Kitabı oku: «WOLLUST ACH - Uwe, der Student», sayfa 5

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„Na, wissen Sie“, meinte sie, „ich kann ja nicht dauernd Sie angucken!“

„Warum nicht?“ hakte Uwe hinterher.

„Wünschen Sie sich das nicht!“ verschärfte sie die Gangart.

„Und wenn ich es mir wünsche?“, hielt er mit.

„Ach, Quark!“ schmetterte sie ihn ab.

Zum Glück geschah das gerade am Ende der Runde, und Uwe konnte seine Tänzerin jetzt zum Tisch zurückbringen. Ein spröder Fall, schien ihm. Aber der Mund, die Lippen, da musste er dran bleiben!

Am Tisch sah sich Uwe sofort in der fatalen Situation, dass er der Verlierer zu werden drohte, wenn er jetzt stumm bleiben würde wie vorhin. Krampfhaft überlegte er. Ihm fiel einfach nichts ein, worüber er ein Gespräch hätte anzetteln können. Am liebsten wäre er in sein Bierglas gekrochen, an dem er sich verbiestert festhielt. Schon wieder einmal kam das kalte Grauen in ihm hoch. Wie endlos konnte eine solche Pause sein! Und als die Kapelle wieder loslegte, blieb Uwe erst einmal wie blockiert sitzen. Doch siehe da! Auch seine Nachbarin blieb sitzen. Keiner kam, sie aufzufordern. Uwe schöpfte neue Hoffnung. Zunächst zögerte er noch, doch dann beugte er sich leicht zu ihr hin und fragte:

„Na, wollen wir noch?“

„Warum nicht?“ antwortete sie und erhob sich mit geradezu sachlicher Selbstverständlichkeit. Flugs eilte Uwe ebenfalls auf das Parkett und nahm die Frau in die Arme. Fast schien ihm, als sei sie jetzt ein wenig zugänglicher, ein wenig aufgeschlossener.

In der Tat, die Runde Foxtrott ließ sich gut an. Ihr lag der Tanz, sie ließ sich merklich besser bugsieren. Aber eine Bugsiererei blieb es. Sie war einfach nicht behende, sie war eher träge. Und möglicherweise auch geistig irgendwie genügsam. Aber sie fühlte sich wunderbar fest an, knackig geradezu. Obwohl, wenn er von ihrem dunkelgrünen Kleid ausging, das von der Brust rein gar nichts freigab und oben am Hals fest schloss, dann war sie offenbar überhaupt eine ausgesprochen zugeknöpfte Person. Uwe entschloss sich, behutsam zu sondieren.

„Wissen Sie“, sagte er, als die Kapelle die übliche kurze Pause machte, um neue Noten aufzulegen, „ich würde Sie gern zu einem Schluck an die Bar einladen. Aber ich traue mich nicht, weil Sie so demonstrativ Selters trinken.“

Sie hob den Kopf; denn sie war etwas kleiner als Uwe, was er übrigens total passend fand, und sagte:

„Muss das sein?“

Worauf er antwortete:

„Sagen wir: Es müsste!“

„Ach, Quark!“ winkte sie ab und nahm Tanzhaltung ein; denn die Kapelle spielte weiter.

Uwe nahm die Spröde wieder in die Arme und versuchte, ihr als Tänzer zu imponieren. Ihm schien, dass sie zu munterer Konversation offenbar nicht geneigt war. Und was die Bar betraf, hatte sie ihn ja geradezu abgeschmettert. Jedenfalls drohte schon wieder Funkstille. Doch Uwe sollte sich irren.

„Ein Glück, dass Sie nicht rauchen“, übernahm jetzt überraschend sie das Wort.

„Ja, ich bin Nichtraucher“, stimmte er selbstbewusst zu.

„Wenn ein Mann raucht…“, fuhr sie nun fort und ließ sich von Uwe erst einmal übers Parkett ziehen.

„Ja, was ist da?“ fragte er ehrlich neugierig.

„Dann stinken sie meistens“, sagte sie ziemlich deftig, „das kann ich nicht ab.“

„Oh, dann habe ich ja vielleicht Glück!“ sagte er prompt und jauchzte innerlich.

„Freuen Sie sich nicht zu früh!“ bremste sie ihn.

„Ich möchte mich aber freuen“, versuchte Uwe, am Ball zu bleiben.

„Ach, Quark!“ entgegnete sie patzig, jede leise Annäherung wieder in Frage stellend. Uwe aber gab jetzt nicht auf und sagte:

„Quark habe ich als Kind gern gefuttert, wissen Sie, so bisschen mit Zucker, schmeckt wunderbar.“

Sie lachte. So locker und fröhlich war sie noch anziehender. Hatte er etwa ihre Sprödigkeit besiegt?

