Kitabı oku: «Weltreligion versus Sexualität»
Gerd Wange, geboren 1941 in Bonn. Absolvent der staatlichen Filmakademie London/ England in den Sparten Filmkamera, Schnitt und Filmregie. Danach 35 Jahre als freiberuflicher Dokumentarfilm-Kameramann/Regisseur auf 6 Kontinenten tätig. Eindrucksvoll skizziert in seinem romanhaften Lebensabriss „Ein Wanderer zwischen den Kulturen“.
Höhepunkte in seinem beruflichen Werdegang sind zweifellos die sich über etliche Jahre hinziehende Mitarbeit an der Dokumentationsreihe der ARD „Auf der Suche nach der Welt von morgen“ unter der Regie eines der Pioniere und Urgesteine des Deutschen Fernsehens, Rüdiger Proske, sowie die ebenfalls langjährige Mitwirkung an der erfolgreichen Fernsehserie „Weltenbummler“ unter der Leitung der Schauspielerlegende Hardy Krüger.
Gerd Wange lebt seit Anfang der achtziger Jahre in Chile und ist seit annähernd einem Jahrzehnt als Schriftsteller tätig.
Gerd Wange
WELTRELIGION
VERSUS
SEXUALITÄT
Einfluss der drei großen monotheistischen Religionen auf
die Geschlechtlichkeit aus der Sicht eines
bibeltheologischen Laien
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2017
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Copyright (2017) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Titelbild © Gerd Wange
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
Dieses Buch ist gewidmet allen sexuellen Missbrauchsopfern
sowie solchen Betroffenen, die unter Anwendung sexueller
Gewalt zu leiden hatten, beziehungsweise immer noch zu leiden haben.
„Ich bin voller Hoffnung, dass die Welt noch schöner werden
kann, wenn es ein Recht auf Vielfalt gibt und wenn wir die
Verschiedenartigkeit jedes einzelnen Menschen anerkennen.“
(Shimon Peres)
INHALT
Cover
Titel
Impressum
Widmung
Zitat
Prolog
Am Anfang
Judentum und Sexualität
Gesetze und Riten
Die Rolle der Frau im Judentum
Homosexualität im Judentum
Wie steht die Thora zum Thema Schwangerschaftsabruch?
Beschneidung und Judentum
Christentum und Sexualität
Christliche Gemeinschaft
Das Kreuz mit der Moral
Der Vatikan und seine Päpste
Ist der Zölibat noch zeitgemäß?
Homosexualität und Kirche
Gleichgeschlechtliche Partnerschaft
Jesus had two dads and he turned out just fine!
Sexueller Missbrauch
Die Haltung der römisch-katholischen Kirche zur Empfängnisverhütung
Gleichstellung der Frau in der katholischen Kirche
Wiederverheiratet Geschiedene
Schwangerschaftsabruch und Kirche
Kirchliche Einrichtungen und kirchliches Arbeitsrecht
Umgang anderer christlicher Glaubensrichtungen mit der Sexualität
Islam und Sexualität
Koran und koranische Rechtsordnung
Religion als Machtinstrument
Scharia und gesellschaftliche Schranken
Frauen und Moral im Islam
Schwangerschaftsabbruch im Islam
Verschleierungsgebot
Der Muslim der Männer liebt
Sexueller Missbrauch in der islamischen Welt
Zwangsverheiratung
Beschneidung im Islam
Quellen- und Literaturverzeichnis
PROLOG
Dies ist kein Buch gegen Priester, Päpste, Imane oder Rabbiner. Nicht gegen Religionen, sondern vielmehr gegen den Missbrauch der Macht und gegen die Umbarmherzigkeit zahlreicher religiöser Institutionen. Dabei beabsichtigt der Autor nicht, einen ganzen Stand zu diskreditieren. Im Gegenteil: Er teilt eine Grundhaltung des kritischen Respekts vor dem, was christliche, islamische und jüdische Einrichtungen sind und tun. Schließlich ist Religion die Grundlage unserer Kultur. Der Verfasser ist weder ordinierter Theologe, noch Laienprediger, versteht sich auch nicht als sachkundiger Kirchenexperte, verweigert nicht aus persönlichen Gründen den Glauben und ist auch kein „Kirchengeschädigter“. Er ist auch kein religionsfeindlicher Atheist oder Agnostiker, sondern vielmehr eine glaubensstarke Person sowie ein extrem kritischer Christ, wobei es unerheblich ist, ob es sich bei ihm um einen katholischen oder evangelischen Christen handelt. Er unterstellt einem Gottesdiener, dass er mehr über Gott weiß, schließlich hat er als Theologe seine Religion zum Beruf gemacht; er hat die Bibel nicht nur gelesen, sondern studiert. Der Verfasser versucht den Ursachen eines in dieser Größe noch nie da gewesenen Glaubensverlustes einiger Religionsgemeinschaften nachzugehen, wobei es bei den kritischen Betrachtungen dieses Werkes über Religion und Sexualität keine Rolle spielt, ob man sich in der Gefolgschaft des Papstes, Luthers, Mohammeds oder der Tora sieht. Die Kritik gilt den Lehren der christlichen Kirchen, Moscheen und Synagogen, will aber unter keinen Umständen eine betroffenheitsgetränkte Anklageschrift sein. Der Autor hat großen Respekt vor Glauben und Wertschätzung vor den Menschen, die an etwas glauben. Religiöser Glaube verlangt nach Akzeptanz. Respekt muss aber keineswegs Verzicht auf Kritik bedeuten. Glaube prägt eine Gesellschaft, bestimmt das Denken und das Handeln unzähliger Menschen. Denn Religion gründet sich nicht auf Wissen, sondern auf Glauben. „Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind“, lässt Goethe seinen Faust formulieren. Die einen sind wundersüchtig und die anderen wunderflüchtig. Vermutlich hält Glaube viele am Leben, hilft ihnen, sich in diesem schwierigen Leben zurechtzufinden, und sollte von den Nichtgläubigen mit Anteilnahme betrachtet werden. Der Glaube und die Bindung an eine Religion sollen für Halt, für Liebe, für Menschlichkeit, Wärme und Annahme stehen. Die Religion spendet zahlreichen Menschen Trost und Geborgenheit und fördert oftmals das Gemeinschaftsgefühl. Deshalb geht es hier keineswegs um eine Verunglimpfung geistlicher Würdenträger, sondern vielmehr darum, die Scheinheiligkeit und Doppelmoral einiger Religionen und ihren sakrosankten Stellvertretern auf Erden zu entlarven. Denn beim Thema Sexualität könnte die Kluft zwischen religiösen Lehren und dem echten Leben kaum tiefer sein. Sexualität spielt in allen Religionen eine markante Rolle.
Die Quellen der drei großen monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam, die ihren gemeinsamen Ursprung bei dem Patriarchen Abraham sehen, beinhalten in Bezug auf Sexualität ein Potenzial, das im Laufe der Geschichte immer wieder von ihren Anhängern instrumentalisiert wurde. In den gesellschaftlichen Diskussionen wird nicht selten eine direkte Beziehung zwischen Religion und Sexualität erörtert, die darauf zielt, die Religion schlechthin als Ursache der Probleme, die das Thema Sexualität hervorruft, anzuprangern. Religiöse wie sexuelle Erfahrungen werden oft mit denselben Begriffen beschrieben, mit Leidenschaft, Verzückung, Ekstase oder Seligkeit. Ob Sexualität als schöpferische Kraft, als geheimnisvolles Mittel der Fortpflanzung oder gar als dämonische Energie verstanden wird, hängt von anderen Dingen ab. Im Altertum glaubten viele Völker, dass Himmel und Erde durch einen Sexualakt geschaffen wurde. Auch die Sexualität der Frau und ihre sexuelle Lust wurde positiv gewertet. Man sagte, die Mitte der Frau ist die Klitoris. Das Wort Klitoris kommt vom griechischen Wort kleitos oder kleinos und heißt „berühmt, gepriesen“, was große Hochachtung ausdrückt, obwohl und vielleicht gerade deswegen die Klitoris nicht unmittelbar nur der Fortpflanzung dient, sondern auch dem Lustempfinden. Auch der männliche Geschlechtsteil galt vor allem im erregten Zustand als Garant von Kraft, Energie und Fruchtbarkeit. Der erigierte Penis – oft im Verhältnis zum Körper übertrieben vergrößert dargestellt – zierte Götterstatuen und Götterbilder.
Unsere Welt wird zunehmend säkularer. Für die meisten von uns ist der Gegensatz von Religion und säkularer Kultur heute selbstverständlich. Deutschland gewährt eine vorbehaltlose Religionsausübung. Artikel 4 unseres Grundgesetzes formuliert das mit prägnanter Klarheit: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet“.
In Deutschland herrscht keine Staatsreligion, wie dies beispielsweise der Islam in zahlreichen Ländern der arabischen Welt ist. Deutschland ist ein säkulares Land, trotz der vertraglichen Verbindungen zwischen Staat und den großen Kirchen. Die ungestörte Religionsausübung wird uneingeschränkt gewährleistet. Dennoch ist die christliche Botschaft eine geistige Grundlage unserer Gesellschaft. Indessen geraten immer mehr tiefgläubige Menschen in einschneidende Glaubenskrisen. Bei den Christen hadern immer mehr Gläubige mit den Moralvorstellungen des Vatikans. Schließlich leben wir in einer Zeit der sexuellen Freiheit und Selbstbestimmung. Unsere modernen Vorstellungen von Sexualität sind das Ergebnis eines tiefgreifenden historischen Wandels.
Noch halten sich die meisten jungen Gläubigen der großen Weltreligionen an die sexuellen Gebote ihrer Kultur und akzeptieren die Einschränkungen ihrer Freiheit. Mal mehr, mal weniger. Ein Balanceakt zwischen Moral und Lust. Doch müpfen immer mehr Jugendliche auf gegen eine oktroyierte altjüngferliche Sexualmoral, überlebtem Traditionalismus und eisernen, dogmatischen und starrsinnigen Regeln, die längst ihren Sinn verloren haben. Denn mit der Forderung, sich aus den Schlafzimmern ihrer Gläubigen herauszuhalten, haben zahlreiche Religionen immer noch ein Problem. Und nicht wenige sehen in der menschlichen Sexualität immer noch etwas Verwerfliches, Schmutziges, gar Teufelszeug. Es ist an der Zeit, dass sich die großen Religionen von ihrem metaphysischen Ballast befreien. Denn wenn Religionen zum Gesetz erstarren, bedrohen sie die Freiheit und die Liebe der Menschen. In vielen Fällen ist Religion der natürliche Feind des Denkens.
Aufs Ganze gesehen sind einige monotheistischen Religionen ein Hort des Patriarchats geblieben. Michel Houellebecq führt in seinem Roman „Unterwerfung“ drastisch vor Augen, wie Religion unter katholischem und vor allem islamischem Vorzeichen, zur Rückkehr des Patriarchats führen könnte. Der Mensch ist Gott unterworfen und die Frau dem Mann. Unterwerfung als entlastende Alternative zum Freiheitsprojekt der Aufklärung und des Humanismus folgt dem Diktat der Biologie: Wer die meisten Kinder zeugt, setzt auch seine Werte durch. Die Reproduktion der Werte folgt der biologischen Reproduktion. Weil das Patriarchat mehr Kinder hervorbringt, steht für Houellebecq der Feminismus demografisch auf der Verliererseite. Der massive Zustrom von Einwanderern mit traditionellem kulturellem Hintergrund bietet „die historische Chance für die moralische und familiäre Wiederaufrüstung Europas“. Diese verabscheut natürlich die Homo-Ehe. Wenn gegen diese in Frankreich schon die katholische Kirche Millionen zu mobilisieren vermochte, um wie viel mehr mobilisieren dann die islamischen Oberen?
Tief unten in den Kellern der Kirchengeschichte, verborgen selbst für die meisten Historiker, liegen jahrhundertealte Traditionen begraben, von denen die christlichen Kirchen heute nichts mehr wissen wollen. Hubert Wolf steigt in seinem Buch „Krypta“ mit archäologischem Spürsinn hinab in diesen konspirativen und geheimnisvollen Ort und enthüllt Vergessenes und Verdrängtes. Er entdeckt dort Frauen mit bischöflicher Vollmacht, Laien, die Sünden vergeben, eine Kirche der Armen – und andere Traditionen, die heute wieder aktuell werden könnten. Doch da die katholische Kirche auf lange und unabänderliche Tradition setzt, gelten grundlegende Reformen ihrer heute gültigen Einrichtungen und Regeln als Sakrileg. Päpste waren einmal in Gremien eingebunden, die sie kontrollierten, Frauen konnten Sünden vergeben, Laien hatten etwas zu sagen, Bischöfe wurden gewählt. Die katholische Kirche war lange ein breiter Strom mit vielen Nebenarmen, den der römische Zentralismus im 19. Jahrhundert kanalisierte. Dazu wurden Traditionen erfunden, an die bis heute selbst Historiker glauben.
Nach der traditionellen Sexualmoral ist in keiner der hier zur Sprache kommenden drei großen Weltreligionen Sex vor oder außerhalb der Ehe erlaubt. Außer für junge Protestanten, die müssen allerdings lernen, verantwortungsbewusst mit ihrer Freiheit umzugehen. Auch wenn die Bibel nicht explizit schreibt, dass Sex vor der Ehe verboten ist, geht sie doch auf Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe ein und bezeichnet ihn als Unzucht. Trotz kultureller Unterschiede zwischen Europa und Asien oder der Türkei und Israel – in den Grundpfeilern ihres Sexualverständnisses unterscheiden sich alle diese Religionen erstaunlich wenig. Die Ehe ist im Judentum ebenso heilig wie im Christentum, Homosexualität verpönt der Islam genauso wie die katholische Kirsche. Und in den meisten Religionen soll die Sexualität ausschließlich der Fortpflanzung dienen und nicht der Lust. Katholische Priester, Mönche und Nonnen sollen ehelos leben; zölibatär. Sex und eine eigene Familie sind für sie tabu. Für diese Regel gibt es im Judentum und Islam keine Entsprechung. Evangelische Geistliche dürfen heiraten und eine Familie gründen.
Im ersten Jahr seiner Administration verschickte Papst Franziskus weltweit einen umfangreichen Fragenkatalog. Geistliche, aber auch Laien sollten sagen, was sie über kirchliche Familien- und Sexualethik wissen und wie sie dazu stehen. Der Fragebogen berührte einige der umstrittensten Standpunkte der katholischen Kirche, neben dem Verhütungsverbot auch das Verbot homosexueller Handlungen sowie den Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von den Sakramenten. Eine große Mehrheit der deutschen Katholiken lehnte fast sämtliche Verbote als unverständlich ab und bestätigte, dass sie in der Praxis wenig Beachtung fänden. Offensichtlich will man sich nicht mehr von der Institution Kirche sein Privatleben vorschreiben lassen. Allgemein wird die kirchliche Lehre als Verbotsmoral wahrgenommen, und als lebensfern. Dass die Kirche vielfach von „irregulären” Verhaltensweisen spricht, wirke auf die Menschen ausgrenzend und diskriminierend. Das Papier markiert einen Einschnitt im Verhältnis zwischen dem Vatikan und den Katholiken. Es belegt nicht nur, dass die Gläubigen zentrale Punkte der katholischen Lehre ablehnen, sondern überraschenderweise auch, dass einige deutsche Bischöfe diese Ablehnung verstehen und manche katholischen Aussagen offenbar selbst skeptisch sehen. Nun sieht die Deutsche Bischofskonferenz bei der kirchlichen Sexualethik Änderungsbedarf und setzt damit Papst Franziskus und seine vergreisten Kardinäle unter Reformdruck.
Die Zukunft der Christen in Europa wird davon abhängen, den Atheismus unserer Zeit nicht als ein unabwendbares Schicksal hinzunehmen. Diese zu ermutigen, ihren Glauben nicht wegzuwerfen und dem Leben seinen religiösen Sinn zurückzugeben, ist das Anliegen dieses Buches. Es ist denkbar, dass einige sehr religiös orientierte Leser sich womöglich ob mancher Äußerung brüskiert fühlen. Des Autors größtenteils negative Einstellung und seiner manchmal aggressiven Forderung nach Offenheit und Dialogfähigkeit und seinen oftmals ketzerischen Gedanken kann bei einigen Lesern Schmoll verursachen. Aber deshalb muss man ja nicht aufhören an Gott zu glauben, schließlich kann jeder Leser seine eigene Schlussfolgerung ziehen.
AM ANFANG
Über die Entstehung der Religionen gibt es verschiedene Theorien, basierend auf Texten, Kunstwerken und Ausgrabungen. Viele Religionen haben ihren Ursprung in vorgeschichtlicher Zeit, jedoch erschweren lückenhafte Überlieferungen, ja selbst archäologische Funde deren religiöse Konzepte. Dadurch lässt sich ein genauer geschichtlicher Hergang nur schwer feststellen. Eine aus vorgeschichtlicher Zeit geschaffene Skulptur, vermutlich das Bildnis einer Fruchtbarkeitsgöttin, in deren Vordergrund Geschlechtsmerkmale wie eine große Vulva und zwei stattliche Brüste stehen, gilt als erstes überliefertes religiöses Symbol. Aus dieser Zeit stammen auch Felsmalereien, die eindeutig Geschlechtsorgane darstellen und an einen religiösen Kult erinnern.
Seither hat die Menschheit verschiedene Entwicklungsstadien durchgemacht. Dem Götzenglauben folgte der Ahnen- und diesem der Naturgeisterglaube. In den sechs Jahrtausenden, in den wir Religionsgeschichte einigermaßen überblicken können, da schriftliche Zeugnisse bestehen, kann man eine Entwicklung von Haus- und Stammesreligionen zu Volks- und schließlich zu Weltreligionen feststellen. Unter der Rubrik Haus- und Stammesreligionen fallen beispielsweise einstige ägyptische Hausgötter im Niltal, in der jede Familie ihren eigenen Beschützer- und Fruchtbarkeitsgott hatte. In Stammes- und Volksreligionen trägt der beschützende und segnende Gott nationalen Charakter (indianische Religionen, japanischer Shintoismus).
Mit dem Herausbilden der großen Religionen wollte die Menschheit unbedingt den Schöpfungszeitpunkt festlegen. Zahlreiche Religionsliteratur bestimmt den Zeitpunkt, wann die Schöpfung stattgefunden hat und wann den Menschen die Herrschaft der Welt gegeben worden sein soll. Jedoch ist in der etwa 120.000 Jahre dauernden Geschichte der Menschheit das Konzept Gottes relativ jung. Egal welcher Art von Religion, Geisterglaube, Ahnenglaube, Gottesglaube oder Glaube der Wiedergeburtsreligionen – alle beruhen auf wahrheitsverzerrende Legenden, auf nicht bewiesene und nicht beweisbare Annahmen, also Hypothesen. Wir alle, auch die religiösen Menschen, benutzen tagtäglich die Errungenschaften der Wissenschaften, die auf bewiesenen und beweisbaren Erkenntnissen beruhen, doch wenn es um Glaubensfragen geht, dann schließen sie fast immer den Verstand und die Vernunft aus.
Ebenfalls sind antike Religionsausübung und Kultpraxis beispielsweise der Griechen und Römer nur bruchstückhaft überliefert, was allgemein zu unterschiedlichen Interpretationen führt. Bewiesen ist, dass der Aufstieg des Christentums das römische Staats- und Gesellschaftswesen unterminiert hat. In den vergleichenden Religionswissenschaften unterscheidet man zwischen sogenannten Opfer- und Erlösungsreligionen, wobei die Römische Religion, welche als verbindlicher Staatskult des Römischen Reiches bis zu Beginn des 4. Jahrhunderts eindeutig zu der ersten Kategorie zu zählen ist. Sie wurde abgelöst durch das Christentum, einer Erlösungsreligion.
Die drei großen Weltreligionen Judentum, Christentum und der Islam sind monotheistische Religionen (Glaube an nur einen einzigen Gott) mit gemeinsamen Wurzeln. Sie versuchen seit jeher den Menschen Gott zu verkünden, zu begründen, zu beweisen. Dennoch geben sämtliche Religionen abwegige Antworten und jede wägt sich in dem Glauben, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein und der damit verbundenen Unfähigkeit, andere Weltbilder zuzulassen.
In Jerusalem sind seit Jahrhunderten die drei monotheistischen Religionen mit religiösen und politischen Problemen miteinander verzahnt. Jerusalem ist als irdischer und heiliger Symbolort von derart einziger Stellung, dass sich diese Stadt mit keinem anderen Ort auf der Welt vergleichen lässt. Für die Christen hat hier Jesus die Menschheit erlöst. Die Grabeskirche steht an dem Ort, an dem Jesus mutmaßlich gekreuzigt, ins Grab gelegt und nach drei Tagen vom Tode wieder auferstanden sei. Für die Juden ist nach der Überlieferung Jerusalem der heilige Ort, den Gott für sie bestimmt hat. Die Klagemauer, umgangssprachlich nur Kotel Mauer genannt, ist heute das einzige, was vom großen Tempel zu Ehren des Gottes Jahwes übriggeblieben ist. Und dort auf dem Tempelberg, im südöstlichen Teil der Altstadt, steht heute die al-Aqsa-Moschee, die als drittwichtigste Moschee des Islams, nach der al-Haram-Moschee mit dem zentralen Heiligtum der Kaaba in Mekka und der Prophetenmoschee mit dem Grab des Propheten Mohammed in Medina, gilt. Auf dem Felsen des Jerusalemer Tempelbergs soll nach jüdischer Tradition die Welt gegründet worden sein, soll Abraham seinen Sohn Isaak opfern haben wollen und nach islamischer Tradition soll Mohammed von diesem Felsen auf dem Rücken des geflügelten Pferdes Buraq, den der Erzengel Gabriel dem Propheten gebracht haben soll, seine Himmelsreise begonnen haben. Noch heute kann man im Felsendom einen Stein mit Hufabdruck sehen, der im muslimischen Glauben an den Huf des Pferdes Buraq erinnert.
In der Altstadt Jerusalems leben auf knapp einem Quadratkilometer Juden, Christen und Muslime in einzelnen Vierteln eng nebeneinander. Dort wird wie sonst nirgendwo deutlich, wie schwer eine Annäherung dieser drei religiösen Gruppen ist. Der Machtanspruch von drei Religionen und zwei Völkern sorgt seit jeher für einen Dauerkonflikt, denn leider hört bei der Religion das Verständnis für einander zu oft auf.
Die älteste der drei Religionen ist das Judentum. Dessen Geschichte ist mehr als 3000 Jahre alt. Das Fundament sind die Schriften des Tanach, der hebräischen Bibel, in denen die Thora, die am Anfang der Tanach steht und die Hauptquelle jüdischen Rechts, jüdischer Ethik und Wegweiser für Denken und Lebenswandel sowie für Beziehungen zwischen Menschen und Gott sowie Mensch und Mensch ist. Die Thora enthält die fünf Bücher Moses, die dieser mutmaßlich am Berg Sinai von Gott offenbart bekam. Sie erzählen die Geschichte von der Erschaffung der Welt, von Abraham, vom Auszug aus Ägypten – vor allem aber enthalten sie die Vielzahl von Gesetzen, die der biblischen Legende zufolge Moses von Gott diktiert wurden. Insgesamt beinhaltet die Thora 613 Gebote und Verbote, wobei sich die Zahl 613 folgendermaßen ergibt:
• die Zahl der Tage im Jahr (365) entspricht den Verboten
• die Zahl 248 soll der Zahl der Knochen des menschlichen Körpers entsprechen und symbolisiert die Gebote.
Die weiteren Teile der Tanach, die Propheten, zeigen das Wirken des Wortes Gottes in der Geschichte und die abschließenden Schriften sammeln vor allem die Bücher in alttestamentarisch flammender Sprache, die im Gottesdienst von Bedeutung sind. Die Heilige Schrift der Juden ist im Wesentlichen mit dem Alten Testament identisch, wie es vom Christentum benutzt wird. Lediglich die Anordnung der einzelnen Bücher der hebräischen Bibel weicht von der christlichen Tradition an einigen Stellen ab. So wird im Alten Testament eine zeitliche Anordnung vorgenommen, die auf die Erfüllung im Neuen Testament verweist. Das Neue Testament kann als Glaubensurkunde der Christen gelten und repräsentiert neben dem Alten Testament den zweiten Teil der Bibel. Für das Christentum ist dies der wichtigere Teil, weil es darin um das Leben und die Leiden Jesu Christi geht, die für die Christen die Erlösung darstellen. Während das Alte Testament sich auf die Begegnungen mit Gott und die Geschichte des Volkes Israel bezieht, wird im Neuen Testament über Jesus von Nazareth, dem Sohn Gottes, ein Mythos, der die Welt prägte, berichtet.
Das Christentum ist die größte Religion der Welt. Und die Bibel ist das mittlerweile meist übersetzte und das am meisten verbreitete Buch der Welt. Im Christentum wird Jesus als der Erlöser, der Messias gesehen. Mit dem Glauben an den Messias wird die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für Mensch und die Welt verbunden. Das ist eine Gemeinsamkeit zwischen Christentum, Judentum und dem Islam. Unterschied: die Christen sehen in Jesus Christus den Messias, der bereits auf Erden war. Die Juden sowie die Muslime erwarten ihn erst noch. Nicht, was ein Mensch namens Jesus gedacht, gewollt, getan hat, sondern was nach seinem Tode in seinem und unter seinem Namen, aber oft nicht in seinem Sinne, sehr oft gegen seine Intentionen gedacht, gewollt, getan worden ist, hat die christliche Religion und mit ihr die Geschichte des sogenannten christlichen Abendlandes bestimmt. Neben den vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes und denen, die vor ihnen Jesus-Geschichten gesammelt und weitergegeben, radikal verändert und erfunden haben – neben denen also, die aus dem Menschen Jesus die Kunstfigur Christus gemacht haben, war es ein Mann, der bestimmt hat, was als christliche Religion die Geschichte beeinflusst hat: der Apostel Paulus, ehemals „Schaul“ oder „Saulus“, ein Diaspora-Jude aus der römischen Provinzhauptstadt Tarsus (heute südliche Türkei). Paulus war, daran gibt es keinen Zweifel, einer der ganz großen Neuentwerfer des Urchristentums, also die Zeit vom Tod Jesu bis zum Jahr 150, in der die zentralen Gestalten Paulus und Petrus wirkten. Nicht Jesus, sondern Paulus war der eigentliche Religionsstifter des frühen Christentums. Für das Leben, die Worte und die Taten seines Herrn Jesus hat er sich wenig interessiert, dessen Lebensthema vom nahen „Reich Gottes“ war ihm in seinen zwischen 50 und 61 nach Christus verfassten Briefen nur ein paar Sätze wert, was später zu Zweifeln an den zahllosen Legenden um das Wirken des Wunderpredigers Jesus von Nazareth führte und bis heute weite Passagen der Bibel fragwürdig erscheinen und widerstreitende Interpretationen bei Forschern über die Person Jesu entstehen lassen.
Jede christliche Religionsgemeinschaft, jede theologische Richtung propagiert ihren persönlichen Jesus: den Endzeitpropheten, den Sozialrevolutionär, den Weisheitslehrer, den Charismatiker. Das Christentum ist von Beginn an in zahlreiche Gemeinden und Bewegungen zersplittert. Und am Anfang des 2. Jahrhunderts haben viele dieser Glaubensgemeinschaften ganz eigene Vorstellungen von Jesus entwickelt. Dabei bringt die Suche nach der Wahrheit oftmals eigentümliche Ergebnisse hervor. Das wohl gegen Ende des 2. Jahrhunderts niedergeschriebene Philippus-Evangelium deutet Jesus gar zum Liebhaber einer seiner Anhängerinnen um: „Der Erlöser liebte Maria Magdalena mehr als alle Jünger, und er küsste sie oftmals auf ihren Mund.” Allerdings lassen sich anhand archäologischer Funde durchaus einige überlieferte und niedergeschriebene Textstellen verifizieren. Und wer sich heute dem historischen Jesus nähern will, dem bleibt zunächst nichts anderes, als diese unsicheren Berichte, die Evangelien, zur Grundlage zu nehmen – denn andere Quellen gibt es nicht für Jesus. Doch eines gilt als sicher: Wenn einer die christliche Kirche geprägt hat, dann war es Paulus und durch Augustinus (354-430), Heiliger und größter, aber auch umstrittenster Kirchenlehrer des christlichen Altertums, erhielt der christliche Glaube sein theologisches Fundament.
Die jüngste der drei monotheistischen Religionen ist der Islam, der auf dem Christentum und dem Judentum aufbaut. Gegründet wurde der Islam um 610 nach Chr. durch den Propheten Mohammed. Der Prophet wurde 570 nach Chr. in Mekka geboren und wird auch als Fürst der Schöpfung genannt. Mohammed erhielt nach dem Glauben der Muslime durch den Erzengel Gabriel den Auftrag, den Menschen von dem einen Gott zu erzählen, wobei er die Menschen zur radikaler Umkehr und einem geänderten Lebenswandel bekehren sollte. Diese Botschaft Gottes ist im Koran (Vortrag, Lesung) niedergeschrieben und stellt die „Heilige Schrift“ der Religion dar. Für die Muslime ist der Koran der wichtigste Glaubensinhalt und hat im Vergleich zu der Bibel im Christentum eine viel größere Bedeutung. Der Koran soll das unverfälschte Wort Gottes darstellen und keine menschliche Überlieferung sein. Im Koran sind über 6.200 Verse und 114 Kapitel, Suren genannt, die Regeln für das Zusammenleben der Menschen sowie Gebote und Verbote enthalten. Muslime sollen in ihrem Leben einige Grundpflichten erfüllen, die sogenannten fünf Säulen des Islam: Im Glaubensbekenntnis soll sich der Muslim zu dem Glauben an den einen und einzigen Gott bekennen. Ein Muslim soll fünf Mal am Tag zu Gott beten. Im Fastenmonat Ramadan sollen Muslime zwischen Sonnenauf- und - untergang nichts trinken und essen. Muslime, die Geld verdienen, sollen Bedürftigen Unterstützung gewähren, indem sie einen Teil ihres Geldes spenden. Sofern für einen Muslim möglich (finanziell und gesundheitlich), soll er mindestens einmal im Leben zum Geburtsort Mohammeds nach Mekka pilgern.
Vergleicht man den Koran mit den heiligen Schriften des Judentums und des Christentums, so sind im Koran Parallelen zum Neuen Testament sowie der hebräischen Bibel zu finden. Dennoch besteht die größte Nähe zwischen Judentum und Christentum vor allem aufgrund der Analogien zwischen der hebräischen Bibel und dem Alten Testament. Die Ähnlichkeiten sowie aber auch die Unterschiede zwischen den drei Religionen sollten den Menschen eigentlich als Gelegenheit zum Dialog dienen.
Judentum, Christentum und Islam werden im Allgemeinen als Weltreligionen bezeichnet. Ihre Unzahl von Verhaltenskodizes, niedergeschrieben in der Tora, der Bibel und dem Koran enthalten in etwa gleichlautende Vorschriften und Strafen für diejenigen, die gegen ihre Grundprinzipien und Regeln verstoßen. Dabei schüren viele Religionen Hass untereinander, um ihre Anhänger zusammenzuhalten. Kein Wunder bei etwa 10.000 verschiedenen Religionen und etwa 400 Freikirchlern in 238 Staaten. Ein irritierendes Phänomen. Gleichwohl gehören etwa 20 Prozent der Weltbevölkerung weder einer Kirche, noch einer religiösen Gemeinschaft an. Was nicht heißen muss, dass diese Menschen keinen Glauben haben. Diejenigen, die die Existenz Gottes ausdrücklich ablehnen, sind nur eine kleine Minderheit.