Kitabı oku: «Sehnsucht nach dem Süden»
Gerhard M. Dienes | Reinhart Grundner
Sehnsucht
nach dem Süden
Unterwegs
zwischen
VENEDIG,
TRIEST
& RIJEKA
Mit Fotos von
Martin Behr
ISBN 978-3-9904-0418-8
© 2016 by Styria Regional in der
Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG
Wien – Graz – Klagenfurt
Alle Rechte vorbehalten
Bücher aus der Verlagsgruppe Styria gibt es in jeder Buchhandlung und im Online-Shop
Lektorat: Nicole Richter
Covergestaltung: Bruno Wegscheider
Buchgestaltung, Layout: Ursula Kothgasser, www.koco.at
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016
Inhalt
Cover
Titel
Impressum
Vorwort
Die gemeinsame Vielfalt des Genusses
Griechisches oder Medea war (fast) überall
Vino della pace
Das flüssige Gold
Römisches von Pula bis Aquileia
Armut ist keine Schande
Von Basiliken, Mosaiken und würdevollen Frauen
Im Reich des Markuslöwen
Das Lieblingsgericht der Dogen
Mare, Sant’Erasmo und Mercato
Harry’s Bar, Bellini und Carpaccio
Caffè Florian
Cicchetti, Panini, Tramezzini
Italien, ganz östlich
Der Doppeladler ist gelandet
Das Wiener Schnitzel und die Habsburger
Das süße Erbe
Slawisches
Käse aus dem Karst
Die Triestiner Küche
Über die Berge weit …
Das Tal der Gelatieri
Grappa von Percoto bis Bassano
Perlendes Vergnügen
Über den Fluss und in die Täler
Genuss im Staub der Magredi
Büffelkäse aus Aviano
Bio-Bauer als Trüffelzüchter
Schwarzes und weißes Gold
Gubana, Natisone und Cividale
Straßen in den Süden
Prosciutto aus dem Tal und von den Bergen
Tavagnacco und der Spargel
Südbahnen
Istrien zwischen Koper und Piran
Istrische Köstlichkeiten
Über die Adria
Ein Schiff wird kommen …
Komm mit ans Meer
Anhang
Literaturverzeichnis
Bildnachweis
Die Autoren
Weitere Bücher
Fußnoten
Duino, Schloss am Meer
Vorwort
„ … ich bin aber kaum drei Tage hier, und schon hat mich der ganze Missmut des Wieners ergriffen. Es ist ein Elend, hier zu leben!“, schrieb Sigmund Freud einmal, als er von der Adria nach Wien zurückgekehrt war. Er erkannte, dass unser Herz in Richtung Süden schlägt. Dieser Süden ist nicht nur für den Stationschef Fallmerayer, Vorstand eines kleinen Bahnhofs an der Südbahn in Joseph Roths gleichnamiger Erzählung, mehr als lediglich eine geografische Bezeichnung. Der „Süden“ ist für Fallmerayer „das Meer, ein Meer aus Sonne, Freiheit und Glück“, wiewohl der Süden auch seine dunklen Seiten hat.
Die Frage nach dem, was uns am Süden betört, liegt im Klima beantwortet, im Licht, in der Wärme, in der Natur. Und es ist eine Frage der Kultur und der Mentalität.
Unser hier besuchter Süden ist die nordöstliche Adria – von Venedig über Triest bis nach Rijeka – und ihr Hinterland. Was die Ortsnamen anbelangt, nehmen wir die uns gebräuchlichen, also Venedig statt Venezia, verweisen aber, des besseren Verständnisses wegen, immer wieder auf die früheren Bezeichnungen, wie Rijeka/Fiume, Cres/Cherso … Die Orte unseres Betrachtungsraumes werden im Text der Übersichtlichkeit wegen da und dort durch Fettstellung hervorgehoben.
