Kitabı oku: «Aus dem Matrosenleben», sayfa 6
Achtes Capitel.
Die Ausfahrt
Der Boreas hatte die »Heads« des schönen Sydney-Hafens kaum hinter sich, als er, von einer scharfen Südbrise gefaßt, pfeilschnell durch die Wogen schoß. Die Raaen standen eben genug zu Backbord angebraßt, daß der Wind auch die Klüver füllen, und voll in alle Segel hineinstehen konnte, und noch war die Nachmittagswache nicht gesetzt als die leichteren Segel schon wieder nieder mußten.
Gegen Abend wurde der Wind immer stärker, und da das Schiff nicht so stark bemannt war, mit sehr viel Segeln in schlechtem Wetter rasch handthieren zu können, ließ der Capitän noch vor Dunkelwerden ein Reef in die Marssegel nehmen. Das Schiff loggte neun Knoten.
Von den letzt eingefangenen Leuten waren außerdem noch zwei auf der Krankenliste; der eine englische Matrose, Jack, der schon mit einem leichten Fieber an Bord gekommen, und der deutsche Matrose, Hans – derselbe der damals, bei der Flucht der anderen in Sydney an Bord geblieben. An demselben Morgen, an dem sie ausliefen, hatte diesen, beim Füttern, eines der Pferde an den Schenkel geschlagen, und obgleich ihm die Wunde vom zweiten Mate ziemlich gut verbunden war, schmerzte sie ihn doch noch sehr. Er konnte nicht auftreten, mußte also gleichfalls die Coje hüten.
Die ganze Mannschaft bestand außer diesen beiden und dem Capitän mit seinen beiden Mates nur noch aus zehn Personen, und zwar dem Steward und Zimmermann, dem Koch (einem Neger), aus drei Engländern, unseren alten bekannten Bill, Bob und Jim, zwei Franzosen, Jean und François, zwei Deutschen und einem Jungen.
Der Junge war ein Malaye und gehörte eigentlich, wenn das Schiff Passagiere führte, mit in die Cajüte, dem Steward und Koch als Hülfe, wurde aber jetzt, da er vorne nöthiger war, mit in das Vorcastel gethan und ging seine Wachen wie die anderen.
Auf der Starbords- oder Steuerbordswache (die erste) waren der Capitän mit dem zweiten Mate, der Steward, Bill, Jean, Hans und der junge François; auf der Backbord- oder zweiten Wache, der erste Mate mit dem Zimmermann, der auch zugleich mit Bootsmannsdienste verrichtete, mit Bob, Jack, Karl, Jim und dem Malayen.
Zu seiner vollen Besatzung hätte der Boreas die doppelte Mannschaft gebraucht, der Capitän war aber, wie die Sachen jetzt in Sydney standen, nur froh mit diesen fortgekommen zu sein und glaubte sich bis Indien in einem ziemlich günstigen Monsun auch wohl behelfen zu können. Bei günstigem Winde, und wenn das Schiff nicht zwischen vielen Inseln hindurch und aus engen Straßen hinauszukreuzen hat, wo die Mannschaft durch das ewige Wenden erschöpft und aufgerieben wird, kann man auch ein Schiff mit verhältnißmäßig sehr wenig Leuten vorwärts bringen.
Die Mannschaft saß unten im Logis oder Vorcastel (wie der vorderste Raum im Schiff genannt wird, wo die Matrosen gewöhnlich ihren Aufenthalt haben), beim »Schaffen.« Zwei große hölzerne Schüsseln oder besser Wannen, die eine mit einem gar verdächtig aussehenden Stück gesalzenem Speck und Rindfleisch, die andere mit hartem muldigem Schiffszwieback gefüllt, standen zwischen ihnen, und nebenbei dampfte eine riesige Blechkanne, aus der sich jeder, wie es ihm gut dünkte, seinen vor ihm stehenden Blechbecher mit dem allerdings etwas sehr dünnen und unschuldigen aber kochend heißen Getränk füllte.