„Gut“, sagte sie nun, „dass Sie nicht gesagt haben, ‚Quark macht stark‘. Sie sind der erste, dem etwas anderes eingefallen ist.“

„Danke! Lob hört man gern“, erwiderte Uwe.

In dem Moment beendete die Kapelle die Runde und zerstörte, was sich zwischen beiden an Verständnis zu entwickeln schien. Auf dem Weg zurück zu ihrem Tisch hatte Uwe die verwegene Idee, von hinten nach ihrer Taille zu fassen. Und die junge Frau entzog sich nicht, es schien ihr also genehm zu sein. Damit war klar, Uwe musste jetzt versuchen, auch am Tisch im Gespräch mit ihr zu bleiben. Kaum hatten sie sich gesetzt, neigte er sich zu ihr und sagte möglichst leise:

„Ich muss mal neugierig sein. Vor paar Tagen hat mir hier ein Herr erzählt, die Leute an den Tischen mit Rotwein, das seien alles Westberliner. Stimmt das?“

„Keine Ahnung“, reagierte sie überrascht, „hab mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Aber wenn Sie das so sagen. Ist schon etwas Wahres dran. Die Westberliner kaufen uns leer.“

„Ziemlich ärgerlich! Oder?“ entgegnete Uwe.

„Sie sind nicht aus Berlin?“ fragte sie nun. Diese Frage hätte Uwe gern vermieden, aber er hatte sie sich selbst eingebrockt.

„Noch nicht!“ versuchte er, möglichst geschickt zu antworten.

„Ach, Student, ja?“ ließ sie nicht locker.

„So ungefähr“, antwortete er.

„Ich würde auch gern studieren“, fuhr sie fort, „aber meine Eltern haben ein Geschäft. Ihr Sohn hat sie in Stich gelassen“. Sie zeigte kurz zur Kapelle und fuhr fort: „Bin ich dran, soll ich übernehmen.“

„Oh, da könnte ich Ihnen eine Geschichte erzählen“, reagierte Uwe prompt. Unvermutet bot sich ihm ein fast abendfüllendes Thema.

„Eine Geschichte?“ fragte sie. Sie schien echt neugierig.

Unterdessen hatte die Kapelle zu einer neuen Runde aufgespielt, und Uwe hatte es verpasst, seine Nachbarin aufzufordern. Schon stand ein Bewerber vor ihr und bat sie um den Tanz. Sie blickte kurz zu Uwe und erhob sich. Uwe reagierte entschuldigend mit einer Geste des Bedauerns. Er entschied, gewissermaßen als Signal für seine Nachbarin, keine andere Tänzerin zu bitten. Und er nutzte die Gelegenheit, die Lage zu sondieren. Bis eben, so schien ihm jedenfalls, hatte er bei dieser Frau eine Chance. Allein mit flottem Tanz allerdings würde er wahrscheinlich nicht weiter vorankommen. Er beschloss zu versuchen, das Thema ‚Geschäft übernehmen‘ noch einmal aufzunehmen. Wobei inständig zu hoffen war, dass sie just nicht hier saß, um einen künftigen Mitinhaber zu finden.

Als die Nachbarin an den Tisch zurückkehrte, nickte sie nur kurz dankend zu dem Herrn, der sie mit akkurater Verbeugung ablieferte. Kaum war er weg, sagte sie abschätzig zu Uwe:

„Das war so ein Stinker!“

„Ein Stinker?“ reagierte er verblüfft.

„Na, so ein Raucher, so ein blöder! Ach, wie ich das hasse!“

Das war deftig.

„Ist das so schlimm?“ fragte er. Sie schien echt in Rage.

„Habe mich eben scheiden lassen!“

„Weil er ein Raucher war?“

„Ach, Quark!“ flüchtete sie wieder in ihre Floskel.

Uwe war sich gewiss, er durfte jetzt nicht locker lassen.

„Also Scheidung, aber nicht nur wegen des Rauchens!“ half er ihr, erneut ins Gespräch zu kommen, wobei er sie neugierig anschaute.

„Was reg ich mich auf“, fuhr sie fort, „es ist vorbei. Endlich vorbei. Sie glauben gar nicht, wie schwierig es ist, aus einer Ehe herauszukommen, wenn der Mann nicht will.“

„Er wollte nicht?“ fragte Uwe erstaunt.

Sie schien sich indessen ein wenig besonnen zu haben; denn sie fuhr fort:

„Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das erzähle. Wir kennen uns ja gar nicht.“

„Das lässt sich aber machen!“ sagte Uwe prompt.