Wir verlassen also die engen Täler und Kirchturmhorizonte, uns zieht es „hinunter“ in den Süden. Mit der Sehnsucht begeben wir uns auf den Weg dorthin und machen dabei auch unterwegs schon halt, wurde doch das Land hinter der Küste und den Stränden lange Zeit nur auf der Direttissima zu den Urlaubszielen durchfahren. Wir tauchen ein in Regionen, die ungeheure Vielfalt auf engem Raum bieten. Drei Welten treffen sich hier: die romanische, die slawische und die deutsch/österreichische. Das ergibt eine dichte Kulturlandschaft mit viel Geschichte, die auch in kulinarischer und önologischer Hinsicht einen Sehnsuchtsraum darstellt.
Die gemeinsame Vielfalt des Genusses
Venetien, Friaul, Istrien – neben der Geschichte finden sich auch in den Küchen dieser Regionen viele Gemeinsamkeiten. Eine davon, wenn nicht sogar die wichtigste, ist die Polenta. Der gelbe, köstliche Brei aus Maisgrieß, der zu fast jedem Gericht passt. Zu Fleisch, zu Fisch, zu Pilzen, aber auch zu weichen Käsesorten.
Neben der Polenta zählen viele Eintopfgerichte zu den kulinarischen Gemeinsamkeiten. Im Landesinneren werden diese kräftigen Speisen, die auf die bäuerlichen Traditionen zurückgehen, oft mit Fleisch und Wurst zubereitet. Nähert man sich den Küstengebieten, dominieren natürlich Fisch und Meeresfrüchte.
Speck und Schinken, specke prosciutto,špekipršut zählen ebenfalls zu den Köstlichkeiten, die entlang der Küste von Venedig bis Opatija und natürlich jeweils im Landesinneren zu finden sind. Gemeinsam sind auch Gnocchi, Risottovariationen und natürlich Nudeln.
Der italienischen Pasta in ihrer unglaublichen Vielfalt stehen in Istrien unter anderem Fuži, Nudelplättchen – pasutice, kleine Makkaroni – pljukanci – und anderen traditionelle Nudelsorten gegenüber. Die Produktion von köstlichen Olivenölen ist eine der kulinarischen Gemeinsamkeiten, die Friaul-Julisch Venetien ebenfalls mit Istrien verbinden.
Würzige Käse wie der Asiago und der Montasio kommen aus den Bergen in Venetien und Friaul. Köstlicher Schafkäse wiederum wird auf der Insel Pag in Kroatien produziert.
Viele Gemeinsamkeiten finden sich auch bei Süßspeisen: Fritole, das sind in Öl ausgebackene süße Teigbällchen – ein Mittelding zwischen Krapfen und gebackenen Mäusen –, bekommen Sie von Verona bis nach Istrien, in Triest isst man Palatschinken, Buchteln, Strudel und Pinze. Für Udine und das Friaul ist das Hefegebäck Gubana typisch, eine schmackhafte Schwester des Kärntner Reindlings.
Wer aber glaubt, dass eine derartige Gemeinsamkeit an kulinarischen Angeboten eine Eintönigkeit im Geschmack bedeutet, irrt.
Gemeinsam ist all den Speisen eine Vielfalt an Geschmackserlebnissen, die vor allem auf die Verwendung regionaler Produkte mit regional unterschiedlichen Zubereitungsarten zurückgeht. Vermutlich einer der Gründe für die uns innewohnende Sehnsucht nach dem Süden.
Eine kleine, feine Auswahl an Weingütern
Azienda Agricola
Alessio Dorigo
33040 Povoletto (UD)
Via Subida 16 – Località Bellazoia
Tel. +39 0432 634161
Azienda Marco Felluga
Via Gorizia 121
34072 Gradisca d‘Isonzo (GO)
Tel. +39 0481 99164/922337
Azienda Russiz Superiore
Via Russiz 7
34070 Capriva del Friuli (GO)
Tel. +39 0481 80328/922337
Vie di Romans
Loc. Vie di Romans
34070 Mariano del Friuli (GO)
Tel. +39 0481 69600
Griechisches oder Medea war (fast) überall
„Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die alle hier zusammenkamen?“
Friedrich von Schillers in den „Kranichen des Ibikus“ auf Korinth bezogene Feststellung gilt auch und ganz besonders für unseren Betrachtungsraum. Wer war nicht alles hier? Schon die Hellenen fühlten sich in der episch-homerischen Landschaft des Kvarner wohl.