»Da seid Ihr schuld daran, Gott verdamm mich,« brummte der Zimmermann, als er sich eben selber zu einer »Tasse Thee« half, wie dies Wasser schmeichelhafterweise genannt wurde – »ich glaube wahrhaftig sie wollen uns knapp halten, und nun muß ich das verfluchte Zeug mitsaufen. Koch, du schwarze Bestie, was hast du hier für eine Brühe zurecht gebraut? – ist das Aufwaschwasser da Thee – heh?«
»Kann nicht helfen, Massa,« sagte der Schwarze, der eben die Stiege heruntergekommen war und seine Pfeife in der kleinen, in der Mitte schwingenden Lampe angezündet hatte. Er zuckte dabei mit den Achseln und that als ob er selber sehr betrübt darüber sei; die großen rollenden Augen fuhren aber zu gleicher Zeit und mit unverkennbarem Humor im Kreis herum, und man sah es ihm an, daß es ihm nicht gerade das Schmerzlichste war, den Zimmermann über seinen Thee entrüstet zu finden. »Massa Steward« setzte er hinzu, »gibt nur ganz kleine Fingerspitzen voll Thee – meinte, wenn die Leute jetzt in den Minen wären, hätten sie auch keinen stärkeren Thee gehabt – wäre gerade recht.«
»Oho,« knurrte der Zimmermann – »wenn die Sache so gemeint ist, werde ich mir meine Theekanne künftig insbesondere halten. – Spaß ist Spaß – aber nach warm Wasser wird mir immer schlecht.«
Er stieß seinen Becher auf die Kiste nieder, auf der er gesessen, und kletterte ärgerlich und vor sich hinbrummend an Deck.
»Hallo, Doctor« (denn der Koch wird gewöhnlich auf den englischen und amerikanischen Schiffen mit diesem ihm auch wohlklingenden Titel belehnt), sagte jetzt, als der Zimmermann aus der Logiskappe verschwunden war, Bill, indem er mit seinem Messer ein Stück Speck aus der Schüssel stach, an die Nase hob und wieder hineinwarf – »shiver my timbers, wenn ich nicht glaube, die haben da hinten das alte Faß Speck wieder aufgeschlagen, was schon vor vier Wochen einmal condemnirt wurde. Wenn der Capitän oder Steward im Sinn haben uns hier, nachdem wir wieder in der Falle sitzen, auch noch auszuhungern, so weiß ich einen Fehler. Dann kenn' ich einen gewissen Bill Stumper, der sterbenskrank wird und sich in seine Koje legt, und so lange jeden Morgen mit dem größten Vergnügen eine Dosis Salz nimmt, als der Vorrath an Bord dieses braven Schiffes aushält – was doch hoffentlich nicht so entsetzlich lang dauern soll. Seine Segel kann er nachher allein herüber und hinüber brassen.«
Der Koch sah sich nach oben um, ob der Zimmermann auch nicht mehr in der Luke stand, und sagte dann leise:
»Massa Bill, Timor« (wie der malayische Junge nach der Insel von der er stammte), genannt wurde – »Timor hat gehört wie Capitän zu Steward sagte – alte Faß wieder aufzumachen und den Leuten zu geben – wollte Schufte schon zwiebeln, hat er gemeint.«
»So? – das nennt er also zwiebeln?« lachte Jean, »Alter, Alter, ein zu straff angespanntes Tau reißt leicht und – wir sind noch nicht in Calcutta.«
»Nur sehr gut ist, daß Zimmermann mittrinken und essen muß,« lachte der Doctor – »wird auch mit gezwiebelt, hi, hi, hi, für seinen guten Willen.«
»Ja; aber Hans kriegt ja auch nichts besseres,« sagte der andere Deutsche, »und der hat doch ebenfalls keinen Fuß in Sydney von Bord gesetzt.«
»Der hat aber nicht sagen wollen wo wir hin sind,« murrte Bill, »und deßhalb wird er natürlich mit uns über einen Kamm geschoren. Wenn wir nur den verdammten Zimmermann hier nicht mit unten in unserer Back hätten, ließe sich das alles aber schon machen. Im Zwischendeck liegt nur Heu und zwischen den Ballen durch kann man leicht nach der Vorrathskammer kommen – doch der Lump verriethe, glaub' ich, seinen eigenen Bruder, wenn er sich selber einen weißen Fuß dadurch machen könnte.«
»Steward ist der Schlimmste,« sagte der Doctor, aber noch leiser als vorher – »hat Massa Jean so auf dem Strich, weil ihn der 'mal durchgeprügelt hat – will's wieder gut machen.«
»Daß ich ihm nicht zum zweitenmal auf den Pelz komme,« brummte Jean zwischen den zusammengebissenen Zähnen durch. – »Diesmal möcht's besser fördern – der Wille ist wenigstens da.«
»Brassen!« lautete des ersten Mate Stimme vom Quarterdeck herunter, und »Brassen« rief der Zimmermann auch in demselben Augenblick in die Back nieder – »Brassen, Boys – Donnerwetter, macht nicht so lange da unten; der Mate hat schon dreimal gerufen.«
»Schade, daß Massa Spahn nicht am Lügen erstickt,« lachte der Koch und sprang vorneweg die Leiter hinauf.