Und sie ebenso prompt: „Ach, Qu…!“ Aber sie hielt inne und lachte: „Beinahe hätte ich ‚Quark‘ gesagt.“

Und er: „Oh, schade, es macht so Appetit, wenn Sie es sagen.“

„Tanzen wir!“ flüchtete sie aus ihrer Verlegenheit und stand auf. Uwe triumphierte innerlich. Die Kapelle spielte wieder. Auch er erhob sich.

Die Runde Walzer, die nun folgte, war eine echte Herausforderung; denn Walzer war offensichtlich nicht ihr Ding. Schwer hing sie in seinen Armen, ließ sich geradezu herumschleifen. Obwohl, sie schaute ihn jetzt öfter und auch länger mit ihren wunderbar blaugrauen Augen an. Und das tat gut. Uwe starrte immer gebannter auf ihren verführerischen Mund, auf diese mögliche Quelle herrlicher Lust. Er war diesen Lippen berauschend nahe, wenn die Tänzerin näher kam, weil er sie gelegentlich an sich zog, um ihr Brust zu spüren. Und in den Drehungen beim Walzer, wenn ihre Lippen ferner waren, wagte er es, seinen Mund gleichsam als eine Botschaft diskret zum Kuss zu spitzen, um ihr sein Verlangen lausbübisch ein bisschen zu signalisieren. Sie lachte darauf stets keck und bog den Kopf zurück. Das war, schien Uwe, nicht unbedingt eine Ablehnung.

Als die Kapelle ihre übliche Pause machte, um die Noten zu wechseln, raffte Uwe all seinen Mut zusammen, zog die Unbekannte kurz entschlossen an sich und drückte ihr kurz und knapp einen Kuss auf die Lippen. Die Berührung schoss ihm wie Elektrizität durch alle Glieder.

„Ich bin der Uwe“, sagte er hinterher gleichsam als Entschuldigung.

„Ich bin die Marianne“, antwortete sie prompt, beugte sich zu ihm und drückte ihm betont freundlich ein Küsschen auf die Lippen.

Nur jetzt nicht den Kopf verlieren! Den anschließenden Walzer absolvierten beide stumm, jeder auf seine Weise dem Moment nachsinnend, der sie eben echt nahe gebracht hatte.

Nachdem sie wieder Platz genommen hatten, rückte Uwe seinen Stuhl näher zu Marianne, was sie offenbar nicht ungern sah.

„Was studierst du denn?“ fragte sie unvermutet.

Dass sie die Küsse auf dem Parkett mit „du“ quittierte, beflügelte Uwe, doch ihre Frage bedrückte ihn. Denn wenn er ihr sagte, was er studierte, würde sie als künftige Geschäftsfrau wahrscheinlich sofort mit „Quark“ reagieren, es zwar vielleicht nicht sagen, aber denken. Also zögerte er.

„Ist es ein Geheimnis?“ blieb sie hartnäckig.

Uwe steckte in der Klemme. Er druckste herum, dann sagte er:

“Ich studiere Theaterwissenschaft, aber vielleicht werde ich Journalist.“

„Oh, toll“, reagierte sie, „so etwas würde mich auch interessieren.“

„Und warum kannst du nicht studieren?“ fragte Uwe. Er wollte jetzt unbedingt versuchen, das Thema zu wechseln.

„Was soll ich machen? Meine Eltern haben mir so geholfen. Die ganze Ausstattung für meine Wohnung. Ihr Geld. Und nun die Pleite mit meiner Ehe. Und auch noch das Geschäft! Es ist verrückt! Komm, tanzen wir.“

Die Kapelle spielte wieder auf, und Uwe folgte Marianne aufs Parkett. Für einen Moment war er geneigt, in sein altes Dilemma zu verfallen, nämlich die Situation zu reflektieren, statt sich ihr zu stellen. Ihm war auf einmal bewusst geworden, dass man, so man einem Menschen näher kommt, ob man nun will oder nicht, auch irgendwie dessen Schicksal mit schultern muss.

Uwe besann sich. Er musste aktiv bleiben. Der langsame Walzer kam ihm gerade recht. Er zog Marianne jetzt fest an sich, spürte ihren Körper. Fast hatte er das Gefühl, als ob sie seine Nähe auch genießen würde.