Hier hatte sogar Aphrodite/Venus ein Domizil. Die Göttin der Liebe soll die Insel Lošinj geliebt haben. Als Wellenschaumgeborene ist sie ohne das Meer nicht denkbar. Die salzige „Ursuppe“ wiederum wurde durch die Genitalien des Uranus fruchtbar, den sein Sohn Kronos mit einer Sichel entmannt hatte.
Auf der Insel Cres lebte (oder auch nicht) Circe/Kirke, jene Zauberin, die die Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelte.
Und wir finden mit Jason einen Prototyp männlicher Eitelkeit. Mit seinen Argonauten segelte er nach Kolchis an der Ostküste des Schwarzen Meeres. Das Goldene Vließ galt es zu holen/rauben. Medea, die Tochter des Königs von Kolchis, entflammte in heißer Liebe für Jason und half ihm, das Fell des goldenen Widders zu entwenden. Beide flohen nach Korinth. Doch Jason verließ sie wegen einer anderen. Medea tötete die Nebenbuhlerin und in rasendem Schmerz ihre von Jason gezeugten Kinder. Über Athen gelangte sie schließlich nach Asien, wo sie zur Stammmutter der Meder wurde.
So berichtet es die Sage bzw. eine ihrer Versionen. Es heißt auch, die Argonauten wären mit ihrem Schiff auf der Išther, das ist der griechische Name für die Donau, stromaufwärts gefahren und dann dem Laufe der Save gefolgt. Dort, wo der Laibach bzw. die Lublijanica in die Save mündet, erlegte Jason den Drachen, der zum Wappentier der slowenischen Hauptstadt wurde.
Oder lag das Laibach/Emona der Argonauten an der Mündung des Timavo? Von Jason begründet (auch Pula soll auf ihn zurückgehen), wäre diese Siedlung bald zerstört worden. Und Medea zog sich zurück. Nach Medea! Der so genannte Ort liegt südlich von Cormòns. Vielleicht lag hier einst das sagenumwobene Kolchis?
Jedenfalls erhebt sich auf dem Medea-Hügel von Medea seit dem Jahr 1951 ein Monument aus Travertin-Marmor: die Ara pacis, ein von vierzehn voluminösen Pfeilern umrahmter Friedensaltar. Der Ort ist gut gewählt, denn die Region war oft kriegsumtost und litt unter den Horden der Hunnen bis hin zu den Schergen der Nazis. Odium parit mortem, vitam progignit amor – „Hass führt zum Tode, Liebe zum Leben“, steht am Altar eingraviert. Trifft das für Medea zu?
Wenige Kilometer weiter in der Lagune von Grado drehte Pier Paolo Pasolini (1925 – 1975) im Jahr 1969 Teile seines Medea-Filmes mit Maria Callas.
Im Schlamm der Lagune finden Glückliche, da sie selten ist, die wunderbar geformte Argonauta-Muschel, womit wir wieder bei Jasons Truppe sind. Diese war, ihr Schiff auch auf dem Rücken tragend, an den Kvarner gelangt. In dessen Gewässern wartete bereits die Flotte der Kolcher unter der Führung von Medeas Bruder Absyrtos. Die für die Liebe Jasons alles gebende Medea lockte den Bruder in eine tödliche Falle. Aus den zerstückelten Teilen seines Körpers seien Cres und Lošinj – die Inseln werden auch Absyrtiden/Apsyrtiden genannt – entstanden.
