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Kitabı oku: «Aus zwei Welttheilen, Erster Band.», sayfa 6

Yazı tipi:

»Lassen Sie jene Nacht, beste Frau Pastorin,« bat sie der Schulmeister, »die ist lange vorüber; weshalb immer wieder auf sie zurückkommen. Münzer kann Ihnen eine andere treffliche Neuigkeit berichten; der Gutsherr hat ihm das kleine Stückchen Feld, das er bis dahin bewirthschaftete, verdoppelt, und hinlänglichen guten Samen zu Kartoffeln versprochen.«

Die Frau hielt indessen ihr Auge fest und forschend auf den alten Mann geheftet; es war unverkennbar, daß irgend ein Gegenstand alle seine Gedanken gefesselt hielt, denn er beachtete nicht einmal das, was ja bisher, wie die Pastorin recht gut wußte, sein höchster Wunsch gewesen. Etwas Anderes ging ihm im Kopfe herum und jene Nacht mußte damit in Verbindung stehen. Der leicht erregbare Zustand der Kranken faßte denn auch, besonders nach diesem Punkte hin, den geringsten Faden mit zitternder Schnelle auf.

»Was ist Euch geschehen, Münzer,« flüsterte sie und griff, die Hand des Schulmeisters zurückdrängend, nach seinem Arme – »was ist, – sagt mir – was ist mit jener Nacht?«

»Geschehn gerade nichts, Frau Pastorin,« erwiederte der Greis und schnitt verlegen mit dem Rand seiner Sohle in den gelben Kies ein, – »geschehen gar nichts, aber – wenn Sie es denn wissen und – mich nicht auslachen wollen – ich hatte eine Erscheinung.«

»Münzer!« rief der Schulmeister vorwurfsvoll, und der alte Mann sah erst jetzt, als er die Augen vom Boden hob, zu seinem Schreck, welchen Eindruck die wenigen Worte auf die Frau gemacht hatten.

»Ihr saht – Ihr saht meinen Vater!« – rief diese mit heiserer, kaum vernehmlicher Stimme, – »gesteht es nur – gesteht – Ihr saht an jenem Abende meinen Vater – Münzer!«

Die Kranke war in fürchterlicher Aufregung und der Küster hätte Gott weiß was darum gegeben, kein Wort von der ganzen Geschichte gesagt zu haben; doch zu spät. Auch der Pastor, der gerade jetzt wieder aus dem Hause trat und bestürzt erkannte welcher Fehlgriff gemacht sei, war nicht mehr im Stande seiner Frau das einmal fest und krampfhaft erfaßte Ziel zu entrücken. Hören wollte sie, hören von des Küsters eigenen Lippen, was er gesehen, die Gewißheit wollte sie haben, daß ihr Vater selber sie gerufen »und dann, dann« – meinte sie und strich sich die Haare aus der feuchten weißen Stirn – »werde sie ruhiger, – werde ihr besser werden.«

Es blieb keine andere Wahl als ihr zu willfahren und der Pastor forderte zuletzt selbst den alten Mann auf, was er wisse, bei seiner Seele Heil aber kein falsches, übertriebenes Wort zu sagen.

»Ach, lieber Herr Pastor,« erwiederte der Greis, »wollte doch Gott, ich hätte ganz geschwiegen, noch dazu, da ich nicht einmal etwas Bestimmtes über die Gestalt sagen kann.«

»Die Gestalt« – wiederholte, kaum bewußt, die Kranke – »wo war sie – wie sah sie aus?«

Der Schulmeister stand bestürzt und ängstlich daneben – jetzt schien sein letzter Einwurf gehoben – und welchen Eindruck mußte eine solche Bestätigung auf die reizbare Kranke machen.

»Genau weiß ich's nicht,« flüsterte der alte Mann und sah sich selbst hier im hellen Sonnenlichte scheu um, als ob ihm der Gedanke an das Geschehene noch Schauder erwecke; »doch – es wird vielleicht besser sein, Ihnen das Ganze nur in wenigen Worten mitzutheilen. Ich hatte mich nämlich an dem Abende schon früh, weit früher als gewöhnlich, in's Bett gelegt; das Wetter war stürmisch und mein altes Reißen plagte mich wieder einmal ganz absonderlich; sobald ich aber einzuschlafen versuchte, störte mich ein häßlich ächzendes Geräusch, das, wie ich gar bald fand, von dem offen gelassenen Fensterladen der Sakristei herrührte. Nun hätte ich allerdings leicht hinübergehen und den Laden schließen können, noch dazu da ich fürchten mußte, der Wind bräche ihn vielleicht die Nacht aus den Angeln, und von der kleinen Hinterthür, die aus meinem Zimmerchen hinüber führt, sind's ja, wie Sie wissen, nur wenige Schritte – ich hatte aber die Schlüssel in des Herrn Pastors Studirstube liegen lassen –«

Der Schulmeister hob schnell den Kopf und sah den Küster forschend an.

