Kitabı oku: «Schönbrunner Finale», sayfa 5
Später, als es draußen schon dunkel war und beide erschöpft nebeneinander im Bett lagen, seufzte Husak:
»Bist a ganz scheen Wilde. Hätt’ ich nicht dir zugetraut …«
70 angeödet war
71 Geschlechtsverkehr haben
72 heute: Watschenmann
73 Plattfüße
I/12
»Und? Hast endlich den jungen Gotthelf befragt?«
»Nein.«
»Und warum net?«
»Weil i ka Zeit g’habt hab’.«
»Nechyba!«
»Was? Was is’ denn?«
»Willst du mir im Ernst einreden, dass du so viel zu tun hast, dass du keine Zeit hast, den Pepi Gotthelf zu befragen?«
Nechyba rutschte auf seinem Sessel hin und her und kaute ganz langsam an dem Bissen, den er gerade im Mund hatte. Es handelte sich um eine knusprig gebratene Leberwurst, die Aurelia gmeinsam mit Braterdäpfeln liebevoll zubereitet hatte und die er in Ruhe essen wollte. Mit vollem Mund nuschelte er:
»I bin Oberinspector. I kann mich net um alles kümmern.«
»Um alles eh nicht, aber um den Mord an dem armen Gotthelf.«
»Darum kümmert sich eh der Fraczyk.«
»Und? Was hat der bisher herausgefunden?«
»Nix.«
»Also, wann gehst zum jungen Gotthelf und fragst ihn nach den Bettgehern, die bei seinem Vater logiert haben?«
Nechyba rutschte neuerlich auf seinem Sessel hin und her, sodass dieser quietschte und knarrte. Um nicht sofort antworten zu müssen, schob er einen Riesenbissen in den Mund. Wunderbar, endlich wieder einmal Erdäpfeln. Und dazu eine Leberwurst! Beides hatte seine Gattin heute von ihrem Fleischhauer bekommen. Für die Familie des Hofrats und auch für sich selbst. Der Preis war exorbitant hoch gewesen, aber das spielte weder für den Herrn Hofrat noch für den Oberinspector eine Rolle. Hauptsache war, dass beide wieder einmal ein gutes Papperl74 hatten.
»Nechyba, i hab’ dich was gefragt!«
Er sah seine Frau mit leidendem Blick an.
»Weißt, wie viele Akten auf meinem Schreibtisch liegen? Die muss ich alle bearbeiten. Ich kann nicht einfach so wegspazieren. Ich hab’ a Verantwortung. Und außerdem ruft mich der Dr. Schober ständig zu sich. Zu Besprechungen. Ich komm zu rein gar nix mehr.«
»Ich weiß, dass der Dr. Schober einen Narren an dir g’fressen hat. Trotzdem! Wann befragst du den Pepi Gotthelf? Du kannst ihn ja vom Pospischil ins Polizeigebäude bringen lassen.«
»Dafür müsst’ ich ihn arretieren lassen. Das geht net.«
»Vielleicht kommt er freiwillig.«
»Das glaubst doch selbst nicht.«
»Nechyba! Du hast mir versprochen, dass du dich um den Fall kümmerst. Also, wann befragst du ihn?«
»Versprochen hab’ i gar nix.«
»Und ob du das hast. Also, wann befragst du ihn? Morgen?«
Nechyba seufzte, nickte und murmelte:
»Von mir aus.«
74 Essen
I/13
Der Oberinspector schnaufte die Stiegen in den ersten Stock empor. Er betätigte die Drehklingel, trippelnde Schritte näherten sich der Tür. Sie wurde geöffnet, und Nechyba erschrak. Für einen Augenblick schien ihm, als ob die vor vielen Jahren ermordete Mizzi in der Tür stünde.
»Der Herr wünschen?«
Die Stimme des Dienstmädels klang Gott sei Dank anders als die der Verstorbenen. Mizzi hatte eine durchdringende piepsende Stimme gehabt, das Mädel vor ihm sprach eher leise und tief. Er räusperte sich und brummte: »Oberinspector Nechyba, k. k. Polizeiagenteninstitut.«
»Polizei? Um Himmels willen!«
»Schreck dich net, Kinderl. Es betrifft dich nicht. Ich such den Josef Gotthelf. Ist der da?«
Die Kleine sah ihn ehrfürchtig an und antwortete:
»Der Herr Gotthelf schlaft noch. Ich fürcht’, dass ich ihn net wecken darf.«
»Und die gnädige Frau?«
Das Mädel begann zu strahlen:
»Die ist schon auf. Die sitzt im Speisezimmer und frühstückt gerade.«
»Na dann sei so gut und führ mich zu ihr.«
»Gern, Herr Oberinspector.«
Sie huschte vor ihm her zu einer Zimmertür, an die sie anklopfte.