Am istrischen Festland, nahe Lovran, soll der Ort Medveja auf die Leidenschaftliche hinweisen. Medea war (fast) überall! Oder hat man uns einen Bären aufgebunden? Denn: Der Ort könnte seinen Namen auch vom Bären haben, der heißt im Kroatischen medved – Honigfresser!
Griechische Nachwirkungen I
Er war ein Wiederentdecker der griechischen Antike, Vater der Kunstgeschichte wie der Archäologie: Johann Joachim Winckelmann (1717 – 1768). Der Gelehrte hob an der Kunst des Altertums die „edle Einfalt“ und die „stille Größe“ hervor. Ihm ging es um die Poesie idealer Körper; Körper, die niemals altern. Winckelmann war selbst, so Herder (1706 – 1763), ein „Sohn der Schönheit“ – und ein Opfer seiner eigenen Triebnatur! Der „Anwalt Apolls“ war homosexuell. Am 8. Juni 1768 wurde er in Triest auf Zimmer Nr. 10 der „Locanda Grande“ brutal ermordet. Von einem Strichjungen? Der Kriminalfall Winckelmann wurde nie ganz aufgeklärt.
Aus der Locanda Grande ist das „Grand Hotel Duchi d’Aosta“ hervorgegangen. Die „Winckelmann-Suite“ erinnert an den „feinsinnigen Deuter der vollkommen weißen Marmorstatuen.“
Griechische Nachwirkungen II
Von der Hügellandschaft zwischen Syrien und Palästina stammend, haben die Phönikier den Ölbaum nach Griechenland gebracht. Den Hellenen war das Öl heilig und wurde dermaßen verehrt, dass Anbau und Pflege der Olivenhaine ausschließlich Jünglingen und Jungfrauen übertragen wurden. Von den Griechen wurde der Ölbaum auf die italienische Halbinsel gebracht und schließlich im ganzen Mittelmeerraum verbreitet.
Zu den autochthonen weißen Rebsorten des Karstes gehört der Malvasier/Malvasia Istriana („Mens sana in Malvasia Istriana!“). Er wächst hier seit der Römerzeit. Angeblich hat die Rebe ihren Namen von der griechischen Stadt Monembasia, von wo sie hierherkam.
Vino della pace
Eine Weinkellerei im Collio in Friaul keltert alljährlich einen ganz besonderen Wein: den Vino della pace, den Friedenswein.
1985 begann Luigi Soini, der Direktor der Cantina Produttori Cormòns – einer Genossenschaft, die aus 200 Weinbauern besteht –, die Idee des Vino della pace umzusetzen. Jedes Jahr zu Weihnachten schickt er seither je drei Flaschen dieses Friedensweines an die Mächtigen der Welt. Darunter auch an Königin Elisabeth, die Präsidenten Obama und Putin und an den Papst. Rund um die Genossenschaft in Cormòns finden sich gerade zwei Hektar Weingarten, auf denen die Reben für den Vino della Pace wachsen, aber es sind Rebsorten aller Kontinente und Länder.
Ein kleiner Weltweingarten mit etwa 600 verschiedenen Rebsorten. Reben von Argentinien bis China, von Armenien bis zur Schweiz. Hier gedeihen Sorten wie Syrah, Merlot, Pedral und Gamay nebeneinander. Da die verschiedenen Rebsorten zu verschiedenen Zeiten reifen, wird der Traubensaft gekühlt gelagert. Erst wenn alles geerntet ist, werden die Säfte vergoren. Zur Reifung kommt der Vino della Pace in riesige Holzfässer, die von Künstlern bemalt werden. Bis zu 20 000 Flaschen keltert Signor Soini gemeinsam mit seinem Sohn. „Wein war immer ein Botschafter der Kulturen“, sagt Luigi Soini. „Wir hier in Cormòns sehen uns als Bindeglied zwischen verschiedenen Kulturen und schaffen es, den Geschmack der Regionen in ein Glas zu packen.“ Das Ergebnis ist ein lieblicher, geschmeidiger, köstlicher Wein, gleichsam als Beispiel für den Geschmack unserer Erde. „Wein und Rebkultur sind eine Frage des Stils und nicht der Mode”, so lautet das Motto von Luigi Soini. Im Wein liegt auch das Geheimnis des Friedens. So lautet zumindest die Botschaft der Cantina Produttori Cormòns.