„Es geht mich nichts an“, sagte er jetzt, „aber natürlich hast du mich neugierig gemacht. Dass dein Mann raucht, hast du doch gewusst, denk ich.“

Sie schwieg, und er kurvte quer übers Parkett vor zur Kapelle. Sie blickte zu ihrem Bruder, und Uwe sorgte möglichst schnell dafür, dass sie wieder unter die Menge der Paare gerieten. Er blieb hartnäckig:

„Oder hast du es nicht gewusst?“

„Ach, Quark!“, reagierte sie jetzt sofort, nun doch ungehalten. Offenbar, spürte Uwe, hatte er ein Thema aufgegriffen, das ihr absolut nicht behagte. Sie war auf einmal wieder spröder in seinen Armen, und ihre ebenmäßigen, irgendwie gesunde Energie ausstrahlenden Wangen schienen ihm auf einmal wie versteinert vor Groll.

„Ich hatte einen Chef“, versuchte Uwe, das Thema zu wechseln, „der wollte mir seine Druckerei vererben, obwohl ich nicht sein Sohn war.“

Marianne schwieg für einen Moment, schien zu überlegen, dann fragte sie:

„Hatte er keine Kinder?“

„Doch, schon“, reagierte Uwe erleichtert, „aber sein Sohn war im Krieg gefallen.“

„Oh Gott, was es alles gibt.“

„Ich bin nämlich auch Schriftsetzer, aber auf Druckereibesitzer hatte ich keinen Bock.“

Jetzt sah Marianne ihn groß an.

„Nein?“ fragte sie überrascht. Uwe spürte, dass das wieder ein kniffliges Thema zu werden drohte.

„Wollen wir nicht doch erst einmal auf einen Schluck an die Bar gehen?“

„Wozu, Mann? Sag mir lieber, warum du keine Druckerei erben wolltest.“

Uwe versuchte eine möglichst diplomatische Antwort:

„Erben ist ja in meinem Fall das falsche Wort. Natürlich hätte das was gekostet. Und woher das Geld nehmen?“

Nun fragte sie fast verständnisvoll:

„Ach, das war nur Spekulation von dir?“

In ihrer Reaktion spürte Uwe so etwas wie Befriedigung. Er schob nach:

„Ich glaube, ich war der Sache einfach nicht gewachsen damals. Heute würde ich wahrscheinlich noch einmal darüber nachdenken.“

Worauf sie antwortete:

„Das solltest du! Selbständig sein, das ist schon ideal!“

Mit diesem gewissen Fazit landeten sie wieder an ihrem Tisch. Die Kapelle verließ das Podest, das Varieté-Programm war angesagt. Meist eine Zeit, in der die Bar gestürmt wurde, weil nicht alle Besucher sich für Zauberer oder Akrobaten interessierten. Uwe indessen war gespannt, er schaute grundsätzlich gern zu. Aber Marianne überraschte ihn, denn sie sagte ziemlich kategorisch:

„Eigentlich ist es genug für heute. Ich möchte nach Hause.“

„Schon?“ fragte er prompt. In seiner Verblüffung fiel Uwe nichts Besseres ein. Doch die Verblüffung sollte sich noch steigern; denn nun fragte sie:

„Bringst du mich?“

„Aber immer!“ reagierte Uwe sofort und bewusst möglichst euphorisch.

„Freut mich“, sagte sie.

„Und wohin?“ fragte er, durchaus in der Hoffnung, dass die Tour nicht zu lang werden würde. Obwohl: Wenn an deren Ende Sex zu haben sein würde, könnte es bis ans Ende der Welt gehen.

„Pankow“, sagte sie.

„Ah, ja!“ sagte er erleichtert; denn er wusste, Pankow war nicht am Ende der Welt.

Natürlich übernahm er beim Kellner ihre Selters, natürlich half er ihr in den leichten Sommermantel, und schon waren sie auf dem Weg zur Straßenbahn. Die Linie 46 war schnell erreicht. Da die Bahn nicht sofort kam, startete Uwe schon mal einen Test. Er trat nah zu Marianne, zog sie an sich und schmiegte seine Wange zärtlich an ihre. Diese gefühlvolle Geste der Zuneigung verblüffte sie offenbar außerordentlich. Auch Uwe war über sich selbst überrascht. Sie erwiderte seine Annäherung, indem sie einfühlsam sein Jackett etwas richtete, das anscheinend leicht verrutscht war.

In der Straßenbahn setzte sich Uwe möglichst eng an Marianne heran und legte seinen Arm um sie, dabei sehr wohl ihre feste Hüfte spürend. Leider war um diese Zeit noch viel Betrieb in der Tram, so dass sich weitere Zärtlichkeiten verboten. Aber er spürte ihre körperliche Nähe, und das war schon viel für seine Verhältnisse. Ein Gespräch kam nicht zustande, und das war, wie ihm schien, auch ihr durchaus recht. Was freilich für Uwe hieß, nicht zu überdrüssig darüber nachzudenken, wie das mit dieser Frau wohl ausgehen würde. Ein paar Küsse müssten wohl zu holen sein. Vielleicht würde sie sogar einen Griff zu ihren Möpsen zulassen.

