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Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › C. Geschützte Rechtsgüter und Systematik des Insolvenzstrafrechts

C. Geschützte Rechtsgüter und Systematik des Insolvenzstrafrechts

Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › C. Geschützte Rechtsgüter und Systematik des Insolvenzstrafrechts › I. Geschützte Rechtsgüter der Insolvenzdelikte

I. Geschützte Rechtsgüter der Insolvenzdelikte

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Der Rechtsgüterschutz innerhalb der Insolvenzstraftaten ist komplexer Natur und unterschiedlich akzentuiert.[1] Es kann zwischen individuellen und überindividuellen Rechtsgütern differenziert werden.[2] Die Frage nach dem Rechtsgut hat zum einen Relevanz für die verfassungsrechtliche Legitimation bzw. für die Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit des gesamten Insolvenzstrafrechts, zum anderen sind die geschützten Rechtsgüter insbesondere bei der Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale zu berücksichtigen.[3]

Außerdem hängt von den geschützten Rechtsgütern ab, ob es sich bei den Strafgesetzen um Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB handelt (Rn. 726, 1026, 1344). Soweit Individualrechtsgüter geschützt werden, handelt es sich um Schutzgesetze, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch zur Folge hat.

1. Schutz individueller Rechtsgüter

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Zunächst schützen die §§ 283 ff. StGB die Vermögensinteressen der Gläubiger als eine faktische (nicht rechtliche[4]) Interessengemeinschaft an einer größtmöglichen, ihrem jeweiligen insolvenzrechtlichen Rang entsprechenden Befriedigung aus dem Vermögen des Gemeinschuldners.[5] Ob dies nur zum Nachteil der Gesamtgläubigerschaft oder möglicherweise auch nur zum Nachteil eines einzigen Gläubigers möglich ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten:[6] Existieren mehrere Gläubiger, so kommt es auf die Gesamtheit der Gläubiger und ihre Befriedigung an.[7] Dies belegt der Straftatbestand der Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB.[8]

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Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Bewahrung der Gläubiger vor Vermögenseinbußen, die aus dem Eingehen unerlaubter Risiken des Schuldners resultieren, sei der umfassende Schutzzweck der Insolvenzdelikte.[9] Zur Präzisierung bedürfe es dann einer genaueren Zweckbestimmung zwischen den bestandsbezogenen und den informationsbezogenen Normen.[10]

Anderenorts wird proklamiert, Schutzgut bei der Verletzung der Buchführungspflicht des § 283b StGB sei der Schutz von Treu und Glauben im Wirtschaftsverkehr.[11] Diese Zweckbestimmung wird zu Recht als zu wenig spezifisch abgelehnt, da diese Einstufung nicht der Bedeutung der Buchführung im heutigen Wirtschaftsleben gerecht wird.[12]

Andere Autoren betonen schließlich, das Rechtsgut der §§ 283 ff. StGB sei der Schutz der etwaigen (potenziellen[13]) Insolvenzmasse vor unwirtschaftlicher Verringerung, Verheimlichung und ungerechter Verteilung.[14] Diese Ansicht überzeugt nicht, weil ein solches Rechtsgut zum Zeitpunkt der Tathandlung noch gar nicht existieren musste, sondern erst durch die jeweilige Tathandlung hervorgebracht werden kann. Ansonsten müsste der Gläubiger – insbesondere bei einem Handeln vor der Krise nach § 283 Abs. 2 StGB – als Träger eines Rechtsguts eingestuft werden, das nicht nur im Eigentum des Täters steht, sondern bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch dessen alleiniger Verfügungsberechtigung unterliegt.[15] Somit handelt es sich bei der Insolvenzmasse weniger um das geschützte Rechtsgut als um das Tatobjekt, an dem sich die Tat verwirklicht.[16] Ein weiterer Einwand gegen die soeben genannte Ansicht ist, dass danach der Rechtsgutsbezug der informationsbezogenen Insolvenzdelikte unklar bleibt.[17] Im Ergebnis ist es daher abzulehnen, die Insolvenzmasse als eigenständiges Rechtsgut einzustufen.