Cantina Produttori Cormòns
Via Vino della Pace 31
34071 Cormòns (GO)
Tel.+39 0481 60579
Das flüssige Gold
Die Ortschaft Bagnoli della Rosandra befindet sich quasi am Stadtrand von Triest. Dort, wo der Karst bis ins Tal herunter wirkt, haben die Brüder Roberto und Paolo Starec ihre Olivenplantagen. Die beiden sind Architekten, führen aber mit Akribie und unglaublichem Entwicklungsgeist als Nebenerwerbslandwirte das Werk ihres verstorbenen Vaters, eines alteingesessenen Olivenbauern, weiter.
Über tausend verschiedene Olivensorten gibt es allein im Mittelmeerraum. Mit etwa sechzig Sorten haben die Gebrüder Starec im Garten hinter ihrem Presshaus Anbauversuche betrieben, bis sie die am besten geeigneten für diese Region herausgefunden haben. Eine der wichtigsten Sorten hier ist die Itrana. Sie kommt aus der Gegend von Rom, der mittelitalienischen Region Latium. Diese Olivensorte eignet sich nicht nur sehr gut für die Ölproduktion, sie schmeckt vor allem auch hervorragend. Doch die für die Karstregion um Triest typische, autochtone, also bodenständige Sorte ist die Bianchera. Sie ist unempfindlich gegen Frost und ihre Früchte schmecken besonders delikat. Die Herausforderung für die Olivenbauern in der Region um Triest stellt die Bora dar, weil die Oliven bei diesen Windgeschwindigkeiten gegeneinanderschlagen und dabei an Qualität verlieren.
Die Besonderheit des Olivenöls der Gebrüder Starec liegt darin, dass die Oliven vor dem Pressen entkernt werden und das Öl nach dem Pressen fünf Monate lagert. Die beiden Architekten sind davon überzeugt, dass ihre Pressmethode ohne Kerne die bessere ist, auch wenn man es gleich nach der Pressung im frischen Zustand schwer unterscheiden kann, wie Paolo Starec erzählt. Den Unterschied zum traditionell gepressten Öl könne man erst nach sechs bis acht Monaten erkennen. Während das Öl, das ohne Kerne gepresst wurde, nach dieser Zeit sehr fruchtig schmeckt, verliert das andere im Lauf der Zeit an Aroma, so Paolo Starec. Der Erfolg gibt den beiden beiden Brüdern aus Bagnoli della Rosandra jedenfalls recht. Ihre Öle wurden bereits mehrmals zu den besten Italiens gekürt.
Der Anbau von Oliven und ihre Verarbeitung wurde in der Antike von den Griechen in das Gebiet der Küsten- und Inselregionen Kroatiens gebracht. Zur Zeit der Römer galt das Olivenöl aus Istrien als eines der besten des ganzen Imperiums. Neben schriftlichen Zeugnissen über die hervorragende Qualität des istrischen Olivenöls hinterließen die Römer zahlreiche Überreste alter Olivenmühlen und Amphoren entlang der Westküste Istriens. Dennoch waren bis vor einem Vierteljahrhundert Olivenöle aus Istrien nur wenigen Kennern ein Begriff. In der Zeit des Tito-Kommunismus wurde kein besonderer Wert auf Qualität gelegt. Heute hingegen zählt die Halbinsel zu den besten Olivenölregionen der Welt. Mit einer unglaublichen Qualitätsoffensive wurden neue Olivenplantagen geschaffen und alte Terrassenanlagen rekultiviert. Gegenwärtig zählt man in Istrien über 1,5 Millionen Olivenbäume, wobei in den meisten Betrieben nur die allerhöchste Qualitätsklasse „Extravergine“ produziert wird.