Pankow! Kirche. Aussteigen. Marianne hakte sich sofort ganz selbstverständlich bei ihm ein und zog ihn an der Kirche vorbei über die Straße, dann bog sie mit ihm nach rechts ab und stoppte alsbald vor einer Haustür. Uwe hatte im fahlen Licht der Straßenlaterne gerade noch mitbekommen, dass sich nebenan die Auslagen eines Eisenwarengeschäfts befanden. Nun trat sie in das Dunkel der etwas zurückgesetzten Tür. Sie spielte noch nicht mit dem Hausschlüssel. Das machte ihn zuversichtlich.

Er trat zu ihr, und sie erwartete offenbar, dass er sie küsste. Jedenfalls ließ sie sich willig heranziehen und bot lüstern ihren Mund. Uwe schwebte prompt im siebten Himmel. So viel weibliche Leidenschaft, die sich ihm entlud, hatte er noch nicht erlebt. Er spürte, und er spürte es zum ersten Mal so deutlich in seinem Leben: Diese Frau ließ sich nicht nur einfach abküssen, diese Frau erwiderte die Küsse mit Verve. Immer wieder schnellte ihre Zunge vor, und als er seinerseits mit der Zunge erwiderte, drückte sie sich noch heftiger an ihn. Das machte ihn kühn.

Uwe griff nicht gleich unter ihren Mantel, er suchte erst einmal außerhalb ihre Brust. Und das war, stellte sich heraus, ein berauschend straffer Hügel. Da sie ihn gewähren ließ, knöpfte er hastig ihren Mantel auf und griff zur rechten Brust, die er aufgeregt zu kneten begann. Er hatte sofort gespürt: Ihn trennte nur das dünne Kleid, sie trug keinen Büstenhalter. Marianne schien zu beben, straffte sich, reckte ihm ihren prallen Busen geradezu entgegen. Uwe überlegte fieberhaft. Musste er jetzt irgendetwas sagen? Aber was? Wenn beide nach einer Runde wilder Knutscherei ganz kurz Pause machten, atmeten sie tief und hastig, aber sie sprachen nicht. Und schon verbissen sich wieder ihre Lippen.

Plötzlich löste sich Marianne, keuchte und sagte:

„Hast du Lust? Ich zeig dir meine Möbel!“

Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern presste ihm ihre heißen Lippen prompt wieder auf den Mund. Uwe hielt ungebremst mit, aber in seinem Kopf tobte plötzlich ein verheerender Gedanke: Heiraten? Wollte sie ihn heiraten? Weshalb sonst Möbel besichtigen? Jetzt hielt sie heftig atmend wieder inne.

„Komm!“, sagte sie und schloss die Haustür auf. Zum Glück konnte sie das Gesicht von Uwe nicht sehen, der sich überrumpelt fühlte. Er war doch nun wahrhaftig nicht mit nach Pankow gekommen, um Möbel zu besichtigen. Sie stieß die Tür auf, stellte sich so, dass der Automatismus sie nicht wieder schließen konnte und sagte ungeduldig: „Na!?“

Uwe war überfordert. „Oh, weißt du…!“, stieß er unsicher hervor und regte sich nicht.

„Nein?“ scholl es ihm fast drohend entgegen.

„Doch, doch, aber Möbel…!“

„Feigling!“ rief sie und krachte die Tür zu. Uwe stand bedeppert davor. Aus. Vorbei. Im Schloss drehte sich der Schlüssel, und das Geräusch fuhr ihm wie ein Schwert in den noch bebenden Körper.

Uwe brauchte nicht einmal den Weg bis zur Haltestelle der Straßenbahn, um zu begreifen, dass er soeben ein riesengroßer Ochse gewesen war. Hatte sie ihn nicht als erstes gefragt, ob er Lust habe? Natürlich! Aber er hatte sich auf das Stichwort Möbel verbiestert. Dabei waren die nur der Vorwand gewesen. Dieses leidenschaftliche Weib hätte ihm gewiss etwas ganz anderes gezeigt als ihre Möbel. Eine geschiedene Frau brauchte einen Schwengel zwischen ihren Schenkeln. Ganz klar, sie hatte ihn vernaschen wollen! Und er, elender Dummkopf, hatte ihr Spiel nicht kapiert, hatte eine ungeheure Chance ungenutzt verstreichen lassen. Wie sollte er jetzt wieder ins Gleichgewicht kommen?