Bis acht Uhr Abends und zwar von Morgens fünf Uhr an, hatte er die Wache auf Deck, nach acht Glasen Abends aber war seine Wacht bis zum anderen Morgen zu Koje. Jetzt aber, da die beiden Leute krank, oder doch wenigstens zur Arbeit für einige Zeit unfähig waren, mußte er so lange des Capitäns Wache mithalten, und durfte dafür, um doch seinen gehörigen Schlaf zu bekommen, Nachmittags bis vier Uhr zu Koje gehen.
Die Raaen mußten vierkant gebraßt werden. Der Wind drehte mehr und mehr nach Westen herum, so daß er jetzt von hinten in den Segeln lag, und um 12 Uhr schon gingen sie über Backbord Bug mit halbem Wind, und es wehte ein fliegender Sturm. Der Boreas zischte vor dicht gereeften Vormars-, Sturm- und Vorstengenstagsegeln wie ein Pfeil durch die kochende schäumende Fluth. – Drei Tage lang dauerte der Sturm; vom Lande aber herüberwehend konnte keine so gewaltige See stehen, wie das der Fall gewesen, wäre er von der anderen Seite gekommen. Das Schiff brauchte deshalb auch nicht beizulegen, sondern lief mit ganz kleinen Segeln und nur weniger Unterbrechung fast seine 10 Miles die Stunde.
Am schlechtesten befanden sich die im Raum stehenden Pferde dabei, die, noch nicht an unruhige See gewöhnt, gleich vom ersten Anfang an in solch ein Unwetter hineinkamen. Zwei starben auch schon den dritten Morgen und eines hatte ein Hinterbein Nachts zwischen die Stangen bekommen und gebrochen, und mußte, da hier keine Möglichkeit war es zu heilen, mit den anderen beiden über Bord geworfen werden.
Das Füttern und Besorgen der Thiere geschah in den verschiedenen Wachen immer von denen, die gerade auf Wacht waren, und man kann sich denken daß die Leute, noch außerdem unfreundlich vom Capitän behandelt, eben nicht viel Lust zu einer Arbeit zeigten, welche Matrosen selbst unter den günstigsten Verhältnissen ungewohnt und zuwider ist.
Hierzu kam noch daß die Pferde, durch die starke Bewegung des Schiffs wie das dadurch unvermeidliche stete Hin- und Hergeworfenwerden, dann durch das Knarren der Balken, den Dunst, die Dunkelheit, wie alle die fremden Gestalten, wild und scheu gemacht und oft gar nicht zu bändigen waren und die Leute mehrmals nur mit genauer Noth der Gefahr entgingen, von den wüthend aushauenden Thieren Arm und Bein zerschlagen zu bekommen. In der That hatten auch schon fast Alle Quetschungen und Wunden wegbekommen. Selbst beim Wassergeben bissen ein Paar der boshaftesten nach denen, die ihnen den Eimer hinhielten, und Bill machte schon Vorschläge, wie man die sämmtlichen »Bestien,« wie er sie nannte, mit einemmale vergiften und loswerden könnte.
Der zweite Mate, ein ruhiger, ordentlicher Mann that sein Bestes die Leute zufrieden zu stellen, und da er auch den Proviant auszutheilen hatte, so versprach er ihnen schon gleich am zweiten Tag, daß sie bessere Provisionen haben sollten, »wenn ihm der Capitän und Steward nur erst nicht mehr so auf die Finger sähen.« Damit mußten sie sich aber für jetzt begnügen, denn für den Augenblick ließ sich darin noch nicht viel ändern. Der zweite Mate half auch, wo es irgend ging, mit im Raum bei den Pferden; weder Steward noch Zimmermann ließen sich dort aber nur ein einzigesmal blicken. – Sie hatten immer ungemein viel andere nothwendige Sachen in der Zeit gerade zu thun.
Neuntes Capitel.
