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Kitabı oku: «Amerikanische Wald- und Strombilder. Zweiter Band.», sayfa 10

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Mit welchen Gefühlen ich übrigens meine nasse Decke zusammenrollte und mich marschfertig machte, läßt sich denken; dabei kamen mir bedeutend starke Gedanken an Umkehren und Büffel Büffel sein lassen; die Fährten sahen aber gar zu lockend aus, noch blieb mir die Hoffnung, sie einholen zu können, ja sogar die Wahrscheinlichkeit war vorhanden, daß sie bei solchem Wetter nicht weiter ziehen, sondern ruhig äsen würden; fest entschlossen also, da es jetzt doch auf eine Meile mehr oder weniger nicht ankam, folgte ich auf's Neue den Fährten und trotzte dem Himmel, der mir eine Wolke voll Wassers nach der andern auf den Pelz goß. Die Büffel schienen auch ganz in der Nähe zu sein; in den Fährten stand das schlammige Wasser, das ihre Tritte aufgerührt hatten, Losung sogar, die ich fand, war noch warm – ich mußte sie finden; – da kam es mir plötzlich vor, als ob der liebe Gott alle Zapfen aus den Schleußen dort oben herausgezogen habe – es regnete nicht mehr, es wasserfallte und der Erdboden glich einer ungeheuern Eislimonade, nur fehlten Zucker und Citronen.

Es ist jedoch ein eigenes Ding um das Menschenherz; vor kleinen Beschwerden und Gefahren bebt es zurück, stürmt aber alles wild und toll darauf ein, kommt ein Schlag nach dem andern; dann wird es verstockt und störrisch, wie ein wilder Stier, macht die Augen zu und stürmt blindlings gegen Jedes an, was sich ihm in den Weg stellt.

Etwas besser macht ich's doch, die Bäume umging ich, aber so erbittert hatte mich dieser, für mich wahrhaft fürchterliche Witterungswechsel gemacht, daß ich das Äußerste zu wagen beschloß. Der ganze Wald stand unter Wasser, d. h. unter geschmolzenem Schnee, und ich mußte jetzt schon auf das höhere, mit Dornen und Schlingpflanzen bewachsene Land, da sich erstlich die Büffel hierher gewandt hatten und dann auch das Gehen auf dem Eis fast zur Unmöglichkeit wurde, indem es unter dem Schnee geschmolzen, wenigstens weich geworden war und beim zweiten oder dritten Schritte stets einbrach. Noch konnte ich die Fährten erkennen und folgte, oft bis an den Gürtel im Wasser, dem Wild – ich war gegen Alles gleichgültig geworden und hatte nur den einen Gedanken noch – Büffel – ich wollte Büffel sehen – ich wollte einen schießen und wäre dann mit dem größtmöglichen Vergnügen gestorben, um nur nicht wieder den ganzen Weg, den ich gekommen war, zurück machen zu müssen.

Da wurde der Wald plötzlich licht und nach wenigen hundert Schritten dehnte sich eine weite, öde Fläche vor mir aus – es war ein See – wenigstens jetzt, er konnte aber nicht gefroren gewesen sein, denn es lag nur eine dünne Decke geschmolzenen Schnees auf der Oberfläche, und hier – hier waren die Büffel hindurch. Deutlich konnte ich die langen, dunkeln Streifen, die sich quer durch zum anderen Ufer zogen, erkennen; vergebens aber spähte ich nach den Thieren selbst – eine räthselhafte Wanderlust trieb sie vorwärts und ich unglückseliges Menschenkind hatte gerade diesen Zeitpunkt wählen müssen, um Jagd auf sie zu machen; doch das Überlegen brachte mich nicht weiter; auf einem etwas trockenen Fleck band ich alle meine Habseligkeiten in die Decke zusammen, nahm diese auf die Schulter und – folgte den Fährten.