Uwe war sich bewusst: Noch in dieser Nacht musste er sich mit irgendeiner irren Aktion abzureagieren versuchen. Er konnte einmal wieder über sich selbst herfallen, gewiss. Das war bislang noch immer seine irre Notlösung gewesen. Aber er entschied anders. Als er schließlich in der Dunckerstraße ankam und das Zimmer betreten hatte, suchte er das gut versteckte Magazin. Er blätterte noch einmal die schöne Schwarzhaarige auf, die ihn so herausfordernd anschaute. Dann begann er wie in einer magischen Zeremonie Blatt für Blatt des Magazins gnadenlos in allerkleinste Schnipsel zu zerreißen. Es war wie eine wilde Orgie. Als er fertig war, öffnete er das Fenster und blickte vom 4.Stock nach unten auf die dunkle Straße. Kein Mensch zu sehen. Er raffte die Schnipsel zusammen und übergab sie dem Wind, der glücklicherweise verständnisvoll blies. Niemand würde feststellen können, woher sie gekommen waren.

8.Wärmflasche mit Ohren

Wenige Tage später lag Uwe im Hof seines Elternhauses auf einem ausgedienten Liegestuhl und sonnte sich. Seine Gedanken indessen wanderten immer wieder zurück nach Berlin. Sein Fehler in Sachen Sex lag ihm nach wie vor schwer im Magen. Wie er sich kannte, würde er, so er in Berlin geblieben wäre, am nächsten Tag wie ein streunender Kater nach Pankow aufgebrochen, um die Haustür dieser Marianne herumgestrichen und wahrscheinlich auch im Hausflur auf Suche gegangen sein. Aber leider hatte er abreisen müssen. Und je länger er jetzt darüber nachdachte, desto gewisser wurde ihm, dass solch verlockende Gelegenheit wohl nie wiederkehren würde. Diese Marianne hatte ihn vernaschen wollen! Mehr nicht! Das war die grausame Wahrheit. Selbst in dieser Frage war sie die resolute künftige Geschäftsfrau gewesen. Sie hatte längst herausgefunden gehabt, dass er als Ehemann für sie nicht taugte. Aber sie hatte gespürt, dass er für kurz mal Sex wahrscheinlich durchaus zu gebrauchen gewesen wäre.

An diesem Punkt seiner Überlegungen angelangt, erlaubte sich Uwe, ganz im Stillen und auch nur bescheiden immerhin einmal ein bisschen stolz auf sich zu sein. Eine geschiedene Frau hatte es mit ihm machen wollen! Das stand fest. Mit diesem neu gewonnenen Selbstbewusstsein galt es nun, wenn auch vorerst nur in seiner Heimatstadt, neu auf die Suche zu gehen. Allerdings bot sich dafür in Glauchau nach wie vor nur das „Haus Vaterland“, das kleine, aber immerhin durchaus gediegene Tanzcafé in der Leipziger Straße. Dort allein war ein gewisses Angebot an möglicherweise interessanten Frauen zu erwarten. Für das junge Gemüse im „Lindenhof“, dem einzigen Tanzsaal der Stadt, oder im „Grünen Baum“, dem meist gut besuchten Tanzlokal in der nahen dörflichen Umgebung, war er nun wirklich zu alt.

Bis auf die leider noch immer ungestillte Sehnsucht nach Sex war Uwe ansonsten mit sich und der Welt recht eigentlich zufrieden. Die Eltern hatten ihn wie immer mit ihrer uneingeschränkten Liebe aufgenommen, der Bruder war inzwischen außer Haus. Die mickrige Dachkammer gehörte ihm also in diesen Ferientagen allein. Er hatte sich dort wieder eingerichtet. Problematisch konnte es freilich werden, wenn ihm die Übermacht seiner Spermien unruhige Nächte bereitete. Dafür hatte er noch keine Lösung parat. Umso notwendiger war, sich nach einer Frau umzusehen.

Kaum war Uwe erneut bei diesem Gedanken angekommen, beschloss er, schon bei Tage einmal beim „Haus Vaterland“ vorbei zu schauen. Man konnte ja nie wissen, was sich in seiner Abwesenheit in seiner Heimatstadt inzwischen so alles verändert hatte. Vielleicht war das für ihn im Moment so überaus wichtige Etablissement aus irgendeinem dämlichen Grund gerade wieder einmal geschlossen. Der Gedanke war echt beunruhigend. Also brach Uwe kurz entschlossen auf, die Lage zu erkunden. Mutter verstand, dass er nach wochenlanger Abwesenheit einmal wieder in die Stadt bummeln wollte.

Große Erleichterung: Das „Haus Vaterland“ war noch in Betrieb! Man konnte eine Frau kennenlernen, und zwar außer montags und dienstags jeden Abend, sonntags sogar am Nachmittag. Erfreuliche Kunde also. Und nun? Unschlüssig stand Uwe im mäßigen Kleinstadtgewimmel dieses Nachmittags und schaute sich um.