Aufgrund des Klimas und der Bodenbeschaffenheit ist Istrien bestens für qualitativ hochwertigen Olivenanbau geeignet. Das Gelände im Inland der Halbinsel ist oftmals steil und die Ernten müssen in mühsamer Handarbeit eingebracht werden. Das spiegelt sich einerseits in der Qualität des Endproduktes, andererseits aber auch durchaus im Preis wider. Die „Bergöle” sind herb-aromatisch und mit leichter Bitternote durchsetzt. Die Öle aus Flachlandanbau, deren Oliven an den sanft abfallenden Hängen der Westküste reifen, machen bei der Ernte weniger Mühe, kosten aber auch in der Regel etwas weniger. Die kalt gepressten Olivenöle von der Westküste bieten einen milden, nussigen Geschmack. Die Farbe changiert hier von Hellgrün bis Goldgelb.
Eine kleine, feine Auswahl an Olivenölproduzenten
Agrofin d.o.o.
Romanija 60/A-Zambratija
52475 Savudrija, Kroatien
Tel. +385 52 759281
Starec
olioextraverginedioliva
Bagnoli della Rosandra 623
34018 S. Dorligo della Valle
Triest
Tel. +39 040 227040
Römisches von Pula bis Aquileia
In längst vergangenen Zeiten siedelten zwischen der Poebene und dem Timavo die Veneter und auf der Halbinsel Istrien mehrere keltische Gruppen, die unter dem Namen „Istrier“ zusammengefasst wurden. Dann kamen die Römer und machten diese Gebiete zur Region Venetia et Histria. Der Arm Caesars (100 v.–44 n. Chr) reichte weit. Um 50 v. Chr. errichtete er das Militärlager Forum Julii, das Forum des Julius Caesar. Der Name lebt in Julisch Venetien, aber natürlich auch im Wort Friaul weiter. Im Mittelalter wurde der Ort zur Civitas Austriae – Stadt im Osten –, von dem sich die Bezeichnung Cividale ableitete.
Rom eroberte, zerstörte, baute aber vieles wieder auf oder neu. Der Legende nach ist das heutige Pula auf besondere Bitte von Julia, der Tochter Oktavians (39 v.–14 n. Chr.), der als Augustus zum Kaiser der Zeitenwende wurde, neu entstanden und hatte deshalb den Namen Pietas Julia erhalten.
Das Imperium Romanum drückte den Stempel des städtischen Machtzentrums Rom weiten Teilen Europas, Nordafrikas und Kleinasiens auf und zu diesem gehörten auch die kunstvoll angelegten Bäder sowie die riesigen Theater bzw. Arenen.
Mit dem antiken römischen Theater in Pula verfügt Istrien über den einzigen ins Monumentale gehenden Bau. Rund 20 000 Menschen bot und bietet nach wie vor der 135 Meter lange, 195 Meter breite und 32 Meter hohe Koloss Platz. Er ist ein naher Verwandter des Kolosseums in Rom.
Voll Ehrfurcht stehen wir vor solch Glanzleistungen antiker Baukunst, ähnlich wie einst Michelangelo Buonarroti (1475 – 1564), der geniale Bildhauer, Maler und Architekt. An einem unwirtlich kalten und stürmischen Wintertag, erzählt Marie von Ebner Eschenbach („Der Schüler“), hat ihn vor dem Kolosseum in Rom ein hoher kirchlicher Würdenträger angetroffen. Der Kardinal lässt die Kutsche anhalten und fragt besorgt den betagten Maestro, was er denn hier tue, er werde sich doch erkälten. Darauf antwortet Michelangelo, ohne den Blick von dem monumentalen Bau abzuwenden: „Ich lerne!“
Das architektonische Juwel kann aber nicht über die Schattenseiten Roms hinwegtäuschen. In Theatern wie jenem von Pula suchte das „Proletariat“, bei den Spielen seine Leiden zu vergessen, indem es sich, so Lewis Mumford, „lasziv-genießerisch über Menschen freute, die noch schlimmere Qualen und Würdelosigkeiten erdulden mussten“. Durch Brot und Spiele wollte Rom die Menschen beruhigen und von ihren Nöten ablenken. Die Spiele sind durchaus mit den heutigen großen Sportveranstaltungen zu vergleichen, nur dass damals Sport fast in jedem Fall Mord war. Die Spieler hatten immer ihr Leben zu riskieren: Blutiger Sport als Unterhaltung! Man amüsierte sich – frei nach Neil Postman – zu Tode. Sportkämpfe, die, wie bei den alten Griechen, wirklich solche waren, gaben den Römern zu wenig. Blut, Todesangst und Schrecken waren gefragt. Die Wagenrennen boten Nervenkitzel, wenn ein „Bolide“ umkippte und der Fahrer zertrampelt wurde. Das heimliche Verlangen nach Blutvergießen war damit befriedigt. Und dies gilt genau so heute noch, man erinnere sich an den Hit von Rainhard Fendrich aus dem Jahr 1982 „Es lebe der Sport“, darin an den Refrain: „Und haut es einen aus der Wäsch, wird ein Grand Prix erst richtig fesch.“
Auf der Jagd nach immer höher gepeitschten Sensationen verfielen die Römer darauf, dem alten Brauch der religiösen Schlachtopfer in der Arena eine neue weltliche Gestalt zu geben: durch die Gladiatorenspiele. Mit diesen konnten die Beauftragten des Regimes ihre teuflische Erfindungsgabe auf das Quälen und Vernichten von Menschen verwenden. Aus ganz Istrien kamen die Schaulustigen und Sensationslüsternen in das Theater von Pula. Hektoliterweise floss der Wein und zum Entzücken der Massen wurden auch Löwen, Panther und Bären auf die Gladiatoren gehetzt. Um den beißenden Gestank des Blutes zu überdecken, besprenkelten Diener die Zuschauerränge mit Rosenöl.
Das römische Theater von Pula zieht heute mit dem Filmfestival an langen Sommerabenden die Menschen an, Luciano Pavarotti ließ hier sein „Vincerò“ erschallen und mit den Gladiatorenspielen von Pula Superiorum wird man zurückversetzt in die Antike, in das Rom der Verfallszeit.
Je schlechter es Rom ging, desto mehr Spieltage gab es, an denen das Volk in die Arenen zu den gigantischen Massenveranstaltungen strömte. Niemals haben so viele Menschen so viel Freizeit mit so vielen sinnlosen Beschäftigungen ausfüllen können wie im alten Rom. – Gibt es da nicht Parallelen zu unserer Zeit?
Diese Frage stellte sich Neil Postman schon vor Jahrzehnten und kam zum Schluss:
„Wenn ein Volk sich von Trivialitäten ablenken lässt, wenn das kulturelle Leben bestimmt wird als eine Reihe von Unterhaltungsveranstaltungen …, als gigantischer Amüsierbetrieb …, dann wird das Absterben der Kultur zur realen Bedrohung.“
Zeichen des Absterbens der römischen Kultur fand man auf der gesamten istrischen Halbinsel. Dort hatten die, die es sich leisten konnten und andere ausbeuteten, ihre luxuriösen Sommervillen, wie etwa im heutigen Cervar (zwischen Novigrad und Poreč). Hier frönten sie dem feudalen, aber auch dem zusehends exzessivdekadenten Landleben.
Von einer ungeheuren Ausschweifung erzählt Romano Farina (1929 – 2000):
„So wie sich viele Jahrhunderte später die Briten in Indien neuen kulturellen Strömungen öffneten, gaben sich die Römer in ihren istrischen Villen im Namen der Cybele (der asiatischen Göttin der Fruchtbarkeit) geheimen, mystisch verschlüsselten Zeremonien“ hin:
Geheime Feste als endlose orgiastische Bacchanale!
Die Ausschweifungen erfolgten im Zeichen eines erigierten männlichen Gliedes. In den Gärten von Koper fand man Säulenbruchstücke aus Stein, Phallen überdimensionaler Größe darstellend!
„Die Zeremonien verliefen nach der Regie des Großen Meisters, des Archigallo, ab. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Kastraten eingeschlossen, praktizierten diverse sexuelle Handlungen. Dabei wurden Jungfrauen defloriert, man ‚brauchte‘ die Knaben und genoss, ‚per via anale‘, die Alten, die unmittelbar danach geviertelt und beigesetzt wurden.“ Farina schließt nicht aus, dass der istrische Wein seinen Anteil an diesem orgiastischen Wahnsinn hatte.
Im Archäologischen Museum der zur Römerzeit so bedeutsamen Stadt Aquileia fällt ein Relief mit Priapus-Szenen auf. Dieser war der Gott der Fruchtbarkeit und wird hier als kleiner Bub dargestellt, den Venus, die Göttin der Liebe, und ihre Mägde in einer Wanne baden. Sein übermäßig großes Glied erregt ihre Aufmerksamkeit und sie betrachten es mit Abscheu – oder mit Lust?
Aquileia war eine Stadt, in der die Reichen reicher als reich waren. Ihr Luxus lässt sich im erwähnten Museum erahnen: ein Schleier, übersät mit unzähligen kleinen Goldfliegen, Parfumfläschchen aus Bernstein, geschmückt mit Amoretten und Akanthusblättern, Haarnadeln aus Elfenbein, ausgestattet mit plastischen Porträtköpfen, mit orientalischen Ornamenten verzierte Öllampem et cetera.
Und wie waren die lukullischen Genüsse der Reichen? Per Schiff kamen die kostbarsten Früchte und Gewürze, die ausgefallensten Tiere und Spezereien von den afrikanischen und orientalischen Märkten. Spitzenköche, die so viel wie drei Pferde kosteten, bereiteten ihrer schwer wohlhabenden Klientel immer absurdere Gerichte: Flamingo- und Storchenzungen, Ragout aus Nachtigallenleber oder Schweinevagina, Zitzen und Gebärmutter von der Jungsau. Verbreitet war die Marotte, die Esser durch Saucen darüber zu täuschen, was ihnen vorgesetzt wurde. Im Kochbuch des Apicius (um 25 v.–42 n. Chr.) heißt es bei einem Rezept stolz: „Keiner an der Tafel wird wissen, was es ist.“ So wurden die Schweinshaxe zum Huhn und das Saueuter zum Fisch! Die High Society von „anno dazumal“ versuchte, sich an Aufwand und Extravaganz zu übertreffen. Von dem Geld für ein Galadinner der oberen Schichten hätte sich ein Normalbürger mehrere Jahre ernähren können. Aber selbst Superreiche trieb die Völlerei bisweilen in den Bankrott.
Ob das Aufgetischte unseren Gaumen gemundet hätte? Wer weiß. Zeiten und Geschmäcker sind verschieden. Klar scheint, dass wir das zur Zeit der Römer als besonders erlesen erachtete Liquamen-Gewürz nicht als solches eingestuft hätten, denn:
In ein Gefäß wurden Eingeweide von Fischen und auch kleinere Fische gelegt und eingesalzen. Dann ließ man diese Mischung in der Sonne stehen, bis sie gärte. Das konnte bis zu zwei Monate dauern. Wenn die Masse gut durchgefault war, trieb man sie durch ein Sieb und diese Flüssigkeit war dann das liquamen. Es war schlechthin das Universalgewürz im alten Rom.