»Herein.«
Das Mädel öffnete sie einen Spalt und rief ins Zimmer:
»Gnädige Frau, ein Oberinspector vom Polizeiinstitut ist da und will Sie sprechen.«
Es folgten einige Sekunden Stille, das Mädel verharrte in der Tür. Nechyba hörte drinnen im Zimmer ein nervöses Hüsteln sowie das Rascheln eines Gewandes.
»Er soll eintreten.«
Das Mädel machte einen artigen Knicks vor ihrer Dienstgeberin und ließ Nechyba eintreten. Was er sah, war ihm peinlich. Die Hausfrau saß im Nachthemd, über dem sie einen seidenen Morgenmantel trug, am Tisch. Vor sich die Morgenzeitung, Kaffee und ein Stück Brot. Zögernd trat der Oberinspector ins Zimmer, lüftete seine Melone und verbeugte sich formvollendet.
»Gnädige Frau, verzeihen Sie die Störung. Ich wollte Sie in keiner Weise inkommodieren.«
Die Hausfrau begann zu lächeln. Sie genoss es sichtlich, dass die Situation dem Oberinspector peinlich war, und bemerkte spöttisch:
»Ich werd’ ja nicht das erste weibliche Wesen sein, das Ihnen im Nachthemd gegenübersitzt.«
Nechyba bekam rote Ohren und stotterte:
»Ge… gewiss nicht, gnä’ Frau. Gewiss nicht.«
»Und was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs, Herr Oberinspector?«
»Nechyba. Joseph Maria Nechyba, k. k. Polizeiagenteninstitut. Ich bin hier, weil ich eigentlich den Josef Gotthelf befragen will.«
»Soso … und was hat er verbrochen, der Pepi?«
Nechyba fühlte sich äußerst unwohl in seiner Haut. Die souverän spöttische Art der Hausherrin verunsicherte ihn. Jetzt lehnte sie sich auch noch zurück, streckte sich ungeniert vor ihm und gähnte. Dabei verrutschte der Morgenmantel und gab einen Blick auf ihr Dekolleté frei. Nechyba senkte die Augen zu Boden. Am liebsten hätte er sich umgedreht und wäre weggerannt.
»Ver… ver…brochen hat … hat er gar … gar nix.«
»Warum wollen S’ ihn denn dann sprechen?«
Die Hausfrau schlug die Beine übereinander, wobei ihr ein Pantoffel vom Fuß rutschte. Genüsslich wackelte sie mit ihren Zehen, während sie den Oberinspector lächelnd ansah. Der hatte nun endgültig einen roten Kopf, denn der nackte Damenfuß war ausgesprochen erotisch. Nechyba holte tief Luft, konzentrierte sich und brummte:
»Ich muss ihn sprechen. Wegen seinem Vater. Da gibt’s ein paar Dinge, die unklar sind. Das kann man nicht einfach so unter den Tisch kehren. A Mord is’ schließlich a Mord.«
Das süffisante Lächeln der Hausfrau erlosch. Ihr Fuß schlüpfte zurück in den Pantoffel, und sie läutete nach dem Dienstmädchen.
»Hedi, weck den Pepi auf. Er soll stante pede ins Speisezimmer kommen. Wenn er dann da ist, bringst ihm gleich einen Kaffee. Hast verstanden?«
»Ja, gnädige Frau. Sofort, gnädige Frau.«
Das Dienstmädchen verschwand, und die Hausfrau wandte sich dem Oberinspector zu.
»Nehmen S’ doch bittschön Platz. Der Pepi wird ein bisserl brauchen, bis er aus den Federn kommt. Wollen S’ auch einen Kaffee?«
»Nein danke. Ich will Ihnen wirklich keine Umstände machen.«
Wiederum erschien das süffisante Lächeln in ihrem Gesicht.
»Na, wenn S’ keine Umstände machen wollen, dann müssten S’ jetzt eigentlich gehen. Aber ich weiß: A Mord is’ a Mord. Deshalb bleiben S’ jetzt da und trinken einen Kaffee mit mir. Hedi! Bring’ dem Herrn Oberinspector auch eine Schale Kaffee!«
Nechyba musste sich eingestehen, dass ihn diese Frau verwirrte. Sie war nicht mehr die Jüngste, aber äußerst apart. Plötzlich beugte sie sich vor und sagte in vertraulichem Tonfall:
»Damit es nicht zu einer peinlichen Situation kommt, möchte ich von vornherein eines klarstellen: Ich bin verheiratet. Mein Mann ist, beziehungsweise war Oberleutnant an der Front in Italien. Wie mir das Armeeoberkommando mitgeteilt hat, ist er wahrscheinlich in Kriegsgefangenschaft geraten. Vielleicht ist er aber auch gefallen. Genaues weiß man nicht. Und da ich es satthatte, ohne einen Mann auskommen zu müssen, hab’ ich mir den Pepi g’schnappt. Er ist jung, er ist temperamentvoll und er ist verfügbar. Dass er in Folge einer Kriegsverletzung den Haxen nachschleift, stört mich nicht. So! Jetzt wissen Sie, was los ist.«
Die Offenheit dieser Frau überraschte Nechyba. Hedi kam herein, servierte Nechyba den Kaffee und verschwand wieder. Er sah betreten vor sich aufs Tischtuch und murmelte:
»Gnädige Frau, das ist Ihre Privatsache. Das geht mich nichts an und das interessiert mich auch nicht.«
Sie musterte Nechyba mit einem sphinxartigen Ausdruck und fragte dann leise:
»Sind Sie verheiratet?«
»Ja. Wie… wieso fragen Sie?«
»Weil Ihre Frau Glück hat. Ihr Mann musste nicht in den Krieg ziehen. Wissen Sie, wie viele Frauen mittlerweile alleine leben? Ohne Männer? Der Krieg hat Hunderttausenden Frauen ihre Männer geraubt. Es ist ein Jammer!«
Nechyba räusperte sich. Was sollte er darauf antworten? Er nahm einen Schluck Kaffee und sagte schließlich förmlich:
»Ich verstehe, was Sie meinen.«
Hinter ihm ging die Tür auf und Pepi Gotthelf betrat das Zimmer. Mit zerrauftem Haar, im Pyjama. Er gähnte lautstark, setzte sich an den Esstisch, blinzelte seine Geliebte und dann den Oberinspector an. Schließlich maulte er:
»Warum lasst ihr mi net in Ruhe schlafen?«
»Pepi, benimm dich. Der Herr Oberinspector hat ein paar Fragen an dich.«
Hedi servierte dem jungen Gotthelf eine Schale Kaffee, und Nechyba kam sogleich auf den Punkt:
»Sie haben Ihren erschlagenen Vater gefunden. Stimmt das?«
Gotthelf nickte.
»Wann war das?«
»Weiß ich nicht. Um zehn oder halb elf.«
Die Hausfrau schaltete sich ein:
»Das muss früher gewesen sein. Weil, um zehn war ja schon die Polizei da.«
»Na dann war’s halt um halb zehn.«
»Und war da noch irgendwer im Hof beziehungsweise im Haus zugegen?«
»Nein. I war ganz allanich75. I hab’ sofort um Hilfe g’schrien. Da is’ der Hausmeister aussekommen und hat sich das Malheur ang’schaut. Dann is’ er ausse auf die Straßen g’laufen und hat einen Wachmann g’holt.«
»Ich hab’ g’hört, dass Ihr Herr Papa zwei Bettgeher bei sich untergebracht hat?«
Von der Hausherrin kam ein Aufschrei:
»Was? Das weiß ich ja gar nicht. Das hab’ ich ihm nie erlaubt. Warum hast du mir davon nichts erzählt?«
Pepi Gotthelf wand sich wie ein Aal.
»Na ja, weißt, ich wollte den Papa nicht anschwärzen. Er hat’s halt g’macht, und ich hab’ so getan, wie wenn ich nix davon wissen tät’.«
»Was waren das für Gesellen?«
Gotthelf sah Nechyba plötzlich direkt in die Augen.
»Der eine hat früher, vorm Krieg, hier in der Gegend gewohnt.«
»Wissen Sie, wie der heißt?«
»Bach, Sach, Mach oder so.«
»Könnte er auch Zach heißen?«
»Genau! Zach heißt er. Ende Juli ist er plötzlich hier in unserem Grätzel76 aufgetaucht. Gemeinsam mit einem Behm. Wahrscheinlich sind die beiden desertiert. Deswegen hab’ i a niemandem was erzählt.«
Nechyba und die Hausfrau schwiegen betreten. Nach einer kurzen Pause ließ sich der Oberinspector die beiden Männer genau beschreiben. Dann stand er auf, verabschiedete sich mit einem Handkuss von der Dame des Hauses und mit einem kurzen Nicken von Gotthelf. Als er draußen auf der Wienzeile war, atmete er tief durch. Er hatte nun eine genaue Beschreibung der beiden Männer. Und er hoffte, dass Aurelia jetzt zufrieden sein und ihn bezüglich des Todes von Stanislaus Gotthelf in Ruhe lassen würde.
75 allein
76 nahe Umgebung, Viertel
I/14
Zach! Der Name spukte dem Oberinspector durch den Kopf. Er hatte zwei Verdächtige und er hatte einen Namen. Dieser Zach musste doch zu finden sein. Nechyba pumperte mit der Faust an die Wand, worauf Pospischil in seinem Zimmer erschien.
»Hol Er mir den Fraczyk. Und den Agenten Drabek vom Kommissariat Mariahilf.«
»Wie heißt der?«
»Drabek.«
»Soll ich ihn persönlich holen?«
»Natürlich nicht. Er soll zum Telefonapparat greifen und im Kommissariat Mariahilf anrufen. Dort verlangt Er den Oberkommissär Bitzinger. Dem bestellt Er Grüße von mir und bittet ihn, den ihm zugeteilten Agenten Drabek zu mir zu schicken.«
»Und wann soll der Drabek kommen?«
»Er sollt’ schon da sein!«
Eine Viertelstunde später klopfte es und Fraczyk trat ein.
»Ich wünsche einen guten Tag, Herr Oberinspector.«
»Grüß Sie, Fraczyk, nehmen S’ Platz.«
»Danke, Herr Oberinspector.«
»Wie schaut’s aus im Fall Gotthelf?«
Fraczyk verzog sein Gesicht zu einer leidenden Miene.
»Das is’ mühsam, Herr Oberinspector. Sehr mühsam.«
»Gibt’s neue Erkenntnisse?«
»Leider nein.«
»Gut. Ich hab’ mich inzwischen ein bisserl erkundigt und eine interessante Spur entdeckt. Sagt Ihnen der Name Zach was?«
»Sollte er mir etwas sagen?«
»Sie sollen antworten und nicht depperte Fragen stellen. Also: Sagt Ihnen der Name Zach was?«
»Nein, Herr Oberinspector.«
»In Ordnung, Fraczyk. Ich entbinde Sie und Ihre Gruppe mit sofortiger Wirkung von der Ermittlungsarbeit im Fall Gotthelf. Ich nehm’ die Angelegenheit selbst in die Hand.«
»Jawohl, Herr Oberinspector.«
»Das ist alles. Sie können gehen.«
»Jawohl, Herr Oberinspector. Ich verabschiede mich. Habe die Ehre.«
»Fraczyk! Lassen S’ mir den Akt rüberbringen.«
»Jawohl, Herr Oberinspector. Und: danke!«
Als Fraczyk das Zimmer verlassen hatte, musste Nechyba grinsen. Die Erleichterung, diesen Fall abgeben zu können, war seinem Untergebenen mehr als deutlich anzumerken gewesen.
Eine halbe Stunde später klopfte es neuerlich. Pospischil öffnete die Tür, und der Polizeiagent Drabek trat ein.
»Herr Oberinspector. Guten Tag.«
»Ich begrüße Sie, mein lieber Drabek. Nehmen S’ doch bitte Platz!«
Und seinem Adjutanten, der gerade wieder die Tür schließen wollte, befahl er:
»Pospischil! Bring’ Er für den Herrn Polizeiagenten und mich jeweils ein Krügerl Bier!«
Nachdem er Drabek die Hand geschüttelt hatte, bat er ihn:
»Nehmen S’ doch Platz!«
Drabek folgte der neuerlichen Aufforderung und schlug nervös die Beine übereinander.