Noch jetzt, wenn ich an diese Jagd zurückdenke, kann ich nicht anders glauben, als daß ich damals einen gelinden Anfall von Wahnsinn haben mußte, denn wenn ich die Büffel wirklich überholte, so konnte ich höchstens ein paar Pfund Fleisch und vielleicht ein Horn, als Siegestrophäe, mitnehmen; ich fühlte aber jetzt nur den einen Trieb in mir, hatte nur das eine Ziel im Auge und fand mich sehr bald bis unter die Arme im Schneewasser, mitten im See. Als mir das Wasser über die Brust stieg, verging mir der Athem, doch war der Boden glücklicherweise fest, nicht schlammig, wie ich im Anfang gefürchtet hatte, und ich erreichte das andere Ufer, – oder, besser gesagt, das höhere Land, denn von Ufer war keine Rede, – ohne unterwegs erstarrt zu sein. Hier fand ich das Wasser doch wenigstens nur knietief und athmete etwas freier. Zu meiner großen Verwunderung schien es aber Abend zu werden, und kaum konnte es, wie ich wenigstens glaubte, Mittagszeit sein. Sollten wir eine Sonnenfinsterniß haben? dacht' ich einmal – das war möglich, aber immer dunkler wurde es, immer stiller im Wald – in der Ferne ließ sich ein einzelner Wolf hören – es war kein Zweifel mehr, die Nacht brach schon wieder herein, und noch ist es mir unbegreiflich, wie mir die Zeit an jenem Tage verschwunden sein konnte.

Der Regen, der am Nachmittag etwas nachgelassen hatte, fing wieder von frischem an zu gießen, und als ich mich, mit gerade keinen freundlichen Gefühlen, nach einem Platz zum Lager umsah, regnete es, wie man sagt, Bindfaden; trotzdem gab ich die Fährten nicht auf – an Feuermachen war jedoch gar nicht zu denken; auf dem trockensten Platz, den ich finden konnte, stand das Wasser anderthalb bis zwei Zoll, und Jedermann wird eingestehen müssen, daß das immer noch feucht war; ich kauerte mich daher unter einem halbumgestürzten, schräg liegenden Baumstamm, der wenigstens die fürchterlichsten Regengüsse von mir abhielt, nieder, obgleich ich auch schon bessere Dächer, als er war, gesehen habe, und versuchte zu schlafen. – Zu schlafen? ja, wenn ich das einen Versuch nennen will, daß ich einige Male die Augen zumachte; an wirkliches Schlafen war aber natürlich unter solchen Verhältnissen nicht zu denken; zwar trug ich noch ein Stück gebratenes Hirschwildpret bei mir, fühlte aber nicht den mindesten Appetit, es zu verzehren, und erwartete sehnend und vor Frost schüttelnd den anbrechenden Morgen.

Mitternacht mochte es sein, als ich, seit der Dämmerung, die ersten Wölfe wieder hörte – sie schienen ganz in der Nähe zu sein und heulten jämmerlich; die armen Bestien mochten wohl auch nasse Füße haben; so gleichgültig war ich aber gegen ihre Nachbarschaft, so abgestumpft gegen jede, nur erdenkliche Gefahr geworden, daß ich es nicht einmal der Mühe werth hielt, das Messer aus der Scheide zu ziehen, sondern ruhig sitzen blieb und abwartete, was sie thun würden, denn schon der Gedanke, mich zu bewegen, war mir gräßlich. Es mochten sechs oder sieben Wölfe sein – so viel verschiedene Solosänger konnte ich wenigstens unterscheiden und ich erinnere mich sogar noch recht deutlich, daß ich einmal gelacht habe, als ein junger Wolf, mit einer besonders dünnen Stimme, so gar klägliche Töne ausstieß. Immer näher kamen sie, aber, und da es nicht anders möglich sein konnte, als daß sie mich wittern mußten, denn der Wolf wittert, wie bekannt, ungemein scharf, so begreife ich eigentlich jetzt noch nicht, was sie, wenn es nicht ihre grenzenlose Feigheit war, abhielt, über mich herzufallen, da ich ihre dunklen Gestalten deutlich erkennen konnte, wie sie im Wasser hin und her wateten.

Weil mir ihre Nähe aber doch jetzt fast etwas zu freundschaftlich wurde, beschloß ich, der Sache auf einmal ein Ende zu machen, nahm die Büchse an den Backen, zielte auf den größten Körper und drückte ab. – Ja ich hatte gut drücken – es war Alles naß geworden; da blieb mir denn weiter nichts übrig, ich lehnte die Büchse neben mich, und schloß die Augen; die ganze Sache um mich her kam mir so ekelhaft und fatal vor, daß ich sie gar nicht mehr sehen mochte.