Unerwartet kamen zwiespältige Erinnerungen auf. Gegenüber vom „Haus Vaterland“ befand sich ja nicht nur das Textilgeschäft, wo Ursula gearbeitet hatte, jenes Fräulein, das ihm einst wochenlang schlaflose Nächte bereitet hatte. Nebenan war auch die Nikolaibrücke und drüben die Drogerie, wo es damals die letzte aufregende Begegnung mit Ursula gegeben hatte. War er innerlich noch immer nicht hinweg über diese demütigenden Niederungen pubertären Ausgeliefertseins? Uwe wagte sich keine Antwort. Die Dinge waren zu verquickt, zu unwägbar. Vor wenigen Tagen hatte er ja neuerlich eine missliche Erfahrung machen müssen. Nein, keine unangenehmen Erinnerungen jetzt!

Zügig verließ Uwe die Stelle, eilte über die Nikolaibrücke in Richtung Markt. Ein neuer Gedanke bewegte ihn, nämlich bei seinem ehemaligen Chef, bei Herrn Berger, vorbeizuschauen. Doch als er nach wenigen Schritten um die Ecke bog und die Druckerei vor sich sah, hielt er inne. Nein, nein, so schicklich es gewesen wäre! Auch hier bitte keine unnötigen Erinnerungen! Kein Wiedersehen! Uwe kehrte um und lief zurück. Schneller als erwartet war er wieder zu Hause.

Sein schon etwas krankhafter Eifer verführte ihn dazu, am Abend das Tanzcafé viel zu früh aufzusuchen. Er hatte sich völlig verkalkuliert, hatte überhaupt nicht bedacht, dass er hier ja in einer Kleinstadt weilte. Hier war die Zahl vergnügungssüchtiger junger Frauen wahrscheinlich so groß nicht. Das hieß: Abwarten! So saß er denn ein wenig steif im von Mutter noch schnell gebügelten Hemd, ansonsten in der Kluft, in der er auch in Berlin losgezogen wäre. Das hieß, die Hose war nicht frisch gebügelt, und das Jackett sah schon ein klein wenig schäbig aus. Kurioserweise war das in Berlin überhaupt nicht wichtig gewesen, hier indessen in dieser mehr oder weniger gut erhaltenen mäßigen Vornehmheit eines einst gutbürgerlichen Cafés fiel es wahrscheinlich ins Gewicht. Dieser kleine mögliche Nachteil, fand Uwe, musste durch selbstbewusstes Auftreten wett gemacht werden. Sofern überhaupt Gelegenheit sein würde!

Noch war das Lokal leer; ein, zwei Kellner standen gelangweilt herum. Und vor Uwe auf dem Tisch stand wie immer ein Glas Bier. Ein Vorteil allerdings war gewiss: Hier konnte keine geldschwere Konkurrenz aus Westberlin mit am Tisch sitzen. Ein Tisch für zwei Personen übrigens, den Uwe, wie er meinte, klug ausgewählt hatte, nämlich möglichst zentral im lang gezogenen Raum und nahe an der kleinen Tanzfläche.

Jetzt endlich Bewegung an der Tür. Drei Pärchen, schon gut bei Laune, quirlten herein und zogen zielsicher zu einem offenbar vorbestellten Tisch weit hinten im Lokal. Nun gut, bei denen war ohnehin nichts zu holen. Wenn das allerdings so weiter ginge, wäre der Abend unter ‚verloren‘ abzuhaken. Jetzt tauchten drei junge Männer auf. Ach du liebe Güte! Mit jedem Mann zu viel, verringerten sich die Chancen. Die Männer schauten neugierig herein und zogen wieder ab. Noch einmal Glück gehabt.

Uwe kam ins Grübeln. War das nicht eigentlich verdammt armselig, hier herumzusitzen und auf eine Gelegenheit zu hoffen? Er verdrängte bewusst jede rationale Überlegung. Hier und jetzt ging es nicht um Ratio, hier ging es um seinen Trieb! Nicht zufällig hatten die alten Griechen ihren Mimen im Theater gewaltige Phalli vor den Bauch gehängt. Das war die hohe Zeit, in der man noch ehrlich zugegeben hatte, dass sich alles Menschliche letztlich gnadenlos nur ums lustvolle Fortpflanzen dreht. Wobei solch kluge Überlegungen fürs reale Leben jetzt leider keinerlei Hilfe bedeuteten.

