Kitabı oku: «Weltreligion versus Sexualität», sayfa 3
Das Unbehagen, das Homosexualität in vielen religiösen Menschen hervorruft, hat eine erstaunliche Macht über sie. Es wird niemanden überraschen, dass in Israel, dem Zentrum der drei abrahamitischen Religionen, interreligiöse Gefälligkeiten nicht gerade an der Tagesordnung sind. In Jerusalem gehen religiöse Christen, Muslime und Juden auf der Straße aneinander vorbei, ohne dass ein Kontakt zwischen ihnen stattfindet, von einem konstruktiven Gespräch ganz zu schweigen. Doch vor einigen Jahren gelang es Vertretern der jüdischen, christlichen und muslimischen Glaubensgemeinschaft sich zu verständigen, darauf nämlich, dass es in den Straßen Jerusalems keine Gay-Pride-Parade geben darf. Die säkulare Gesellschaft, zu der wir gehören, ist sich des intensiven religiösen Widerstands gegen Homosexualität bewusst. Er beeinflusst uns alle. Innerhalb der Gesellschaft als Ganzes hat es in den letzten Jahren enorme Fortschritte gegeben. Immer mehr Menschen begreifen, dass es keine Sünde ist, homosexuell zu sein; dass Homosexualität (wie in der Erzählung von der Stadt Sodom) genauso wenig mit Verdorbenheit in Verbindung gebracht werden darf wie Heterosexualität. Nichtsdestoweniger bestehen das hergebrachte Misstrauen und die alte Feindschaft weiter fort.
Homosexuelle werden noch immer verleumdet und verurteilt und verfolgt. Wir müssen laut und deutlich aussprechen, dass wir glauben, die Bigotterie der Vergangenheit sollte eine Sache der Vergangenheit bleiben; dass wir glauben, andere Botschaften, die unsere religiöse Tradition ebenso betont, nämlich Botschaften des Respekts vor dem Anderen und der Liebe zum Anderen, müssten unangefochten an erster Stelle stehen. Wir alle, die sich Sorgen machen, welche Rolle die Religion in unserer Gesellschaft spielen soll, müssen mit offenen Karten spielen. Es ist nicht länger annehmbar zu sagen: „Es steht nun mal so in der Bibel. Es gibt nichts, was ich dagegen tun kann!“ Wir müssen es explizit aussprechen: Homosexualität ist keine Sünde. Wir können nicht herumlavieren, nicht wenn es um das Leben anständiger und ernsthafter Männer und Frauen geht. Es ist einfach eine Schande, Menschen weiterhin wegen eines unabänderlichen Aspekts ihrer Persönlichkeit zu verdammen, dem kein moralischer Makel anhaftet.“
Dessen ungeachtet ist Israel mit Abstand das LGBT-freundlichste und fortschrittlichste Land im Nahen Osten (LGBT ist die Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender), wo Schwule und Lesben ungehindert jeden Posten im öffentlichen Leben bekleiden können. Bedauerlicherweise ist jedoch der gut acht Millionen Einwohner zählende Staat, der gerade einmal so groß ist wie Hessen, wegen seiner Politik gegenüber Palästinensern auch in der LGBT-Szene umstritten. Zuletzt gab es in der LGBT-Gruppe der Linkspartei einen Streit, weil Parteimitglieder mit Antisemiten und Homo-Hassern gemeinsam gegen die Politik Israels protestiert hatten.
Israel kokettiert mit dem Image einer liberalen und weltoffenen Gesellschaft. In einer Region, in der Frauen gesteinigt, Schwule aufgehängt und Christen verfolgt werden, genießt die Homosexuellencommunity mehr politische Freiheit als in jedem anderen Nahoststaat, Schwule und Lesben verstoßen mit ihrer gleichgeschlechtlichen Liebe nicht mehr gegen die Gesetze des Landes. Die Adoption der Kinder von Partner oder Partnerin ist wie die Anerkennung der im Ausland geschlossenen Ehen fast schon Routine, und zahlreiche Lesben erfüllen sich ihren Kinderwunsch mit Spendersamen, denn mit künstlicher Befruchtung haben Israelis kaum Probleme. Israel ist somit progressiver als mancher europäische Staat. Was die Gesetze für Paare gleichen Geschlechts betrifft, dürfen sie in Israel selbst nur eine Art Ehevertrag schließen, der sie gesetzlich mit verheirateten Paaren beinahe gleichstellt. Es ist allerdings nicht möglich zu heiraten, da keine Zivilehe angeboten wird, sondern Eheschließungen nur von Religionsgemeinschaften durchgeführt werden dürfen. Heterosexuelle Paare mit unterschiedlicher Religionszugehörigkeit oder Nichtgläubige können ebenfalls nur im Ausland heiraten. Dabei ist das nahegelegene Zypern besonders beliebt für den Ehetourismus. Es gibt im Land derzeit eine Debatte über die Einführung einer Zivilehe, die sowohl Hetero- als auch Homosexuellen geöffnet sein soll.