Endlich brach der so heiß ersehnte Morgen an – aber wie – grau und feucht; der Regen hatte freilich nachgelassen, doch schien das Wetter noch viel wärmer geworden zu sein – der Schnee war jetzt vollkommen geschmolzen und der ganze Wald eine flüssige Masse, in der jede Fußspur zusammenlief – Büffelfährten existirten nur noch in der Erinnerung. Da stand ich nun, mit meiner Büffeljagd – Gott weiß, wie viele Meilen von irgend einer menschlichen Wohnung entfernt, in einem Wald, in dem sich ein Frosch hätte erkälten müssen, mit einem Stückchen kalten, gebratenen Hirschfleisch und einer Büchse, die nicht losgehen wollte; ich verzehrte jedoch vor allen Dingen das erstere, wobei ich Pulver statt Salz gebrauchen mußte, und stand dann auf, um meine Marschroute für diesen Tag zu beschließen.

Wie ich damals das Alles ausgehalten habe, ist mir jetzt noch ein Räthsel; naß zum Ausringen, die ganze Nacht im Schneewasser, gekrümmt unter einem Baumstamm gesessen, von Wölfen umheult, fühlte ich mich jetzt so wohl und kräftig, als ob ich in einem warmen Bette geschlafen hätte, nur waren mir die Kniegelenke etwas steif.

Wenn ich aber auch, zu meiner Zeit, ein so eifriger Jäger gewesen bin, als sich selten findet, so hatte meine Jagdlust durch die letzten Begebenheiten dennoch einen bedeutenden Stoß erhalten, ich sehnte mich nach Menschen – nach Brod, nach Bergen – denn ohne Berge konnte ich mir gar keine Erlösung aus dieser Wasserwüste denken: schnell faßte ich daher meinen Entschluß. – Ich hatte mein Möglichstes gethan, hatte bis auf den letzten Augenblick ausgeharrt, und brauchte mir nichts vorzuwerfen; den Büffeln sagte ich also, mit einem halb traurigen, halb ärgerlichen Blick nach Südwesten Lebewohl, und schlug die gerade Richtung nach Nordost ein, um an den S. Francis-Fluß, an die breite Fahrstraße, zu kommen und von dort den Mississippi zu erreichen, auf dem ich in den Ohio und auf diesem nach Cincinnati zurückkehren wollte.

Meiner Lust nach dem Urwald war für eine Zeit lang genügt, und ich kann mit gutem Gewissen fragen, wer hätte den Wald, unter solchen Umständen, nicht satt bekommen? Das »Sattbekommen« allein half mir aber noch nicht heraus und der vor mir liegende Weg erfüllte mich mit Grausen und Schauder. – Tagelang mußte ich noch in dem kalten Wasser fortwaten und eine einzige Nacht Frost konnte meinen Untergang herbeiführen, denn wenn sich jetzt auf dem Wasser eine dünne, scharfe Eisrinde sammelte, so wär' ich verloren gewesen; glücklicher Weise blieb es aber warm und ich trat meinen Marsch, wenn auch nicht mit Singen und Jubeln, aber doch mit dem festen Entschluß an, Alles, auch das Schlimmste, ohne Murren, zu ertragen.

Unmöglich wäre es jedoch, den Weg zu beschreiben, den ich zu durchwandern hatte. Nur wenige Streifen trockenen Landes fand ich, und hielt auf dem ersten, um meine Büchse wieder in Stand zu setzen. Dann aber durch Sumpf und Moor, durch Fluß und seegleiche Wasserstrecken meine Bahn verfolgend, oft bis unter die Arme im Eiswasser (einige Male mußte ich sogar schwimmen) erreichte ich gegen Abend einen hohen indianischen Grabhügel und erquickte mich in dieser Nacht wieder bei einem lodernden Feuer und einem am Spieß steckenden Truthahn, den ich, wenige hundert Schritt von meinem Lager, von einem Baum herunter geschossen hatte.

Am nächsten Tage blieb mein Marsch nun zwar derselbe – dieselbe öde Wasserwüste, derselbe kalte, nasse Wald, mit seinen ungeheueren Bäumen; doch interessirte mich an diesen jetzt nur noch das Moos, nach dem ich meine Richtung beibehielt, denn in dem flachen Lande, an den geraden Stämmen, ist das Moos an der Nordseite (ein klein wenig mehr westlich als östlich) am stärksten, und man kann ziemlich sicher darnach gehen; ich wenigstens habe meinen Weg stets sehr gut mit der Beobachtung desselben gefunden. Wer beschreibt aber meine freudige Überraschung, als ich gegen Mittag Spuren eines menschlichen Wesens fand und bald darauf einen Schuß hörte; ich brauche wohl nicht erst zu sagen, wie ich eilte, um mich diesem anzuschließen; nach nicht gar langem Marsch holte ich den Jäger auch ein, wie er eben einen erlegten Hirsch aufgehangen hatte; er war aber ebenfalls nicht wenig erstaunt, mich und zwar an solchem Ort und in solchem Aufzuge zu sehen. Wäre er nur ein Bischen mit europäischer Civilisation bekannt gewesen, so würde er mich unbezweifelt für einen Weinreisenden gehalten haben, so konnte ich ihm nur versichern, daß ich ein »Pech-Reisender« sei und mich in den Sümpfen hier zu meinem Vergnügen aufhalte; mein Aussehen mußte das auch bestätigen.