Neue Gäste! Zwei aufgehübschte Fräuleins schoben sich herein, schauten sich um, auch zu Uwe, wie ihm schien, dann drehten sie wieder ab. Draußen vor der Glastür, durch die man zur Garderobe blicken konnte, war aber jetzt irgendwie Trubel. Ja natürlich. Zwei, drei Pärchen kamen herein und suchten Plätze. Dann tauchten die zwei Hübschen wieder auf, allerdings im Tross der drei jungen Herren, die schon einmal inspiziert hatten. Uwe überlegte ernsthaft, ob er für heute nicht aufgeben sollte.

Dann bestellte er doch noch ein Bier. Eine Frau war eingetreten, und die schien von passendem Format. Nicht nur, weil sie allein war, vor allem, weil sie auffiel. Nämlich durch einen ziemlich wirren Haarschopf, bei dem sich irgendwo so etwas wie ein aufgesteckter Knoten zu befinden schien, das Haar im Übrigen aber ziemlich wild und lockig tief auf den Rücken herabhing. Eine Frau, die sich mit solch einer Frisur unter die Leute begab, musste etwas Besonderes sein. Jetzt lief sie zügig durchs Lokal, warf Uwe immerhin einen kurzen forschenden Blick zu, trat dann zu einem Kellner und sprach mit ihm. Inzwischen waren weitere Besucher hereingekommen, und Uwe konnte nicht mehr alle gleichzeitig im Auge behalten. Er konzentrierte sich auf den Haarschopf. Es war wichtig für ihn, wo diese Frau Platz nahm; denn inzwischen waren auch einige Konkurrenten aufgetaucht. Zu dumm, wenn sie unerreichbar sein würde.

Nun strahlten zwei Scheinwerfer auf, und drei älteren Herren erklommen frohgelaunt die kleine Bühne. Diese Musiker versprachen eine gemütliche Tanzmusik. Uwe hatte aber nur kurz zu ihnen geguckt; denn im nämlichen Moment hatte der Haarschopf den Kellner verlassen und sich neben ihm an einen Tisch gesetzt. War sie dessen Frau? Man musste leider mit allem rechnen. Nachdem die drei Herren freundlich in die Runde geschaut und ihre Instrumente startklar gemacht hatten, legten sie los. Foxtrott.

Uwe entschloss sich, nicht als erster aufs Parkett zu stürmen, sondern erst einmal abzuwarten. Dieser Devise folgten wahrscheinlich auch die anderen Herren, denn niemand tanzte, nicht einmal ein Pärchen. Auch bei der zweiten Runde blieb das von unten diskret beleuchtete Glas-Parkett leer. Damit war zumindest klar geworden, dass es für den Haarschopf keinen besonders eifrigen Bewerber gab.

Zur dritten Runde allerdings startete Uwe fast mit dem ersten Takt der Band und stand vor der Frau, bevor sich im Raum irgendetwas geregt hatte außer ihm und den Musikern. Er verbeugte sich, sagte sein Sprüchlein und schaute, wie ihm schien, in das Gesicht einer Frau, die angenehm überrascht war. Sie erhob sich und schritt vor ihm zügig zum Parkett, wo sie sich resolut zu ihm umdrehte. Uwe blickte in ein freundlich offenes Gesicht mit lieblicher Stupsnase. Er verneigte sich noch einmal ein wenig und nahm die Frau in die Arme. Als er ihre Hand fasste, wurde sein Griff überraschend fest erwidert. Oh, dachte er prompt, das Frauenzimmer kann zupacken!

Nicht nur das! Nach wenigen Tanzschritten wusste Uwe, dass diese Frau eine wendige Tänzerin war. Schon seinen ersten Versuch, offen zu tanzen, sie frei zu geben und dann wieder zu sich heran zu holen, quittierte sie leicht und mit Schwung, offenbar sehr einverstanden mit dieser gelösten Art, sich dem Tanz hinzugeben. Dabei schaute sie ihn zuweilen mit ihren funkelnden dunklen Augen an, als wünsche sie sich noch schwungvollere, noch elegantere Schritte. Es schienen keine Worte nötig. Umso neugieriger erkundete Uwe mit jedem Griff seiner rechten Hand ihren schlanken Körper. Wenn er sie frei gab und dann wieder an sich zog, fasste er bewusst einmal zur Taille, beim nächsten Mal etwas höher und erspürte dabei eine auffällig muskulöse Schulterpartie. Je bewusster ihm ihre berückende Körperlichkeit wurde, desto anziehender fand er die Frau. Von ihr ging eine selbstsichere Kraft aus und eine burschikose Ungebundenheit, die offenbar nicht zufällig in diesem locker geordneten Haarschopf gipfelte und verdammt neugierig machte.

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