Hans
Am vierten Tag ging der Wind wieder mehr nach Süden herum und wurde schwächer. Dadurch legte sich die See allerdings in etwas, der Boreas kam aber nun auch wieder platt vor den Wind und hiermit in so viel stärkere Bewegung. Nur in Ballast geladen, mit den Pferden im unteren Raum, das Heu in das Zwischendeck gestaut, und sogar noch mit einem Dutzend Wasserfässern oben an Deck, war er etwas kopfschwer geworden, und lief allerdings ziemlich ruhig, sobald er von dem mehr schräg einstehenden Winde auf einer besonderen Seite gehalten wurde. War das aber nicht mehr der Fall, so schlingerte6 er so herüber und hinüber, daß die Raanocken manchmal fast die Wogen berührten. Es sah oft aus, als ob er sich im Leben nicht wieder aufrichten würde.
Den Pferden bekam dies noch schlechter als das Stampfen des Schiffes. – Noch an dem nämlichen Tage crepirte ein viertes, und zwei hatten sich die Brust, mit der sie fortwährend gegen die Querbalken geworfen wurden, vollkommen aufgescheuert.
Capitän Oilytt war wüthend darüber; er stieg selber in den unteren Raum hinunter, und als er den Zustand sah, in dem sich einige der Thiere befanden, fluchte und lärmte er auf eine entsetzliche Weise und schwur, er wolle den letzten Mann von der »Räuberbande«, die er jetzt an Bord habe, zu Tode – oder aus seiner Haut hinauspeitschen lassen, wenn auch noch einem seiner Thiere nur »das Fell geritzt würde.«
Capitän Oilytt hatte eine andere Tugend an sich – er trank. Nach dem Mittagstisch nahm er seinen »Verdauungstropfen«, wie er es nannte – ein Bierglas halb mit Brandy, halb mit heißem Wasser gefüllt und mit etwas Zitronensaft versetzt – er verschmähte Zucker. Dabei blieb es aber nicht. – Dem »Verdauungstropfen« folgte ein anderer und noch einer, bis sein Gesicht glühte und manchmal ordentlich Funken zu sprühen schien und in solchem Zustand sah er sich gewöhnlich nach ein wenig »Sport« oder Vergnügen, wie er meinte, um, und stieg auf Deck oder zu den Leuten hinunter. Gnade dann Gott dem, der ihm dort verkehrt in den Weg kam, oder Ursache zu Mißfallen gab. Er verschmähte es oft nicht, selber Hand anzulegen, und da er ein breitschultriger, schwerer Gesell und überdem Capitän des Schiffes war, also vor Gericht stets das Recht auf seiner Seite hatte, hüteten sich die Leute auch wohl, wo sie das nur irgend vermeiden konnten, mit ihm anzubinden, und gingen ihm lieber aus dem Wege.
Es war am achten Tag ihrer Ausfahrt von Sydney. Der Wind wehte ziemlich stetig aus SSO und der Boreas lief, jetzt einen Nord zu West Cours haltend, an der Küste Australiens vor einer herrlichen Brise hinauf. Der Capitän hoffte am nächsten Tag in Sicht der Riffe zu kommen, zwischen denen hinein er durch die Torresstraße seine Bahn suchen wollte.
Die Torresstraße ist jene, an Flächenraum ziemlich breite Straße, die im Süden von der nördlichen Küste Australiens, im Norden durch die große noch fast unbekannte Insel Neu-Guinea gebildet wird, aber dermaßen mit Inseln und Sandklippen überstreut und von Korallenriffen durchwachsen ist, daß die Passage, selbst bei günstigem Wetter, immer gefährlich bleibt und die größte Umsicht erfordert; bei stürmischem Wetter aber selten oder nie gewagt wird. Hierzu kommt daß gerade in dieser Gegend, vielleicht durch die vielen Inseln und die nahe so heiße australische Küste hervorgerufen, das Wetter höchst unbeständig ist, und Nebel und plötzliche Böen etwas sehr gewöhnliches sind, vor denen sich die Schiffer dann natürlich nicht genug hüten können.
Die Riffe selbst haben einen ebenso eigenthümlichen als gefährlichen Charakter. Sie bestehen einzig und allein aus Korallenfelsen; steigen aber nicht selten und besonders an diesem Theil der australischen Küste, über tausend Fuß steil und schroff, manchmal bis an die Oberfläche, manchmal diese nicht ganz erreichend, empor, nie aber so weit über dieselben emporragend, daß mehr als das Schäumen der auf ihnen überstürzenden Brandung sichtbar wäre, und dem Schiffer die Nähe seines gefährlichen Feindes verriethe. Hie und da nur lauscht zu Zeiten eine schwarze Felsspitze aus dem weißen Gischt des erregten Wassers empor, und kündet die Gränze irgend eines in einem schmalen Streifen vielleicht weit auszweigenden Riffs, während dicht davor, ja vielleicht selbst in dem Bogen den das eigentliche Riff umschließt, das ganz dunkelblaue Wasser die fast unergründliche Tiefe zeigt. An vielen Stellen ragen die Korallen bis zur Oberfläche empor, während dicht daneben und keine 20 Schritt davon entfernt, über 260 Faden, also 1560 Fuß, Tiefe sind.
Mit der australischen Küste von Süden nach Norden gleichlaufend, zieht sich nun eine förmliche Mauer dieser theils mehr, theils minder steil aufschießenden Riffe bis nach Neu-Guinea hinauf, und nur hie und da laufen schmale gewundene und natürlich höchst gefährliche Eingänge in diese Riffe hinein, an denen sich das Meer in seiner östlichen Strömung mit aller Kraft und Stärke bricht. In einigen Meilen Entfernung gesehen bieten sie dem Auge auch nichts als eine einzige, ununterbrochene Kette weißen Schaumes, die sich von Süden nach Norden in schneeiger, beweglicher Linie hinaufzieht, und erst dicht hinanfahrend entdeckt der Schiffer von seiner Vorbramraae aus hie und da einen schmalen dunklen Eingang, der zwischen den milchigen Massen hin auf die innere spiegelglatte und stille Fluth führt.
Macht aber wirklich das Schiff diesen schmalen Eingang, so ist immer noch nicht gesagt daß es darin auch weiter kann, daß dieser nämlich eine förmliche Durchfahrt in die tiefere innere Bay gestattet. Eine starke, gewöhnlich nach Nordwesten setzende Strömung droht ihm zugleich fortwährend in dem engen Fahrwasser, mit den nördlich von ihm liegenden Klippen, während er, dicht von Riffen eingeschlossen, sich vielleicht auf einer Tiefe befindet, in der seine beiden aneinander gesteckten Ketten nicht einmal Ankergrund erreichen würden.
Der Capitän war an dem Tage besonders mürrisch gewesen. Er hatte sich mit dem zweiten Steuermann, irgend einer Kleinigkeit in den Provisionen wegen, gezankt, oder diesen vielmehr einer Sache beschuldigt, die sich nachher als unwahr herausstellte, und aus Aerger darüber schien er mehr als seine gewöhnliche Zahl Verdauungstropfen zu sich nehmen zu wollen. Da fiel ihm aber möglicherweise ein, daß er an dem zweiten Mate doch vielleicht noch einen andern Haken finden könne, da dieser ja auch die Aufsicht über das Füttern und Halten der Pferde hatte. Er beschloß deshalb, einmal selber in den unteren Raum hinabzusteigen, und zu sehen wie sich seine Pferde befänden. Er rief den Steward, ihm mit einer Laterne zu folgen.
Jean stand am Ruder und Bill saß nicht weit davon auf dem Quarterdeck und besserte das dort ausgebreitete große Marssegel aus, das in der letzten Bö beschädigt worden war. Der zweite Mate, der bis jetzt daran mitgeholfen hatte, stand auf und ging nach vorn.
Hans und François, die beiden übrigen auf Wache, waren gerade im unteren Raum mit dem Füttern und Tränken der Thiere beschäftigt. Hans hatte sich wieder so weit erholt, daß er wenigstens herumhinken und die nothwendigsten Arbeiten mit verrichten konnte. Auch Jack war besser geworden, lag aber immer noch, zu schwach irgend etwas anzugreifen, zu Koje.
»Na, heut' Nachmittag wird's wieder was Schönes setzen«, meinte Jean mit halblauter Stimme zu Bill, der nicht weit von ihm saß, und nachdem er erst einen vorsichtigen Blick über Deck geworfen. – Der Mann am Ruder darf mit niemandem sprechen und von niemandem angeredet werden, damit er seine Aufmerksamkeit ungetheilt Compaß und Segeln zuwenden kann; »der Alte ist in vortrefflicher Laune, und wenn er erst noch ein paar »Tropfen« weggestaut hat, giebt's aller Wahrscheinlichkeit nach einen Wolkenbruch. Sollte mich gar nicht wundern, wenn er unten schon anfinge. – Dort hat er aber niemanden. François versteht nicht was er sagt wenn er schimpft, und Hans mukst nicht, und wenn er dem das Leder vollschlüge.«
»Das laß gut sein,« meinte Bill kopfschüttelnd, »Hans läßt viel mit sich machen; wenn es aber zum Aeußersten kommt, traut' ich ihm gerade weniger als jedem anderen. Er hat was im Auge was mir nicht gefällt, und muß seine ganz besonderen Gründe gehabt haben, in Sydney nicht mit fortzulaufen, denn aus Feigheit ist es wahrhaftig nicht geschehen.«
»Er hat Frau und Kind zu Haus,« entgegnete ihm Jean, »das wird der Grund gewesen sein.«
»Fällt ihm nicht ein,« meinte Bill kopfschüttelnd, »der hat so wenig eine Frau zu Haus wie ich und du. Nein, ich will dir sagen was er mir geantwortet hat, als ich ihn deshalb fragte – er meinte er hätte dem Capitän sein Ehrenwort gegeben an Bord zu bleiben, und das könne er nicht brechen.«
»Den Teufel auch?« rief Jean rasch und erstaunt – »das hätt ich Hans gar nicht zugetraut. – Es ist überhaupt ein sonderbarer Kauz, und so wenig er damit ausläßt, spricht er doch jedenfalls auch französisch. – Er versteht wenigstens alles, obgleich ich ihn nie zum Antworten bringen kann. Er weicht dann immer aus und meint die Zunge sei ihm zu schwer dazu. Ich glaub's aber nicht.«
»Manchmal kommt's mir vor als ob er gar kein Deutscher wäre,« sagte Bill. »Obgleich er sonst nur ganz gebrochen englisch spricht, sind ihm doch schon ein paarmal Worte herausgefahren, die mich ganz stutzig machten, und im Schlaf neulich will ich verdammt sein, wenn er nicht den einen Satz so rein englisch herausbrachte wie nur je Einer an den alten Kreideküsten Geborner. Nachher kam freilich eine Menge Kauderwälsch dazwischen das ich nicht verstand, wahrscheinlich »dutch.« – Hallo, da unten gehts los – hörst du's Jean?«
»Ich hab's mir vorneherein gedacht,« sagte dieser gleichgültig. – »Daß er dem Mate nichts anhaben konnte, war dem alten Höllenhund schon ein Dorn im Fleisch, und jetzt hat er denn richtig so lange herumgesucht, bis er sich ein anderes Vergnügen herausstöbern konnte.«
»Hm!« sagte Bill, »da unten ist's laut – hallo, da kommt der Alte zu Luft – Donnerwetter, was er für einen rothen Kopf hat – wahrhaftig ich glaube er blutet. Na jetzt werden wir was Neues hören,« und mit unendlichem Fleiß, als ob er bis dahin gar nicht von seiner Arbeit aufgesehen, machte er sich wieder über das alte, von Wetter und Zeit schon arg mitgenommene Marssegel her.
Im Raum war es indessen allerdings bunt hergegangen. Als der Capitän hinunter kam, standen Hans und François eben und tränkten die Pferde, von denen einige immer noch ungern aus dem Eimer soffen. Sie schnoperten und scharrten und schnaubten, stießen mit der Nase nach dem Eimer, oder versuchten auch wohl mit einem Vorhuf hineinzufühlen, wie sie einen schwanken Steg oder zu weichen Boden erst versuchen würden, ob er auch stark und sicher genug wäre sie zu halten.
Es war natürlich sehr dunkel im unteren Raum, denn das wenige Licht was durch die schmalen Luken fiel, wurde fast total durch die beiden Windfänge gebrochen und aufgehalten, die von oben herunter niedergelassen sein mußten, den Dunst der Pferde, der sonst nirgends Abzug hatte, hinauszutreiben und reine Luft hinabzuführen. Die Hitze war dadurch auch in der That sehr gemäßigt worden, und wenn man sich erst einmal eine kurze Zeit unten befand, gewöhnte sich das Auge eher an die Dunkelheit und konnte die Gegenstände, gegen die der eben Niedersteigende wie erblindet war, leichter unterscheiden.
Als der Capitän hinunterkam, stolperte er gleich bei den ersten Schritten über eine dort lehnende Mistgabel, mit der die Leute die Streu etwas aufgelockert und die trockene von der feuchten geschieden hatten. Der Steward, der mit der Laterne hinter ihm herkam, half ihm natürlich wenig oder gar nichts mit seinem Licht, und das erste was die beiden Leute unten von der Gegenwart ihres Capitäns erfuhren, war ein entsetzliches Schwören und Fluchen über die erstlich, die in ihrer »verdammten Nachlässigkeit« das Werkzeug dort hatten stehen lassen, und dann über die ganze »nichtsnutzige, diebische, strickwerthe« u. s. w. Schiffsmannschaft.
»Parbleu,« sagte François leise auf französisch zu Hans – denn die beiden sprachen einem Verständniß gemäß, das sie unter sich getroffen, der eine sein Französisch und der andere sein Deutsch, womit sie vollkommen gut auskamen – »der Alte ist heut' in einer besonders rosenfarbenen Laune. – Ich gäb' 'was darum wenn er dem Fuchs da drüben ein bischen nahe käme. Er und der würden's dann bald zusammen kriegen.«
Der Fuchs, von dem François sprach, war das bösartigste Thier im ganzen Schiff, und Hans der einzige der ihm selbst Wasser oder Futter geben durfte. Sobald sich nur ein anderer der Leute ihm näherte, und er nur eben glaubte, sie mit seinen Zähnen erreichen zu können, fuhr er wie ein Tiger aus seiner Höhle zwischen den beiden Querbalken mit dem Kopfe durch, und Gnade Gott dann allem was er erwischte. Die übrigen Pferde hatten sich schon etwas mehr in die Umstände gefügt, obgleich sie trotzdem noch immer gern nacheinander bissen und schlugen.
»Was gutes hat er nicht im Sinn, wenn er Nachmittags hier herunterkommt,« erwiederte Hans, mehr jedoch mit sich selber redend als auf die Bemerkung des Anderen antwortend. – »Komm hier, Schwarzer,« rief er dann laut gegen das Pferd gewandt, an dem er gerade stand, und das nach dem jetzt näher kommenden Licht der Laterne hinüberschnoperte. Es trat ängstlich dabei so weit zurück, als es ihm das etwas kurze Seil, an dem sein festes Halfter saß, erlaubte – »komm hier, Bursche – es thut dir niemand 'was – hier – sauf dein Wasser, daß die anderen auch 'was kriegen – Steward! haltet ihm die Laterne nicht so vor die Nase,« wandte er sich jetzt aber rasch gegen diesen, der indessen mit dem Capitän ganz nahe getreten war und das Licht so hoch als möglich hielt, um selber darunter wegsehen zu können – »es scheut vor dem ungewohnten Strahl und wird das Halfter am Ende zerreißen.«
Der Steward senkte das Licht und wollte zurücktreten, der Capitän hatte aber in demselben Augenblick auch eine Schramme am Hals des Pferdes bemerkt – eine Stelle, wo es das Seil ein wenig wund gescheuert hatte und die jetzt, da es mit dem ganzen Gewicht seines Körpers nach hinten zog, frei kam und sichtbar wurde.
»Halt, Steward – gieb mir einmal die Laterne,« sagte er rasch – »Gott verdamme mich, wenn sie mir hier unten die Thiere nicht zu Tode schinden, falls ich nicht selber dann und wann darnach sehe. – Woh Poney – woh mein Thier – come up here, you damned son of a bitch – come up here – w-o-h – daß dich die Pest!«
Das Pferd durch das ihm dicht vorgehaltene Licht und die fremden Laute scheu und furchtsam gemacht – drängte nur immer mehr zurück, schnürte sich fast die Kehle zu, daß ihm die Augen weit aus dem Kopf traten, sprengte endlich, als der Capitän mit dem letzten, »daß dich die Pest« den Arm mit der Laterne rasch und heftig gegen es in die Höhe stieß, das Halfterseil, und stürzte auf seinen Hintertheil zurück gegen die Schiffswand. Allerdings war es noch mit einem anderen Nothtau um den Hals befestigt und festgehangen, dieses aber länger als das andere, so daß es ihm mehr Raum gab. Als es deshalb wieder in die Höhe sprang, drückte es mit aller Kraft hinter die ihm zunächst stehenden Thiere hinein, die, durch den ganzen Lärm und die ungewohnten heftigen Stimmen ebenfalls scheu gemacht, ausschlugen und wieherten und stampften, und einen Lärm machten als ob sie das ganze Unterdeck aus einander reißen wollten.
Die Verwirrung hatte ihren Höhepunkt aber noch lange nicht erreicht. Das einzige Pferd nämlich, was sich bis jetzt bei der ganzen Sache vollkommen ruhig verhalten, ja nicht ein Glied gerührt, und nur vorsichtig gebückt mit zurückgezogenem Kopf, aber lebhaft und tückisch blitzenden Augen dagestanden hatte, war eben der Fuchs gewesen, von dem François vorher gesprochen, und der geduldig ein Opfer für seinen nächsten Angriff zu erwarten schien. Der Steward war ihm der nächste. Dieser stand, nicht das mindeste von der ihm im Rücken drohenden Gefahr ahnend, mit der ihm vom Capitän wieder zugereichten Laterne mitten in dem Gang, der zwischen den beiden Reihen Pferden gelassen worden. Der aber war nicht drei Schritt von der Stelle ab, wo der Fuchs, mit fest zusammengebissenen Zähnen, gierig auf die nächste Bewegung seiner ausersehenen Beute lauerte.
Die sollte auch nicht lange auf sich warten lassen. Der Capitän bedeutete den Steward mit dem Licht nach hinten zu gehen, daß die Thiere sich wieder beruhigen möchten. Dieser wollte auch eben dem Befehl Folge leisten, hatte aber kaum seinen zweiten Schritt gethan, als er einen lauten Angst- und Schmerzensschrei ausstieß und die Laterne fallen ließ. Der Fuchs war nämlich ohne weitere Warnung mit dem Kopf durch seine beiden Querbalken hingefahren, und den Mann gerade über der Hüfte packend, hielt er ihm hier Hose und Fleisch, ingrimmig zwischen seinen scharfen ehernen Zähnen eingeklemmt; an Losreißen war nicht zu denken.
»Pfui, Fuchs, schäm dich!« rief Hans, der wegen seines kranken Beines nicht gleich so schnell hinüber konnte, den Gefangenen zu befreien. Fuchs aber, obgleich er sonst gewöhnlich auf seines Fütterers Wort hörte, schämte sich diesmal nicht, und ließ den jetzt Zeter und Mord Brüllenden auch nicht eher los, bis der Capitän zusprang, ihn zu befreien; dann geschah es aber auch nur, um nach dem neuen Opfer zu schnappen. An diesem hafteten jedoch seine Zähne diesmal nicht, denn er stieß ihn so heftig mit dem Maul gegen den Leib, daß er zurücktaumelte und mit dem Kopf an den gegenüberstehenden Pfosten schlug.
Als er sich wieder in die Höhe richtete, wollte der Fuchs seinen Angriff erneuern, jetzt sprang aber Hans dazwischen und trieb das freudig und fast höhnisch wiehernde Thier in seine Gränzen zurück. Der Steward aber kroch indessen wie eine Schlange in dem schmalen Gang hin und hielt nicht eher an, bis er die Leiter halb hinauf war. Dort blieb er stehen und schrie nun zurück, »das sei eine schändliche Gemeinheit, denn er habe selber gesehen wie Hans das Thier auf ihn gehetzt hätte.«
»Tropf,« war das einzige was Hans, halb lachend, halb verächtlich auf die Anschuldigung erwiederte, und er wandte sich dabei wieder nach dem Rappen um, diesen aufs neue festzumachen, und die anderen Thiere zu beruhigen und zu tränken. So leichten Kaufs sollte er aber bei dem Capitän nicht davonkommen, denn Capitän Oilytt, durch Rum, Aerger und den letzten Fall zu wahrer Wuth gebracht, schäumte fast vor innerlich kochendem Grimm und suchte nur noch ein Opfer, an dem er ihn auslassen konnte.
François merkte das, und drückte sich aus dem Weg, und auch Hans fühlte, wie der Capitän nur eine Ursache suche mit ihm anzubinden; that aber als ob er entweder nichts merke oder sich nur wenig um die Sache bekümmere. Den ersten allgemeinen Ausbruch des Gereizten oder eigentlich sich selber erst Aufreizenden: »Ihr verdammten Hallunken hier unten macht was Ihr wollt mit den Thieren, und ich muß Euch nur erst einmal die Katze zu fühlen geben,« ließ er deshalb auch unbeantwortet, und machte sich mit dem Rappen zu schaffen, den er durch Zureden so weit vorn an die Stange zu bringen versuchte, daß er ihm das Halfterseil wieder anknoten konnte.
»You, Sir, there,« rief aber der Capitän, »ich spreche mit Euch – Gott verdamme es, wollt Ihr wohl so gut sein und mir Antwort geben wenn ich mit Euch rede? – Was ist das hier für eine Wirtschaft unten? – Ueberall liegt das Geschirr herum, daß man Hals und Beine darüber bricht – die Pferde sind wund gescheuert und liederlich angebunden, daß sie sich einander zu Schanden schlagen müssen – damn it to hell and damnation, ich will darin Ordnung sehen, oder ich lasse Euch alle mit einander krumm schließen und abpeitschen.«