Ich hatte jedoch nun den schlimmsten Weg überstanden und erreichte einige Tage darauf die Ansiedelungen; es bedurfte aber langer Monate, ehe ich diese Jagd vergessen, wenigstens verschmerzen konnte; doch durfte ich mich gar nicht beklagen; ich lernte dadurch nur eine der vielen Schattenseiten kennen, die eine jede Sache haben muß, um nicht durch Einförmigkeit allen Reiz zu verlieren; fand aber auch zu gleicher Zeit, daß der Urwald trotz all dem Zauber, der schon allein in dem Worte liegt, recht sehr prosaisch, ja sogar recht sehr langweilig sein konnte. Sind daher die deutschen Jagden auch weniger gefahrvoll, also auch weniger interessant, als die amerikanischen, so ist der Jäger hier doch auch nicht solchen erschrecklichen Lagen ausgesetzt, als es nur zu oft dort der Fall ist, und wo einmal eine Sache Zwang wird, wo der im Walde Lebende schießen muß, wenn er nicht verhungern will, hört sie auf Vergnügen zu sein.

Drum, – haben wir auch hier in Deutschland keine Bären- und Pantherjagden, so sind die Hasentreiben doch äußerst gemüthlich; und liefern fette Bärrippen und Honig ein sehr leckeres Mahl, so schmeckt ein gespickter Rehziemer auch nicht so übel.

Die Bärenjagd am Bayou Meter in Arkansas

Eine reine, klare Julisonne sandte ihre glühenden Strahlen auf die Sümpfe herab, welche die Bayou Meter am nördlichen Ufer des Arkansas umgeben. Selbst die Frösche schwiegen, wie erdrückt von der schweren Atmosphäre, und nur dann und wann unterbrach ein einzelner Ruf derselben, oder das Zwitschern eines kleinen Waldvogels, die Stille, die grabesähnlich auf der Wildniß lagerte.

Da schallte aus weiter Ferne das Geheul einer Meute Hunde herüber, schwieg wieder einen Augenblick, und erklang dann lauter und näher als vorher. Jetzt konnte man schon die verschiedenen, tieferen und höheren Töne einzelner Braken erkennen, und reißend schnell näherte sich die Jagd der noch vor wenigen Augenblicken geräuschlosen Einsamkeit. – Ein Hirsch, der, um den Fliegen und Mosquito's zu entgehen, dicht versteckt in einem kleinen Schilfdickicht gelegen hatte, sprang auf, streckte und dehnte sich, horchte einige Sekunden lang dem näher und näher kommenden Getos der Meute, und sprang dann mit langsamen aber weit gestreckten graziösen Sätzen in's Gebüsch, einen stilleren, ungestörten Platz zu seiner Ruhe zu wählen.

Jetzt schallte das Gebell klar und deutlich, wie nur wenige Schritte entfernt aus den, mit dornigen Schlingpflanzen dicht durchflochtenen und durchwachsenen Büschen; dürre Äste krachten, das trockene Laub raschelte, das ganze Gewirr von Schlinggewächsen kam in Bewegung, und heraus stürzte mit offenem, dampfenden Rachen, aus dem die rothe, lechzende Zunge hing, mit zurückgelegten Ohren, mit gesträubtem Haar, ein gewaltiger Bär, und versuchte über die kleine offene Fläche hinweg das gegenüber liegende Dickicht zu erreichen. Ihm auf den Fersen aber folgten fünf mächtige Hunde, und kaum hatte er die Hälfte der kleinen Waldprairie durchrannt, als der schnellste und kräftigste von ihnen, ein schwarz und grau gestreifter Bursche mit rothen, glühenden Augen und fürchterlichem Gebiß, an seiner Seite war und ihn faßte.