»– und scheute mich hinaufzugehen und ihn zu stören. So lag ich bis nach zehn Uhr; da jetzt das Geräusch aber immer ärger wurde und ich nun auch ziemlich gewiß wußte, Sie wären oben Alle zu Bett – denn an der Linde, die vor meinem Fenster steht, kann ich es deutlich sehen, wenn oben in der großen Eckstube noch Licht ist – zog ich meine Filzschuhe und meinen alten Schlafrock an und schlich leise die Treppe hinauf –«

»Ihr waret an jenem Abend in meinem Zimmer?« rief der Pastor und die Lippen der Frau theilten sich in Staunen und Ueberraschung –

»Auf der Treppe schon klang mir's unheimlich und laut,« fuhr der Greis, die Frage nicht beachtend, fort, – »das stürmische Brausen um das Haus wurde hier, in dem umschlossenen Raume, zum leisen Flüstern und Zischeln, und ich öffnete rasch die Thür und schritt dem wohlbekannten Platze zu, wo der Herr Pastor immer Abends die Schlüssel hinlegt, damit ich sie früh finden kann. Schon hatte ich sie gefühlt und in die Hand gefaßt, denn ein schwacher Mondenstrahl fiel in dem Augenblicke durchs Zimmer, als ich – das Blut stockt mir jetzt noch in den Adern, wenn ich daran denke – ein leises Stöhnen vernahm, und den Kopf rasch darnach umwendend, eine helle Gestalt erkannte, die im Begriff schien, die Arme nach mir auszustrecken. Im nächsten Augenblick stand ich vor Entsetzen stumm und regungslos, als ich jetzt aber wirklich sah, daß sich die Erscheinung regte, als ich das weiße Grabtuch rauschen hörte, da kann ich nachher nicht einmal mehr sagen, wie ich aus dem Zimmer kam, nur so viel erinnere ich mich noch, ich glitt die Treppe hinunter, sprang in meine Kammer, die ich hinter mir verschloß – in's Bett, hüllte mich in die Decke ein und betete heiß und brünstig zum lieben Herr Gott, daß er alles Unglück von mir und diesem Hause abwenden wolle.«

»Und der Fensterladen?« frug der Schulmeister und ergriff lächelnd des Pastors Hand.

»Der Wind legte sich bald nachher, meinte der alte Mann, und das Aechzen hörte auf; wär's aber auch noch so stürmisch gewesen, an dem Abende hätten mich nicht zehn Pferde mehr in die Sakristei gebracht.«

»Elise!« sagte der Pastor, und zog das bleiche zitternde Weib leise an sich – sie zögerte einen Augenblick, – schaute noch zweifelnd – zaudernd vor sich nieder und barg dann mit lautem Schluchzen den Kopf an ihres Gatten Brust.

»Meine gute Frau Pastorin,« bat der alte Mann bestürzt.

»Alterchen, rief aber jetzt der Schulmeister, und zog den Arm des erstaunten Küsters in den seinen; Ihr habt heute Morgen den gescheidesten Streich gemacht, der sich nur denken läßt; nun kommt aber, meine prächtige Geistererscheinung, hier ist Euer Dokument, heute Mittag müßt Ihr bei mir essen.«

»Aber Herr Schulmeister – ich begreife nicht –«

»Ist auch gar nicht nöthig, Schätzchen, – ist auch gar nicht nöthig, nur jetzt ein bischen die alten Knochen gerührt. Hurrah, Küster, ich bin so fidel, ich könnte, glaube ich, eine Menuet tanzen und mir die Melodie selber dazu pfeifen.«

Und ohne dem alten Manne auch nur Zeit zu lassen, noch ein einziges Wort an die weinende Frau zu richten, zog er ihn rasch den Gartenweg hinunter und verschwand mit ihm durch die hintere Thür.

Und die Kranke? –

Nur wenige Wochen sind seit jenem Morgen verstrichen, in der Pfarre giebts aber keine Kranke mehr – des Pastors wackere Hausfrau wirthschaftet wieder, wenn auch noch etwas bleich und angegriffen, doch mit vollen, rüstigen Kräften im Hause herum; auch der Schulmeister und Verwalter kommen, wie früher, manchmal Abends herüber und verplaudern ein Stündchen – nur Geistergeschichten werden nicht mehr erzählt, und der Küster – nimmt jetzt den Schlüssel zur Sakristei gleich Abends mit in seine Stube – damit der alte Mann nicht mehr Morgens die Treppen zu steigen braucht, sie herunter zu holen.