Nechyba kam sofort zur Sache:
»Wie lange sind Sie jetzt schon dem Kommissariat Mariahilf zugeteilt?«
»Acht Jahre, Herr Oberinspector.«
»Und? Wie geht es Ihnen dort?«
»Eh gut. Im Kommissariat sind lauter nette Kollegen und wohnen tu’ ich ja auch gleich ums Eck.«
»Genau aus diesem Grund hab’ ich Sie rufen lassen. Sie haben sicher vom Gotthelf gehört?«
»Freilich. Dem armen Teufel ist der Schädel eingeschlagen worden. Dabei hat der Planetenverkäufer nie einer Fliege etwas zuleide getan. Er war halt immer hinter den Weibern her. Ich hab’ mir schon Gedanken g’macht, ob das net ein Eifersuchtsmord war.«
Nechyba schaute überrascht.
»Das ist ein ganz neuer Gesichtspunkt. Das hab’ ich mir noch gar net überlegt. Aber möglich wäre es schon.«
»Haben Sie einen Verdacht, Herr Oberinspector?«
»Na ja, ich hab’ möglicherweise einen Verdächtigen. Beziehungsweise zwei. Es handelt sich um Bettgeher, die beim Gotthelf genächtigt haben und die seit dem Mord wie vom Erdboden verschluckt sind.«
Drabek pfiff durch die Zähne.
»Das g’fallt mir gar net.«
»Mir auch nicht. Deshalb hab’ ich Sie rufen lassen. Der eine der beiden hat sich nämlich vorm Einrücken am Naschmarkt herumgetrieben.«
Neuerlich pfiff Drabek durch die Zähne.
»Zach soll der Gesuchte heißen. Kennen Sie einen Zach?«
»Nein, Herr Oberinspector. Aber ich kann mich umhören.«
»Nicht nur umhören, Drabek! Ich beauftrage Sie hiermit, die Nachforschungen im Mordfall Gotthelf zu übernehmen.«
Es klopfte und Pospischil erschien mit dem Bier. Nechyba erhob sein Glas, prostete dem Agenten zu und sagte:
»Ich wünsch’ Ihnen viel Glück!«
Nach einem ausgiebigen Schluck fügte er hinzu:
»Bringen S’ mir den Zach.«
I/15
Die Sonne blinzelte durch das geöffnete Fenster, und Husak sah unzählige Staubflankerln77 in den Lichtstrahlen tanzen. Josefine Selewosky lag leise schnarchend neben ihm. Und zwar auf dem Rücken. Die Decke war so weit hinuntergerutscht, dass sie gerade noch ihre Scham vor Husaks zärtlichem Blick verbarg. Ihr nackter Bauch wurde vom Morgenlicht in eine goldfarbene Aura gehüllt. Unzählige kleine blonde Härchen schimmerten rund um den Nabel. Husak gähnte leise, rieb sich die Augen und betrachtete mit Wohlgefallen die sich ihm darbietende erotische Idylle. So viel Glück war nicht zu fassen. So ein schönes junges Mädl neben sich im Bett zu haben. Als er das dachte, kam ihm seine Ehefrau in Prag in den Sinn. Zorn stieg in ihm hoch. Was hatte sie ihm in ihrem letzten Feldpostbrief geschrieben? Dass er ihr verzeihen möge, aber dass sie schwach geworden sei und sich ihrem Vetter, dem einflussreichen Ministerialrat, hingegeben hatte. Diesem widerlichen Intriganten, der sich erfolgreich vor dem Militär gedrückt hatte. Ha! Was würde die wohl sagen, wenn sie ihn jetzt neben dem schönen nackten Mädl liegen sehen täte? Weiß wie die Wand würde sie werden. Ganz bleich und blass vor lauter Neid. Weil, so einen schönen jungen Körper hatte seine Alte schon lang nicht mehr. Ha! Soll sie doch ihren dicken Hintern ihrem Herrn Vetter hinhalten. Soll sie doch! Er, Karel Husak, würde ihr nicht nachtrauern. Und wenn er einmal aus dem Krieg heimkommen sollte, dann wird er sie hochkant aus seiner Wohnung hinausschmeißen und sich scheiden lassen. Husak atmete tief durch, schloss die Augen und verscheuchte die unerfreulichen Gedanken. Als er die Augen wieder öffnete, erblickte er immer noch die friedliche Idylle von zuvor. Sanft, ganz sanft begann er, mit dem Zeigefinger über ihre blonden Härchen zu streicheln. Das provozierte einen empörten Schnaufer. Dann drehte sie sich mit dem Rücken zu ihm und raunzte dabei ein bisschen. Die Decke war nun weiter hinuntergerutscht, und seinem Blick bot sich Pepis unverhüllter Hintern dar. Husak rückte vorsichtig an die Selewosky heran und schmiegte sich an sie. Diese behutsame Annäherung hatte ein zärtliches Brummen ihrerseits sowie einiges andere zur Folge.
»Du, Karel, i hab’ an Hunger.«
»Hunger hab’ ich auch.«
»Wo, glaubst, kriegen wir was zum Essen?«
»Vielleicht in Kaffeehaus? Hamma noch Geld?«
»Ich hab’ noch a bissl a Geld.«
Josefine Selewosky sprang aus dem Bett, schnappte ihren Strohkoffer, öffnete ihn, kramte kurz herum und zog dann ein paar Kronen heraus.
»Da! Schau! Das hab’ i noch. Damit gemma frühstück’n!«
Sie kroch zurück ins Bett und gab ihm einen feuchten Kuss. Dann sah sie ihn liebevoll an, streichelte sein von Bartstoppeln übersätes Gesicht und sagte mit Jungmädchenstimme:
»Dir geb’ i mein letztes Gerschtl78. Weil i di so mag.«
Husak war gerührt. Er drückte sie an sich, streichelte ihre Haare und murmelte:
»I mag di a. Siaßes Madl, du.«
Husak und sein Mädel wanderten die Praterstraße entlang und gelangten zu einem eleganten Kaffeehaus. Pepi zögerte etwas, da sie noch nie in ihrem Leben in einem wirklich schönen, großen Kaffeehaus gewesen war. Sie kannte nur die Tschecherln79 draußen in Ottakring. Husak, der von Prag her sehr schöne Kaffeehäuser gewöhnt war, spürte ihr Zögern. Lachend nahm er sie bei der Hand, und so betraten sie das Café. Zu Pepis Überraschung war es recht gut besucht, keiner der Kellner, Speisenträger und Piccolos nahm von den Neuankömmlingen Notiz. Sie setzten sich in die Mitte des Kaffeehauses, direkt neben eine Fensterloge, in der ein stämmiger, nicht mehr ganz junger Herr saß und Zeitung las. Nachdem sie ziemlich lange gewartet hatten, bequemte sich schließlich einer der beiden Oberkellner herbei und fragte:
»Die Herrschaften wünschen?«
»Wir hätten gern Frihstick.«
Der Kellner lächelte maliziös und sagte:
»Das hätt’ ma alle gern. Haben die Herrschaften Lebensmittelmarken?«
Husak schüttelte den Kopf und erwiderte:
»Geld hamma.«
»Dann bedaure ich. Ohne Lebensmittelmarken gibt’s bei uns nix. Getränke kann ich Ihnen bringen. Unseren guten Ersatzkaffee zum Beispiel.«
Während des letzten Satzes war das Lächeln des Kellners einem zynischen Gesichtsausdruck gewichen. Pepi Selewosky piepste:
»Aber wo wir doch so einen Hunger ham.«
»Fräulein, ich bedaure. Mampfen können S’ hier nur mit Marken.«
Pepi sah Husak verzweifelt an, der zuckte resigniert mit den Schultern. Plötzlich ertönte aus der Fensterloge eine tiefe Stimme:
»Herr Franz, kommen S’ einmal her.«
Der Kellner wandte sich dem Herrn in der Loge zu, der seine Zeitung, hinter der er vorher kaum sichtbar gewesen war, sinken gelassen hatte. Er deutete mit dem Zeigefinger, dass der Kellner sich zu ihm herunterbeugen solle. Dieser tat es, und der Herr flüsterte ihm mehrere Sätze zu. Husak verstand kein Wort, doch er registrierte, dass die Stimme des Tischnachbarn einen harschen Unterton hatte. Der Kellner richtete sich auf, verbeugte sich kurz, murmelte: »Wie Sie wünschen, Herr Kommerzialrat«, und wandte sich daraufhin wieder Husak und der Selewosky zu. Mit steinerner Miene verkündete er:
»Dem Herrn Kommerzialrat beliebt es, Sie auf ein Frühstück einzuladen. Nehmen S’ also bitte an seinem Tisch Platz.«
77 Staubkörner
78 Geld
79 kleines Café
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.