Mit Blitzesschnelle wandte sich der Bär und versuchte seinen Verfolger mit der Tatze zu erreichen und zu vernichten. Das kluge Thier aber, mit dieser Jagd vertraut und die Gefahr kennend die in der, mit furchtbarer Kraft geführten Tatze seines Feindes lag, entging durch einen gewandten Seitensprung dem wohlgeführten Schlage. Ehe aber der Bär, der sich augenblicklich wieder zur Flucht wandte, das Zurückprallen seines Feindes benutzen konnte, das schützende Waldesdunkel zu erreichen, in welchem wild über einander gestürzte Bäume der verfolgten Bestie den größten Vorsprung gegeben haben würden, überholten die vier anderen Rüden jetzt den Verfolgten und umzingelten im Nu das zur äußersten Wuth gereizte Thier. Vergebens war's, daß sich dieses zur Wehr stellte, und mit einer Gewandtheit, die Niemand dem anscheinend plumpen Geschöpfe zugetraut haben würde, nach allen Seiten hin gegen die angreifenden Hunde Front machte und sie zurückschlug; vergebens, daß schon drei der kühnsten und unvorsichtigsten ihre Kampflust mit dem Tode gebüßt, und erschlagen oder schwer verwundet am Boden zuckten; andere, die der Jagd nicht so schnell hatten folgen können, nahmen die Plätze der Getödteten ein, und griffen mit immer erneuerter Wuth den vom langen Lauf erschöpften Bären an.

Durch einige wohlgeführte und todbringende Schläge jedoch, die wieder zweien der Meute das Leben kosteten, verschaffte er sich einen Augenblick Luft und stand schnaufend, mit glühendroth unterlaufenen Augen, die weißen Zähne bis über das Zahnfleisch hinauf entblößt, einen frischen Angriff erwartend, da, während die Hunde bellend und heulend ihn umsprangen. Oft aber, indem sie schon einen raschen Anlauf versuchten, wurden sie nur durch eine schnelle zuckende Bewegung, ein Drehen des Kopfes, ein Blinzeln des Auges ihres gefürchteten Feindes zurückgescheucht, daß sie winselnd zur Seite sprangen, gleich darauf so viel eifriger ihre Angriffe zu wiederholen.

Da erscholl nahe und laut der Jagdruf ihres Herrn, des jungen Lobston. – Sie horchten; noch einmal ertönte der ermunternde Zuruf des jungen Mannes, der seinem Vater, mit dem er die Jagd begonnen, voraus geeilt war. Sobald er die Hunde hörte, trieb er sie zu neuen Anstrengungen, den Feind aufzuhalten, bis er selbst mit Kugel und Messer den Gefährlichen abfangen und das Land von ihm befreien könne. Schweren Schaden hatte der Gefräßige nämlich den Heerden der Nachbarschaft zugefügt, und mancher Hund war schon in seiner Verfolgung geopfert worden, wobei er sich bis jetzt jedesmal durch seine ungemeine Schnelle und fürchterliche Kraft den Feinden entzogen und gewisse, sichere Dickichte erreicht hatte, in die ihm weder Hund noch Pferd folgen konnte und wollte.

Dießmal schien aber sein Schicksal besiegelt zu sein, denn mit Tigerwuth und alle Gefahr verachtend, warfen sich jetzt die Hunde, von der Stimme ihres Herrn gestachelt, auf den gemeinsamen Feind. Umsonst wüthete er gegen sie mit Zahn und Tatze, umsonst erfaßte er den Lieblingshund des jungen Lobston, gerade als dieser auf dem Kampfplatz erschien, in seine tödtliche Umarmung, daß das gequälte Thier laut aufheulte und seinem Herrn, den es schon dreimal aus Todesnoth gerettet hatte, wie Hilfe rufend, entgegen schrie. Fang und Klaue verachtend, bedeckte die jetzt zu rasender Wuth gereizte Meute den Bär, daß er mit ihnen, kämpfend und um sich hauend, zu Boden stürzte.

Der junge Lobston war nahe bei dem rollenden, wogenden Knäuel, den die wüthenden Thiere bildeten, vom Pferde gesprungen, und hatte mehrere Augenblicke vergebens gesucht, dem Bären eine Kugel beizubringen. Kaum hie und da konnte er auf Augenblicke ein Stück von dessen Fell sehen, so hielten ihn die Hunde bedeckt, und die Büchse hinwerfend, das Messer herausreißend, stürzte er sich gegen den Niedergeworfenen.

In demselben Augenblicke sprang dieser, wie durch Zauberei von den Hunden befreit, die nach allen Himmelsrichtungen geschleudert von ihm weg flogen, empor, und das erste, was sich seinen vernichtenden Blicken zeigte, war sein grimmigster Feind, der mit geschwungenem Messer auf ihn zustürzen wollte.

