt, stolz aufzutreten, so bist du doch in der Erfüllung deines Wortes so treu, daß dich nichts davon abhalten könnte; schließlich hielt ich dich für furchtsam, und deshalb war ich geneigt dich zu verachten; aber ich habe gesehen, daß du nur abergläubisch bist, und daß es dir nicht an Mut fehlen wird, wenn es sich darum handelt, einer bestimmten Gefahr entgegenzutreten. Du hast heute mit mir getanzt, obgleich du deshalb viele Demütigungen ertragen mußtest. Du hast mich sogar nach der Vesper hinter der Kirche aufgesucht, grade in dem Augenblick, wo ich mein Gebet verrichtet und dir in meinem Herzen verziehen hatte, und wo ich nicht mehr daran dachte, dich noch weiter belästigen zu wollen. Du hast mich gegen ungezogene Buben verteidigt, und die großen Burschen, die mich ohne deinen Schutz mißhandelt haben würden, hast du herausgefordert und zur Ordnung verwiesen. Endlich bist du diesen Abend, als du mich weinen hörtest, zu mir gekommen, um mir beizustehen und mich zu trösten. Glaube nur ja nicht, Landry, daß ich das alles je vergessen könnte. So lange du lebst werde ich es dir beweisen, daß ich eine lebhafte Erinnerung daran bewahre, und du kannst von mir verlangen, was du immer willst, und zu jeder Zeit, wann es auch sein mag, werde ich bereit sein, dir jeglichen Dienst zu leisten. Ich weiß, um es nur gleich herauszusagen, daß ich dir heute großen Kummer bereitet habe. Freilich weiß ich es, Landry, ich bin Zauberin genug um dich erraten zu haben, wenn ich auch heute Morgen noch keine Ahnung davon hatte. Du kannst davon überzeugt sein, ich bin eher mutwillig als boshaft, und wenn ich darum gewußt hätte, daß du in die Madelon verliebt bist, würde ich dich gewiß nicht mit ihr veruneinigt haben, wie es leider geschehen ist, da ich dich gezwungen habe mit mir zu tanzen. Ich gestehe, daß es mich belustigte, daß du ein schönes Mädchen stehen lassen mußtest, um mit einem so häßlichen Mädchen zu tanzen, wie ich es bin. Aber ich glaubte, es würde nur ein kleiner Stich für deine Eigenliebe sein. Als mir nach und nach klar wurde, daß dein Herz dadurch schmerzlich betroffen wurde; als ich sah, daß du trotz deiner selbst immer wieder zu der Madelon hinüberblicken mußtest, und daß ihr trotziges Zürnen dir beinah Thränen entlockte, da habe ich auch geweint; ja, wahrhaftig, ich habe geweint in dem Augenblick, als du dich gegen ihre Liebhaber schlagen wolltest, und du kannst mir glauben, daß es Thränen der Reue waren. Aus demselben Grunde habe ich auch noch eben so bitterlich geweint, als du mich hier überrascht hast, und ich werde noch so lange darüber weinen, bis ich das Weh, das ich einem guten und braven Burschen, wie ich jetzt weiß, daß du es bist, verursacht habe, wieder gut gemacht habe.«

Landry war ganz gerührt von den Thränen, die ihr aufs neue in die Augen traten. »Wenn wir auch annehmen, du gutes Fränzchen,« sagte er, »du wärest schuld an einem Zerwürfnis zwischen mir und einem Mädchen, in das ich, wie du sagst, verliebt sein soll, was könntest du denn thun, uns wieder miteinander zu versöhnen?«

»Verlaß dich nur auf mich, Landry,« sagte die kleine Fadette. »Ich bin nicht so dumm, daß ich nicht eine Erklärung zu stände bringen könnte, wie es sich gehört. Die Madelon soll erfahren, daß alles Unrecht durch mich angerichtet wurde. Ich werde ihr alles bekennen, und du sollst so rein und weiß dastehen, wie der Schnee. Wenn sie dir morgen ihre Freundschaft nicht zurück giebt, dann hat sie dich auch nie geliebt, und …«

»Und dann brauche ich auch nichts weiter zu bedauern, Fränzchen; und wenn sie mich wirklich niemals geliebt hat, würdest du dir wirklich eine überflüssige Mühe machen. Thue es also nicht, und tröste dich wegen des kleinen Verdrusses, den du mir gemacht hast. Ich bin schon wieder frei davon.«

»Solche Schmerzen sind nicht so leicht vergessen,« erwiderte die kleine Fadette. Nach kurzem Besinnen setzte sie hinzu: »Wenigstens sagt man dies. Es war gewiß nur der Verdruß, der eben aus dir sprach. Wenn du mal darüber geschlafen hast, und es wieder Tag geworden ist, wirst du sicherlich sehr betrübt sein, bis du dich mit diesem schönen Mädchen wieder versöhnt hast.«

»Das kann sein,« sagte Landry, »aber darauf kann ich dir mein Wort geben, daß ich in diesem Augenblick nichts davon weiß, und überhaupt gar nicht mehr daran denke. Es kommt mir so vor, als ob du mir einreden möchtest, als ob ich so große Freundschaft für sie gehabt hätte; mir selbst aber scheint es, daß diese Freundschaft, wenn ich sie auch wirklich für sie gehabt habe, so schwach gewesen ist, daß ich sozusagen, die Erinnerung daran verloren habe.«

»Das ist sonderbar,« sagte die Fadette und seufzte dabei. »Das ist also die Art, wie ihr Burschen zu lieben pflegt?«

»O, und ihr Mädchen, ihr liebt nicht besser! Gleich seid ihr beleidigt und werdet böse, und dann wißt ihr euch rasch mit dem ersten besten anderen Burschen zu trösten. Aber wir sprechen da von Dingen, die wir vielleicht noch nicht verstehen; wenigstens du nicht, Fränzchen, die du dich über die Verliebten lustig machst. Ich glaube fast, du treibst sogar in diesem Augenblick nur deinen Spott mit mir, indem du meine Angelegenheit mit der Madelon in Ordnung bringen willst. Ich sage dir: thu's nicht, denn sie könnte meinen, ich hätte dich damit beauftragt, und da würde sie sich doch irren. Vielleicht könnte es sie auch ärgern, wenn sie denken müßte, ich wolle mich ihr als Liebhaber aufdringen lassen, denn ich selbst habe ihr noch nie ein Wort von Liebe gesagt. Wenn ich auch Vergnügen daran fand, in ihrer Gesellschaft zu sein und gern mit ihr tanzte, so hat sie mich doch niemals dazu ermutigt, ihr dies auch in Worten zu sagen. Deshalb also lassen wir die Sache ruhen; wenn die Madelon Lust hat, wird sie von selbst sich mir wieder zuwenden, und ich glaube, wenn sie dies nicht thut, werde ich auch nicht darüber zu Grunde gehen.«

»Ich weiß besser als du selbst, Landry, wie dir in dieser Hinsicht zu Mute ist,« erwiderte die kleine Fadette. »Ich glaube dir, wenn du mir sagst, daß du der Madelon niemals in Worten etwas von deiner Freundschaft verraten hast. Aber sie müßte wirklich sehr einfältig sein, wenn sie nichts davon in deinen Augen gelesen hätte, und besonders heute. Da ich nun die Ursache eueres Zerwürfnisses bin, so muß ich es auch sein, die euch wieder miteinander versöhnt, und das ist dann zugleich die beste Gelegenheit ihr verstehen zu geben, daß du sie liebst. Mir kommt es zu, dies alles zu thun, und ich werde so geschickt und schlau dabei zu Werke gehen, daß es ihr auch gar nicht in den Sinn kommen kann, als ob du mich dazu angestiftet hättest. Verlasse dich nur auf die kleine Fadette, Landry; vertraue der armen garstigen Grille, deren Herz gewiß nicht so häßlich ist, wie ihr Äußeres. Verzeihe ihr, daß sie dich gequält hat, denn es wird für dich zu einem großen Glücke führen. Du wirst erfahren, wie süß es ist die Liebe eines schönen Mädchens zu besitzen, und wie nützlich die Freundschaft eines häßlichen sein kann, denn die häßlichen sind uneigennützig und geraten nicht so leicht in Verdruß und Zorn.«

»Ob du nun schön oder häßlich bist, Fränzchen,« sagte Landry, indem er ihre Hand ergriff, »ich glaube schon jetzt zu erkennen, daß deine Freundschaft etwas sehr Gutes ist, so gut, daß im Vergleich dazu, die Liebe vielleicht nicht mehr in Betracht kommt. Ich erkenne jetzt, daß du die wahre Herzensgüte besitzest, denn ich habe dir eine große Beleidigung zugefügt, die du heute gar nicht beachten wolltest, und wenn du sagst, daß ich mich dir gegenüber sehr gut benommen habe, so finde ich selbst, daß ich den Forderungen der Schicklichkeit gar nicht genügte, und daß ich nicht that, was sich gehört hätte.«

»Wieso denn, Landry? Ich wüßte nicht, worin …«

»Ich habe dich beim Tanze ja nicht ein einziges Mal geküßt, Fränzchen, wie es meine Pflicht und mein Recht gewesen wäre, weil es so der Brauch ist. Ich habe es mit dir gemacht, wie man es mit den Mädchen von zehn Jahren thut, zu denen man sich nicht herunter neigt, um sie zu küssen, und doch bist du ja mit mir in einem Alter; es wird sich dabei höchstens um ein Jahr handeln. Ich habe dir also eigentlich einen Schimpf angethan, und wenn du nicht ein so gutes Mädchen wärest, würdest du dir das sicherlich gemerkt haben.«

»Ich habe nicht einmal daran gedacht,« sagte die Fadette, und gleich darauf stand sie auf, denn sie sagte hier geflissentlich eine Unwahrheit und wollte sich das nicht anmerken lassen. »Da höre einmal,« sagte sie, sich zu einem heiteren Tone zwingend, »wie die Grillen auf den Stoppelfeldern singen, hörst du? Sie rufen mich bei meinem Namen, und da unten die Eule ruft mir die Stunde zu, welche da oben am Himmel die Sterne, wie auf einem Zifferblatte bezeichnen.«

»Ja, ich höre es auch ganz deutlich, und ich muß eilen, daß ich nach la Priche komme; aber, Fadette, willst du mir nicht verzeihen, ehe wir voneinander scheiden?«

»Aber, ich bin dir ja nicht böse, Landry; und ich habe dir ja nichts zu verzeihen.«

»Doch gewiß,« sagte Landry, der sich in rätselhafter Weise erregt fühlte, seitdem sie ihm von Liebe und Freundschaft gesprochen hatte. Seine Stimme klang dabei so sanft, daß im Vergleich dazu das leise Gezwitscher der in den Gebüschen schlafenden Dompfaffen noch hart und rauh erklang. »Doch, doch, du mußt mir verzeihen, das heißt: Du mußt mir jetzt die Erlaubnis geben, daß ich dich küssen darf, um das den Tag über Versäumte nachzuholen.«

Ein leichtes Zittern erfaßte die kleine Fadette, aber rasch ihre Heiterkeit wiedergewinnend, sagte sie:

»Du willst also, Landry, daß ich dich dein Unrecht durch eine Strafe abbüßen lasse? Wohlan denn, du wackerer Bursche, ich befreie dich davon. Es wird wohl genug sein, daß du die Häßliche zum Tanze führtest; ihr noch dazu einen Kuß geben zu müssen, das wäre wirklich zuviel verlangt.«

»O nein! sprich nicht so,« rief Landry, ihre Hand ergreifend und dazu auch ihren Arm, – »ich glaube nicht, daß es eine Strafe sein kann, dir einen Kuß zu geben … wenn es dich nicht etwa verdrießt und dir zuwider ist, daß grade ich …«

Und als er dies gesagt hatte, fühlte er sich so von der Sehnsucht ergriffen, die kleine Fadette zu küssen, daß die Furcht, sie könne sich weigern, ihn heftig zittern machte.

»Höre, Landry,« sagte sie ihm mit ihrer sanften einschmeichelnden Stimme, – »wenn ich schön wäre, dann würde ich dir sagen, daß es hier weder der Ort noch die Stunde gestatten, sich heimlicher Weise zu küssen. Wenn ich gefallsüchtig wäre, dann würde ich im Gegenteil denken, daß grade dies die Stunde und der Ort dazu wären, weil die Nacht meine Häßlichkeit verbirgt, und weil hier niemand ist, der dich wegen deines Einfalls verhöhnen könnte. Da ich nun aber weder gefallsüchtig noch schön bin, so höre, was ich dir sage: Sieh, hier, meine Hand; drücke sie mir zum Zeichen der reinen und aufrichtigen Freundschaft, und ich werde mich damit begnügen, ich, die ich noch nie eine Freundschaft gehabt habe und niemals nach einer anderen verlangen werde.«

»Ja,« sagte Landry, »von ganzem Herzen drücke ich dir hier die Hand. Aber, höre Fadette, die ehrbarste Freundschaft, und die ich für dich empfinde, ist dies, – ist durchaus kein Hindernis, daß man sich nicht einen Kuß geben dürfte. Wenn du mir diesen Beweis nicht gestatten willst, dann muß ich glauben, daß du mir noch etwas nachträgst.«

Er versuchte ihr einen Kuß zu rauben, ehe sie sich dessen versehen konnte, aber sie widerstrebte und als er darauf bestand, fing sie an zu weinen, und sagte:

»Laß mich, Landry, du bereitest mir nur Schmerz.«

Landry blieb ganz betroffen stehen, und es verdroß ihn so sehr sie wieder weinen zu sehen, daß er etwas wie Zorn empfand.

»Ich sehe wohl,« sprach er, »daß es dir nicht bedacht ist, wenn du mir sagst, meine Freundschaft sei die einzige, die du haben möchtest. Du hast gewiß eine viel bessere, und deshalb magst du mir keinen Kuß geben.«

»Gewiß nicht, Landry,« erwiderte sie schluchzend, »aber ich fürchte, wenn du mich im Dunkeln geküßt hast, ohne mich zu sehen, wirst du mich hassen, wenn du mich dann bei Tage wiederstehst.«

»Habe ich dich denn etwa noch nie gesehen?« sagte Landry, indem er die Geduld verlor; »sehe ich dich denn nicht auch jetzt? Komm, tritt ein wenig näher in den Mondschein; ich sehe dich recht gut, und ich weiß wirklich nicht, ob du häßlich bist, aber ich weiß, daß ich dein Gesicht liebe, weil ich dich gern habe, und das ist alles.«

Und dann schloß er sie in seine Arme und küßte sie; anfangs zitternd und schüchtern; dann aber that er es wiederholt mit solchem Feuer, daß sie sich fürchtete und ihn zurückdrängend sagte:

»Genug! Landry, genug! man sollte meinen, du umarmst mich aus Zorn, oder du dächtest dabei an die Madelon. Beruhige dich; morgen werde ich mit ihr reden, und morgen wirst du sie dann mit größerer Freude umarmen, als ich sie dir gewähren kann.«

Mit diesen Worten verließ sie rasch den Steinbruch, und leichten Schrittes war sie verschwunden.

Landry war wie bethört, und er hatte alle Lust ihr nachzueilen. Dreimal war er im Begriff, dies zu thun, bis er sich endlich dazu entschließen konnte, in der Richtung des Flusses hinunterzusteigen. Endlich, als ob er den Teufel hinter sich gehabt hätte, fing auch er an zu laufen, und mäßigte seine Schritte nicht eher wieder, als bis er in la Priche angekommen war.

Am folgenden Morgen, als er sich mit Tagesgrauen zu seinen Ochsen begab, dachte er, während er sie streichelte und liebkoste, an jenes Geplauder, das er im Steinbruch von Chaumois eine geschlagene Stunde lang mit der kleinen Fadette geführt hatte, und das ihm nur die Dauer eines Augenblickes gehabt zu haben schien. Der Kopf war ihm noch schwer vom Schlaf und von der geistigen Abspannung eines Tages, der so ganz anders verlaufen war, als er es erwartet hatte. Er fühlte sich sehr beunruhigt und wie verstört über das, was er für jenes Mädchen empfunden hatte, das ihm jetzt wieder als häßlich und in ihren gewohnten schlechten Kleidern, wie er sie von jeher gekannt hatte, vor Augen schwebte. Es gab Augenblicke, in denen ihm das ganze Erlebnis nur wie ein Traum erschien. Daß ihm die Fadette im Steinbruch plötzlich soviel schöner und liebenswürdiger erschienen war, als irgend ein anderes Mädchen in der Welt; – das Verlangen sie zu umarmen und die Wonne, mit der er sie endlich ans Herz gedrückt hatte, als ob er in leidenschaftlicher Liebe für sie entbrenne: – das alles glaubte er nur geträumt zu haben.

»Es muß wirklich wohl so sein,« dachte er bei sich selbst, »daß sie eine Zauberschwester ist, wie man es ihr nachsagt, wenn sie es auch nicht eingestehen will. Soviel ist gewiß, daß sie mich gestern Abend behext hat; denn niemals in meinem ganzen Leben habe ich weder für Vater, Mutter, Schwester oder Bruder, auch nicht für die schöne Madelon, ja nicht einmal für meinen lieben Zwillingsbruder solch eine glühende Liebe empfunden, wie sie gestern Abend zwei oder drei Minuten lang für jenes Teufelsmädchen in mir aufwallte. Wenn der arme Sylvinet gesehen hätte, was in meinem Herzen vorging, dann wäre er vor Eifersucht vergangen. Meine Neigung für die Madelon hat meinem Bruder keinen Abbruch gethan; wenn ich aber nur einen Tag lang so vernarrt und in so feuriger Aufregung geblieben wäre, wie ich es für einen Augenblick neben der kleinen Fadette gewesen bin, dann hätte ich närrisch darüber werden müssen, und ich würde für nichts in der Welt mehr Sinn behalten haben, als nur für sie.«

Es war Landry zu Mute, als ob er vor Scham, vor Ermüdung und Unbehagen ersticken müßte. Er setzte sich auf die Krippe der Ochsen und geriet in Angst, ob nicht die Zauberin ihn vielleicht um seine mutige Kraft, seinen Verstand und seine Gesundheit gebracht haben könnte.

Als nun die Sonne aufgegangen war, und die Arbeiter von la Priche sich zusammengefunden hatten, fingen sie an Landry wegen seines Tanzes mit der garstigen Grille zu necken. Sie spotteten soviel über ihre Häßlichkeit, ihr sonderbares Benehmen und ihren schlechten Anzug, daß Landry nicht mehr wußte, wo er sich verbergen sollte, so sehr schämte er sich dessen, was die anderen gesehen hatten, und ebenso sehr der nur ihm allein bekannten Vorgänge, von denen er sich wohl hütete auch nur das Geringste verlauten zu lassen.

Er wurde aber keineswegs böse darüber, denn die Leute von la Priche waren alle seine guten Freunde, und trieben ihre Neckereien durchaus nicht in böser Absicht. Er hatte sogar den Mut ihnen zu sagen, daß die kleine Fadette gar nicht sei, wofür man sie ansehe, daß sie eben so gut sei, wie die anderen Mädchen, und daß sie sich darauf verstehe große Dienste zu leisten. Durch diese Behauptungen erregte er aufs neue die Spottlust der anderen, und mußte es sich gefallen lassen, daß sie ihn verhöhnten.

»Ihre Großmutter,« so schallte es ihm entgegen, »ja, das mag sein; aber sie selbst ist ja noch ein Kind, das nichts versteht; wenn du ein krankes Vieh hast, will ich dir nicht raten ihre Mittel anzuwenden, denn sie ist eine Schwätzerin, die nicht das Geringste von den Geheimnissen der Heilkunst versteht. Aber wie es scheint, versteht sie sich darauf die Burschen zu bethören, denn am Feste des heiligen Andoche bist du ihr kaum von der Seite gewichen. Du thätest wohl daran, armer Landry, besser auf deiner Hut zu sein; sonst wird man dich bald den Gefährten der Grille und den Kobold der Fadette heißen. Wir werden noch gezwungen sein, dir den Teufel wieder austreiben zu lassen.«

»Ich glaube auch,« ließ sich die kleine Solange vernehmen, »daß er gestern morgen einen seiner Strümpfe links angezogen hat. Das lockt die Hexen herbei, und die kleine Fadette hatte es gewiß bemerkt.«

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04 aralık 2019
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