Schwarz und Weiß.
Aus dem Farmerleben Missouris

Weit aus dem fernen Westen, da wo die eisgekrönten Berge ihre zackigen Kuppen in einander drängen und zweien Meeren, dem atlantischen wie dem stillen Ocean die schäumenden Quellen zusenden; weit von daher, wo er sich seine rauhe Bahn durch die entsetzlichsten Felsmassen bricht, die er entweder mit starkem Arm zerreißt, oder sich im tollkühnen Satz hinüberschwingt, um nachher, wie ob des gelungenen Wagestücks, meilenlang weiter zu tanzen und zu sprudeln, – kommt der gewaltige Missouri herab, »der schmutzige Strom,« wie ihn der Indianer des Raubes wegen nennt, den er an seinem eigenen Ufer vollführt, oder der »brüllende Strom« (roaring river), wie ihn erstaunt der Weiße taufte, als er da zuerst sein Bett erblickte, wo er Fall nach Fall, dem verfolgten Panther gleich, aus den Gebirgsschluchten sprang, und erst dort still und geräuschlos seine Bahn vollendete, als er das schützende Dickicht der Niederung erreicht hatte und nun zwischen den riesigen Stämmen des Urwaldes hin, dem starken Bruder, dem Mississippi, in die Arme glitt.

Dort nun, wo in dem Schatten der Eichen und Hickorys der wilde Wein seine mächtigen Ranken von Zweig zu Zweig schlang und in zähen Armen die stattlichen Bäume verband, während mit zwar prunkenderem Aeußeren, mit bunter schimmernden Blüthen und saftigeren Blättern, andere Schlingpflanzen ebenfalls hinaufstrebten zu den starken Aesten und sich ihnen liebend anzuschmiegen schienen, indeß doch Gift in ihren Adern floß und sie nur Macht zu bekommen suchten, das wackere Holz fest, fest zu umklammern und ihm Licht und Luft zu rauben, daß es endlich in ihrem Griff erstickte, verdorrte, – dort, in dem fast noch unentweihten Heiligthume, stand ein kleines, roh aufgebautes Blockhaus mit breitmächtigem, aus Lehm errichteten Kamine, die Nordseite dicht an den dunkeln Wald geschmiegt, dessen ungeheuere Wipfel hoch über das niedere Dach emporragten, an den drei anderen Seiten aber durch ein wahres Chaos gefällter Bäume, hoch aufgestapelten Busch- oder Oberholzes, abgeschlagener Stämme und knorriger, sich weit umher spreizender Aeste im wahren Sinne des Wortes verbarrikadirt.

Der Eigenthümer dieses Platzes mußte augenscheinlich erst seit kurzer Zeit hierher gezogen sein und die Urbarmachung des Bodens begonnen haben, was auch noch überdieß ein dicht am Hause stehender, mit Leinwand bespannter Wagen bewies, der wohl, nebst einem nicht sehr weit von ihm entfernten Karren, sämmtliche Habseligkeiten des Farmers in dessen neue Waldheimath eingeführt hatte.

Die Sonne schimmerte eben noch mit ihrem rothen Gluthenlicht durch die Wipfel der Bäume, als sich ein Reiter, auf kleinem indianischen Poney, einem schmalen Kuhpfad folgend, dem Platze näherte und endlich gerade da die Lichtung erreichte, wo Stämme und Aeste am tollsten umhergestreut lagen. Wenige Secunden hielt er auch wirklich sein schnaubendes Pferd an, und schien sich in den Steigbügeln hoch emporrichtend, nach irgend einer Oeffnung zu suchen, durch die er in diese Holzmasse eindringen und das Haus erreichen könnte. Der Wunsch mochte aber wohl unerfüllt bleiben; denn, einen leisen Fluch ausstoßend, preßte er seinem Thier den einen bespornten Haken in die Flanke und setzte über die ersten, ihm den Weg versperrenden Klötze hinweg.