Der Anblick des mit Schaum und Blut fast überzogenen Thieres war fürchterlich, und mit solcher schrecklichen Mordgier im Blick sprang es auf den erschrockenen Jäger zu, daß dieser, der noch nie einen gereizten Bären in seiner ganzen Furchtbarkeit geschaut hatte, sich entsetzt wandte und zu fliehen versuchte.

Nur einen Angstschrei konnte er ausstoßen, als ihn die Bestie erreichte und niederschlug; in demselben Augenblicke aber hatten sich auch die Hunde wieder gesammelt, kamen ihrem jungen Herrn zu Hilfe, zwangen den Bären, ihn loszulassen und folgten dem sich langsam Zurückziehenden in den dichteren Wald.

Da krachten wieder die Büsche und dürren Äste desselben Dickichts, aus welchem vor wenigen Minuten der junge Lobston herauskam, und dessen Vater, ein alter, weißhaariger Greis, sprengte auf den Wahlplatz.

Sein Jagdhemd hing in Fetzen an ihm herunter, sein Gesicht war blutig und zerrissen, und lang flatterten ihm die weißen Locken beim scharfen Ritt um die Stirn. Auf der Hetze hatte er seine Mütze verloren, als er im rasenden Sprung, bei dem Roß und Reiter in den unzerreißbaren Schlingpflanzen hängen geblieben, über eine umgestürzte Eiche hinweggesetzt, gestürzt und gegen einen Baum geschleudert war. Eben wollte er, seinem Pferde die Hacken in die Seite setzend, über den blutigen Fleck hinübersprengen, der Jagd zu folgen, als er seinen Sohn ohnmächtig, das Gesicht der Erde zugekehrt, am Boden liegen sah, und mit krampfhaftem Zucken das Pferd zurückriß, daß es hochaufbäumend sich beinah mit dem wilden Reiter überschlagen hätte.

»William!« rief er mit vor Angst erstickter Stimme, »William – um Gotteswillen antworte, bist Du verwundet?« und alles Andere vergessend, sprang er vom Pferd, das schnaubend und keuchend stehen blieb, und versuchte den Sohn aufzurichten.

Dieser holte nur schwach Athem und schlug mit Mühe die Augen auf, den Vater zu bewillkommnen. Sein Gesicht war todtenbleich und, wie seine vorn ganz aufgerissenen Kleider, mit Blut überzogen.

Der alte Mann kniete neben ihm und legte den Kopf des Kindes auf sein Knie, während der Verwundete zu lächeln versuchte. Da schlugen, nicht sehr weit entfernt, die Hunde wieder wie rasend an, und heulten und jauchzten, daß der alte Jäger unwillkürlich seinen Kopf hob und den bekannten Tönen lauschte.

»Sie haben ihn auf einem Baume,« murmelte William leise.

»Ich weiß wohl, ich weiß wohl,« sagte der Alte, »aber laß ihn da sitzen und laß die Hunde darunter verhungern; ich kann Dich nicht verlassen.«

»Geh – geh,« bat der Sohn – »o laß ihn dießmal nicht entkommen.«

»Aber, William, Du liegst schwer verwundet hier, ich weiß nicht einmal wie schwer und ich sollte Dich jetzt verlassen? nicht um alle Bären in Arkansas – laß mich lieber sehen, wo Dich die Bestie getroffen hat,« und mit vorsichtiger Hand versuchte er die Kleider zu entfernen, um die Wunde zu entdecken; aber ein Schmerzensschrei des Kindes hinderte ihn, und besorgt zog er die helfende Hand zurück.

»Es thut wohl recht weh?« fragte er ängstlich.

»Vater – schieß den Bär,« bat der Sohn, »ich sterbe hier vor Ungeduld – höre nur, wie uns die Hunde rufen – der alte Wolf ruft mich!«

»Aber soll ich Dich hier allein lassen?« fragte der Alte, noch unschlüssig.

»Du bist in zehn Minuten wieder zurück, und wenn ich den Knall der Büchse und den Sturz des Bären höre, werde ich wieder gesund!«

Die Hunde heulten jetzt wirklich auf eine herzzerreißende Art, und der alte Jäger, von den Bitten des Sohnes und seinem eignen Wunsche, ein schwerverwundetes Kind zu rächen, gedrängt, winkte dem ihm freudig Zulächelnden noch ein kurzes Lebewohl, sprang auf sein Pferd und seinen Jagdruf ausstoßend, der von der Meute jubelnd beantwortet wurde, war er in wenigen Sekunden im Waldesdunkel verschwunden.

Bald darauf ließ das Bellen der Hunde nach, ein Augenblick ängstlichen Stillschweigens, der früheren Todtenstille ähnlich, herrschte, und der Verwundete hob sich mit unendlicher Mühe etwas auf seinem Ellbogen in die Höhe, um sein Gesicht nach der Seite hin zu kehren, von welcher her er den Schuß zu hören erwartete. Da krachte der scharfe Knall der Büchse; die Hunde stießen einen Schrei aus, und gleich darauf schallte der dumpfe Fall des schweren Thieres, das von seiner erklommenen Höhe herabstürzte, zu dem jungen Mann herüber. Hochauf athmete der, und sank zufrieden lächelnd auf die Wurzel des Baumes zurück, unter dem er lag.

Wenige Minuten darauf aber sprengte auch schon in vollem Carriere sein Vater wieder zurück, warf sich vom Pferde und kniete an der Seite des todtmatten jungen Mannes nieder, der bleich, mit geschlossenen Augen, aber leise athmend da lag.

»William,« sagte er, leise seinen Arm berührend, »William – schläfst Du?«

»Nein, Vater,« hauchte der Kranke, die Augen aufschlagend und ihn freundlich anblickend – »hast Du den Bär?«

»Hier ist seine Tatze,« sagte der Alte, indem er dem Sohne die blutige, abgeschnittene Tatze des Ungethüms hinhielt – »der ist nicht mehr schädlich.«

»Nun sterb' ich gern,« hauchte der Jüngling, und erfaßte seines Vaters Hand.

»Sterben, William? Thorheit – komm, sei ein Mann; steh' auf, komm, ich helfe Dir,« und mit Todesangst im Blick, versuchte er den Verwundeten zu unterstützen.

»Vater, Du thust mir weh!« seufzte dieser.

»Um Gotteswillen, wo fehlt es Dir denn?« fragte der alte Mann, jetzt wirklich zum ersten Mal die Möglichkeit vor Augen sehend, daß sein Sohn zum Tode verwundet sein könne.

»Hier,« sagte dieser, indem er auf seine rechte Brust zeigte – »hier – es ist Alles aufgerissen, im Rücken sticht es auch recht – und – die Mosquito's sind so bös.«

»William,« fragte der Vater in seiner Herzensangst, »kannst Du reiten?«

Der Sohn schüttelte traurig den Kopf.

In Todesangst rang der Vater die Hände und stöhnte endlich mit leiser, drängender Stimme:

»Aber hier kannst Du nicht liegen bleiben, William; die Insekten brächten Dich um, kein Mensch könnte Dich pflegen und Du müßtest verschmachten, wenn die Sonne morgen wieder so heiß wie heute brennt. Wir sind aber kaum vier Meilen von unserem Haus, Du weißt, der Bär wandte sich ganz wieder dem Flusse zu und es kann kaum 200 Schritt bis zur Bayou sein. Ich will Dich aufnehmen und tragen; ich thue es gewiß vorsichtig!«

»Ach, ich bin zu schwer für Dich, Vater!« seufzte der junge Mann.

»Nein, nein, William, ich habe Dich zu tausendmal getragen. Damals warst Du freilich noch kleiner und ich war stärker, Du bist aber jetzt krank und ich will Dich schon vorsichtig fortbringen.«

Ohne eine weitere Antwort abzuwarten, beugte er sich nieder, hob leise und sanft den Verwundeten auf, nahm ihn in seine Arme und wanderte mit starken Schritten heimwärts, fortwährend in das bleiche Antlitz seines Sohnes schauend, das bei jedem Fehltritt, bei der geringsten Erschütterung schmerzhaft zusammenzuckte und dessen Farbe mit jedem Augenblicke fahler und bleicher wurde. Zwei Meilen mochte der alte Lobston den Sohn wie ein krankes Kind also getragen haben, als dieser flehend bat ihn nieder zu legen und ruhen zu lassen, er könne es nicht mehr aushalten. Der Vater willfahrte der Bitte und legte ihn in's Gras, und brachte ihm in seinem Blechbecher, den er am Gürtel trug, zu trinken; dann aber trieb er auch um so mehr, das schützende Obdach des Hauses zu erreichen, aus der Nachbarschaft dort weibliche Pflege herbeizuholen.