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Im Jahre 1999 wurde bei der Reform der Insolvenzordnung die Gestaltungsfreiheit der Gläubiger ausgedehnt. Nunmehr können diese auch darüber entscheiden, inwieweit das in die Insolvenz geratene Unternehmen des Schuldners liquidiert oder aber fortgeführt werden soll. Ob diese erweiterte Gestaltungsfreiheit ebenfalls ein selbstständiges Rechtsgut der §§ 283 ff. StGB darstellt, ist umstritten. Eine Ansicht[18] bejaht dies, teilweise kumulativ zum Schutzgut des Gläubigervermögens,[19] mit der Begründung, dass der Schuldner, der durch wirtschaftswidrige Dispositionen sein Vermögen verringere, nicht nur die Verteilungsquote der Gläubiger im Fall der Zerschlagung, sondern auch den wirtschaftlichen Gestaltungsspielraum der Gläubiger im Insolvenzverfahren reduziere.[20] Dem Gläubiger solle durch diesen Gestaltungsspielraum jedoch die Möglichkeit gegeben werden, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners durch eigene sachgemäße Maßnahmen wieder herzustellen. Dadurch solle eine – gegenüber der Zerschlagung – weitergehende Erfüllung der schuldnerischen Verbindlichkeiten erreicht werden. Der Gläubiger habe ein schützenswertes Interesse dahingehend, dass der Schuldner in Anspruch genommenes Vertrauen nicht missbrauche. Hier bestehe die Gefahr, dass der Schuldner außerhalb des eingeräumten unternehmerischen Risikos eine Situation drohenden Forderungsausfalls schaffe.[21] Dies müsse verhindert werden. Für die Einordnung der Gestaltungsrechte als eigenständiges Rechtsgut spreche schließlich auch die Neuausrichtung der Ziele des Insolvenzverfahrens durch die InsO. So wurde auf der einen Seite die Sanierung neben die Liquidation gestellt und auf der anderen Seite dem Gläubiger das Verfügungsrecht über das schuldnerische Vermögen übertragen.[22]

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Die vorzugswürdige Gegenansicht[23] lehnt die Einbeziehung der Gestaltungsfreiheit der Gläubiger in den Kreis der Rechtsgüter ab und sieht in den Gestaltungsinteressen auch nach der reformierten Insolvenzordnung lediglich einen unselbstständigen Bestandteil der Befriedigungsinteressen der Gläubiger. Die Fortführung eines Unternehmens müsse als bloße Form der intensiven Verwertung des Schuldnervermögens angesehen werden, was kein eigenständiges Ziel des Insolvenzverfahrens darstelle. Insofern gehen die §§ 283 ff. StGB konform mit jedem anderen Vermögensdelikt, bei dem ebenfalls mit der Vermögensschädigung stets eine Beeinträchtigung der jeweiligen Dispositionsfreiheit bezüglich des Vermögens einhergeht.[24]

Diese Auseinandersetzung hat praktische Relevanz sowohl für die Frage nach der Rechtfertigung eines bestimmten Verhaltens als auch dafür, ob das entsprechende Verhalten den Anforderungen einer als ordnungsgemäß einzustufenden Wirtschaft genügt. So lässt sich im Ergebnis die Gestaltungsmacht nicht von den Vermögensinteressen der Gläubiger ablösen.[25] Das Hochstilisieren der Gestaltungsfreiheit zum eigenen Rechtsgut hieße allerdings, Mittel und Zweck miteinander zu verwechseln.[26] Im Ergebnis hat die Reform der Insolvenzordnung aus dem Jahre 1999 damit zu keiner wesentlichen Änderung der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter geführt.

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Auch wenn die InsO keinen Bestandsschutz für Arbeitsplätze während des Insolvenzverfahrens gewährt[27] und Arbeitnehmerinteressen im strafrechtlichen Sinne nicht vorzugsweise geschützt sind[28], werden auch Arbeitnehmer des Täters auf Grund des Einsatzes ihrer zu entlohnenden Arbeitskraft, wenn auch nicht vorrangig[29], so doch gleichrangig mit anderen Gläubigern in den Gläubigerschutz der §§ 283 ff. StGB einbezogen.[30] Teilweise zählt man zu den geschützten Arbeitnehmerinteressen auch den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung[31], vertraglich oder tariflich vereinbarte Abfindungen, Rechte aus der betrieblichen Altersversorgung, Entschädigungen für Wettbewerbsabreden und im Anstellungs- oder Tarifvertrag vereinbarte Abfindungen, Schadensersatzansprüche sowie Ansprüche aus den Vorschriften über Interessenausgleich, Sozialplan und Nachteilsausgleich gem. §§ 112–113 BetrVG sowie Ansprüche aus § 113 S. 3 InsO.[32]

Andere Autoren[33] betonen, von einem Bestandsschutz der Arbeitsverhältnisse könne angesichts der in den §§ 113 Abs. 1, 125, 128 Abs. 2 InsO getroffenen Regelungen keine Rede sein. Es bestehe keine Veranlassung, den Erhalt des Arbeitsverhältnisses zu einem eigenständigen, von den Befriedigungsinteressen anderer Gläubiger divergierenden strafrechtlich geschützten Rechtsgut zu erheben. Bezüglich der Auslegung des unternehmensinsolvenzrechtlich bedeutsamen Begriffs des ordnungsgemäßen Wirtschaftens[34] spielen spezifische Arbeitnehmerinteressen keine Rolle.[35]

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Teilweise wird vertreten, entgegen der vom BGH[36] im Kontext von § 266a StGB vertretenen Ansicht komme Ansprüchen von Sozialversicherungsträgern auf die Arbeitnehmerbeiträge der Sozialversicherungen weder vor noch während der Krise des schuldenden Arbeitgebers Vorrang zu.[37] Der Arbeitsplatz selbst solle nicht unmittelbar geschützt werden, da das Arbeitsverhältnis nicht durch die Insolvenz beendet wird und keinen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellt.[38] Zwar gehen Insolvenzen in der Praxis häufig mit der Vernichtung von Arbeitsplätzen einher, jedoch handelt es sich dabei lediglich um einen Schutzreflex, nicht um ein Individualrechtsgut der §§ 283 ff. StGB.[39] An dieser Einschätzung ändert auch das Inkrafttreten der InsO im Jahre 1999 nichts. Zwar wird durch die Formulierung in § 1 S. 1 InsO ausdrücklich der „Erhalt des Unternehmens“ als ein Mittel der Gläubigerbefriedigung eingestuft, wodurch zumindest mittelbar auch der Erhalt von Arbeitsplätzen angestrebt wird. Jedoch gewährt die InsO keinen Bestandsschutz für Arbeitsplätze im Insolvenzverfahren.[40]

2. Schutz überindividueller (sozialer) Rechtsgüter

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Im Bereich der Wirtschaftskriminalität besteht die strafrechtsdogmatische Besonderheit, dass regelmäßig der Schutz überindividueller Rechtsgüter im Raum steht.[41] Auch wenn dieser Ansatz im Einzelfall gelegentlich als ein „wolkiges“ oder „luftiges“, weil „frei erfundenes“ Gebilde kritisiert wird[42], ist seine positiv-rechtliche Legitimation dem Wirtschaftsstrafrecht geradezu immanent. So erlaubt die Anknüpfung an solche „sozialen“ Rechtsgüter nicht nur eine befriedigende Erfassung der meisten Wirtschaftsstraftaten, sondern hat zu der auch international gewachsenen Erkenntnis beigetragen, in diesem Deliktsbereich vorzugsweise abstrakte Gefährdungsdelikte als angemessene Reaktionsform des Strafrechts zum Schutze dieser Rechtsgüter einzusetzen.[43] Bei den Insolvenzstraftaten handelt es sich daher um Straftatbestände, die der Gesetzgeber als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet hat.[44] Bei den §§ 283 bis 283d StGB wird eine konkrete Gefährdung oder Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen nicht vorausgesetzt. Wenn § 283 Abs. 1 StGB ebenso wie die §§ 283b, 283c und 283d StGB bereits die Vornahme einer Bankrotthandlung unter Strafe stellt, liegt ein Grund hierfür in der Schwierigkeit begründet, eine kausale und schuldhafte Verursachung einer Insolvenz durch den Täter im Nachhinein zu beweisen. Die dogmatische Rechtfertigung der Insolvenzstraftatbestände stellt darauf ab, dass solche Handlungen typischerweise insolvenzträchtig sind. Allerdings muss als objektive Strafbarkeitsbedingung hinzukommen, dass der Täter oder das von ihm vertretene Unternehmen seine Zahlungen einstellt, über das Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen wird. Erst von diesem Zeitpunkt an besteht ein Strafbedürfnis.[45] Dabei ist kein Kausalzusammenhang zwischen der Bankrotthandlung und der Strafbarkeitsbedingung erforderlich.[46] Jedoch muss ein gewisser zeitlicher und tatsächlicher Zusammenhang gegeben sein.[47] Es reicht hierfür aus, wenn Forderungen, die zur Zeit der Bankrotthandlungen bestanden, bis zur Zahlungseinstellung noch nicht getilgt waren. Wurde die Unternehmenskrise zwischenzeitlich überwunden oder beruht der Unternehmenszusammenbruch auf anderen Gründen, so entfällt das Strafbedürfnis.[48]

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Einige Autoren[49] lehnen hier ein überindividuelles Rechtsgut als reinen Schutzreflex ab, der sich aus der Struktur der als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgeformten Insolvenzstraftaten ergebe. Der herrschenden Ansicht wird kritisch entgegengehalten, sie verwechsle das geschützte Gut eines Tatbestandes mit dem Anlass seiner Schaffung.[50] Zudem seien Rechtsgutsformulierungen auf einem derart hohen Abstraktionsniveau zur Erfassung der empirischen Relation zwischen deliktischer Handlung und Rechtsgutsbeeinträchtigung ungeeignet. Dadurch werde nicht klärend zur Interpretation des jeweiligen Tatbestandes beigetragen, was jedoch primäre Aufgabe einer Rechtsgutsbestimmung sei.[51] Der Rückschluss von dem durch Insolvenzen verursachten hohen volkswirtschaftlichen Schaden auf das Bedürfnis nach einem überindividuellen Rechtsgut sei schon aus dem Grund nicht valide, weil Quantität nicht in Qualität umschlagen könne. Genauso wenig könne der Schluss von der Schädlichkeit einer Ketten- und Fernwirkung von Insolvenzen für abhängige Unternehmen auf ein überindividuelles Schutzgut überzeugen, denn hier liege nur eine Addition von Einzelschäden vor, bei denen der schuldrelevante Bezug zum Täter unklar sei.[52] Die angeführte Sog- und Spiralwirkung verwechsle außerdem den schädlichen Effekt, den die Nichtbefolgung (irgend)einer Norm hervorrufe, mit dem Schaden, den diese Norm durch Befolgung vermeiden solle. Dadurch setze man die Generalprävention und den Schutzzweck der Norm unzulässiger Weise gleich.[53] Das Argument des verletzten Vertrauens in die Wirtschaft sei schließlich kein spezielles Problem der Insolvenzdelikte, sondern verallgemeinerungsfähig und trage somit nichts zum spezifischen Normverständnis der Insolvenzstraftaten bei.[54]

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Ob neben den gegenwärtigen auch potentielle (zukünftige) Gläubiger als Träger schutzwürdiger Vermögensinteressen auftreten können[55], ist umstritten.[56] Von der herrschenden Meinung[57] wird mit Blick auf die verfassungsrechtliche Legitimation[58] auch ein überindividuelles Interesse am Schutz des gesamtwirtschaftlichen Systems bejaht. Dafür spricht, dass die Insolvenz infolge der starken wirtschaftlichen Verflechtung der Gläubiger untereinander typischerweise einen Dominoeffekt zu Lasten weiterer Wirtschaftssubjekte weit über den Kreis der eigentlichen (aktuellen) Gläubiger hinaus auslöst.[59] Die Tatsache, dass die §§ 283 ff. StGB – anders als reine Vermögensdelikte – ein bloß abstrakt gefährliches Verhalten schon bei einfacher Fahrlässigkeit als strafrechtswidrig einstufen (vgl. etwa § 283b Abs. 2 StGB), ließe sich zudem ansonsten nicht rechtfertigen.[60] Weiter wird zu Recht auf die hohen Schäden und auf die Sog- und Spiralwirkung hingewiesen, die von Insolvenzdelikten verursacht werden bzw. von ihnen ausgehen.[61] Schließlich werde das Vertrauen in das Wirtschaftssystem insgesamt – zumindest aber sektoral – durch solche Delikte verletzt, was dieses in seiner Bestandskraft beeinträchtige und allein schon aus diesem Grund eine erhöhte Schutzwürdigkeit aufweise.[62] Zusammengefasst rekurrieren die angeführten Argumente zum einen auf die mögliche gesamtwirtschaftliche Bedeutung einer einzelnen Insolvenz, zum anderen auf das gestörte Vertrauen in den Kredit als ein notwendiges Instrumentarium einer modernen Wirtschaftsordnung.[63] Hierbei kommt es nicht auf das individuelle Vertrauen der Marktteilnehmer, sondern auf das institutionalisierte Vertrauen an.[64]

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Ob daneben speziell die Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft geschützt werden soll, ist umstritten.[65] Der Bundesgerichtshof[66] tendiert dazu, diese Frage zu bejahen. Allerdings ist unklar, welche konkrete Gestalt die Kreditwirtschaft als eigenständiges Schutzgut haben soll. So ist zu bedenken, dass die §§ 283 ff. StGB als echte Sonderdelikte[67] für den tauglichen Täter die Stellung eines Schuldners vorschreiben, der jedoch nur seinen Gläubigern und nicht der Allgemeinheit oder der Kreditwirtschaft gegenüber in einer besonderen Weise verpflichtet ist.[68]

3. Bedeutung der Rechtsgutsdiskussion für die strafrechtliche Praxis

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Die besondere Bedeutung der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter über den Bereich der teleologischen Auslegung hinaus ist unbestritten.[69] Trotz einer lebhaften Auseinandersetzung mit diesem Problemfeld in der Literatur blieb bisher ungeklärt, nach welchen Kriterien sich die Bestimmung der jeweiligen Rechtsgüter der Straftatbestände richtet. Teilweise kann auf ein Werturteil der positiven Rechtsordnung abgestellt werden. Dieser Anhaltspunkt hilft mit Blick auf den Regierungsentwurf des 1. WiKG für die Rechtsgutsbestimmung bei den §§ 283 ff. StGB jedoch nicht weiter, da dort die Frage nach weiteren strafrechtlich geschützten Rechtsgütern unbeantwortet geblieben ist.

Den Insolvenzdelikten sind negative überindividuelle Auswirkungen auf das Umfeld des Täters nicht nur immanent, sondern sie sind geradezu typisch für sie. Häufig handelt es sich um Fälle starker Fremdfinanzierung. Eignen sich die Folgen eines Deliktsfeldes generell zur Beeinträchtigung bestimmter Interessen, so verdienen sie – vorbehaltlich des positiven Kontrollmaßstabes normativ zu bestimmender Wertverwirklichung[70] – einen besonderen rechtlichen Schutz. So besteht ein Allgemeininteresse an einer Verhütung übergreifender Gefahren für die moderne Wirtschaft.

Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › C. Geschützte Rechtsgüter und Systematik des Insolvenzstrafrechts › II. Systematik der Insolvenzdelikte

II. Systematik der Insolvenzdelikte

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Hinsichtlich des Gegenstands und des Zwecks der Regelung der §§ 283 ff. StGB kann unterschieden werden zwischen den bestandsbezogenen Bankrotthandlungen, durch die eine Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit oder Verringerung des Vermögensbestands, der im Falle einer Insolvenz zur Insolvenzmasse zählt, herbeigeführt wird, und den informationsbezogenen Bankrottdelikten, durch die der Täter unrichtige Informationen über seinen Vermögensbestand gibt oder die ihm obliegende Darstellung seines Vermögensbestands unrichtig oder überhaupt nicht ausführt.

Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › C. Geschützte Rechtsgüter und Systematik des Insolvenzstrafrechts › III. Sonderdelikte

III. Sonderdelikte

1. Schuldner

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Dem Gesetzeswortlaut könnte man wegen der Verwendung des Wortes „wer“ entnehmen, dass als Täter jedermann in Frage kommt. In Wirklichkeit ist aber – mit Ausnahme des § 283d StGB – der Täterkreis rechtlich auf Schuldner beschränkt, d. h. auf Personen, die für die Erfüllung einer Verbindlichkeit haften[71] und die Zwangsvollstreckung zu dulden haben.[72] Die Schuldnereigenschaft muss zum Zeitpunkt der Tatbegehung, nicht mehr bei Eintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingung gegeben sein. Schuldner kann jedermann sein: nicht nur Kaufleute, sondern auch Privatpersonen kommen in Betracht.[73] Die Tätereigenschaft kann sich daraus ergeben, dass der Handelnde als Schuldner tätig wird. Täter kann ferner sein, wer für den Schuldner handelt. Die Schuldnereigenschaft ist dabei besonderes persönliches Merkmal im Sinne von § 14 StGB. Deshalb können auch Angehörige der steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB Täter sein, wenn sie z. B. zur Bilanzerstellung beauftragt waren und die Bilanz nicht in der vorgeschriebenen Zeit aufgestellt haben (vgl. §§ 283 Abs. 1 Nr. 7b, 283b Abs. 1 Nr. 3b StGB).[74]

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Mit der Ablösung der Konkursordnung durch die InsO wurde die Verbraucherinsolvenz eingeführt (§§ 304-312 InsO). Daher ist auch der Verbraucher tauglicher Täter der Insolvenzdelikte.[75] Dies kann zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, weshalb de lege ferenda ein eigener Tatbestand für die Verbraucherinsolvenz wünschenswert ist.[76]

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Die §§ 283 Abs. 1 Nrn. 5 und 7, 283b StGB erfordern zusätzlich die Eigenschaft eines Kaufmanns, da nur einen solchen die handelsrechtlichen Pflichten treffen. Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus dem Krisenerfordernis (§ 283 Abs. 1 StGB)[77] und der Voraussetzung der objektiven Strafbarkeitsbedingung.[78] Die §§ 283–283c StGB stellen somit ausnahmslos Sonderdelikte dar.

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