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Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › G. Prozessuale Besonderheiten
G. Prozessuale Besonderheiten
Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › G. Prozessuale Besonderheiten › I. Ermittlungsanlässe
I. Ermittlungsanlässe
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Das Tätigwerden der Ermittlungsbehörden kann auf verschiedene Ermittlungsanlässe zurückgehen.
1. Betriebswirtschaftliche Prüfungen
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Ein Anlass für das Tätigwerden der Ermittlungsbehörden ist häufig das betriebswirtschaftliche Gutachten. Hierbei werden, bezogen auf einen bestimmten Stichtag, fällige und geltend gemachte Verbindlichkeiten und die zu deren Tilgung vorhandenen bzw. verfügbaren Mittel einander gegenübergestellt.[1] Das für diese Feststellung oftmals herangezogene betriebswirtschaftliche Sachverständigengutachten wird in der Praxis auch immer mehr von den Verteidigern genutzt.[2] Nach dem vom Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer im Januar 1999 geschaffenen „IDW-Prüfungsstandard“ (IDW PS 800),[3] dessen überarbeitete Fassung am 6.3.2009 verabschiedet wurde,[4] richtet sich die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nach einem Finanzplanschema.[5] Ein solches Gutachten wird in der Strafrechtsliteratur teilweise nur dann für sinnvoll erachtet, wenn eine halbwegs geordnete und aktuelle Buchführung des betreffenden Unternehmens vorliegt; sofern diese aber fehlt oder sehr unübersichtlich ist, wird diese Art der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nicht befürwortet.[6] Sollte das Gericht aufgrund seiner eigenen Sachkunde ebenso gut in der Lage sein, eine Gegenüberstellung der o.g. Art vorzunehmen, was häufig bei kleineren Insolvenzen der Fall sein wird, kann auf ein Gutachten verzichtet werden.[7]
2. Auswertung wirtschaftskriminalistischer Beweiszeichen
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Feststellung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit auch durch die Auswertung wirtschaftskriminalistischer Beweiszeichen möglich.[8] Dabei gibt es äußere Anzeichen, die ihrer zeitlichen Reihenfolge nach erfasst und bewertet werden müssen, wie etwa die Häufung von gerichtlichen Mahnbescheiden und bei Gericht anhängigen Leistungsklagen sowie von fruchtlosen Pfändungsmaßnahmen des Gerichtsvollziehers oder des Vollstreckungsgerichts, wie auch Steuer- und Sozialversicherungsrückstände, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch den Schuldner bzw. seine Organe, die Kündigung bzw. Kündigungsandrohung von Bankkrediten, die Nichtzahlung wiederkehrender Verbindlichkeiten für unternehmensnotwendige Leistungen sowie frühere Konkursanträge oder Wechsel- und Scheckproteste.[9] Der Verkauf einer insolvenzreifen GmbH an einen professionellen Firmenbestatter gehört ebenso dazu.[10]
3. Strafanzeige
a) Überlegungen im Vorfeld
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Es gibt keine mit Strafe bewehrte Pflicht des Geschädigten, Strafanzeige zu erstatten. Allerdings müssen kassenärztliche Vereinigungen und Bundesvereinigungen die Staatsanwaltschaft nach § 81a Abs. 4 SGB V unverzüglich darüber in Kenntnis setzen, wenn sie im Rahmen ihrer Prüfung zu zweck- und rechtswidriger Verwendung von Finanzmitteln oder anderen Unregelmäßigkeiten feststellen, dass möglicherweise ein Anfangsverdacht auf eine strafbare Handlung mit nicht nur geringfügiger Bedeutung für die gesetzliche Krankenversicherung besteht. Ansonsten steht eine mögliche Strafanzeige wegen Untreue für die Vereinigungen selbst im Raum. Soweit in der Literatur auch für sonstige speziell beauftragte Personen eine Pflicht zur Strafanzeige bejaht wird, kann dies nicht überzeugen, da es nicht Aufgabe der Unternehmen ist, Strafverfolgungsmaßnahmen zu ergreifen. Dies ist vielmehr Aufgabe des Staates. Hierfür spricht auch, dass i.d.R. nach den gesetzlichen Regelungen lediglich vorgesehen ist, dass Betriebsbeauftragte Straftaten an die Strafverfolgungsbehörden melden „sollen“. Dies reicht jedoch nicht aus, um eine strafbewehrte Pflicht zur Anzeige zu statuieren.
Nach einer Abwägung aller Umstände kann im Einzelfall eine zivilrechtliche Pflicht zur Erstattung einer Strafanzeige bestehen, der man nachkommen sollte, wenn man Schadensersatzansprüche gegen sich vermeiden möchte.
Für Delikte, die kraft Gesetzes nur auf Antrag verfolgt werden, muss die Strafantragsfrist nach § 77b StGB von drei Monaten ab Kenntniserlangung des Verletzten von Tat und Täter berücksichtigt werden. Hier besteht aber auch bei Fristversäumung – bei entsprechender Regelung wie etwa in § 301 StGB – die Möglichkeit, dass es dennoch zu einer Strafverfolgung kommt, wenn die Staatsanwaltschaft bei relativen Strafantragsdelikten das Einschreiten wegen des besonderen öffentlichen Interesses für geboten hält.[11]
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Bei der Entscheidung, ob Strafanzeige erstattet werden soll, sollte man sich überlegen, ob ein entsprechender Verdachtsgrad bzw. diesbezügliche Beweismittel vorliegen, das Delikt eine entsprechende Schwere aufweist, ob es durch die Anzeigeerstattung möglicherweise zu einer Schadensvertiefung kommen könnte und welches Vorgehen die Unternehmenskultur für einen solchen Fall vorsieht.
Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile einer Strafanzeige sollte ein Rechtsanwalt den Mandanten über erforderliche zivilrechtliche Schritte, über die Verdachtslage, aber auch über die realistische Dauer und den nach seiner Einschätzung möglichen Ausgang des Verfahrens beraten.[12] Geht es dem geschädigten Mandanten ausschließlich um die Schadenswiedergutmachung, so kann ihm ein Absehen von der Strafanzeige anzuraten sein, weil dies für den Täter eine Motivation zur Zahlung einer Schadensersatzsumme darstellen kann. Gerade wenn der Täter aus den eigenen Reihen stammt, kann es aber auch sinnvoll sein, ihn sofort anzuzeigen, um das eigene Abrücken von dessen Verhalten zu dokumentieren („Flucht nach vorn“).
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Als Nachteile einer möglichen Strafanzeige müssen Rechtsanwalt und Mandant auch berücksichtigen, dass bei einem Strafverfahren unter Umständen Betriebsgeheimnisse oder andere Verhaltensweisen und Vorfälle offengelegt werden müssen, die auf den Geschädigten ein wenig schmeichelhaftes Licht werfen könnten, etwa weil sie ihm Naivität, Inkompetenz oder gar ein eigenes strafbares Verhalten nachweisen. Möglich ist aber auch, dass es durch die „Pressearbeit“ der Strafverfolgungsbehörden zu einer negativen Publizität kommt.
Hiergegen sind die Vorteile einer Strafanzeige abzuwägen, die insbesondere darin liegen, dass mittels staatlichen Zwanges Beweismittel, Täter, aber auch Vermögenswerte aufgespürt und die Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen des Geschädigten erleichtert bzw. gesichert werden können.[13]
b) Anforderungen an den Inhalt einer Strafanzeige
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Die Anforderungen und der Inhalt einer Strafanzeige bzw. eines Strafantrags sind in § 158 StPO geregelt. Gerade in Wirtschaftsstrafsachen, in denen der Verlauf der Ermittlungen maßgeblich durch den Zeitpunkt der Stellung der Strafanzeige sowie deren Form und Inhalt beeinflusst werden kann und in denen es besonders wichtig ist, die wesentlichen Tatsachen und Beweismittel vorzutragen, die den konkreten Verdacht einer Straftat begründen, sollte ein Rechtsanwalt die Strafanzeige aufsetzen und nicht der Geschädigte sie in Form einer eigenhändigen Anzeige erstatten. Weiter sollte der Rechtsanwalt persönlich bei der Staatsanwaltschaft vorsprechen und einen entsprechenden Termin schon bei Einreichung des Schriftsatzes vereinbaren. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft nicht dazu verpflichtet ist, solche Termine einzuräumen, man aber davon ausgehen kann, dass sie grds. an sachdienlichen Gesprächen interessiert ist.
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Diese persönliche Vorsprache des Geschädigtenvertreters dient dabei zum einen dem Ausgleich des „Wissensvorsprungs“, bietet zum anderen aber auch die Möglichkeit von Absprachen zur Wahrung der Vertraulichkeit von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, die ansonsten später im Wege der Akteneinsicht im Detail für den Beschuldigten und andere Personen zugänglich wären. Gegenstand des Verfahrens ist in solchen Fällen auch nur das Geheimnis an sich und nicht dessen Inhalt, was der Geschädigte berücksichtigen sollte.[14] Alle Unterlagen, die der Geschädigte den Ermittlungsbehörden zur Verfügung stellt, werden indessen Aktenbestandteil, so dass infolge des Grundsatzes der Aktenehrlichkeit und -vollständigkeit die Staatsanwaltschaft diesbezüglich keine Vertraulichkeit zusichern kann.[15] Dies gilt umso mehr im Falle einer später gewünschten Entfernung der Anzeige aus den Akten.[16]
In diesem Zusammenhang kann, sofern die Namensnennung nicht erforderlich ist, auch die Bitte um eine Nichtweitergabe des Geschädigtennamens an die Presse ratsam sein. Dies setzt allerdings voraus, dass ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Geschädigten konkret dargelegt wird.[17] Weiter kann es unter Umständen sinnvoll sein, über eine mögliche Rückgewinnungshilfe, die jedoch im Ermessen der Staatsanwaltschaft steht, zu sprechen. Hier ist es hilfreich, wenn bereits eigene Recherchen im In- und Ausland durchgeführt worden sind.[18]
c) Rechtsmissbräuchliche Anzeigen
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Strittig ist die allgemeine Anwendbarkeit des § 154d StPO bei erkennbar rechtsmissbräuchlichen Anzeigen. Dies wird allerdings aufgrund des Wortlauts der Vorschrift nach h.M. abgelehnt.[19]
d) Konsequenzen einer Strafanzeige
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Sofern hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte und nicht nur bloße Vermutungen für das Vorliegen einer Straftat gegeben sind, leitet die Staatsanwaltschaft gem. § 160 Abs. 1 StPO das Ermittlungsverfahren ein. Es ist daher von Bedeutung, dass der Staatsanwaltschaft nachvollziehbare, widerspruchsfreie und sachliche Informationen zur Verfügung gestellt werden, die nicht nur dazu dienen, private Interessen zu unterstützen. Bei der Anzeigeerstattung sollte den Strafverfolgungsbehörden ausdrücklich die Unterstützung der Ermittlungen zugesagt werden. Außerdem ist es geboten, die Möglichkeit einer Zulassung als Nebenkläger zu prüfen.
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Ergibt sich aus der Anzeige offensichtlich kein Anfangsverdacht, so stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren gem. § 152 Abs. 2 StPO unverzüglich ein. Ergeben sich wenigstens Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen, wird die Staatsanwaltschaft zunächst Klärung in einem so genannten „AR-Verfahren“ suchen, in dem der Angezeigte nicht zum Beschuldigten wird. Der Nachteil eines solchen Verfahrens ist, dass ein Eintrag in das AR-Register[20] in der Praxis regelmäßig keinen allzu großen Ermittlungseifer auslöst. Ist dagegen ein Anfangsverdacht gegeben, geht es dem Geschädigten jedoch hauptsächlich um ein anderes Streitverfahren, so kann das Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft unter den Voraussetzungen des § 154d StPO vorläufig eingestellt werden.
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Hängt die öffentliche Klageerhebung wegen eines Vergehens von der Beurteilung einer Frage ab, für die das Zivil- oder Verwaltungsrecht einschlägig ist, so hat die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, zur Beantwortung der Frage im zivil- oder verwaltungsrechtlichen Verfahren eine Frist zu setzen. Dies gilt auch für präjudizielle Fragen aus dem Bereich des Arbeits- und Sozialrechts in analoger Anwendung.[21] Nach ergebnislosem Fristablauf kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren endgültig einstellen. Eine vorläufige Einstellung des Verfahrens unter den Voraussetzungen des § 154d StPO ist auch dann möglich, wenn das Verfahren zur Klärung der Rechtsfrage bereits anhängig ist.[22]
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Wenig hilfreich ist für den Anzeigenden eines Wirtschaftsdelikts gem. § 374 Abs. 1 Nr. 5a, 7 und 8 StPO, wenn es nach Verneinung des öffentlichen Interesses nach § 376 StPO[23] zu einer Verweisung auf den Privatklageweg kommt, da sich solche Verfahren in der Regel durch ihre lange Dauer und ein geringes Interesse seitens der Justiz auszeichnen. Dies gilt auch dann, wenn das Verfahren später von der Staatsanwaltschaft gem. § 377 Abs. 1 S. 2 StPO übernommen wird, weil auch in diesem Fall Dauer und Verlauf des Verfahrens nachteiliger sind, als wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren von Beginn an selbst betrieben hätte.
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Auf das in §§ 172 ff. StPO geregelte Klageerzwingungsverfahren[24] kann der Geschädigte nur nach einer Verfahrenseinstellung gem. § 170 Abs. 2 S. 1 StPO zurückgreifen; dies gilt bei den Privatklagedelikten nur unter der weiteren Einschränkung, dass die prozessuale Tat auch ein Offizialdelikt beinhaltet.[25] Ansonsten bleibt es nur bei der Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde.
4. Selbstanzeige des Schuldners
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Der nemo-tenetur-Grundsatz wird im Steuerstrafrecht durch das „Verwendungsverbot“ in § 393 Abs. 2 S. 1 AO erweitert, das dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit bietet, seiner Verpflichtung zur Offenbarung aller steuerlich relevanten Tatsachen, also auch strafbarer Verhaltensweisen, nachzukommen.[26] Nach § 393 Abs. 2 S. 2 AO gilt dieses Verwendungsverbot allerdings nicht für Straftaten, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift ist jedoch fraglich.[27]
Freiwillige Angaben zu allgemeinen Straftaten, die in Tateinheit mit der angezeigten Steuerstraftat stehen und die im Rahmen der Selbstanzeige gem. § 371 AO gemacht werden, werden von diesem Verwendungsverbot allerdings nicht erfasst.[28] Das Verwendungsverbot greift auch dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige eine allgemeine Straftat preisgibt, die er gleichzeitig mit der Steuerstraftat begangen hat und beide Delikte eine Tat im prozessualen Sinne bilden.[29]
Da das Beweisverwendungsverbot des § 393 Abs. 2 S. 2 AO seinem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen ist, ist es auf die genannten Fälle nicht anwendbar. Zum einen werden hier dem Staat keine neuen Steuerquellen eröffnet, zum anderen sind keine steuerrechtlichen Offenbarungspflichten betroffen, die mit steuerrechtlichen Mitteln zwangsweise durchsetzbar sind (vgl. § 328 AO). Entsprechend sind zusammen mit Steuerstraftaten offenbarte Anhaltspunkte für begangene Insolvenzdelikte des Täters nicht von § 393 Abs. 2 AO erfasst.
5. Zufallsfunde im Sinne von § 108 Abs. 1 StPO
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Die Regelung des § 108 StPO bezweckt die Sicherstellung möglicher Beweismittel für ein anderes Verfahren. Sie will damit das allgemeine Beschlagnahmerecht (nicht jedoch das Recht zur Durchsuchung) in Fällen erweitern, in denen die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme im Übrigen nicht gegeben sind.[30] Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zu Unrecht vom Vorliegen von Gefahr im Verzug ausgegangen wurde oder wenn der Ermittlungsbeamte die Beweisbedeutung des Gegenstandes für ein anderes Verfahren nicht einschätzen kann bzw. nicht weiß, ob ein anderes Verfahren bereits eingeleitet wurde.[31]
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Die einstweilige Beschlagnahme nach § 108 Abs. 1 StPO ist eine vorläufige Maßnahme, die vorsieht, dass die Staatsanwaltschaft den beschlagnahmten Gegenstand auf seine Beweisrelevanz für das andere Verfahren überprüft. Diese Maßnahme wird bereits dann ergriffen, wenn ein ungewisser Verdacht einer Straftat oder der mutmaßliche Zusammenhang mit einer bereits bekannten Tat vorliegt. Es reicht also die nahe liegende Möglichkeit, dass der Gegenstand zum Beweis einer anderen Straftat geeignet ist, aus.[32] Die Vorschrift bietet jedoch keine Rechtsgrundlage für eine gelegentlich der Durchsuchung erfolgende Ausschau bzw. gezielte Suche nach „Zufallsfunden“.[33] Ein solches Vorgehen wird häufig bei der Vorbereitung und Vornahme der Durchsuchung deutlich, wenn etwa „vorsorglich“ Steuerfahnder zum Brandstiftungstatort mitgenommen werden.[34]
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Für die Beschlagnahme von Zufallsfunden im Rahmen einer Durchsuchung bei einem Berufsgeheimnisträger gelten Besonderheiten.[35] Auch hier dürfen Gegenstände, die auf eine andere Straftat hindeuten als die, wegen der die Durchsuchung durchgeführt wird, grds. sichergestellt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die andere Straftat vom Berufsgeheimnisträger selbst, seinem Mandanten oder einem Dritten begangen wurde; allerdings ist die einstweilige Beschlagnahme dann unzulässig, wenn in einem hypothetischen Verfahren wegen der Tat, auf die sich der Zufallsfund bezieht, der Beschlagnahme ein Beschlagnahmeverbot bspw. nach § 97 StPO oder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegenstehen würde. Wichtig ist dies insbesondere bei der Durchsuchung bei Angehörigen der in § 53 StPO genannten Berufe, wenn ein Beweisgegenstand im Sinne des § 97 Abs. 2 S. 3 StPO oder eine strafrechtliche Verstrickung des Berufsgeheimnisträgers nicht gegeben ist und daher der Berufsgeheimnisträger an der Tat, hinsichtlich derer die Sicherstellung erfolgt, nicht beteiligt ist.[36]
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Ein prozessual schwerwiegender Verstoß gegen die Grenzen einer richterlich angeordneten Durchsuchung kann ausnahmsweise dann zu einem Verwertungsverbot führen, wenn das Interesse an der Tataufklärung aufgrund der Schwere des Eingriffs hinter dem Interesse des betroffenen Bürgers am Schutz seiner Privatsphäre zurücktreten muss. Für nicht richterlich angeordnete Durchsuchungen kann freilich nichts anderes gelten.[37]
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Will sich ein Betroffener gegen die Beschlagnahme eines Zufallsfundes wenden, so kann er sowohl für die richterlich angeordnete als auch für die nicht richterlich angeordnete Durchsuchung die Entscheidung des Richters nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO beantragen, da der Rechtsschutz sich gegen die Art und Weise der Durchsuchung richtet.[38]
6. Sonstige Ermittlungsanlässe
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Gelegentlich geben auch der Insolvenzverwalter oder die den Ermittlungsbehörden zugeleiteten Zivilakten den Anstoß für Ermittlungen bezüglich möglicher Insolvenzstraftaten. Im Regelfall erhält die Staatsanwaltschaft jedoch Kenntnis von Zwangs- und Vollstreckungsmaßnahmen über Mitteilungen der Insolvenz- und Vollstreckungsgerichte nach der „Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen“ (MiZi), einer bundesweit geltenden Vereinbarung zwischen dem Bundesjustizministerium und den Landesjustizverwaltungen, beruhend auf § 12 Abs. 5 EGGVG. Diese enthalten vom Vollstreckungsgericht Informationen über die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung einer AG, KGaA, GmbH, Genossenschaft oder OHG bzw. KG, deren Gesellschafter keine natürliche Person ist bzw. den Erlass eines Haftbefehls nach § 901 ZPO gegen eine der genannten Gesellschaften. Sie können aber auch vom Insolvenzgericht die Mitteilung der Abweisung der Insolvenzeröffnung mangels Masse bzw. über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beinhalten.[39]
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Die Ermittlungsbehörden fordern in der Regel sämtliche IN-Akten beim Insolvenzgericht an, die gerade bei der Antragstellung durch den Gläubiger (§ 14 Abs. 1 InsO) wertvolle Informationen zur Zahlungsunfähigkeit des Schuldners enthalten. Anhaltspunkte für strafbare Handlungen in den Insolvenzakten sind insbesondere die fehlende oder verzögerte Vorlage von Unterlagen durch den Schuldner, die entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung von Vermögenswerten auf nahe Angehörige bzw. die Abweichung der Vermögensübersichten von früheren Bilanzen oder Ähnliches (Verdacht des Beiseiteschaffens). Verdächtig ist außerdem die Stellung des Antrags durch einen Gläubiger, insbesondere durch den Sozialversicherungsträger (Verdacht der Insolvenzverschleppung bzw. einer Straftat nach § 266a StGB). Weiterhin Verdacht begründend ist, dass die Summe der Forderungsabtretungen die Außenstände übersteigt (Erschleichen von Bank- oder Warenkrediten) oder seit Monaten Lohnrückstände bestehen, aber vor kurzem noch Lieferverbindlichkeiten begründet wurden (Lieferantenbetrug).
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Anlass für Ermittlungen wegen etwaiger Insolvenzdelikte geben zuweilen auch vergebliche Vollstreckungsmaßnahmen, bei denen der Gerichtsvollzieher Pfandabstand erklärt.[40] Überdies sind die Pfändungsprotokolle des Gerichtsvollziehers eine wichtige Erkenntnisquelle, da sich daraus die Zahl und das Datum der Vollstreckungsaufträge der Gläubiger sowie die Höhe der jeweiligen Forderung und der Vollstreckungserfolg ergeben. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der zuständige Dienstvorgesetzte des Gerichtsvollziehers diesem zunächst eine Aussagegenehmigung nach § 54 Abs. 1 StPO, Nr. 66 RiStBV erteilen muss.[41]
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Gerade die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ist durch die Ermittlungsbehörden in der Regel sehr schwer nachzuweisen.[42] Neben dem Rückgriff auf die wirtschaftskriminalistischen Beweiszeichen und das betriebswirtschaftliche Gutachten behilft man sich hier auch manchmal damit, dass man nach letztlich eingetretener Zahlungsunfähigkeit das „Drohen der Zahlungsunfähigkeit“ für den Zeitraum davor einfach annimmt. Abgesehen davon, dass ein solcher Rückschluss unbestritten unzulässig ist, weil richtigerweise für einen bestimmten Stichtag davor die drohende Zahlungsunfähigkeit ex-ante festgestellt werden muss, ist auch dies schwer nachzuweisen, weil es für den Begriff des „Drohens“ keine konkrete Definition gibt, sondern vielmehr eine Art Prognose vorgenommen werden muss.[43]
Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch, ob die Ermittlungsbehörden im Falle des Schuldner-Eigenantrags wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und der daraufhin erfolgenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit ausgehen dürfen. Die Strafbarkeitsbedingung des § 283 Abs. 6 StGB ist mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls gegeben. Hinsichtlich der Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit als Tatbestandsvoraussetzung des § 283 Abs. 1 StGB zieht das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes aber nicht zwingend eine Bindungswirkung nach sich.[44]
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Weitere Hintergrundinformationen zu möglichen Insolvenzdelikten erhalten die Ermittlungsbehörden über das Handels- oder Genossenschaftsregister bzw. das Gewerbe- bzw. Gewerbezentralregister.[45] Letzteres enthält nach § 149 GewO vollziehbare und nicht mehr anfechtbare Entscheidungen der Verwaltungsbehörden, die die Ungeeignetheit oder die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden betreffen. Es beinhaltet aber auch Informationen über mögliche Strohmannverhältnisse, soweit sie den Verwaltungsbehörden bekannt sind. Da das Gewerbezentralregister jedoch in erster Linie den Verwaltungs- und Bußgeldbehörden dienen soll, sind die Auskunftsrechte der Strafverfolgungsbehörden nach § 150a Abs. 2 GewO beschränkt.[46]
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Auch Anfragen der Ermittlungsbehörden bei den Krankenkassen oder Finanzbehörden nach Zahlungsrückständen sind nicht unüblich. Die Daten, die bei den Sozialbehörden zu Strafverfolgungszwecken zu erheben sind, unterliegen dem Sozialgeheimnis des § 35 Abs. 1 SGB I und dürfen nur nach Maßgabe der §§ 67 ff. SGB X erhoben werden. Ansonsten gibt es weder eine Auskunftspflicht noch eine Verpflichtung zur Vorlage der Sozialdaten (§ 35 Abs. 2, Abs. 3 SGB I). In Wirtschaftsstrafverfahren sind Sozialdaten oft bei Taten nach § 266a StGB relevant. Die hier zuständige Stelle (etwa die AOK) ist dabei gegenüber der Staatsanwaltschaft nach § 69 Abs. 1 Nr. 1, 2 SGB X zur Auskunft verpflichtet. Die weitere Auskunftsverpflichtung gegenüber Strafverfolgungsbehörden richtet sich nach den §§ 68 Abs. 1, 73 SGB X. Letztere Vorschrift erfordert einen richterlichen Beschluss.[47]
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Gerade bei Insolvenzstraftaten bieten sich Ermittlungen bei der Hausbank des Schuldners an, die Informationen zu Kontenbewegungen, aber auch Kreditvereinbarungen, betriebswirtschaftlichen Auswertungen, Bilanzen und sonstigem Schriftverkehr haben. Diese Informationen machen sich die Ermittlungsbehörden regelmäßig durch ein Auskunftsersuchen (Bankanfrage), dem die Banken nachkommen müssen, eine Durchsuchung nach § 103 StPO, deren Voraussetzungen im Regelfall vorliegen,[48] oder über den informellen Weg zugänglich. Hier gilt, dass es ein strafprozessual zu beachtendes Bankgeheimnis nicht gibt, unter Umständen jedoch die Einschaltung des Ermittlungsrichters angezeigt sein kann.[49]
Der Durchsuchungsbeschluss enthält häufig eine Abwendungsbefugnis des Kreditinstituts, d. h., dass dem Beschluss ein schriftliches Auskunftsersuchen beigefügt ist, über dessen Beantwortung die Bank die Durchsuchung abwenden kann. Ein solches Vorgehen ist allerdings dann nicht angezeigt, wenn es sich um gewichtige Straftaten handelt oder die Beteiligung eines Bankmitarbeiters an der Straftat zu befürchten ist. Im Übrigen beinhaltet der Durchsuchungsbeschluss zumeist die Anweisung, dass der Kunde über die Ermittlungsmaßnahmen nicht informiert werden darf.
Bei derartigen Ermittlungen sind für die Strafverfolgungsbehörden vor allem die Kontenübersichten der letzten Monate und Informationen zu Konten, Krediten und Sicherheiten des Schuldners sowie zu Erhöhungen der Kreditlinie, unberechtigten Überziehungen derselben, nicht erfolgten Überweisungen, Scheckrückgaben, Wechselprotesten, Kündigungen von Krediten, Zugriffen auf Sicherheiten etc. von Bedeutung.[50]
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In der Regel holt die Staatsanwaltschaft in solchen Fällen eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis ein. Sofern sich daraus die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung des Schuldners ergibt, ist dies ein deutlicher Hinweis auf die eingetretene Zahlungsunfähigkeit. Dagegen kann man aus einem im Schuldnerverzeichnis enthaltenen Hinweis auf den Erlass eines Haftbefehls nach § 901 ZPO gegen den Geschäftsführer noch keinen verlässlichen Schluss ziehen, da der Gläubiger möglicherweise vor Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, etwa zur Abwendung der Haftbefehlsvollstreckung, befriedigt worden sein kann.
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Die routinemäßige Anforderung aller M-Akten ist dabei auch bei der Prüfung des Vorliegens einer Insolvenzverschleppung nicht notwendig, weil ihr Inhalt nur einen geringen Erkenntnisgewinn verspricht. Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse haben ebenso wie gerichtliche Durchsuchungsgestattungen gem. § 758 ZPO allein nur eine geringe Aussagekraft. Denn erfolglose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ziehen in der Regel Ladungen zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bzw. Haftbefehlsanträge nach sich, die sich jedoch auch schon aus dem Schuldnerverzeichnis ergeben. Die Anforderung der M-Akte ist insofern nur dann sinnvoll, wenn es auf den genauen Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit ankommt.[51]
Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › G. Prozessuale Besonderheiten › II. Untersuchungsspektrum
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