Sanft nahm er den Verwundeten wieder auf und trug ihn mit unendlicher Mühe durch die Unzahl hochaufwachsender Cypressenwurzeln, die den Weg überall unterbrachen. Ängstlich vermied er dabei auch die kleinste Erschütterung, während keiner von ihnen weiter ein Wort sprach, bis der Vater endlich das, ihm peinlich werdende Schweigen brach und, sich zum Sohne niederbeugend, lispelte:

»Nur noch eine Viertelstunde, mein William, nur noch eine Viertelstunde, dann lege ich Dich sanft auf Dein Bett und rufe Nachbar Spellens Anna. Die soll Dich pflegen und dann wird Dir bald wieder besser werden. Zu Hause nehmen wir auch die blutigen Kleider ab und – aber William,« unterbrach er sich ängstlich, indem er still stand.

Der Sohn schlug noch einmal die Augen zu ihm auf, öffnete den Mund, als wenn er reden wollte, streckte sich und athmete tief auf, während ein tiefer Schmerz ihm durch das Antlitz zuckte.

»William!« rief der Greis entsetzt, »William! so antworte doch – thue ich Dir weh? –«

Der Sohn antwortete nicht mehr – er war todt.

Der Vater legte den Körper in's Gras, rieb ihm die Schläfe, nahm seinen Kopf auf den Schooß, erfaßte seine Hände; es war nutzlos, sein Kind war todt.

Da übermannte ihn einen Augenblick sein Gefühl; er warf sich auf den Leichnam und schluchzte laut; dann aber, sich gewaltsam sammelnd, stand er ruhig auf, nahm die Leiche wieder in seine Arme, und trug sie, so sorgfältig als er das verwundete Kind gehalten hatte, dem jetzt nur noch wenige hundert Schritte entfernten Hause zu. Dort angekommen, legte er die Leiche auf das Bett, rückte einen Sessel daneben und des Kindes Hand in die seinige nehmend, legte er seinen Finger auf dessen Pulsader, um den leisesten Schlag derselben zu vernehmen, das unbedeutendste Zucken seiner Augenlider zu bemerken. Es war die letzte Hoffnung des Vaters, dem starren unerbittlichen Tode gegenüber.

Ruhig und geduldig, ja vielleicht ohne sie zu bemerken, hielt der Greis die Stiche von ganzen Schaaren Mosquito's aus, die ihn umschwärmten, beobachtete sogar mit fieberhafter Spannung die einzelnen der kleinen Blutsauger, wenn sie sich auf das Gesicht der Leiche niederließen, zu entdecken, ob noch nicht aller Lebenssaft aus den Adern des einzigen Kindes gewichen sei. Die Mosquito's aber senkten ihren Stachel in die Haut und tauchten umsonst mit der langen Spitze desselben nach der warmen Nahrung, zogen ihn wieder heraus, versuchten an einer anderen Stelle und verließen dann, summend und unmuthig, den blutlosen Leichnam.

So kam die Nacht; der alte Mann stand auf und zündete ein Licht, von Hirschtalg und Bienenwachs gegossen, an, das er auf den Tisch stellte und denselben nahe zum Bett rückte. Dann setzte er sich selbst wieder auf seine alte Stelle, und die Hand des Kindes in der seinigen, erwartete er das erste Tageslicht. Als nun endlich der Morgen dämmerte, die Sonne hinter den Baumwipfeln emportauchte, da stand er auf, ging hinaus, nahm eine Hacke und fing an das Grab seines Erst- und Einzig-Geborenen zu bereiten.

Als die Grube tief genug war, wickelte er die Leiche in die wollene Jagddecke, küßte noch einmal Lippe und Stirn des Kindes, senkte ihn sanft hinab, legte dachartig lange Schindeln über ihn hinweg, daß ihn die Erdschollen nicht berühren konnten und füllte das Grab aus.

Das beendet, rollte er mit unsäglicher Mühe einen abgehauenen, zu Fenzstangen bestimmten Eichenstamm auf das Grab, schlug die Rinde oben ab, und grub mit seinem schweren Jagdmesser, das er meiselartig gebrauchte, den Namen seines Sohnes in rohen Buchstaben auf den Stamm.

An demselben Tag noch fing er die beiden Pferde wieder auf, die er an dem gestrigen Unglücksabend im Walde verlassen hatte, bepackte sie mit dem Nöthigsten, was er bei einer neuen Ansiedelung zunächst zu brauchen glaubte, und zog über den Arkansas hinüber nach den Masserne-Gebirgen, dort ungestört den Tod seines geliebten Kindes beweinen zu können.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
180 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain