Kitabı oku: «Maigret lässt sich Zeit», sayfa 2

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»Er hatte Ihre Gesellschaft.«

»Auch darunter hat er gelitten, denn er war eifersüchtig, obwohl er weiß Gott keinen Grund dazu hatte.«

Maigret nahm ein goldenes Zigarettenetui, das auf dem Frisiertisch lag, und hielt es ihr geöffnet hin. Abwesend nahm sie eine Zigarette.

»Sie sind um fünf nach zehn vom Einkaufen nach Hause gekommen, nicht wahr?«

»Der Inspektor wird es Ihnen bestätigen.«

»Es sei denn, Sie hätten ihn abgeschüttelt, wie Ihnen das hin und wieder gelungen ist.«

»Heute nicht.«

»Sie mussten also niemanden in Manuels Namen kontaktieren, niemandem einen Auftrag geben, niemanden anrufen.«

Sie zuckte mit den Schultern und stieß gedankenlos den Rauch aus.

»Sind Sie die Vordertreppe hochgegangen?«

»Warum hätte ich die Hintertreppe benutzen sollen? Ich bin doch kein Dienstmädchen, oder?«

»Sind Sie zunächst in die Küche gegangen?«

»Wie immer, wenn ich vom Einkaufen zurückkomme.«

»Kann ich mal sehen?«

»Machen Sie diese Tür auf. Die Küche liegt auf der anderen Seite des Flurs.«

Er warf nur einen kurzen Blick hinein. Die Haushälterin war gerade dabei, Kaffee zu kochen. Verschiedene Gemüsesorten lagen auf dem Tisch.

»Haben Sie sich die Zeit genommen, Ihr Netz auszupacken?«

»Ich glaube, nein.«

»Sind Sie nicht sicher?«

»Manches macht man ganz automatisch. Nach allem, was dann geschehen ist, kann ich mich kaum noch erinnern.«

»Wie ich Sie kenne, sind Sie dann in das kleine Zimmer gegangen, um Manuel einen Kuss zu geben.«

»Sie wissen genauso gut wie ich, was ich da entdeckt habe.«

»Aber ich weiß nicht, was Sie dann getan haben.«

»Ich glaube, zuerst habe ich geschrien. Instinktiv bin ich zu ihm gelaufen. Aber dann, als ich das ganze Blut gesehen habe, muss ich zugeben, dass ich zurückgewichen bin. Ich habe es nicht über mich gebracht, ihn noch einmal zu küssen. Armer Papa!«

Tränen rollten über ihre Wangen, aber sie dachte nicht daran, sie abzuwischen.

»Haben Sie die Pistole aufgehoben?«

»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich es nicht getan habe. Da sehen Sie’s. Sie behaupten, dass Sie mir glauben, aber kaum sind wir allein, stellen Sie mir Fallen.«

»Sie haben sie auch nicht berührt, auch nicht um sie abzuwischen?«

»Ich habe nichts angefasst.«

»Wann ist die Haushälterin gekommen?«

»Ich weiß es nicht. Sie benutzt die Hintertreppe und stört uns nie, wenn wir im Eckzimmer sind.«

»Haben Sie sie nicht kommen hören?«

»In dem kleinen Zimmer kann man nichts hören.«

»Verspätet sie sich manchmal?«

»Oft. Sie hat einen kranken Sohn, um den sie sich kümmern muss, bevor sie zu uns kommt.«

»Sie haben erst um Viertel nach zehn bei der Polizei angerufen. Warum? Und warum haben Sie nicht als Erstes daran gedacht, einen Arzt zu rufen?«

»Sie haben Manuel doch selbst gesehen. Er war ganz offensichtlich tot.«

»Was haben Sie in den zwanzig Minuten zwischen der Entdeckung der Leiche und Ihrem Anruf bei der Polizei getan? Ich gebe Ihnen den guten Rat, Aline: Antworten Sie nicht zu schnell. Ich kenne Sie. Sie haben mich oft belogen. Ich habe es Ihnen nie übel genommen, aber ich weiß nicht, ob der Untersuchungsrichter das genauso sieht. Und er ist es, der entscheidet, ob Sie verhaftet werden oder nicht.«

Sie fand zum spöttischen Ton des ehemaligen Straßenmädchens zurück:

»Das wäre ja wohl die Höhe! Mich verhaften? Und da soll man noch an Gerechtigkeit glauben! Glauben Sie noch daran, nach allem, was Sie erlebt haben? Sagen Sie schon!«

Maigret zog es vor, die Frage nicht zu beantworten.

»Hören Sie, Aline, diese zwanzig Minuten können eine bedeutende Rolle spielen. Manuel war ein vorsichtiger Mensch. Ich glaube nicht, dass er hier in der Wohnung kompromittierende Papiere oder Gegenstände aufbewahrt hat, und erst recht keinen wertvollen Schmuck oder größere Geldsummen.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Haben Sie wirklich keine Ahnung? Wenn man eine Leiche entdeckt, wäre doch wohl der normale Reflex, einen Arzt oder die Polizei zu rufen.«

»Dann scheine ich nicht die gleichen Reflexe zu haben wie normale Menschen.«

»Sie sind vermutlich nicht zwanzig Minuten lang regungslos vor der Leiche stehen geblieben.«

»Eine ganze Weile jedenfalls.«

»Ohne etwas zu tun?«

»Wenn Sie es unbedingt wissen wollen, ich habe als Erstes gebetet. Ich weiß, das ist verrückt, weil ich nicht an diesen verdammten lieben Gott glaube. Aber es gibt Momente, in denen es einen trotzdem überkommt. Ob das nun einen Sinn hat oder nicht, ich habe für seinen Seelenfrieden gebetet.«

»Und dann?«

»Bin ich hin und her gegangen.«

»Wo?«

»Von dem kleinen Zimmer in mein Schlafzimmer und zurück. Ich habe vor mich hin geredet. Ich habe mich gefühlt wie ein Tier im Käfig, wie eine Löwin, der man ihr Männchen und ihre Jungen genommen hat. Denn er war beides für mich: mein Mann und mein Kind.«

Sie sprach leidenschaftlich und ging auch jetzt im Schlafzimmer auf und ab, als wollte sie ihre Handlungen vom Morgen rekonstruieren.

»Das hat zwanzig Minuten gedauert?«

»Vielleicht.«

»Sie sind nicht auf die Idee gekommen, der Haushälterin zu sagen, was passiert war?«

»Ich habe überhaupt nicht an sie gedacht. In keinem Augenblick ist mir bewusst geworden, dass sie in der Küche war.«

»Sie haben die Wohnung nicht verlassen?«

»Wohin hätte ich gehen sollen? Fragen Sie Ihre Männer.«

»Gut, nehmen wir an, Sie sagen die Wahrheit.«

»Das tue ich schon die ganze Zeit.«

Gelegentlich konnte sie sich wie ein braves Mädchen benehmen. Vielleicht hatte sie einen guten Kern, und vielleicht war ihre Zuneigung zu Manuel echt. Aber wie bei so vielen anderen hatten ihre Erfahrungen in ihr das Bedürfnis hinterlassen, sich bissig und aggressiv zu zeigen.

Wie konnte sie an das Gute, an die Gerechtigkeit glauben, wie Vertrauen in die Menschen haben, nach dem Leben, das sie geführt hatte, bevor sie Palmari begegnet war?

»Dann machen wir jetzt ein kleines Experiment«, brummte Maigret und öffnete die Tür.

»Moers, kommen Sie mal mit dem Paraffin?«

Man hätte meinen können, Möbelpacker hätten in der Zwischenzeit die Wohnung in Beschlag genommen, und Janvier, der die beiden Inspektoren Baron und Vachet hochgeholt hatte, wusste nicht, wohin mit ihnen.

»Einen Moment noch, Janvier. Moers, kommen Sie rein.«

Moers wusste Bescheid und bereitete seine Instrumente vor.

»Geben Sie mir Ihre Hand, Madame.«

»Wozu?«

»Um festzustellen, dass Sie heute Morgen keine Waffe benutzt haben«, erklärte der Kommissar.

Ohne mit der Wimper zu zucken, streckte sie ihre rechte Hand aus. Zur Sicherheit wurde das Ganze mit der linken Hand wiederholt.

»Wann haben Sie das Ergebnis, Moers?«

»In zwölf Minuten. Ich habe unten im Wagen alles, was ich brauche.«

»Verdächtigen Sie mich wirklich nicht und machen das alles nur aus Routine?«

»Ich bin fast sicher, dass Sie Manuel nicht getötet haben.«

»Wessen verdächtigen Sie mich dann?«

»Das wissen Sie besser als ich. Ich hab’s nicht eilig. Mit der Zeit wird sich alles aufklären.«

Er rief Janvier und die beiden Inspektoren, die das gelb-weiße Schlafzimmer sichtlich verlegen machte.

»Jetzt seid ihr dran, Kinder.«

Als bereitete sie sich auf den Kampf vor, steckte sich Aline eine neue Zigarette an und blies mit verächtlicher Miene den Rauch aus.

2

Maigret hatte am Morgen, als er seine Wohnung verließ, nicht damit gerechnet, wieder in die Rue des Acacias zurückzukehren, wo er eine gute Woche zuvor einige beklemmende Stunden verbracht hatte. Wie für viele Millionen Pariser hatte für ihn einfach ein strahlender Sommertag begonnen. Aber noch weniger war er darauf gefasst gewesen, gegen ein Uhr im Bistro Chez l’Auvergnat gemeinsam mit dem Untersuchungsrichter Ancelin zu Mittag zu essen. In dem altmodischen Lokal gegenüber von Palmaris Haus gab es noch die traditionelle Theke, Aperitifs, die außer alten Leuten kaum noch jemand trank, und einen Wirt in blauer Schürze, mit hochgekrempelten Hemdsärmeln und einem tiefschwarzen Schnurrbart.

Von der Decke hingen verschiedene Wurstsorten, kürbisgroße Käselaibe und Schinken mit grauer Schwarte, als hätte man sie in Asche konserviert. Im Fenster lagen riesige flache Brote direkt aus dem Massif Central.

Durch eine Glastür konnte man in die Küche sehen, wo eine magere Wirtin in den Töpfen rührte.

»Wollen Sie essen? Ein Tisch für zwei?«

Anstelle von Tischdecken lag auf den mit Wachstuch bezogenen Tischen geprägtes Papier, auf das der Wirt die Rechnungen schrieb. Das Menü stand mit Kreide auf einer Schiefertafel:

Rillettes aus dem Morvan

Kalbskeule mit Linsen

Käse

Obstkuchen

Dem dicken Richter schien diese Atmosphäre zu gefallen, denn er schnupperte genüsslich nach den würzigen Essendüften. Außer ihnen waren nur noch zwei oder drei schweigsame Gäste da, Stammgäste offenbar, denn der Wirt sprach sie mit ihren Namen an.

Seit Monaten war dies sozusagen das Hauptquartier der Inspektoren, die sich bei der Überwachung von Manuel Palmari und Aline ablösten. Einer von ihnen hatte sich immer bereitzuhalten, um der jungen Frau zu folgen, sobald sie das Haus verließ. Für den Moment schien ihre Aufgabe beendet zu sein.

»Was halten Sie von der ganzen Sache, Maigret? Erlauben Sie, dass ich Sie so nenne, obwohl wir uns erst eben kennengelernt haben? Aber wie ich schon sagte, es war seit Langem mein Wunsch, Sie kennenzulernen. Sie faszinieren mich, wissen Sie?«

Maigret brummte nur:

»Mögen Sie Kalbskeule mit Linsen?«

»Ich mag alle ländlichen Gerichte. Ich bin nämlich auch vom Land. Mein jüngerer Bruder bewirtschaftet das Familiengut.«

Als Maigret eine halbe Stunde zuvor aus Alines Schlafzimmer gekommen war, hatte zu seiner Überraschung der Untersuchungsrichter in Manuels kleinem Zimmer auf ihn gewartet.

Moers hatte inzwischen dem Kommissar bereits mitgeteilt, dass der Paraffintest negativ war. Mit anderen Worten, Aline hatte nicht geschossen.

»Keine Fingerabdrücke an der Pistole. Sie ist sorgfältig abgewischt worden, genau wie die Türklinken, auch die der Wohnungstür.«

Maigret hatte die Stirn gerunzelt.

»Wollen Sie damit sagen, dass nicht einmal von Aline Abdrücke an der Klinke waren?«

»Ja.«

Diese hatte daraufhin sofort gesagt:

»Ich ziehe immer Handschuhe an, wenn ich aus dem Haus gehe, sogar im Sommer, denn ich hasse feuchte Hände.«

»Was für Handschuhe haben Sie heute Morgen angehabt?«

»Weiße Baumwollhandschuhe. Hier sind sie.«

Sie zog sie aus ihrer Handtasche. Grüne Spuren ließen erkennen, dass sie Gemüse angefasst hatte.

»Baron!«, rief Maigret.

»Ja, Chef.«

»Waren Sie es, der heute Morgen Aline gefolgt ist?«

»Ja. Sie ist um kurz vor neun aus dem Haus gegangen und hatte außer der Handtasche hier auf dem Tisch ein rotes Einkaufsnetz dabei.«

»Hatte sie Handschuhe an?«

»Ja. Weiße, wie gewöhnlich.«

»Sie haben sie nicht aus den Augen gelassen?«

»Ich bin ihr nicht in die Geschäfte gefolgt, aber ich hatte sie immer im Blick.«

»Hat sie telefoniert?«

»Nein. Beim Metzger musste sie ziemlich lange warten, aber sie hat mit keiner der Frauen in der Schlange ein Wort gewechselt.«

»Haben Sie sich notiert, wie spät es war, als sie wieder nach Hause kam?«

»Es war sechs Minuten vor zehn.«

»Schien sie es eilig zu haben?«

»Im Gegenteil, ich hatte mehr den Eindruck, dass sie gemächlich schlendert. Sie wirkte gut gelaunt, wie jemand, der den schönen Tag genießt. Es war schon recht warm, und mir ist aufgefallen, dass sie dunkle Flecke unter den Achseln hatte.«

Auch Maigret schwitzte und spürte, dass sein Hemd trotz der leichten Jacke schon feucht war.

»Rufen Sie Vacher.«

Ihn fragte Maigret:

»Sagen Sie, Vacher, haben Sie, während Ihr Kollege Aline Bauche folgte, das Haus weiter überwacht? Wo genau haben Sie sich aufgehalten?«

»Ich stand genau gegenüber, vor dem Haus mit der Zahnarztpraxis, bis auf die fünf Minuten, als ich in dem Bistro ein Glas Weißwein getrunken habe. Aber von der Theke aus kann man den Hauseingang sehr gut sehen.«

»Wissen Sie noch, wer hineingegangen und wer wieder herausgekommen ist?«

»Zuerst habe ich die Concierge gesehen, die rauskam, um eine Fußmatte auszuklopfen. Als sie mich erkannt hat, hat sie etwas gebrummt, denn sie kann uns nicht leiden und empfindet es als persönliche Beleidigung, dass wir das Haus überwachen.«

»Und dann?«

»Gegen zehn nach neun ist ein junges Mädchen mit einem Zeichenblock unterm Arm herausgekommen. Das ist Mademoiselle Lavancher, die Familie wohnt im ersten Stock rechts. Ihr Vater ist Schaffner bei der Metro. Sie geht jeden Morgen in eine Kunstakademie am Boulevard des Batignolles.

Der Metzgergehilfe hat Fleisch gebracht, aber ich weiß nicht, wem. Ich kenne ihn, denn ich sehe ihn immer in der Fleischerei Mauduit ein Stück weiter die Straße hinauf.«

»Sonst noch jemand?«

»Die Italienerin aus dem dritten Stock hat am Fenster ihre Teppiche ausgeschüttelt. Und um kurz vor zehn ist Aline mit ihren Einkäufen zurückgekommen. Da hat sich Baron wieder zu mir gesellt. Wir waren überrascht, kurz danach erst den Polizeikommissar, dann den Untersuchungsrichter und schließlich Sie in das Haus gehen zu sehen. Wir wussten nicht, was wir tun sollen. Da wir keine anderen Anweisungen hatten, dachten wir, dass wir am besten weiter auf der Straße warten.«

»Ich hätte gerne bis zum frühen Nachmittag eine vollständige Liste aller Mieter, Etage für Etage, mit ihren Berufen, allen Familienmitgliedern, ihren Gewohnheiten und so weiter. Erledigen Sie das zusammen.«

»Sollen wir die Mieter befragen?«

»Das mache ich selbst.«

Manuels Leiche war abtransportiert worden, und wahrscheinlich war der Gerichtsarzt schon dabei, sie zu sezieren.

»Sie, Aline, bitte ich, die Wohnung nicht zu verlassen. Inspektor Janvier wird hierbleiben. Sind Ihre Männer schon weg, Moers?«

»Sie sind mit ihrer Arbeit hier fertig. Gegen drei haben wir die Fotos und Vergrößerungen der Fingerabdrücke.«

»Sie haben also doch welche gefunden?«

»Nur die üblichen – an Aschenbechern, am Radio- und Fernsehgerät, an den Schallplatten und anderen Gegenständen, die der Mörder wahrscheinlich nicht berührt und darum auch nicht abgewischt hat.«

Erst als Maigret die Stirn runzelte, fiel ihm auf, wie fasziniert der Untersuchungsrichter jede Veränderung seines Gesichtsausdrucks verfolgte.

»Soll ich euch Sandwiches raufschicken lassen, Kinder?«

»Nein, wir machen nach Ihnen auch eine Mittagspause.«

Auf dem Treppenabsatz fragte Ancelin:

»Gehen Sie zum Essen nach Hause?«

»Leider nicht, obwohl da Hummer auf mich wartet.«

»Darf ich mir erlauben, Sie einzuladen?«

»Sie kennen das Viertel nicht so gut wie ich. Ich lade Sie ein, wenn Sie sich von einem kleinen Bistro und Gerichten aus der Auvergne nicht abschrecken lassen.«

So saßen sie also an dem mit einem Papiertuch gedeckten Tisch, und der Kommissar zog von Zeit zu Zeit sein Taschentuch heraus, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.

»Ich nehme an, Maigret, Sie halten den Paraffintest für aufschlussreich. Ich habe früher einmal die wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden studiert, aber ich gestehe, ich habe das meiste vergessen.«

»Wenn der Mörder keine Gummihandschuhe getragen hat, bleiben zwei bis drei Tage lang winzige Pulverspuren an seinen Händen haften, die das beim Test benutzte Paraffin mit Sicherheit zum Vorschein bringt.«

»Denken Sie nicht, dass diese Aline Gummihandschuhe tragen würde, und sei es nur, um Geschirr zu spülen? Ihre Haushälterin kommt schließlich nur ein paar Stunden am Tag.«

»Wahrscheinlich. Wir werden uns nachher davon überzeugen.«

Nun begann auch Maigret, den kleinen Richter neugierig zu mustern.

»Diese Rillettes sind wunderbar. Sie erinnern mich an die bei uns zu Hause, wenn wir ein Schwein geschlachtet haben. Ich habe den Eindruck, dass Sie am liebsten alleine ermitteln, ich meine, gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern, und der Staatsanwaltschaft und dem Untersuchungsrichter erst Ihren Bericht schicken, wenn Sie mehr oder weniger definitive Ergebnisse haben?«

»Das ist kaum noch möglich. Die Verdächtigten haben vom ersten Verhör an ein Recht auf die Anwesenheit ihres Anwalts, und die schätzen die Atmosphäre am Quai des Orfèvres nicht besonders. Sie fühlen sich wohler, wenn ein Richter dabei ist.«

»Bitte denken Sie nicht, dass ich heute Vormittag hiergeblieben bin und mit Ihnen zu Mittag essen wollte, weil ich Sie kontrollieren oder Ihnen gar Steine in den Weg legen möchte. Wie ich schon sagte, interessieren mich Ihre Methoden. Ich lerne sehr viel, wenn ich Sie bei der Arbeit beobachte.«

Maigret antwortete auf dieses Kompliment nur mit einer vagen Geste.

»Stimmt es, dass Sie sechs Kinder haben?«, fragte er.

»In drei Monaten werden es sieben sein.«

Die Augen des Richters funkelten, als hätte er damit der Gesellschaft ein Schnippchen geschlagen.

»Es ist sehr bereichernd, wissen Sie? Schon kleine Kinder haben die guten und schlechten Eigenschaften Erwachsener. Man erfährt viel über den Menschen, wenn man sie aufwachsen sieht.«

»Ist Ihre Frau …«

Er hatte fragen wollen:

»Ist Ihre Frau der gleichen Meinung?«

Aber der Richter fuhr schon fort:

»Meine Frau wäre wohl am liebsten eine Kaninchenmutter gewesen. Sie ist nie zufriedener und sorgloser als während einer Schwangerschaft. Sie wird jedes Mal sehr dick, nimmt bis zu dreißig Kilo zu, aber das stört sie kein bisschen.«

Der gut gelaunte, optimistische Untersuchungsrichter genoss sein Essen aus der Auvergne, als wäre das Bistro sein Stammlokal.

»Sie kannten Manuel gut, nicht wahr?«

»Seit über zwanzig Jahren.«

»War er ein harter Kerl?«

»Schwer zu sagen. Er war hart und weich zugleich. Einige Jahre hat er in Marseille und an der Côte d’Azur gelebt. Als er dann nach Paris kam, war er wie ein wildes Tier mit scharfen Zähnen. Die meisten von seinem Schlag machen nach kurzer Zeit Bekanntschaft mit der Polizei, dem Gericht, dem Gefängnis.

Palmari allerdings bewegte sich zwar im Verbrechermilieu, aber er hat es geschafft, nie auffällig zu werden. Nachdem er das Clou-Doré gekauft hat, das damals nur eine bescheidene Kneipe war, musste die Polizei ihn nie lange bitten, um von ihm Auskünfte über seine Gäste zu bekommen.«

»Er war also einer Ihrer Spitzel?«

»Ja und nein. Er hat sich immer bedeckt gehalten und nur gerade so viel gesagt, wie nötig war, um sich mit uns gut zu stellen. Er hat auch zum Beispiel immer behauptet, die Männer, die auf ihn geschossen haben, als er die Jalousien an seinem Lokal heruntergelassen hat, nicht gesehen zu haben. Rein zufällig sind dann einige Monate später in Marseille zwei Killer umgelegt worden.«

»Hat er sich mit Aline gut verstanden?«

»Sie war seine einzige Verbindung zur Außenwelt. Täuschen Sie sich nicht, Herr Richter: Trotz ihrer Herkunft und obwohl sie früher Prostituierte war, ist dieses Mädchen eine echte Persönlichkeit. Sie ist viel intelligenter, als Palmari es war, und mit der richtigen Anleitung hätte sie am Theater, beim Film oder in irgendeinem Unternehmen eine große Karriere machen können.«

»Glauben Sie, dass sie ihn trotz des großen Altersunterschieds geliebt hat?«

»Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass das Alter für Frauen, für einen bestimmten Typ Frau jedenfalls, kaum eine Rolle spielt.«

»Sie verdächtigen sie also nicht, den Mord begangen zu haben?«

»Ich verdächtige niemanden und alle.«

Außer ihnen saß nur noch ein Gast an einem Tisch, und zwei standen an der Bar, vermutlich Arbeiter, die im Viertel beschäftigt waren. Die Kalbskeule war ausgezeichnet, und Maigret konnte sich nicht erinnern, je so zarte Linsen gegessen zu haben. Er nahm sich vor, einmal mit seiner Frau herzukommen.

»So wie ich Palmari kenne, lag die Pistole heute Morgen an ihrem Platz hinter dem Radio. Auch wenn Aline ihn nicht erschossen hat, muss der Mörder jemand gewesen sein, zu dem Manuel volles Vertrauen hatte, jemand, der wahrscheinlich einen Wohnungsschlüssel besaß. Aber ich lasse das Haus seit Monaten überwachen, und Palmari hat kein einziges Mal Besuch bekommen.

Um an die Waffe zu gelangen, musste der Mörder das Wohnzimmer durchqueren, dessen Tür immer offen steht, das kleine Arbeitszimmer betreten und um den Rollstuhl herumgehen. Wenn es ein Berufsverbrecher ist, kennt er sich mit dem Paraffintest aus. Nun kann ich mir aber nicht vorstellen, dass Palmari einen Besucher mit Gummihandschuhen empfängt. Außerdem haben meine Inspektoren niemand Verdächtigen ins Haus gehen sehen. Auch die Concierge hat niemanden bemerkt. Der Metzgergehilfe, der jeden Tag Fleisch ins Haus liefert, hat mit dem Mord ganz sicher nichts zu tun.«

»Hat sich nicht jemand gestern Abend ins Haus schleichen und über Nacht im Treppenhaus verstecken können?«

»Auch das hoffe ich heute Nachmittag herauszufinden.«

»Vorhin haben Sie gesagt, Sie hätten keinerlei Verdacht. Ich hoffe, Sie verübeln mir die Vermutung nicht, dass Sie trotzdem schon einen Gedanken verfolgen.«

»Das stimmt. Aber es kann sein, dass er mich keinen Schritt weiterbringt. Das Haus hat fünf Stockwerke, ohne das Erdgeschoss und die Mansarden. In jedem Stock gibt es zwei Wohnungen. Es gibt also eine Menge Mieter.

Seit Monaten werden Palmaris Telefongespräche abgehört, und sie waren allesamt völlig harmlos.

Ich habe aber nie glauben können, dass der Mann keinerlei Verbindung nach draußen mehr hatte. Jedes Mal, wenn Aline ausgegangen ist, hat sie einer meiner Beamten verfolgt.

Deshalb weiß ich jetzt, dass Aline manchmal beim Einkaufen von den Geschäften aus telefoniert hat.

Sie hat es immer wieder geschafft, ihren Verfolger für ein paar Stunden abzuschütteln, mithilfe der klassischen Tricks: ein Haus mit zwei Ausgängen, das Warenhaus oder die Metro.

Ich habe die Tage, an denen sie einen Inspektor abgeschüttelt hat, und die, an denen sie telefoniert hat, mit den Daten der Juwelendiebstähle verglichen.«

»Und? Stimmen sie überein?«

»Ja und nein. Nicht alle. Oft haben die Telefongespräche fünf oder sechs Tage vor einem Juwelendiebstahl stattgefunden. Wenn sie ihre Verfolger abgehängt hat, lagen die Diebstähle dagegen meist ein paar Stunden zurück. Ziehen Sie daraus Ihre eigenen Schlüsse. Aber vergessen Sie nicht, dass die Diebe fast immer jung und nicht vorbestraft waren und dass man sie für einmalige Einsätze aus dem Süden oder aus der Provinz hat kommen lassen. Möchten Sie noch etwas Kuchen?«

Es war ein saftiger, mit Zimt gewürzter Pflaumenkuchen.

»Nur wenn Sie auch noch ein Stück essen.«

Sie beendeten die Mahlzeit mit einem hochprozentigen Marc ohne Etikett, von dem ihnen die Wangen glühten.

»Langsam wird mir bewusst …«, seufzte der Richter und wischte sich seinerseits den Schweiß von der Stirn. »Schade, dass meine Arbeit mich im Palais de Justice festhält und ich Ihre Ermittlungen nicht Schritt für Schritt weiterverfolgen kann. Wissen Sie schon, wie Sie weitermachen?«

»Ich habe nicht die geringste Idee. Aber selbst wenn ich einen Plan hätte, müsste ich ihn in einigen Stunden wieder verwerfen. Zuerst werde ich mich mit den Hausbewohnern beschäftigen. Wie ein Staubsaugervertreter werde ich von Tür zu Tür gehen. Dann werde ich Aline noch einmal befragen. Sie hat längst noch nicht alles gesagt, was sie weiß, und hatte inzwischen Zeit nachzudenken. Was natürlich nicht heißen muss, dass sie gesprächiger sein wird als heute Vormittag.«

Nachdem sie kurz über die Rechnung diskutiert hatten, standen sie auf.

»Ich wollte Sie doch einladen«, protestierte der Richter.

»Ich bin hier sozusagen zu Hause«, erwiderte Maigret. »Beim nächsten Mal sind Sie woanders an der Reihe.«

Der Wirt rief ihnen von hinter der Theke aus zu:

»Hat es geschmeckt, meine Herren?«

»Sehr gut!«

So gut, dass sie beide ein wenig träge waren, als sie wieder draußen in der grellen Sonne standen.

»Vielen Dank für das Essen, Maigret. Lassen Sie mich nicht zu lange ohne Nachricht.«

»Versprochen.«

Und während der hochrote Richter sich hinter das Steuer seiner alten Klapperkiste zwängte, betrat der Kommissar wieder einmal das Mietshaus, das ihm immer vertrauter wurde.

Er hatte gut gegessen und noch den Geschmack des Marc im Mund. Die Wärme war angenehm, wenn sie ihn auch schläfrig machte, und die strahlende Sonne stimmte ihn heiter.

Auch Manuel hatte gutes Essen geschätzt, gerne Marc getrunken und das Gefühl von Trägheit an schönen Sommertagen genossen.

Und jetzt lag seine Leiche unter einem rauen Tuch in einem der Metallschubfächer im gerichtsmedizinischen Institut.

Baron ging pfeifend im Wohnzimmer auf und ab. Er hatte seine Jacke ausgezogen und das Fenster geöffnet. Maigret sah, dass er jetzt schnellstens essen gehen wollte, allerdings nicht ohne sich vorher mit einem großen Glas Bier zu erfrischen.

»Du kannst gehen. Und leg deinen Bericht dann auf meinen Schreibtisch.«

Der Kommissar fand Janvier, ebenfalls in Hemdsärmeln, in Palmaris kleinem Zimmer, wo er die Rollos heruntergelassen hatte. Als Maigret hereinkam, stand er auf, stellte den Groschenroman, in dem er gelesen hatte, wieder in das Regal zurück und griff nach seiner Jacke.

»Ist die Haushälterin schon gegangen?«

»Vorher habe ich sie verhört. Sie ist nicht gerade gesprächig. Außerdem ist sie neu, arbeitet erst seit Anfang der Woche hier. Die alte ist anscheinend zurück in die Bretagne, um ihre kranke Mutter zu pflegen.«

»Um wie viel Uhr ist sie heute Morgen gekommen?«

»Sie behauptet, um zehn.«

Wie überall gibt es in Paris verschiedene Typen von Haushälterinnen. Diese, die Madame Martin hieß, gehörte zur unangenehmsten Sorte. Sie war eine jener Frauen, die viel Unglück gehabt haben, die vom Pech geradezu verfolgt sind und darum der ganzen Welt zürnen.

Sie trug ein schwarzes, schlecht sitzendes Kleid und Schuhe mit schiefen Absätzen. Ihr Blick war lauernd und voller Groll, als erwartete sie, jederzeit angegriffen zu werden.

»Ich weiß nichts«, hatte sie erklärt, noch bevor Janvier den Mund aufgemacht hatte. »Sie haben kein Recht, mich zu belästigen. Ich arbeite erst seit vier Tagen in diesem Haushalt.«

Man konnte sich vorstellen, dass sie bei der Arbeit immer wieder leise vor sich hin fluchte.

»Ich gehe jetzt, und niemand kann mich daran hindern. Ich werde nie wieder einen Fuß in diese Wohnung setzen. Ich habe ja schon geahnt, dass die beiden nicht verheiratet waren und das eines Tages mit einem Drama enden würde.«

»Wie kommen Sie darauf, dass Monsieur Palmaris Tod etwas damit zu tun haben könnte, dass er nicht verheiratet war?«

»Ist das nicht immer so?«

»Welche Treppe haben Sie heute Morgen benutzt?«

»Die Hintertreppe«, antwortete sie missmutig. »Als ich jung war, hätte man sich gefreut, wenn ich die Vordertreppe raufgekommen wäre.«

»Haben Sie Mademoiselle Bauche gesehen?«

»Nein.«

»Sind Sie gleich in die Küche gegangen?«

»Wie immer.«

»Wie viele Stunden sind Sie täglich hier?«

»Zwei Stunden, von zehn bis zwölf. Montags und samstags den ganzen Vormittag, aber Gott sei Dank brauche ich diesen Samstag nicht zu kommen.«

»Was haben Sie gehört?«

»Nichts.«

»Wo hielt sich Mademoiselle Bauche auf?«

»Weiß ich nicht.«

»Mussten Sie sie nicht nach ihren Anweisungen fragen?«

»Ich bin alt genug, um zu wissen, was ich zu tun habe, wenn man es mir einmal gesagt hat.«

»Und was hatten Sie zu tun?«

»Ich musste Mademoiselle Bauches Einkäufe auf dem Tisch wegräumen, Gemüse putzen und den Teppich im Wohnzimmer absaugen.«

»Sind Sie dazu gekommen?«

»Nein.«

»Und was haben Sie an den anderen Tagen getan, wenn Sie mit dem Wohnzimmer fertig waren?«

»Das Schlafzimmer und das Bad geputzt.«

»Nicht das kleine Arbeitszimmer?«

»Monsieur Palmaris Zimmer? Nein, da hat Mademoiselle selbst aufgeräumt.«

»Haben Sie keinen Schuss gehört?«

»Ich habe nichts gehört.«

»Auch nicht, wie Mademoiselle Bauche telefoniert hat?«

»Die Tür war zu.«

»Wann haben Sie Mademoiselle Bauche heute Morgen gesehen?«

»Ich weiß nicht genau, wie spät es war. Zehn oder fünfzehn Minuten nachdem ich gekommen bin.«

»Wie wirkte sie?«

»Als ob sie geweint hätte.«

»Aber sie hat nicht mehr geweint?«

»Nein. Sie hat zu mir gesagt:

›Lass mich nicht allein. Ich habe Angst, dass ich ohnmächtig werde. Jemand hat Papa umgebracht.‹«

»Und dann?«

»Ist sie in ihr Schlafzimmer gegangen, und ich bin ihr nach. Sie hat sich aufs Bett geworfen und wieder angefangen zu weinen. Dann hat sie gesagt:

›Bitte mach auf, wenn es klingelt. Ich habe die Polizei gerufen.‹«

»Haben Sie sie nicht nach Einzelheiten gefragt?«

»Die Angelegenheiten anderer gehen mich nichts an. Je weniger man weiß, desto besser.«

»Haben Sie sich den toten Monsieur Palmari nicht angesehen?«

»Wozu?«

»Was hielten Sie von ihm?«

»Nichts.«

»Und von Mademoiselle Bauche?«

»Auch nichts.«

»Sie arbeiten seit Montag hier. Ist Ihnen einmal ein Besucher begegnet?«

»Nein.«

»Ist niemand da gewesen, der Monsieur Palmari sprechen wollte?«

»Nein. Ist das alles? Kann ich jetzt gehen?«

»Unter der Bedingung, dass Sie mir Ihre Adresse dalassen.«

»Ich wohne in der Nähe, in einer Mansarde im baufälligsten Haus in der Rue de l’Étoile, Nummer siebenundzwanzig. Aber ich bin immer nur abends dort, tagsüber arbeite ich. Und merken Sie sich eins: Die Polizei kann ich nicht leiden.«

Janvier hatte dem Kommissar die Aussagen, die er mitstenographiert hatte, vorgelesen.

»Ist Moers schon lange weg?«

»Er ist vor etwa einer Dreiviertelstunde gegangen. Hier im Zimmer hat er alles durchsucht, jedes Buch aus dem Regal geholt, jede Schallplattenhülle inspiziert. Er hat mich gebeten, Ihnen auszurichten, dass er nichts gefunden hat. Kein Geheimfach in den Wänden, keine doppelten Böden in den Möbeln, nichts.

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