Viele Schwule und Lesben in Israel wollen Kinder. Von einem regelrechten „Gayby-Boom“ ist die Rede. Viele Männer nehmen Leihmütter im Ausland in Anspruch – etwa in Indien. Doch die Leihmutterschaft im Ausland wirft religionsgesetzliche Probleme auf. Erstens ist es noch nicht erlaubt, das Kind von einer anderen Mutter austragen zu lassen und zweitens ist ein Kind aus dem Bauch einer Nicht-Jüdin für die Rabbiner nicht jüdisch.
Israel hat weltweit einen liberalen Ruf im Hinblick auf die Rechte und die Lebensqualität von Homosexuellen. Verschiedene Organisationen werben dafür, dass Israelis beides leben können: ihren Glauben und ihre sexuelle Orientierung. Israel ist ein liberales Land, in dem gleichgeschlechtliche Partnerschaften oft selbstverständlicher gelebt werden als in vielen anderen westlichen Staaten. Tel Aviv preist sich als globale Gay-Metropole an, wenn auch das Thema, zumindest in religiösen Kreisen, ein Tabu bleibt.
Neben der liberalen Gesetzgebung ist dafür vor allem der Status von Tel Aviv als die „Schwulenhauptstadt des Nahen Ostens” verantwortlich, obwohl die Stadt in der arabischen Welt als Sinnbild des verhassten zionistischen Judenstaats gilt. Wohl in keinem Land liegen die Pole im Umgang mit Homosexualität so weit auseinander wie in Israel. Während Gay Pride in Tel Aviv Teil des Tourismusmarketing ist, gibt es bei der Veranstaltung in Jerusalem regelmäßig Proteste und massiven Polizeischutz. In Tel Aviv hat jede Gruppe ihren eigenen Club, ihre eigene Party. Hier geht’s um die Mischung: es kommen Palästinenser, orthodoxe und säkulare Juden, Schwule, Lesben und transsexuelle Frauen und Männer.
Und ausgerechnet hier, sechzig Kilometer vom konservativen Jerusalem entfernt, mitten in einer Region, die für ihren anhaltenden Konflikt bekannt ist, zieht es jedes Jahr Schwule und Lesben aus aller Welt nach Tel Aviv zum Gay Pride. Doch Tel Aviv ist nicht Israel, wie New York nicht Amerika ist. Tel Aviv ist ein eigenes Land, hat drei Dinge, die Homosexuelle anzieht: ein lebendiges Nachtleben (wenn es dunkel wird, tobt der ungestüme Hedonismus), den Strand und schöne Menschen. Es gilt das Schönheitsideal von Städten, die am Meer liegen. Wie in Rio oder Los Angeles zählen Waschbrettbauch und Brustmuskeln. Aber entfernt man sich mal vom Tel Aviver Strand, nimmt die Toleranz schnell ab.
Im Gazastreifen und in den palästinensischen Autonomiegebieten der Westbank sind Homosexuelle, die sich als solche zu erkennen geben oder entdeckt werden, Drohungen und Folter ausgesetzt, nicht nur durch die örtlichen Sicherheitskräfte und Milizen, sondern besonders auch durch Familienangehörige. Was die Hilfesuchenden zu Protokoll geben, sind Zeugnisse der desolaten Menschenrechtssituation in der palästinensischen Gesellschaft. Werden Homosexuelle einmal entdeckt, werden sie sozial geächtet. Im schlimmsten Fall erfahren sie Erniedrigungen und physische Gewalt. In der palästinensischen Gesellschaft wird Gewalt gegen Schwule als gerechtfertigt angesehen. Häufig werden Homosexuelle als Verräter gegen den Befreiungskampf der Palästinenser gebrandmarkt, als „Kollaborateure mit den Juden“, oder als „Agenten des Mossad“ (israelischer Auslandsgeheimdienst). Selbst in der eigenen Familie sind Homosexuelle dann nicht mehr sicher: Morddrohungen und Erpressungen durch Brüder und Väter machen ein sicheres Leben in den oft kleinräumigen Gemeinschaften unmöglich. Die weitläufigen familiären Bande schützen die Opfer auch in größeren Städten wie Ramallah, Nablus oder Gaza nicht vor Verfolgung.
Darüber hinaus treiben in manchen Gegenden Milizen und selbst ernannte „Sicherheitsorgane“ ihr Unwesen, unbehelligt oder geduldet von den offiziellen Autoritäten. Es wird berichtet von Kidnapping, Verhören und brutaler Folter – auch auf Polizeistationen unter Aufsicht des „Mukhabarat“, eines Sicherheitsdienstes der Palästinensischen Autonomiebehörde in der Westbank. Im Gazastreifen macht das Hamas-Regime keinen Hehl aus seinem Hass auf Homosexuelle. Mahmoud az-Zahar, einer der Gründer der Hamas, äußerte sich unlängst wie folgt: „Ihr im Westen lebt nicht wie menschliche Wesen. Ihr lebt nicht einmal wie Tiere. Ihr akzeptiert Homosexualität.“
In Israel nehmen sich vor allem homosexuelle Non-Profit-Organisationen und Arbeitsgruppen dem Schicksal schwuler Palästinenser auf der Flucht an. Sie unterstützen verfolgte Homosexuelle unter anderem mit kostenlosen Rechtsberatungen. Die arabische Organisation al-Qaws wiederum organisiert einmal im Monat in einem Club im Süden Tel Avivs die „Palestinian Queer Party“, die nicht nur homosexuellen arabischen Israelis, sondern auch untergetauchten Palästinensern für eine Nacht eine fragile Geborgenheit bietet.
Dass sich die Situation für die nach Israel geflüchteten Palästinenser in naher Zukunft verbessert, hält Anat Ben-Dor von der „Human Rights Clinic“ für unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Die Grenze zu überqueren und sich in israelischen Städten durchzuschlagen, ist noch schwieriger geworden. Der Report der „Clinic“ spart denn auch nicht mit Kritik am israelischen Vorgehen gegen palästinensische Asylsuchende: Der kollektive Ausschluss vom Recht, in Israel Asyl zu erhalten, verstoße gegen internationale Konventionen – was umso abstoßender sei, da Israel zu den ersten Nationen gehört habe, die 1951 die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet hätten. Für Ben-Dor gibt es keinen Zweifel: Das Recht, Asyl zu beantragen, stehe Palästinensern individuell genauso zu wie Verfolgten anderer Nationalität, die aus religiösen, politischen, ethnischen Gründen oder wegen ihrer sexuellen Orientierung in Israel Zuflucht suchen.
Der israelische Film-Regisseur Yariv Mozer hat für seinen gefeierten Dokumentarfilm „Invisible Men“ über drei Jahre den Überlebenskampf dreier junger schwuler Palästinenser begleitet, die sich nach Israel durchschlugen, um vor der Verfolgung zu Hause Schutz zu suchen. „Die Palästinenser, die nach Israel flüchten, kommen in eine für sie gänzlich unbekannte Umgebung“, sagt Mozer. Das beginne schon bei der Sprache. Unter-Zwanzigjährige aus den Palästinensergebieten sprechen fast kein Hebräisch mehr. Und einmal im Land, gestalte sich auch der Kontakt zu schwulen jüdischen Israelis äußerst schwierig. „Die Schwulenszene in Israel ist alles andere als eine Einheit. Sie ist ein Abbild unserer Gesellschaft“, sagt Mozer. So würden sich jüdische und arabische schwule Israelis oft in verschiedenen Szenen bewegen. Sie besuchen meist eigene Partys, eigene Bars. Sie bleiben unter sich. Die Lebenswirklichkeiten hinter der Mauer und dem Grenzzaun zur Westbank oder dem Gazastreifen sind für die meisten jungen Israelis mittlerweile zu einer fremden Welt geworden.
Das gilt natürlich auch umgekehrt. Dennoch: Die Flucht nach Israel als vermeintlich sicherer Hafen gilt vielen als die letzte Hoffnung. Auch sie möchten das Leben genießen, ausgehen, lachen. Doch zwischen den Fronten des Nahostkonflikts gehören diese Männer, die Männer lieben, nirgendwo hin. Es gibt keinen Ort, nichts, das sie Heimat nennen könnten. Perverse und Verräter sind sie für die eine Seite, ein Sicherheitsrisiko für die andere.
Für die palästinensischen Flüchtlinge entpuppt sich die ersehnte Freiheit oftmals erneut als dauernder Angstzustand. Erst einmal in Tel Aviv angekommen, tauchen sie ab in die Illegalität, hausen in Verstecken, verrichten Schwarzarbeit für Personen, denen sie glauben vertrauen zu können. Schwule Dating-Plattformen im Netz bedeuten für diese jungen Männer einen Weg aus der Hölle. Die meisten User aus Gaza, Ramallah, Bethlehem oder Nablus setzen dabei auf absolute Anonymität. Wo Profilbilder vorhanden sind, zeigen sie meist nur den Körper, die Gesichter sind unkenntlich gemacht. Oft fungieren auch Schauspieler, Models oder Pornodarsteller als Symbolbilder. Allzu persönliche Beschreibungen oder Statements in den Profilen fehlen. Es geht um anonymen Sex in Parks, im Auto, irgendwo in den Hügeln, an versteckten, illegalen Partys. Manche wählen die Fassade eines heterosexuellen Lebens, heiraten, gründen Familien, um den Schein zu wahren. Doch die Angst ist allgegenwärtig. Die Angst vor der israelischen Polizei, die sie jederzeit in die Westbank zurückschaffen kann, zurück in die Hände der Peiniger.
Wie steht die Thora zum Thema Schwangerschaftsabruch?
Im Judentum ist ein Embryo potentielles Leben und somit ist es nicht erlaubt, einen Embryo zu töten. Treten jedoch Komplikationen auf, die das Leben der Mutter gefährden und das Entfernen des Embryos die einzige Möglichkeit ist, das Leben der Mutter zu beschützen, dann gibt es eine Verpflichtung zur Abtreibung. Bis zur Geburt wird der Embryo, beziehungsweise der Fötus, als Teil der Mutter und nicht als eigenständige Person angesehen, weshalb das Leben, die Gesundheit und das Wohlergehen der schwangeren Frau, falls es in Gefahr ist, immer Priorität vor dem Leben des ungeborenen Kindes besitzt. Der Fötus erlangt gemäß dem Talmund erst dann den Personenstatus, wenn während der Geburt der größte Teil von ihm geboren ist. Demzufolge gilt ein Schwangerschaftsabbruch nicht als Mord und wurde auch zu keiner Zeit kriminalisiert. Solange der Embryo einen Teil des Körpers der Mutter darstellt, ist bereits von einer lebendigen Einheit die Rede, doch ist diese Lebensform noch nicht mit derjenigen der Mutter, die bereits als eigenständiger Mensch gilt, gleichzusetzen. Daher hat ihr Leben Vorrang vor demjenigen des Embryos. Sobald jedoch bei der Geburt der Kopf des Embryo das Licht der Welt erblickt, wird er als gleichwertige Lebensform betrachtet. Wie in allen komplexen Bereichen der „Halacha“ (jüdisches Gesetz) muss jeder Fall individuell von einer kompetenten halachischen Autorität, die sich mit zuständigen Ärzten berät, begutachtet werden. Die meisten Fälle von erlaubter Abtreibung werden am Beginn der Schwangerschaft vorgenommen. Aufgrund talmudischer Aussagen ist dies möglich bei Fragen der seelischen Gesundheit, nach Vergewaltigung, bei einer reumütigen Ehebrecherin sowie bei einigen Krankheiten. Auch ist die Verzweiflung der Mutter über ein Kind, das sehr wahrscheinlich mit körperlichen Deformationen oder geisteskrank geboren wird, ein hinreichender Grund für eine Schwangerschaftsunterbrechung. Auch wenn Israel zweifellos weltweit zu den Ländern mit der liberalsten Abtreibungsgesetzgebung gehört, muss dennoch jede Abtreibung von einem Krankenhauskomitees genehmigt werden. Allerdings ist eine solche Genehmigung ohne Schwierigkeiten zu erhalten. Sie werden großzügig gewährt, so zum Beispiel kategorisch bei Mädchen unter 17 Jahren und Frauen über 40, bei Ehebruch, bei einer auch nur vermuteten geistigen oder körperlichen Behinderung des Kindes welchen Grades auch immer und bei Gefährdung der Gesundheit der Frau.
Beschneidung und Judentum
Die Beschneidung (Brit mila) ist ein Gebot, dem im Judentum große Bedeutung beigemessen wird und das selbst von den meisten säkularen Juden befolgt wird, da es als ein wichtiger Bestandteil jüdischer Identität angesehen wird. Die Beschneidung gilt als eines der wichtigsten Weisungen im Judentum und hebt selbst die Gebote der höchsten jüdischen Feiertage, Schabbat und Jom Kippur (Versöhnungstag) auf, an denen bestimmte Tätigkeiten nicht ausgeführt werden dürfen. Es handelt sich hierbei um einen jüdischen Brauch, der auch im Islam Anwendung findet: die Entfernung der Vorhaut des männlichen Gliedes (Zirkumzision). Unterschiedliche Auffassungen gibt es darüber, ob die Beschneidung an einem Jungen ohne oder mit Betäubung durchgeführt werden soll. Durch die Verweigerung der Anästhesie ist die Beschneidung genau genommen ein grausamer Vorgang, die in der Praxis durch einen sogenannten „Mohel“ durchgeführt wird. Das Ritual der Beschneidung erinnert an den heiligen Bund, den Gott mit dem Stammvater Abraham geschlossen hat: „Ich werde meinen Bund errichten zwischen mir und dir und deinen Nachkommen nach dir in allen Geschlechtern als ewigen Bund“ (vgl. Buch Mosis, Kap. 17,7 ff). Durch die Beschneidung des männlichen Gliedes wird das Kind in diesen Bund aufgenommen. Sie ist auch ein Zeichen verpflichtende Gemeinschaft des einzelnen Juden mit seinem Volk. Wer daher seinen Sohn nicht beschneiden lässt und derjenige, der dies auch nach Vollendung des 13. Lebensjahres nicht nachholt, stellt sich außerhalb des Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel.
Zirkumzision ist umstritten. Im angelsächsischen Bereich gibt es schon länger eine gesellschaftliche Debatte zwischen Beschneidungsgegnern („Intaktivisten“-Bewegung), und Gruppen, die Beschneidung befürworten. Umstritten sind insbesondere medizinischer Nutzen und Risiken, bei Kindern auch ethische und rechtliche Aspekte sowie die Beurteilung im Hinblick auf die Menschenrechte, vor allem das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Nach einem Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012 ist eine Beschneidung von Minderjährigen aus religiösen Motiven eine rechtswidrige Körperverletzung: Da das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes wegen der Endgültigkeit der Operation schwerer wiege als das Erziehungsrecht der Eltern und deren Religionsfreiheit. Außerdem laufe diese Veränderung dem Interesse des Kindes zuwider, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können. Ob die Beschneidung von Knaben in Deutschland rechtlich zulässig ist, wurde höchstrichterlich noch nicht entschieden. Wenn es bei der Beschneidung um Religion ginge, würde auch eine symbolische Handlung genügen.
Im Gegensatz zur männlichen Genitalbeschneidung ist die Beschneidung von Frauen (vornehmlich in arabischen Ländern) ein Instrument der Unterdrückung, die mit massiven körperlichen und seelischen Schäden und der Einschränkung sexueller Empfindsamkeit verbunden ist. Die Beschneidung einer Frau basiert nicht auf religiösen Gründen, sondern vielmehr auf kulturellen Traditionen und Mythen. (Siehe Beschneidung im Islam.)
CHRISTENTUM UND SEXUALITÄT
Christliche Gemeinschaft – Das Kreuz mit der Moral – Der Vatikan und seine Päpste – Ist der Zölibat noch zeitgemäß? Homosexualität und Kirche – Gleichgeschlechtliche Partnerschaft – Sexueller Missbrauch – Die Haltung der römischkatholischen Kirche zur Empfängnisverhütung – Gleichstellung der Frau in der katholischen Kirche – Wiederverheiratet Geschiedene – Schwangerschaftsabbruch und Kirche – Kirchliche Einrichtungen und kirchliches Arbeitsrecht – Andere christliche Glaubensrichtungen.
Christliche Gemeinschaft
Das Christentum ist genau genommen als Sekte aus dem Judentum hervorgegangen. Die zahlreichen Konfessionen bzw. Kirchen innerhalb des Christentums lassen sich in vier Hauptgruppen zusammenfassen: die römisch-katholische Kirche, die orthodoxen Kirchen, die protestantischen und die anglikanischen Kirchen. Die Gemeinschaft der gläubigen Christen war in ihrer Kirchengeschichte einem stetigen Wandel unterworfen, nahm dabei immer wieder Impulse der umgebenden Kultur auf und hat das allgemeine Moralempfinden deutlich mitgeprägt.
Für sie war und ist die Bibel das Buch der Bücher. Über drei Milliarden Menschen besitzen es. Kein anderes Werk hat solche Berühmtheit erlangt. Sie war im Laufe der Jahrhunderte für viele Menschen eine Quelle der Inspiration. Sie half ihnen in ihrem Streben nach Anstand, Güte und Gerechtigkeit. Sie diente aber auch als Vorwand für Grausamkeit und Gewalt und brachte viel Leid und Verzweiflung. Im Namen dieses Buches haben viele Menschen großartige Dinge vollbracht. Andere vollbrachten schändliche Taten in seinem Namen.
Die Ereignisse, die darin erzählt werden, sind alt, einige sogar fast 3000 Jahre. Am Anfang steht Gott, wie er die Weltbühne betritt und einem kleinen Volk in die Freiheit verhilft. Manche der Geschichten klingen zu fantastisch um wahr zu sein. Andere gleichen einem Augenzeugenbericht. Welche Erzählungen nah an der Wirklichkeit sind, darüber wird bis heute heftig gestritten. Für gläubige Christen ist die Bibel das Licht, das ihr Leben erleuchtet. Sie schwören auf die Schrift, die ihnen heilig ist. Eine differenzierte Auslegung der Bibel vertritt der umstrittene britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins in seinem Bestseller „Der Gotteswahn”:
„Der Gott des Alten Testaments ist – das kann man mit Fug und Recht behaupten – die unangenehmste Gestalt in der gesamten Literatur: Er ist eifersüchtig und auch noch stolz darauf; ein kleinlicher, ungerechter, nachtragender Überwachungsfanatiker; ein rachsüchtiger, blutrünstiger ethnischer Säuberer; ein frauenfeindlicher, homophober, rassistischer, Kinder- und Völkermordender, ekliger, sadomasochistischer, launisch-boshafter Tyrann”.
Schwere Geschütze, die der Autor da auffährt. Ohne Frage besteht die Bibel jedoch aus vielen Büchern: sie behandeln neben den Gewaltgeschichten des Alten, ebenfalls die Wundererzählungen des Neuen Testaments. Juden haben den ersten Teil geschrieben, er trägt den Titel: Das Alte Testament. Später fügten Christen das Neue Testament hinzu, das von den Juden jedoch nicht anerkannt wird. Doch selbst das Neue Testament ist beileibe nicht aus einem Guss. Die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes beispielsweise widersprechen sich nicht selten in ihren Veranschaulichungen. Lediglich bei einer Begebenheit herrscht Einigkeit. Das Jesus von Gott auf die Erde gesandt wurde, um die Menschen von ihren Sünden zu erlösen.
Je mehr wir über Jesu erfahren, je mehr Spuren seines Lebens wir finden, desto deutlicher wird: Manches muss sich ganz anders zugetragen haben, als es die Autoren der Bibel berichten. Die Frage bleibt, an welches Buch, an welches Kapitel man sich halten soll, denn sie sind in keiner Weise einstimmig. Die heutige historisch-kritische Forschung nimmt an, dass einige biblische Bücher oder Teile davon, sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament, Falschzuschreibungen sind, oder schlicht die gesellschaftliche Wirklichkeit der damaligen Zeit widerspiegeln.
Die paulinischen Beschreibungen sprechen eine deutlich andere Sprache als die authentischen Paulusbriefe, das Johannesevangelium vermittelt einen völlig anderen Habitus als die synoptischen Evangelien. „Dass sich in der Bibel Widersprüche finden, wird jetzt niemand in Abrede stellen”. (Goethe: „Dichtung und Wahrheit“) Die Bibel ist ein Werk mit überlieferten Erzählungen und Religion ist immer menschengemacht. Damit einhergehend seltsame Umstände, dass gewissermaßen das christliche Schwergewicht fast nur auf der Sünde liegt und dass Nicht-Christen kurzerhand in der Hölle, bereuende Sünder jedoch im Himmel landen, sollte einen jedoch nicht an Gott, sondern an der Religion zweifeln lassen.
Dennoch halten unzählbare glaubensorientierte Moralisten und religiöse Eiferer die Bibel als unfehlbare Quelle unserer Wertvorstellungen, stellvertretend für Ethik und Lebensregeln. Und Fundamentalisten lassen sich sowieso niemals von ihren Überzeugungen abringen. Für sie ist die heilige Bibel alleinige Wahrheit. Viele Christen sind sich vermutlich nicht bewusst, wie viele unterschiedliche Lehren es in ihrem Glauben gibt und wie inkohärent und widersprüchlich sie zum Teil sind.
Dem ursprünglichen Wortsinn nach sind die meisten Gläubigen heute wohl Häretiker, sie picken sich aus dem Gesamtangebot der Heilsoffenbarung einfach aus, was ihnen passt. „So kultur- und kunstgeschichtlich bedeutsam dieses Buch für den abendländischen Raum auch sein mag, und so groß sein Einfluss auf unseren sozialen Fortschritt auch gewesen sein mag: im großen und ganzen sehe ich das darin vermittelte Weltbild doch als überholt, und in vielen Teilen gar schädlich an”.(Kurt Flasch: „Warum ich kein Christ bin”)
In Europa haben sich die Menschen in dem letzten halben Jahrhundert weit von den traditionellen Mustern und Regeln des religiösen Lebens entfernt, weil den Kirchenoberen das Gefühl dafür abgeht, was die Menschen heute bewegt, in einer Zeit, in der die Gesellschaft sich im Wandel befindet. Mithin laufen Gläubige in Scharen zu evangelikalen Freikirchen und Sekten über, um dort ihr Seelenheil zu suchen. Noch ist die katholische Kirche die älteste, zahlenmäßig stärkste und wohl auch mächtigste Repräsentantin des Christentums, gefolgt von Orthodoxen und Protestanten, unter deren Einfluss sich wiederum unzählige Religionsgruppen gebildet haben. Dazu gehören u. a. die Methodisten, Presbyterianer, Baptisten, Episkopalen sowie Pfingstlern, die von den großen US-amerikanischen Geldgebern finanziert werden, um den alten Traum des US-Protestantismus zu verwirklichen. Nicht zu vergessen die pomadigen Fernsehevangelisten mit ihren widerwärtigen religiösen Lobhudeleien. Der großspurigste und wortgewaltigste war zweifellos der Anfang 2014 verstorbene US-amerikanische Prediger Fred Waldron Phelps von der Westboro Baptist Church, mit einer geradezu besessenen Abneigung gegen Homosexuelle. Als die anerkannte US-amerikanische Bürgerrechtlerin Coretta Scott King, Witwe von Martin Luther King, starb, organisierte Pastor Phelps eine Gegendemonstration zu ihrer Bestattung und erklärte dort:
„Gott hasst Schwule und Schwulenhelfer. Also hasst Gott auch Coretta Scott King, und jetzt quält er sie mit Feuer und Schwefel, wo der Wurm niemals stirbt und das Feuer niemals gelöscht wird und für alle Zeiten möge der Rauch ihrer Qualen aufsteigen”.
Natürlich kann man Fred Phelps ohne weiteres als Wirrkopf abschreiben, aber er scheffelte als „Kirchenabgabe” Millionen von Dollar von seinen unfassbar zahlreichen Anhängern. Glaubt man seiner eigenen Website, so hatte Phelps von 1991 bis zu seinem Tod in den USA, Kanada, Jordanien und dem Irak nicht weniger als 22.000 Demonstrationen gegen Homosexuelle organisiert. Veranstaltungen, auf denen Slogans wie „Wir danken Gott für AIDS” zu lesen waren. Ein besonders liebenswürdiges Detail auf seiner Website war ein automatischer Zähler, der angab, wie viele Tage ein ganz bestimmter, namentlich benannter, verstorbener Homosexueller bereits in der Hölle brannte. Bei alldem stellt sich die Frage: Handelt es sich hier noch um eine christliche Religion der Freiheit und Gleichheit?
Fundamentalismus gehört eigentlich nicht zur Religion. Fundamentalismus gehört vielmehr zum psychologischen und sozialen Verhalten einer jeweiligen Person. Religionen werden missbraucht, um fundamentalistisch zu sein, obwohl eigentlich Verständigung und Friede der Kerngedanke aller monotheistischen Religionen sein sollte.
Die Kluft zwischen Kirche und moderner Gesellschaft wird größer. Ein Defizit an normalen menschlichen Beziehungen wird durch ein Übermaß an Autorität kompensiert. Außerdem führen religiösweltanschauliche Differenzen zu Richtungskämpfen innerhalb der Kirchen. In vielen Teilen der Welt war und ist das soziale Leben von religiösen Vorstellungen durchtränkt. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs erleben wir einen beispiellosen Traditionsbruch innerhalb der christlichen Konfessionen. Während beispielsweise in Deutschland die unmittelbare Nachkriegszeit noch von der Idee einer umfassenden Re-Christianisierung geprägt war, hat sich diese Vorstellung wenige Jahrzehnte später verflüchtigt. Die individuelle Frömmigkeitspraxis schwindet, die Gotteshäuser werden zusehends leerer. Immer mehr Menschen wollen auch zentrale Aussagen des Christentums wie die Auferstehung Christi nicht mehr annehmen. Affären wie Missbrauchsskandale oder die Prunksucht einzelner Bischöfe verschärfen das Problem. Der Kirche fällt es auch deshalb immer schwerer, den Menschen den Glauben vorzugeben, weil sie selbst ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Laut einer Sinus-Umfrage aus dem Jahr 2013 messen Katholiken ihrer Kirche kaum noch Bedeutung bei, eine aktuelle Studie der Evangelischen Kirche kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Statistiken über Kirchenaustritte weisen seit 1990 jährlich sechsstellige Zahlen auf. Demografischen Prognosen zufolge werden Christen in Deutschland in rund 20 Jahren eine Minderheit darstellen. Viele begegnen ihrer Kirche nur noch beim Besuch des Gottesdienstes am Heiligen Abend, bei Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen, oder besuchen die Kirche aus gesellschaftlichen Gründen. Hinzu kommt, dass sich auch die christlichen Kirchen selbst in dieser Transformation umfassend gewandelt haben: Einst gründete die christliche Kirche ihren Machtanspruch auf die Allmacht eines Gottes. Nun hat sich der strafende Gott allmählich zum liebenden Vater entwickelt, die Christenlehre zum Religions- und Ethikunterricht. Diese Entwicklung betrifft nicht nur die Kirchen selbst, sondern verändert auch die politische Kultur insgesamt. Idealbilder und Praxis von Kernbereichen des gesellschaftlichen Lebens wie Familie, Sexualität, Bildung, aber auch politische Entwürfe sind immer weniger christlich geprägt, so dass der gesellschaftliche und politische Einfluss der Kirchen abnimmt.
Vielerorts zerbröckelt der christliche Glaube und Europa, das einstmalige Zentrum der globalen Christianisierung, bedarf heute zwangsläufig einer tiefgehenden Erneuerung des Glaubens, denn das ehemals christliche Abendland sucht verzweifelt nach Wertorientierung. Und angesichts der nüchternen realistischen Bilanz schwindender kirchlicher Präsenz im europäischen Raum muss das Bestreben der Kirchen sein, dieser Tendenz entgegenzuwirken, um als christlicher Kontinent weiterhin Geltung zu haben. Der schweizerische Theologe und Kirchenkritiker Hans Küng behauptet in seinem Buch „Ist die Kirche noch zu retten?”: „Die katholische Kirche ist krank, vielleicht sterbenskrank. Wenn sie weiterhin an ihrem Macht- und Wahrheitsmonopol, an ihrer Sexual- und Frauenfeindlichkeit festhält, sich Reformen und der aufgeklärten modernen Welt verweigert, wird sie nicht überleben”. Das Buch lässt sich an vielen Stellen auf andere Religionsgemeinschaften übertragen, doch zwingt eine solche Kritik zum Nachdenken. Der römisch-katholische Theologe David Berger, dem im Juli 2010 nach seinem Outing als Homosexueller der Status „Korrespondierender Akademiker“ der Päpstlichen Akademie des heiligen Thomas von Aquin in Rom entzogen wurde und dem ein Jahr später das Erzbistum Köln die kirchliche Lehrberechtigung zur Erteilung von katholischem Religionsunterricht verweigerte, wirft seiner Kirche eine Wagenburgmentalität vor: „Die Angst vor der Welt, vor einer verdorbenen gottlosen Zivilgesellschaft, von der man sich abgrenzen will, führe in eine Isolation“ und seinen Erfahrungen nach auch zum „Schulterschluss mit Evangelikalen, Bibelfundamentalisten und extrem reaktionären Kräften.“