Das kleine muntere Pferd sah auch bald was sein Herr eigentlich beabsichtige, und daran gewöhnt Hindernisse zu beseitigen, die bei fortwährendem Reiten im Walde fast stündlich vorkommen, wand es sich mit wirklich bewundernswerther Geschicklichkeit immer näher und näher dem Hause zu, hier einen Stamm überspringend, dort vorsichtig durch wild umher gestreute und zersplitterte Aeste dahinschreitend, bis es sich plötzlich, nach einem besonders kühnen Satz über, oder vielmehr durch den Wipfel einer gefällten Eiche, so von allen Seiten eingezwängt und von wirklich unübersteiglichen Hindernissen umgeben sah, daß es ruhig stehen blieb und, in der festen Ueberzeugung sein Aeußerstes gethan zu haben, ganz geduldig erwartete was jetzt der Reiter beschließen würde, der doch eigentlich auch bei der Sache interessirt war.

Dieser aber blickte vergebens nach einem Ausweg umher und that endlich das, was er von allem Anfang an hätte thun sollen, er rief das Haus an, und zwar mit einem kräftigen, weit hinausschallenden »Halloh!«, was augenblicklich im ohrzerreißenden Chor von zehn bis zwölf Rüden bellend und heulend beantwortet wurde.

Gleich darauf öffnete sich die Breterthüre, auf deren Schwelle eine schlanke, schon etwas ältliche Matrone erschien, die rings nach dem Rufenden, freilich vergeblich, umherschaute, während jetzt die durch den Anblick der Herrin immer noch mehr gereizten Hunde einen so fürchterlichen Lärm erhoben, daß er für kurze Zeit jeden andern Laut vollkommen übertäubte.

»Ruhig, Muse, ruhig, nieder mit dir, Watch, willst du still sein, Deik; Hunde, ihr bringt Einen noch zur Verzweiflung, ruhig da, hört ihr denn nicht!« rief die Frau, die Meute beschwichtigend, die sich denn auch endlich zufrieden geben wollte, als ein zweites »Halloh the house!« ihren Grimm aufs Neue erregte, der jetzt gar keine Grenzen mehr zu kennen schien.

Die Geduld der guten Frau mochte nun aber auch wohl ihr Ende erreicht haben; denn einen zum Trinkbecher ausgeschnittenen großen Flaschenkürbiß ergreifend, der in dem vollen, auf einem Gesims vor der Thüre stehenden Eimer schwamm, goß sie die klare, kalte Fluth über die Tobenden aus, die nun heulend und kläffend auseinander stoben.

Zum dritten Mal rief jetzt, diesen Augenblick der Ruhe benutzend, die Stimme ihr immer ungeduldiger werdendes »Halloh!« herüber, und nun erst ward die Matrone den Reiter gewahr, dessen Kopf nur wenig über das ihn umgebende Buschwerk hervorragte.

»Mr. Hennigs, sind Sie das?« rief sie lachend, als sie die Lage des jungen Mannes errieth, »wie, um Christi willen, haben Sie sich denn da hinein verloren?«

»Verloren?« rief dieser in komischer Verzweiflung, »ich möchte wirklich wissen, wie ich mich hier verlieren sollte; ich sitze so fest, wie der Wolf in der Falle. Wo zum Henker ist denn der Eingang zu Ihrem Haus? ich bin hier zwar auf dem Fußweg, er scheint aber nicht sehr begangen.«

»Sie hätten um die Lichtung herum, durch den Wald reiten müssen,« entgegnete die Frau, »mein Mann hat hier Bäume gefällt.«

»Ja, das läßt sich nicht läugnen,« lachte der Reiter, »die Beweise liegen zur Hand.«

»Bleiben Sie nur da halten, Mr. Hennigs,« rief jetzt eine kichernde Mädchenstimme hinter der alten Dame vor, und dicht neben ihr ließen sich in diesem Augenblick zwei allerliebste Köpfchen sehen, die neugierig die Lage des jungen Mannes erspähen wollten, »bleiben Sie nur da halten; Vater hat gesagt, daß er im Lauf der nächsten Woche das ganze Holz wegräumen will, und dann wird der Fußweg wieder frei.«

»Danke, Sally, danke!« rief Hennigs lachend, »die Zeit möchte mir aber doch lang werden, wenn ich Ihre liebe Stimme immer so ganz in der Nähe hören müßte und nicht hinüber könnte. Nein, mag mein Poney sehen, wie es allein heraus kommt; ich will's ihm leichter machen!« Und damit sprang er vom Pferd, schnallte Sattel und Zaum ab, hing sich beides über die Schulter und kletterte nun, wenn auch nicht ohne bedeutende Anstrengung, dem kaum sechzig Schritt entfernten Hause zu.

Das Poney blieb im Anfang, als es sich so von seinem Herrn verlassen sah, ruhig stehen, und spitzte nur sehr bedeutend die kleinen Ohren; als es jedoch fand wie sich die Sache eigentlich verhielt, und den Trog witterte, an dem es gefüttert zu werden hoffte, warf es den Kopf in die Höhe, wieherte ein paar Mal hell auf, und flog dann, jetzt durch keine Last mehr zurückgehalten, mit kühnen Sätzen über Stamm und Busch hinweg, bis es schnaubend und mit den Hinterbeinen wild nach den hier auf es einstürmenden Hunden schlagend, vor der Thüre der Hütte hielt, und dort seinen jetzt ebenfalls herankeuchenden Herrn freudig begrüßte.

Dieser aber warf Sattel und Zaum nieder, sprang schnell die aus über einander gelegten Klötzen bestehenden Stufen hinauf ins Haus und rief hier, die Hände der Frauen ergreifend und herzlich schüttelnd:

»Wie geht's, Mrs. Draper, wie geht's, Sally und Lucy, Ihre Hand, Alle wohl? seh'n wenigstens Alle kerngesund aus; doch – wo ist der Alte?«

»Vater ist noch draußen im Wald, er sucht die Pferde,« entgegnete, nach der kurzen Begrüßung, Sally, das jüngste der beiden Mädchen, die etwa siebenzehn und neunzehn Jahre zählen mochten.

»Haben Sie gar keine Spuren im Wald gesehen?« frug die Matrone, während sie ihr großes Baumwollenspinnrad in die Ecke schob und die Kohlen im Kamine mit dem langen Schürstecken zu neuer Glut aufschüttelte.

»Sie müssen heute Morgen aus den Hügeln herunter gekommen sein,« meinte Hennigs, »am Bach wenigstens waren die Fährten, und wenn ich nicht irre, so habe ich auch gleich oben über dem Kreuzweg die Schelle gehört.«

»Ah, dann findet sie Vater gewiß nicht,« rief Sally bedauernd aus, »er wollte an Potters Creek hinauf und von da an links in das Thal hinüber suchen.«

»Nein, er ist wohl schon auf den Spuren,« entgegnete der junge Mann; »denn im weichen Quellboden sah ich deutlich die Abdrücke eines Schuhes.«

»Vater trägt heute seine Mocassins,« sagte Lucy, »das muß Jemand Anderes gewesen sein.«

»Dann allerdings; aber wer will denn die Pferde brauchen? ist ein Tanz irgendwo? es scheint Sie ja Alle ungemein zu interessiren, ob der Vater die Pferde findet, oder nicht.«

»Tanz? pfui, Mr. Hennigs, ich dächte doch Sie wüßten, daß wir nicht tanzen,« erwiederte ihm, etwas pikirt, die Matrone.

»Ach, alle Wetter ja, ich habe davon gehört, Sie hätten sich der »Kirche« angeschlossen und wären »religiös« geworden; Vater auch?«

»Noch nicht,« entgegnete, mit einem tiefheraufgeholten Seufzer, Mrs. Draper, »wir wollen aber morgen früh zur Campmeeting, und davon hoffe ich das Beste: der liebe Gott wird ihn ja wohl erleuchten, daß er den rechten Weg findet.«

»Das wird er, das wird er, Mrs. Draper, ob aber auf solche Art, bezweifle ich fast; der alte Herr trinkt gern sein Gläschen, und wenn ihm einmal etwas in die Quere kommt, ih nun, dann flucht er auch wohl ein Bischen, und ich glaube kaum, daß er sich das so leicht abgewöhnen wird. Wozu braucht er aber auch wirklich zu einer »Kirche« zu gehören? 's ist so ein herzensguter alter Mann, wie nur je Einer seine Sohlen in den Missouri-Bottom drückte, er thut ja keinem Menschen etwas zu Leide.«

»Wir sind Alle Sünder, Mr. Hennigs,« sagte die alte Dame sehr ernst, »und mein armer Mann besonders, er schwört und flucht, genießt geistige Getränke und hat neulich den reisenden Prediger, der bei uns übernachtete und die Gebete las, einen Hypokryten genannt, ja sogar gelogen, als er während des Gebetes aufstand und, Nasenbluten vorschützend, das Haus schnell verließ; ich habe später das Tuch untersucht, es war nicht ein einziger Blutfleck darin, und der arme Fremde wartete eine volle halbe Stunde mit dem Gebet, ehe er fortfuhr, damit der böse Mensch keinen Vers des heiligen Wortes versäumte.«

Hennigs lachte laut auf.

»Der arme Draper; also half ihm seine kleine Nothlüge nicht einmal?«

»Kleine Nothlüge, Mr. Hennigs?« sagte die Matrone mit größerer Strenge, als sie es sonst wohl gewohnt war, »Sie reden da recht böse, recht unendlich böse Worte; abgesehen davon, daß der Augenblick, wo er sich mit seinem Gott beschäftigen sollte, keine Nothlüge zuließ, so giebt es gar keine Nothlügen; es darf Nichts in der Welt einen frommen Menschen zu einer Lüge bewegen, nicht einmal die Noth; denn das Herz, was nicht wahr und treu ist, kann dem Herrn kein wohlgefälliges Opfer bringen.«

»Aber beste Mrs. Draper,« entgegnete ihr Hennigs, »Sie werden mir doch gewiß zugeben, daß es Fälle im menschlichen Leben giebt, wo eine Nothlüge nicht allein keine Sünde, sondern sogar gut und –«

»Nein, das gebe ich Ihnen nicht zu,« unterbrach ihn die Matrone schnell, »das kann ich Ihnen nicht zugeben, und schon ein solcher Gedanke ist Unrecht.«

»Wenn aber nun zum Beispiel Ihr Mann, oder eines von Ihren Kindern recht lebensgefährlich krank wäre,« demonstrirte Hennigs, »und wenn Sie nun wüßten, daß jede Aufregung für sie oder ihn die traurigsten, nachtheiligsten Folgen haben könnte, würden Sie da nicht, wenn nun etwa ein lieber Freund des Kranken eben gestorben wäre und er darnach früge, ihm den Todesfall verheimlichen? würden Sie da nicht lieber zu einer Nothlüge Ihre Zuflucht nehmen, ehe Sie das Ihnen theure Leben aufs Spiel setzten?«

»Mr. Hennigs, Sie bauen da eine ganze Menge von Voraussetzungen zusammen, um nur eine, Ihren Ansichten günstige Antwort zu hören. Das sind die Fallstricke, die uns der Teufel legt, um uns irre zu führen in dem, was recht und gut ist, und reichen wir ihm dann einen kleinen Finger, so hat er bald die ganze Hand und mit ihr die Seele des ihm Verfallenen. Draper nannte auch den frommen Mann einen Hypokryten.«

»Hm, ja, Mrs. Draper; aber Draper sagte mir, er hätte an dem Gebet volle sieben Viertelstunden gelesen, das ist doch ein Bischen stark.«

»Es war sehr erbaulich, und er gedachte aller unserer Sünden, da mußte es schon lange werden,« erwiederte die Frau.

»Wollen Sie nicht mit uns zur Campmeeting gehen, Mr. Hennigs?« frug jetzt Sally den jungen Mann, und sah ihn bittend mit ihren großen dunkeln Augen an.

»Gewiß, gewiß!« rief dieser schnell. »In so angenehmer Gesellschaft führ ich selbst mit zur – Campmeeting,« verbesserte er noch zur rechten Zeit, da ihm schon ein sehr sündhaftes Wort auf den Lippen schwebte, »aber wahrhaftig,« sagte er, jetzt sich in dem kleinen Raume umschauend, »Draper muß ver – muß ungemein fleißig gewesen sein; er hat sich in den vier Wochen, die er hier ist, schon wirklich ganz behaglich eingerichtet; das Dach kann ja kaum vierzehn Tage liegen.«

»Mr. Draper ist auch in der That sehr fleißig gewesen,« erwiederte die Matrone, »wie lange wird's aber dauern, da packt ihn die leidige Wanderlust wieder an, und Knall und Fall verkauft er für wenige Dollar das, was ihm jahrelange Arbeit gekostet hatte, und zieht westlich, immer weiter westlich, und immer tiefer in den Wald zwischen wilde Menschen und Thiere hinein.«

»Nun, viel weiter westlich kann er jetzt nicht mehr gehen,« meinte Sally ganz ernsthaft, indem sie dem Gast einen Stuhl zum Feuer rückte; »Vater hat ja selbst gesagt, er wäre nun nicht mehr weit vom indianischen Gebiet, und in dem dürfen sich keine weißen Leute ansiedeln. Ueberdieß,« fuhr sie schelmisch lächelnd fort, »ist ja Mr. Hennigs ebenfalls hier in den Wald gezogen, und da muß die Gegend doch wirklich Vorzüge besitzen, die man ihr auf den ersten Anblick hin gar nicht zutrauen möchte.«

Lucy wandte sich ab und setzte ihre Arbeit an dem großen Baumwollenspinnrade fort.

»Das Wandern müssen Sie uns schon zu Gute halten,« erwiederte Hennigs, der ebenfalls Sally's Anspielung vermeiden zu wollen schien und jetzt in aller Verlegenheit mit seinem Taschenmesser an dem Stuhle herumschnitt, auf dem er saß. »Dafür sind wir ja eben Pionniere oder Squatter, wie uns der Ost-Amerikaner nennt. Amerika braucht aber gerade solche Leute, die weder wilde Thiere noch wilde Menschen fürchten, sondern keck hineinziehen mitten in ihr Bereich, und der Natur den Boden abtrotzen, der ihnen und ihrem Fleiß, nach Aussage aller klugen Leute, nun doch einmal gehört.«

»Ja, ja, das ist schon Alles recht schön und gut,« meinte Mrs. Draper, »aber lieber wäre ich denn doch in Illinois geblieben.«

»Was, in Illinois? in den ungesunden dürren Steppen? zwischen Prairie-Hühnern und Prairie-Wölfen, und in der Gesellschaft der wirklich weltberühmten Corncrackers!«3 rief Hennigs erstaunt aus: »nein, da lobe ich mir das Kraftland unserer Niederung, das ist nicht todt zu machen, und wollen wir wirklich Prairien haben, nun, dann finden wir sie westlich von hier, schöner und herrlicher, wie sie der ganze Osten mit all seinen so hochgepriesenen Vortheilen aufweisen kann.«

»Das mag wahr sein,« entgegnete ihm Mrs. Draper; »aber Illinois ist doch kein Sclavenstaat, und, mag dieß Land so schön und gut sein, wie es will, es ist mir fürchterlich auch nur mit Menschen zusammenleben zu müssen, die ihre Brüder und Schwestern wie das Schlachtvieh verkaufen.«

»Ach Gott, ja, Madame, es mag viel Wahres daran sein,« meinte Hennigs kopfschüttelnd, »manchmal, wenn ich so recht allein darüber nachdenke, kommt's mir auch fast so vor, als ob es nicht ganz recht wäre, daß wir die Neger feilbieten und ebenso für sie, wie für andere Waaren, den möglichst höchsten Preis zu erhalten suchen. Für Sünde kann's aber doch auch nicht gelten; denn unsere Väter und Großväter haben's gethan, das Gesetz hat den Sclavenhandel geheiligt und die Bibel selbst scheint die Sache als etwas sehr Natürliches zu betrachten, wenigstens habe ich neulich einmal mit dem presbyterianischen Geistlichen, der auch Sclaven hält, darüber gesprochen und der behauptet, Gott selbst habe das so eingesetzt, daß die heidnischen Völker den Christen dienen müßten; das klingt auch eigentlich vernünftig genug.«

»Ich weiß es, ich weiß es,« sagte Mrs. Draper, »sie vertheidigen die Sclaverei, selbst aus der heiligen Schrift, aber nur Gott kann erkennen ob sie daran Recht thun; ich möchte nicht ein voreilig Urtheil fällen. Wir Frauen fühlen uns aber auch vielleicht weit näher darin berührt als die Männer; mir thut's ja schon in der Seele weh, wenn ich ein junges Huhn geschlachtet habe, und sehe nun, wie die alte Henne gluckend den ganzen Raum, den sie sonst zu begehen pflegt, durchläuft und das Verlorene sucht; wie vielmehr muß ich Mitgefühl mit einer Mutter haben, der fremde Menschen das Kind aus den Armen reißen, um es für wenige Dollar zu verkaufen, während sie selbst gern das eigene Herzblut dafür hingäbe, und doch zu arm ist es zu bezahlen. – Ich wollte, wir wären in einem Freistaat geblieben.«

»Nun, hier in Missouri wird die Sclaverei noch nicht so arg getrieben,« sagte Hennigs, »im Süden mag's freilich schlimmer sein; hier hören wir auch ganz selten von entflohenen Negern, und das, sollte ich denken, wäre ein ziemlich günstiges Zeichen. Wo ein Freistaat so nahe ist und die Sclaven trotzdem bei ihrem Herrn bleiben, da kann auch ihr Loos noch kein entsetzliches sein.«

»Und wie sollten sie denn entfliehen können?« frug Mrs. Draper, »muß denn nicht ein Neger, wenn er nur selbst auf eine andere Farm oder Plantage hinübergeht, einen Paß haben, ohne den er von jedem weißen Mann festgenommen werden kann? und liefert nicht selbst dann, wenn der flüchtige Neger den Freistaat wirklich erreicht hat, dieser, zur Schande der Vereinigten Staaten, den festgenommenen Sclaven an seinen Herrn aus? Wie also soll ein solcher armer Mensch denn entkommen, wenn er Niemanden weiß an den er sich wenden kann, wenn er Niemanden hat, der ihn unterstützt und ihm forthilft, und wer das thut – hat Zuchthausstrafe zu erwarten.«

»Das Ausliefern muß aber sein,« fiel ihr hier Hennigs in die Rede, »wie könnten denn die Vereinigten Staaten einig neben einander bestehen, wenn sie einander ihr Eigenthum vorenthalten wollten; das gäbe ja zu endlosen Streitigkeiten Anlaß, und müßte nach und nach zu Haß und Zwietracht führen. Nein, es ist allerdings schlimm, daß wir die Sclaverei haben, und ich selbst wollte Gott danken, wenn es ein Mittel gäbe ihrer los und ledig zu werden, und alle von Negern Abstammende wieder über die See zurück in ihre Heimath senden könnten, wie ja der Anfang dazu auch mit Liberia gemacht ist; da aber die klügsten Leute im Lande sich schon seit langen Jahren vergebens die Köpfe zerbrochen haben, wie Dem am Besten abzuhelfen wäre, so wird unser Einer doch auch nicht dagegen ankämpfen sollen. Das Bestehende, wie es nun einmal besteht, muß der Einzelne ehren.«

Lucy hatte indessen aus einer Spalte über dem Kamine ein zusammengefaltetes Zeitungsblatt herausgenommen, schlug es jetzt aus einander und hielt es dem jungen Mann entgegen.

»Sie behaupten, es entflöhen hier in Missouri keine Neger ihren Herren?« sagte sie mit leisem Vorwurf im Tone, »da – überzeugen Sie sich selbst; hier stehen Drei angegeben, und vor jedem ein kleines Bildchen: ein armer Neger mit seinem Päckchen auf dem Rücken; der eine ist sogar von einem unserer Nachbarn, aus dem nächsten County, von Squire Wallis.«

»Das spricht für und wider mich,« sagte Hennigs; »wider mich, wegen dem Entlaufen, für mich, weil eben dieser Wallis auch Einer von Ihren sogenannten frommen Leuten ist; er hat sogar schon gepredigt, und die Presbyterianer halten ihn für ein besonderes Licht, das dem Staate und ihrer Kirche in diesem Manne aufgegangen sei. Gott bewahre uns vor solcher Beleuchtung!«

»Behandelt Mr. Wallis seine Sclaven wirklich so arg?« frug die Matrone.

»Dessen war Draper und ich neulich Zeuge,« erwiederte ihr Hennigs; »wir ritten gerade vorbei, als er einen seiner jungen Neger an einen Baum gebunden hatte und ruhig daneben seine Pfeife rauchte; dann und wann nur, wie um sich eine kleine Bewegung zu machen, stand er auf und peitschte den Unglücklichen höchsteigenhändig, daß ihm das klare Blut an dem Rücken hinunter lief. Wir frugen ihn, was ihn zu einer so fürchterlichen Strafe veranlaßt habe, er behauptete aber, er thue das aus christlicher Milde, es sei gegen seine Grundsätze einen seiner Sclaven im Zorn zu strafen, und da kühle er sich in der Zwischenzeit immer erst ein wenig ab, um ruhig zu bleiben und nicht hitzig zu werden.«

»Und das nennen Sie ein freies Land!« rief die Matrone entrüstet.

»Und das nennen Sie einen frommen Christen!« warf Hennigs dagegen ein; »ist Ihnen da nicht Ihr Mann mit all seinen kleinen Fehlern und Eigenheiten, meinetwegen Schwächen, zehntausendmal lieber, selbst wenn er dann und wann das untere Ende des Whiskeykruges höher hebt, als das obere, und seinem Herzen mit etwas rauh klingenden, aber keineswegs bösgemeinten Worten Luft macht?«

»Aber das viele gotteslästerliche Fluchen könnte er doch lassen,« sagte Mrs. Draper, freilich schon um Vieles milder gestimmt.

»Ja, und Sie auch, Sir,« lachte Sally, »Lucy hat schon oft gesagt, Sie wären ein ganz guter Mensch, wenn Sie nur nicht immer –«

»Sally!« rief Lucy, »wie kannst Du nur –«

Ein plötzliches Anschlagen der Hunde unterbrach hier jede weitere Rede, und gleich darauf trat auch, die Mütze fest in die Stirne gedrückt und die Büchse in der Hand, die er, ohne sich weiter umzusehen, auf die über der Thür eingeschlagenen Pflöcke legte, Draper ein.

3.Spottname für die Bewohner von Illinois.
Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
320 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain