Kitabı oku: «Wer war Jesus?», sayfa 2

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5. Als Johannes der Täufer Karriere machte1

Johannes der Täufer stand in einer langen Reihe jüdischer Propheten, die zur Umkehr mahnten. Er verband die Bußforderung mit einer Taufe zur Vergebung der Sünden und der Ankündigung, dass nach ihm ein »Stärkerer« zum Gericht kommen werde. Für die Christen war dies Jesus, auf dessen Geburt Johannes nach den Evangelien verwies.

Als Wüstenbewohner trug der Täufer ein Kleid aus rauem Kamelhaar mit einem ledernen Gürtel. Damit erinnerte er an den Gottesmann Elia, dessen endzeitliche Wiederkunft viele Juden erwarteten. Johannes’ Auftreten knüpfte an prophetische Traditionen an, denen zufolge Israels zukünftiges Heil sich in der Wüste verwirklichen sollte. Massen strömten zu ihm an die Ostseite des Jordan, nahe der Einöde am Toten Meer. Auch Jesus von Nazareth und einige seiner späteren Jünger ließen sich taufen.

Das Wirken des Johannes begann demnach vor dem öffentlichen Auftreten Jesu (ca. 30 n. Chr.). Er überlebte seinen berühmtesten Täufling aber auch um etliche Jahre. So berichtet der jüdische Historiker Josephus von der Hinrichtung Johannes des Täufers durch seinen Landesherrn Herodes Antipas in der Festung Machärus östlich des Toten Meers – der Evangelist Markus setzt fälschlich die königliche Residenz in Tiberias in Galiläa als Ort der Exekution voraus – und fügt hinzu, laut jüdischer Volksmeinung habe Gott als Rache für diese Untat das Heer des Antipas durch den Nabatäerkönig Aretas IV. vernichten lassen.

Diese Schlacht fand im Jahr 36 n. Chr. statt. Dann aber lag der Tod des Täufers dazu in unmittelbarer Nähe. Hiergegen kommen die ersten drei Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas) nicht an; ihnen zufolge gehören Johannes’ Gefangennahme und Tod ungefähr ins Jahr 28 n. Chr., also in die Zeit vor dem Auftreten Jesu. Doch hat diese »Chronologie« keine historische Basis und ist allein im theologischen Urteil begründet, dass Johannes der Vorläufer Jesu sei.

Die Johannestaufe schuf im Judentum etwas Neues. Im Unterschied zu den bisher üblichen Waschungen, die nicht Sündenvergebung, sondern kultische Reinheit bewirkten – vor allem nach Berührung mit Totem, nach Ausfluss, Menstruation und Geburt –, war sie ein einmaliger Akt und keine Selbstwaschung; der Täufer vollzog sie persönlich, durch Untertauchen.

Seitdem Jesus durch die »Auferstehung« zur Rechten Gottes erhöht und Mittelpunkt eines Kultes war, mutierte die Johannestaufe zur christlichen Taufe. Sie galt von Anfang an als Aufnahmeritus, obwohl Jesus sie gar nicht befohlen hatte, und wurde fortan auf seinen Namen vollzogen. Die Gemeinden praktizierten sie übereinstimmend, weil Jesus selbst getauft worden war.

Indes bereitete frühen Christen die Taufe Jesu durch Johannes auch Schwierigkeiten. Zum einen geschah die Johannestaufe zur Vergebung der Sünden. Hatte also auch Jesus gesündigt? Da diese Möglichkeit der Überzeugung widersprach, er sei als Sündloser »für unsere Sünden« gestorben, blieb eigentlich nur die Schlussfolgerung übrig, dass seine Taufe überflüssig war.

Zum anderen entstand leicht der Eindruck, dass Johannes einen höheren Rang als der von ihm getaufte Jesus besaß. Auch dies lief dem Glauben der Christen zuwider. Daher gestalteten die Autoren der neutestamentlichen Evangelien die Traditionen von der Taufe Jesu um. Die dabei zu beobachtenden Eingriffe vermitteln aufschlussreiche Einblicke in die christliche Theologie des ersten Jahrhunderts.

Markus, Verfasser des ältesten Evangeliums, das die anderen Evangelisten voraussetzen, stilisiert die Taufe Jesu als Akt der Einsetzung Jesu zum Gottessohn, dessen Kommen Johannes in Übereinstimmung mit der Schrift angekündigt hat.

Matthäus lässt Johannes den Taufwunsch Jesu mit den Worten ablehnen: »Ich habe es nötig, von dir getauft zu werden, und du kommst zu mir?« Doch Jesus beharrt darauf, »alle Gerechtigkeit zu erfüllen.« Damit steht fest, dass Jesus nicht als Sünder, sondern als Gerechter getauft wird.

Lukas erweckt den Eindruck, dass Jesus gar nicht von Johannes getauft wurde, denn zum Zeitpunkt von Jesu Taufe saß dieser bereits im Gefängnis. Damit ist Jesus von Johannes abgegrenzt, und der Verdacht, dass Jesus dem Täufer untergeordnet sei, kommt erst gar nicht auf.

Johannes erzählt gar nicht mehr von einer Taufe Jesu, obwohl er sicher von ihr wusste, und erwähnt auch an keiner Stelle die Bußpredigt Johannes des Täufers. Dieser wird vielmehr zum ersten christlichen Prediger und bezeugt bereits zu Beginn des Johannesevangeliums Jesus als Logos (»Wort«), der von Anfang an bei Gott gewesen sei. Er kündigt Jesus mit den Worten an: »Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, denn er war eher als ich.« Wenn der Evangelist hervorhebt, dass nicht Johannes, sondern Jesus das Licht der Welt sei, so ist dies – ähnlich wie die manipulierte Fassung der Täuferlegende im Lukasevangelium – ein Seitenhieb auf Johannesjünger, die solches von ihrem Meister behaupteten.

Die Existenz von Johannesjüngern lässt sich an weiteren Stellen des Neuen Testaments belegen. Sie bestatteten ihren Meister nach dessen Exekution, erzählten von den Einzelheiten seines Martyriums und hielten auch danach feste Gebets- und Fastenzeiten ein. Das Verhältnis zwischen Täufer- und Jesusjüngern verlief anfangs konfliktfrei, umso mehr, als Jesus selbst und einige seiner späteren Jünger vorübergehend dem Täuferkreis angehörten. Durch die Übernahme der Johannestaufe bejahten die ältesten Judenchristen, ebenso wie Jesus zuvor, auch den Inhalt der Verkündigung des Johannes: Naherwartung des letzten Gerichts und Umkehrpredigt.

In der ersten Zeit waren die Übergänge zwischen Jesusbewegung und Johanneskreis fließend, zumal sich beide innerhalb der Glaubenstraditionen der jüdischen Religion bewegten. Dies änderte sich spätestens, als Täuferjünger – wie aus dem Lukas- und Johannesevangelium hervorgeht – ihrem Meister Ehrentitel (»Großer«, »Licht«, »Leben«) zuschrieben, die Christen auch für Jesus in Anspruch nahmen. Ein Bruch war unvermeidlich.

In den sogenannten Pseudoklementinen – einer Reihe von Texten, die vom Leben des heiligen Clemens von Rom handeln – sind gnostische Traditionen aus dem 2. Jahrhundert enthalten. Sie schildern gleichsam die Fortsetzung des Konflikts zwischen Johannes- und Jesusgemeinde und malen Johannes im dunkelsten Schwarz. Er gehöre der auf Eva zurückgehenden weiblichen Falschprophetie zu, Jesus als der wahre Prophet hingegen der auf Adam zurückgehenden männlichen Prophetie.

Die Forschung hat zumeist einen aktuellen Bezug dieser Polemik auf eine Täufergruppe um Johannes abgelehnt. Doch findet sich eine Analogie im gnostischen Traktat »Paraphrase des Seem« aus den Nag-Hammadi-Schriften. Er erzählt von einem erbitterten Kampf zwischen Jesus (= »der Dämon Soldas«), in dem der gnostische Erlöser Derdekeas zeitweise wohnt, und seinem Widersacher Johannes (= »der andere Dämon«). Der gut erhaltene Text, der streckenweise aber nur schwer zu verstehen ist, spiegelt den die Taufe betreffenden Konflikt zwischen zwei Parteien wider und belegt zusammen mit den Pseudoklementinen die Existenz lebendiger sich auf Johannes berufender Täuferkreise im 2. Jahrhundert.

Die Polemik in den genannten Schriften wirkt wie eine Steigerung der Angriffe, die das Johannesevangelium gegen Täuferjünger richtete. Vielleicht hatten die Attacken in der »Paraphrase des Seem« die gnostische Taufbewegung der Mandäer (»die Erkennenden«) im Blick; diese verehrten Johannes den Täufer und lehnten Jesus als Betrüger ab.

Die Mandäer zogen im 2. Jahrhundert aus dem Ostjordanland in das südliche Euphrat-Tigris-Gebiet, wo sich – vor allem in Bagdad und Basra – große Teile von ihnen heute noch aufhalten. Während die Christen den jüdischen Bußprediger Johannes zum Vorläufer Jesu stilisierten, haben die Mandäer den Täufer zum gnostischen Heiligen gemacht.

6. Jede Zeit malte ihr Bild von Jesus1

Dan Browns Roman »Sakrileg« handelt von der Aufdeckung der größten Verschleierungsaktion in der Geschichte. Objekt der Verschwörung ist Jesus, Täterin die katholische Kirche. Sie unterdrückte Dokumente über ihn und seine Familie, aus denen unter anderem hervorgeht, dass er mit seiner Gemahlin Maria Magdalena eine Tochter gezeugt hat.

Mit anderen Worten: Die Figuren im Roman enthüllen allerlei Geheimnisse über Jesus und die frühe Kirche, die, vom Standpunkt der seriösen historischen und theologischen Forschung aus geurteilt, unter die Rubrik »lächerliche Absurditäten« fallen. Dazu gehört, um nur drei weitere Beispiele zu nennen, dass Jesus eine Chronik seines Lebens verfasst haben könnte und Maria Magdalena ein Tagebuch, dass im vierten Jahrhundert Kaiser Konstantin die Evangelien des Neuen Testaments aus mehr als 80 anderen ausgewählt hat und dass sich Jesu Nachkommen im fünften Jahrhundert durch Heirat mit einem französischen Königsgeschlecht vereinten, woraus die Dynastie der Merowinger hervorging.

Diese krude, aber unterhaltsame Geschichte war auch in deutschen Kinos mitzuerleben. Eine hochkarätige Besetzung – mit Tom Hanks in der Titelrolle des Harvard-Professors Robert Langdon, der eher widerstrebend der Wahrheit über Jesus auf die Spur kommt – ließ die Kassen klingeln.

Inzwischen bemühen sich vielerorts Theologen beider großer Kirchen um Schadensbegrenzung und rüsten die Gläubigen gegen die »Verbiegung der biblischen Botschaft«, gegen die »dreiste Erfindung« oder gar gegen den »großen Betrug«, dessen Dan Brown schuldig sei. Dabei kann es nur befremden, dass diese orthodoxen Glaubensrichter die von Brown verfasste fiktive Geschichte – deren Helden freilich viel dummes Zeug erzählen – offenbar nicht von einem betrügerischen oder schlecht recherchierten Sachbuch unterscheiden können. Noch bedenklicher aber ist, dass die christlichen Lehrer, die ihn der Irreführung oder gar des Betrugs zeihen, selbst aus dem Glashaus mit Steinen werfen. Brown erhebt als Autor (zu Recht oder zu Unrecht) lediglich den Anspruch, dass sämtliche in seinem Roman erwähnten Kunst- und Architekturwerke tatsächlich existieren und dass alle Dokumente wahrheitsgetreu wiedergegeben werden, behauptet aber nirgends, dass die Enthüllungen der von ihm erdachten Personen sich auf historisch zuverlässige Fakten beziehen. Wenn rechtgläubige Theologen Brown gleichwohl vorwerfen, historische Ungereimtheiten und Fehler zu verbreiten, sollten sie sich daran erinnern, dass man diesen Vorwurf mit mehr Recht gegen die neutestamentlichen Evangelien erheben kann. Denn deren Verfasser beanspruchen, anders als Brown, durchaus, ein authentisches Jesusbild zu zeichnen.

250 Jahre kritische Bibelwissenschaft haben gezeigt: Die Entwicklung, den Menschen Jesus, seine Worte und Taten zu verfälschen und zu übermalen, begann schon im ältesten Christentum und befindet sich im Neuen Testament bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Die darin enthaltenen Jesustraditionen stehen größtenteils in einem schreienden Gegensatz zu dem, was Jesus wirklich sagte und tat. Historisch geurteilt, haben die frühen Christen sich Jesus so zurechtgemacht, wie er ihren Wünschen und Interessen entsprach und wie er ihnen im Kampf gegen Abweichler und Andersgläubige am nützlichsten zu sein schien. Der charismatische Exorzist Jesus wurde so zum Vollbringer von geradezu monströsen Wundertaten, der jüdische Gleichniserzähler zum missgünstigen Antisemiten, der unstetig umherziehende Wanderprediger zum Weltenherrscher, der einst über Tote und Lebende Gericht halten wird.

Den Kirchenfunktionären, die sich im Fall Dan Brown zu Wort melden, sind diese sicheren Resultate der Forschung keineswegs unbekannt. Dennoch maßregeln sie diejenigen, die daraus in den Kirchen und an den Theologischen Fakultäten die Konsequenzen ziehen, unerbittlich und nehmen in ihrem Übereifer nun sogar die Protagonisten eines Romans und deren absurde Schlussfolgerungen unter Beschuss. Hingegen haben nichtchristliche Juden die ebenso fromme wie skrupellose Verfälschung der Worte und Taten Jesu durch die neutestamentlichen Autoren und ihre Gewährsleute von Anfang an »Betrug« genannt. Sie stellten damit eine weitreichende These auf, die Teil des öffentlichen Gesprächs über Dan Browns Buch und seine Verfilmung werden sollte.

AUFERSTEHUNG

7. Das Grab des Gekreuzigten war nicht leer1

Die Auferstehung Jesu von den Toten ist von der Urkirche bis heute zentraler Inhalt des christlichen Glaubens. Was aber ist unter Auferstehung zu verstehen? Die von ihr handelnden Texte des Neuen Testaments lassen sich in drei Klassen einteilen: Ostererzählungen, die den auferstandenen Jesus in Gegenwart seiner Jünger zeigen; Geschichten vom leeren Grab und Bekenntnisformeln, denen zufolge Jesus von Gott auferweckt wurde oder den Jüngern erschienen ist.

Einem großen wissenschaftlichen Konsens zufolge sind die Erzählungen der Evangelien über den auferstandenen Jesus historisch wertlos. Sie formen nämlich sekundär den Gemeindeglauben aus, der in den Bekenntnisformeln seinen primären Niederschlag gefunden hat.

Jede kritische Beschäftigung mit der Auferstehung Jesu wird daher bei den Bekenntnisformeln einsetzen und von dort aus auch den historischen Wert der Grabesgeschichten prüfen.

Der Apostel Paulus zitiert im ersten Brief an die Korinther, Kapitel 15, Verse 3–5, eine Bekenntnisformel, die er als Teil christlichen Unterrichts in den dreißiger Jahren gelernt hat: »Christus starb für unsere Sünden nach den Schriften und wurde begraben, er ist am dritten Tag auferweckt worden nach den Schriften und erschien dem Kephas (= Petrus), dann den Zwölfen.« Nach der Aufzählung weiterer Auferstehungszeugen betont Paulus, dass Christus auch ihm erschienen sei.

In dieser katechetischen Tradition geht es um einen doppelten »Beweis«: einerseits aus den Schriften, auf die jedoch nur allgemein verwiesen wird, und andererseits aus einer bestätigenden Tatsache. Dabei bekräftigt die Aussage über das Begräbnis Jesu seinen Tod und die Aussage über die Erscheinung vor Kephas die Auferstehung. Die Erscheinung vor Kephas ist offenbar der Grund für das Bekenntnis: »Jesus ist auferweckt worden« beziehungsweise »Gott hat Jesus von den Toten erweckt«.

Das von Paulus zitierte Credo, das in die allererste Zeit der Urkirche hinabreicht, liefert eine wichtige Einsicht: Auslöser des Auferstehungsglaubens war eine Erscheinung, ein »Sichtbar-Werden« Jesu vor Kephas. Das heißt: Kephas hat Jesus in einer Vision gesehen. Eine Vision ist ein Vorgang im menschlichen Geist und Produkt der eigenen Vorstellungskraft, obwohl Visionäre es regelmäßig anders einschätzen. Sie empfangen von außen Bilder, die Vision wirkt auf sie mit der vollen Kraft einer objektiven Tatsache.

Demgegenüber schildern die Grabesgeschichten den Beginn des Ostergeschehens ganz anders: Frauen hätten das Grab Jesu leer aufgefunden. Der älteste Bericht davon steht im Markusevangelium, Kapitel 16, Verse 1–8. Er besteht aus drei Teilen: Die Frauen sind zunächst auf dem Wege zum Grab, dann im Grab, und schließlich fliehen sie vom Grab. Sie hatten im leeren Grab einen engelhaften Jüngling getroffen, dessen Verkündigung den Mittelpunkt der Geschichte bildet: »Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten; er wurde auferweckt, er ist nicht hier.«

Die Botschaft des Jünglings setzt das Credo der Auferweckung Jesu voraus, das sich bereits bei Paulus findet. Daraus wird nun aber gefolgert, dass Jesus »nicht hier« ist. In dem damit erbrachten Beweis für die körperliche Auferstehung Jesu spiegelt sich die Tatsache wider, dass die Verkündigung der Auferweckung Jesu durch die Jünger die Frage nach dem Verbleib seines Leichnams geradezu provozierte. Das Matthäusevangelium berichtet von dem Gerücht, die Jünger hätten den Leichnam Jesu gestohlen. Auch die älteste Grabesgeschichte ist demnach eine Ausformung des Glaubens an die Auferweckung Jesu und ihm gegenüber chronologisch nachgeordnet.

Es bleibt also dabei: Der Osterglaube wurzelt den ältesten Traditionen zufolge in einer Erscheinung Jesu vom Himmel her und nicht in der Entdeckung eines leeren Grabes oder gar in der Begegnung mit einem wiederbelebten Leichnam, wie ihn die Ostererzählungen der Evangelien zeichnen. In diesen verzehrt Jesus vor den Augen der Jünger Fisch und Brot, fordert sie auf, ihn zu berühren, und kehrt erst 40 Tage nach seiner Auferstehung in den Himmel zurück.

Blicken wir auf die Hinrichtung Jesu zurück, so ist sicher: Der Tod Jesu war ein Schock für die Jünger. In sehnsüchtiger Hoffnung auf das Reich Gottes hatten sie sich gemeinsam mit Jesus nach Jerusalem begeben. Dessen Kreuzigung schien ihre Hoffnungen zu zerstören, durch die Ostererscheinungen wurden sie noch übertroffen. Petrus hatte Jesus lebendig gesehen. Damit war der Inhalt der Vision den anderen vorgegeben. Die Erstvision des Kephas wirkte förmlich ansteckend, ihr folgten unmittelbar weitere, bis schließlich auch Paulus, der Jesus nicht einmal persönlich gekannt hatte, eine Christusvision empfing.

Der älteste Osterglaube begann als Schau des bei Gott befindlichen Jesus. Dieses Phänomen haben wir bereits mehrfach »Vision« genannt, denn Jesus blieb tot. Der auferstandene Jesus existierte nur in den Fantasien seiner Anhänger. Jedoch griff er den Jüngern zufolge unaufhörlich in die Geschichte ein, stattete sie sogar mit dem Mandat zur Sündenvergebung aus und sandte sie in alle Welt. Der Auferstandene besaß eine ungeheure Stärke und teilte seine Allmacht mit den Seinen. Hier reicht der Begriff »Vision« zur Beschreibung nicht mehr. Das zugrunde liegende Phänomen weitet sich zur Halluzination. Und die behauptete Auferweckung Jesu durch Gott wird zum Auferstehungswahn.

Menschen, die ihre fünf Sinne beisammen haben, führt die Einsicht in den ältesten christlichen Auferstehungsglauben unweigerlich zur Kritik an diesem Glauben. Denn Jesus wurde gar nicht von den Toten auferweckt, obwohl Christen es bekennen und die Kirche darauf gebaut ist. 2000 Jahre lang übte der Glaube an die leibliche Auferstehung Jesu eine ungeheure Wirkung aus. Sie erweist sich nun als eine Selbsttäuschung von welthistorischem Ausmaß.

8. Die Legende vom heiligen Grab1

Vor genau 100 Jahren besuchte Kaiser Wilhelm II. das Heilige Land. Viele verlachten und bespöttelten damals seine Jerusalemreise, die vor allem politischen Zielen diente. Der Kaiser wollte nämlich die am Suezkanal stehenden Engländer darauf aufmerksam machen, dass mit ihm und seinem deutschen Reich auch im Nahen Osten fortan zu rechnen sei. Aber er verfolgte mit seiner Wallfahrt auch einen religiösen Zweck. Er empfahl sich nämlich dadurch als Protektor sowohl der evangelischen als auch der römisch-katholischen Kirche. Gleichzeitig wollte Wilhelm mit seiner Palästinareise Sympathie für die jüdische Bevölkerung Jerusalems bekunden. Diese revanchierte sich prompt durch den Bau eines Triumphbogens für den Monarchen, auf dem mit hebräischen und deutschen Buchstaben ein biblischer Psalmvers stand: »Gesegnet sei, der da kommt! Im Namen des Herrn grüßen wir Euch aus dem Hause des Ewigen«. Der Kaiser gedachte aber auch seiner christlich-abendländischen Herkunft und stiftete zwei Kirchen: die katholische Dormitiokirche auf dem Zionsberg, die an der Stelle steht, wo die Jungfrau Maria entschlafen sein soll, und die nahe bei der Grabeskirche gelegene deutsch-lutherische Erlöserkirche, mit deren Konstruktion man bereits 1893 begonnen hatte. Ihr 45 Meter hoher neuromanischer Glockenturm war vom Kaiser selbst entworfen worden. Für eine der Glocken hatte er sogar ein Wort des Propheten Jesaja als Aufschrift ausgewählt: »Tröstet, tröstet mein Volk und redet mit Jerusalem freundlich« (Jes 40,1–2). Die Erlöserkirche wurde am Reformationsfest 1898 feierlich eingeweiht, und Wilhelm II. ritt mit großem Pomp in Jerusalem ein. Ein seidener Kreuzrittermantel bedeckte dabei seine weiße Ulanenuniform.

800 Jahre zuvor hatten sich bereits andere politische Aspiranten als Verteidiger des Heiligen Landes empfohlen. Die Kreuzritter, an deren Beispiel Wilhelm II. erinnern wollte, unternahmen seit Ende des 11. Jahrhunderts zweihundert Jahre lang Kriegszüge ins Heilige Land, um dort christliche Besitzrechte wiederherzustellen. Der erste Kreuzzug wurde ausgelöst durch den Aufruf von Papst Urban II. im Jahre 1095. Er forderte den christlichen Adel auf, Jerusalem von den ungläubigen Muslimen zu erlösen und das Heilige Grab in Jerusalem zu befreien. Etwa 100.000 Menschen – davon ungefähr acht Prozent Adlige und Ritter, der Rest Idealisten, einfaches Volk und zum Teil Kriminelle – zogen in einem beispiellosen Akt höherer Seeräuberei in zwei Schüben ins Heilige Land. Ihr gewaltiges Aufgebot charakterisierte der berühmte englische Historiker Edward Gibbon wie folgt: »Es waren die Dümmsten und Wildesten, die ihre Andacht mit einer brutalen Zügellosigkeit von Plünderung, Prostitution und Trunksucht mischten.« Jerusalem wurde wieder christlich, als das Kreuzfahrerheer es am 15. Juli 1099 eroberte. Das Gemetzel war furchtbar. Leidtragende waren die dort ansässigen Muslime und Juden. Letztere verbrannte man bei lebendigem Leibe in ihren Synagogen. Die christliche Herrschaft über Jerusalem dauerte aber nur knapp 100 Jahre: Sie fand ihr Ende durch den Sultan von Ägypten und Syrien, Saladin, im Jahre 1187. Er war toleranter als die Eroberer und ließ die christliche Bevölkerung in Frieden. Doch befahl er, alle christlichen Spuren auf dem Tempelberg zu verwischen. Fortan blieb der Platz auch nach weiteren vergeblichen Kreuzzügen in muslimischem Besitz. Schon seit dem Jahre 691 ziert ihn der Felsendom, das früheste und bedeutendste islamische Heiligtum in Jerusalem. Es hat die Jahrhunderte fast intakt überstanden.

Die gewaltsame christliche Wiederaneignung von Orten, die von Ungläubigen in Besitz genommen waren, hat eine lange Geschichte. 800 Jahre vor Beginn des ersten Kreuzzugs legte Kaiser Konstantin (306–337 n. Chr.), der sich auf dem Sterbebett christlich taufen ließ, unter maßgeblicher Einwirkung seiner frommen Mutter Helena die eigentliche Grundlage für die Verehrung der heiligen Stätten im Heiligen Land. Zu jener Zeit beschritt man christlicherseits den Weg, heidnische Tempel in Kirchengebäude umzuwandeln, damit der Kern der jeweiligen Städte mit Gotteshäusern angereichert werde. Wie das in Palästina vonstatten ging, schildert der Kirchenvater und Günstling Konstantins, Euseb von Cäsarea (ca. 260–340 n. Chr.). Er erzählt in seiner Schrift »Über das Leben des seligen Kaisers Konstantin«, wie im Jahre 326 n. Chr. unter einem Tempel der Venus das Grab Christi wieder aufgefunden worden sei. Es heißt dort:

Diese Heil bringende Höhle hatten einige Gottlose und Verworfene bei den Menschen gänzlich in Vergessenheit bringen wollen, von dem Wahne geleitet, dadurch wohl die Wahrheit verbergen zu können … (Aber nach der Zerstörung des Venustempels) zeigte sich wider alle Erwartung das hehre und hochheilige Denkmal der Auferstehung (III 26–28).

Daraufhin gab Konstantin unverzüglich den Befehl,

ein gotteswürdiges Bethaus rings um die Grotte des Erlösers, mit reicher, wahrhaft königlicher Pracht, zu bauen (III 29).

Es konnte nicht ausbleiben, dass bald danach weitere Sensationsfunde folgten: Konstantins Mutter Helena entdeckte unter kräftiger Mithilfe des Jerusalemer Bischofs Kyrill das Kreuz, an dem Jesus gestorben war, in unmittelbarer Nähe seines Grabes wieder. Denn – so die Überlieferung – der Heilige Geist gab ihr ein, sich auf die Suche nach dem Kreuzesholz zu begeben. Sie habe drei Kreuze gefunden, ohne dass das echte für sie erkennbar gewesen sei. Aber der Heilige Geist habe sie natürlich nicht im Stich gelassen und ihr auf dem mittleren Kreuz die Kreuzesinschrift geoffenbart, durch die es zweifelsfrei als das Kreuz Jesu identifizierbar war.

Dies alles führte zu einer wahren Springflut von Neuentdeckungen und Wiedererkennungen derjenigen Orte, an denen Jesus während seines letzten Jerusalemaufenthaltes gewesen sein soll. Das Kreuzesholz von Jerusalem vervielfältigte sich sprunghaft, denn Splitter von ihm wurden in alle Welt zerstreut, die, addiert, das Material für Hunderte von Kreuzen liefern würden. Die Wiederentdeckung des Felsens Golgatha, auf dem Jesus nach den Berichten des Neuen Testaments gekreuzigt wurde, schloss sich unmittelbar an; den Felsen verlegte man, unter Bezug auf biblische Hinweise, in die direkte Nähe des Grabes Jesu, so dass er sich bald im Bereich der Grabeskirche befand. Beide Orte, das Grab Jesu und Golgatha, wurden zu Heiligtümern in orientalischem Sinne: Golgatha als Mittelpunkt der Welt, das Grab als eine seit Weltbeginn heilige Stätte, schließlich Tod und Auferstehung als Offenbarung des geheimnisvollen Sinnes beider Orte. Mit dem Bau der Grabeskirche und infolge der mit ihr verbundenen Deutungen nahm der Pilgerstrom nach Jerusalem ungeahnte Ausmaße an und wurde auch durch die muslimische Eroberung Palästinas im 7. Jahrhundert nicht wirklich beeinträchtigt.

Religiöses Bedürfnis verlangte von Anfang an danach, Orte des Heiligen Landes und die in der Bibel erzählte Geschichte miteinander in Beziehung zu setzen. Dabei spielte es keine Rolle, dass diese Identifizierungen in vielen Fällen auf tönernen Füßen standen. So sind z. B. weder der Ort der Himmelfahrt Jesu auf dem Ölberg, wo sich sogar ein Fußabdruck Jesu erhalten haben soll, noch der Ort des Heimgangs der Maria tatsächlich identifizierbar. Der Schwindel mit Reliquien kam hinzu. Ein makabres Beispiel hierfür ist die besondere Vorliebe deutscher Adliger im 15. Jahrhundert, die Überreste derjenigen Säuglinge aufzuspüren, die König Herodes – in der Hoffnung, unter ihnen befinde sich auch das Jesuskind – dem Evangelium nach Matthäus zufolge umgebracht haben soll. Diese Säuglinge waren allerdings schon deshalb nicht auffindbar, weil Herodes den Kindermord von Bethlehem nie begangen hat. Doch boten geschäftstüchtige Händler den gierigen Pilgern Säuglingsleichen zum Kauf an, die in Ägypten einbalsamiert und dann in Mengen nach Jerusalem exportiert wurden.

Irgendwie haben es menschliche Sehnsucht und menschliche Forschungstätigkeit in einer seltsamen Union doch noch geschafft, die beiden wichtigsten heiligen Orte, den der Geburt und den des Begräbnisses Jesu, mit den Angaben der Bibel zu versöhnen. So soll die Geburtskirche in Bethlehem, deren Bau ebenfalls auf die fromme Helena zurückgeht, über der Höhle der Geburt Jesu errichtet worden sein. Doch ist das sicher falsch, da Jesus gar nicht in Bethlehem geboren wurde. Die diesbezüglichen Aussagen der Heiligen Schrift sind Postulate der biblischen Verfasser: Der Messias musste in Bethlehem geboren werden, deshalb wurde er dort auch geboren. Es handelt sich um Prophezeiungen aus dem Alten Testament, deren Erfüllung nachträglich einfach behauptet wurde. Man funktionierte sie also kurzerhand in Geschichte um.

In der Grabeskirche, von orthodoxen Christen »Auferstehungskirche« genannt, verehren christliche Pilger aller Bildungsschichten das ursprüngliche Grab Jesu, auch wenn dieser Lokalisierung zuweilen eine gewisse Konkurrenz durch das von dem Engländer Gordon entdeckte »Gartengrab« erwuchs. Denn dass Jesus in zwei verschiedenen Gräbern bestattet worden sei, das mochte wohl auch der frömmste Pilger nicht glauben. Doch lässt sich gegenüber beiden Fundorten einwenden, dass es zur Zeit Konstantins gar keine jerusalemische Überlieferung über Golgatha und das Grab Jesu gab. Wie der oben angeführte Fundbericht aus der Feder des Kirchenvaters Euseb eindeutig zeigt, war ein Wissen um die Lokalisierung dieses Grabes im 4. Jahrhundert gar nicht mehr vorhanden. Dies ist nicht erstaunlich, wenn man sich die Zeit zwischen dem Leben Jesu und der Hinwendung Konstantins zum Christentum vergegenwärtigt.

Die älteste Quelle zum Grab Jesu, ein Brief des Apostels Paulus an die Korinther aus den fünfziger Jahren des 1. Jahrhunderts, verrät keinerlei Kenntnis seiner Lage. Paulus spricht im Anschluss an Überlieferung davon, Jesus sei nach seinem Tod begraben worden. Diese Aussage bekräftigt die Tatsächlichkeit des Todes Jesu und lässt sich schwerlich dahingehend verwerten, dass den Christen der Ort des Begräbnisses Jesu bekannt gewesen sei.

Außerhalb der paulinischen Briefe finden sich vor dem Jahre 70, dem Datum der Zerstörung Jerusalems, überhaupt keine Hinweise auf das Grab. Der älteste Evangelist, Markus, berichtet davon, dass die Frauen, die das Grab leer fanden, von ihrer Entdeckung niemandem etwas gesagt haben. Das darf dahingehend gedeutet werden, dass Markus seinen Lesern erklärt, warum sie von einem Begräbnis oder einem leeren Grab vorher nichts erfahren haben. Erst die aus der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts stammenden Evangelien nach Matthäus, Lukas und Johannes, die allesamt den Bericht des Markus verarbeiten, sprechen von einer Ausbreitung der Kunde vom leeren Grab Jesu unter den Jüngern. Aber diese Berichte stehen in keinerlei historischem Zusammenhang mit dem, was nach dem Tode Jesu wirklich in Jerusalem geschehen ist.

Auch jegliche Hinweise auf eine Verehrung des Grabes oder auf Wallfahrten nach Jerusalem fehlen für die Zeit bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts. Nach dem ersten jüdischen Aufstand mit der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 n. Chr. war nicht nur der jüdischen Gemeinde, sondern auch der jungen Kirche der bisherige Mittelpunkt genommen worden. Angesichts der Entweihung des heiligen Ortes hatte Jerusalem nunmehr wenig zu bieten. Die Situation wurde für Juden und Judenchristen noch schwieriger, als Kaiser Hadrian im Jahre 135 nach dem zweiten jüdischen Aufstand das seit 70 in Trümmern liegende Jerusalem als römische Kolonie namens Aelia Capitolina neu aufbaute und den beschnittenen Juden bei Todesstrafe verbot, sie zu betreten.

Ein erstes sichtbares Interesse für Jerusalem finden wir gegen Mitte des 2. Jahrhunderts bei Bischof Melito von Sardes, der sich auf einer Palästinareise ein Verzeichnis der alttestamentlichen Bücher besorgte. In einer erst vor einigen Jahrzehnten wieder gefundenen Predigt »Vom Passah« klagt er das Volk Israel des Gottesmordes an, geht indes an keiner Stelle auf das Grab Jesu ein. Man hat aus seiner Bemerkung, dass Jesus inmitten von Jerusalem gekreuzigt worden sei, geschlossen, er habe auch dessen Grab besichtigt; die Grabestradition müsse also der Gemeinde bekannt gewesen sein. Aber die Aussage über die Kreuzigung Jesu inmitten Jerusalems darf nicht zu archäologischen Folgerungen missbraucht werden, denn sie ist rhetorisch bedingt: Der Heidenchrist Melito will zeigen, dass die Juden sich nicht einmal gescheut hätten, Jesus inmitten der Stadt umzubringen.

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