Kitabı oku: «Die Flucht über die Kordilleren», sayfa 2
Langes Beraten half hier ebenfalls nichts; rasch umdrehend eilten sie die eben gemachte Bahn in das Tal zurück, wo ihre Maultiere noch zwischen den dort grünenden Myrtenbüschen reichliches Futter fanden, um den Tucunjado, ebenfalls einen der Bergströme, zu erreichen, ehe die Verfolger bis hierher ihre Spur aufgefunden haben könnten. Diese mußten übrigens schon in großer Anzahl kommen, wenn sie ihnen gefährlich werden sollten, denn die Gauchos, wie die Bewohner der Pampas genannt werden, führen selten oder nie Feuergewehre, mit denen sie auch nur höchst mittelmäßig umzugehen wissen, und die beiden Engländer waren mit Pistolen und Büchsen vortrefflich bewaffnet. Selbst Don José führte ein Paar Pistolen im Gürtel und ein Doppelgewehr, und die Peons hatten ihre gewöhnlichen langen Messer, ohne das ein Argentiner, besonders in damaliger Zeit, nie die Schwelle seines Hauses verließ.
Unten an der Mündung des Tucunjado, das heißt dort, wo der Bergstrom, von dem Hauptrücken der Kordilleren niederschäumend, seine Wasser mit einem größeren Bache vereinigt, der von Norden niederkommt und sich später seine Bahn in die freie Ebene bricht, liegt, hoch von den Schneegebirgen überragt, aber auch gegen all die rauhen Südweststürme geschützt, in fast tropischem Klima, eine kleine freundliche Farm, die Grenzstation der Argentinischen Republik, und im Sommer der Stapelplatz der Mautaufseher, die den Tucunjado-Paß niederkommenden Karawanen zu überwachen; im Winter aber, wo fast jede Verbindung mit Chile, unbedingt jede mit Packtieren, abgeschnitten ist, wird die Bewachung teils sehr lässig betrieben, teils ganz aufgegeben, und eine kleine Wirtschaft mit einigen Bergbewohnern und einem Dutzend starker, kräftiger Guanakohunde ist das einzige, was zurückbleibt, bis der Schnee der Gebirge taut, seine Massen in Sturzfluten durch das Tal gesandt und die Pfade wieder freigegeben hat. Jetzt hausten dort nur ein paar alte Guanakojäger, und den hoch eingefriedigten Weideplatz, mit dem üppigsten Gras und Futterklee bedeckt, kannten die müden Tiere gut genug, um ihm schon von weitem entgegenzuwiehern.
Ehe man sich aber in Sicht dieses Platzes wagte, wurde ein kurzer Kriegsrat gehalten, und zwar einstimmig dahin beschlossen, vorerst einen der Peons zum Rekognoszieren vorauszuschicken und zu sehen, ob die Spione und Henkersknechte des Diktators selbst bis hierher gedrungen wären. War das der Fall, so mußten sie, wo sie sich eben befanden, die Nacht abwarten, nach einbrechender Dunkelheit am rechten Ufer des Bergstromes, soweit es die steilen Wände erlaubten, hinaufhalten und den Fluß dann furtend den schmalen Pfad zu erreichen suchen, der an dem linken Ufer bis fast zu dessen Quellen auflief.
Der älteste der Peons, ein durchtriebener Bursche mit wilden, verlebten Zügen, aber einem Paar schlau und listig unter buschigen Brauen vorblitzenden Augen, wurde dazu gewählt und kehrte auch schon nach zwei Stunden mit der Nachricht zurück, daß allerdings elf Mann in dem Hause lägen und eben erst von einem kurzen Streifzug den Tucunjado hinauf zurückgekehrt wären, nachdem sie sich überzeugt hätten, daß die Flüchtigen noch nicht auf diesem Wege entkommen seien. Am nächsten Morgen würden sie aber unfehlbar das ganze Binnental absuchen und deshalb gar keine Wahl lassen, was man etwa tun sollte. Die einzige Möglichkeit, noch zu entkommen, sei, während der Nacht die Station zu umgehen und dann so rasch vorwärts zu rücken, wie es die Kräfte der Passagiere nur irgend erlaubten. An der Schneegrenze angekommen, wollten sie dann die Maultiere absatteln und laufen lassen — den Rückweg suchten die klugen Tiere leicht allein, und hatten sie erst einmal den teilenden Gebirgsrücken erreicht, so waren sie sicher, denn Rosas durfte nicht wagen, die chilenische Grenze zu überschreiten.
II
Das Umgehen der Farm gelang, von einer ziemlich dunklen Nacht begünstigt, vortrefflich. Noch lange vor Tagesanbruch hatten sie den schmalen Bergpfad erreicht, der sich am linken Ufer des jetzt niedern Stromes, oft kaum zwei Fuß Bahn neben einem Abgrund lassend, hinaufzog; hier aber mußten sie halten, bis das Tageslicht ihnen weiterhelfe, denn es wäre mehr als Tollkühnheit gewesen, solchen Weg in dunkler Nacht zu verfolgen. Mit dem ersten Dämmerlicht brachen sie wieder auf, und selbst Señora Ellington, wenn auch nie im Leben an solche Strapazen gewöhnt, fühlte sich durch die kurze Rast wie neu gestärkt; kein Wort der Klage kam wenigstens über ihre Lippen.
Den schwierigsten Teil des Überganges hatten sie aber noch vor sich, jedenfalls den beschwerlichsten, und als erst ihre wirkliche Wanderung über den Schnee begann, drohten die Kräfte der jungen Frau sowohl wie die des alten Herrn den ungewohnten und gewaltigen Anstrengungen zu erliegen. Als sie am Abend, schon nach Dunkelwerden, die Punta del Vaca, eine kleine schmutzige Steinhütte, erreichten, mit einem Loch zur Tür und nichts als den kalten, gefrorenen Boden der Hütte selber zum Bett, wäre es der schwachen, zarten Frau nicht möglich gewesen, auch nur noch einen Schritt weiterzusetzen, und doch wußten sie alle, daß vielleicht an der Verzögerung einer Viertelstunde schon der Tod hing.
Es mochte zehn Uhr abends sein. Der Himmel war klar und sternenhell, und in der Hütte hatten sich die müden Wanderer, ohne selbst imstande zu sein, ein Feuer anzuzünden, in ihre Decken gehüllt und dicht nebeneinandergeschmiegt, der Nacht vielleicht eine Stunde Schlaf und Ruhe abzustehlen. Nur der jüngere Peon stand, wohl dreihundert Schritt zurück, von woher sie gekommen, auf Posten, um hier an einer schmalen Stelle der Straße, an der kein Feind, noch dazu über den hellen Schnee, an ihn heranschleichen konnte, den Paß zu bewachen und bei dem geringsten Zeichen von Gefahr die kleine Schar zu alarmieren. Von der Hütte her kamen jetzt Schritte, und wenige Minuten später stand der ältere Felipe an seiner Seite.
»Was sagst du zu unserem Unternehmen, Compañero?« frug er endlich leise den Kameraden, als er ein paar Minuten an dessen Seite gestanden und in die Nacht hinausgelauscht hatte.
»Daß ich es herzlich satt habe, mich auf einer Seite mit einer papiernen Señorita herumzuquälen«, brummte der Gefragte mürrisch, »die wir morgen wahrscheinlich noch das Vergnügen haben werden, durch den Schnee zu schleppen, denn gehen kann die Puppe doch nicht mehr, und ich andererseits meinen Hals in Gefahr weiß, sobald uns die Mashorqueros des Gouverneurs überholen. Pest und Gift, die Burschen verstehen keinen Spaß, und ich könnte mir eher Erbarmen von einer wilden Schar der Pampas-Indianer erbitten als von einem von Rosas‘ roten Ponchos. — Ich wollte, wir hätten uns mit der ganzen Sache nicht eingelassen.«
»Weißt du, Compañero«, sagte der Alte, seinen Arm traulich auf dessen Schulter legend und vorsichtig dabei zurückschauend, ob keiner ihrer Passagiere munter und in der Nähe wäre, »mir selber gefällt die Geschichte auch nicht mehr, und — für die lumpigen zehn Unzen wären wir eigentlich rechte Toren, wenn wir — wenn wir eben —«
»Wenn wir was?« frug der Jüngere gespannt und drehte sich halb nach seinem älteren Gefährten um.
»Ei zum Teufel, wenn wir uns eben noch unnützerweise abquälten!« setzte dieser rasch und wild hinzu. »Es sind doch nur Unitarios und dürfen nie nach der Republik zurückkommen. Überdies sieht mir der Himmel da drüben im Südwesten ebenfalls nicht so richtig aus. — Kriegen wir hier einen Temporale, so sind wir geliefert, und — ich meinesteils bin fest entschlossen, diesen Augenblick meinen Rückweg anzutreten — gehst du mit?«
»Du hast mir die Gedanken aus der Seele gelesen«, lachte der Jüngere, »mag der Inglese sehen, wie er über die Berge kommt — wir lassen ihm überdies unser Charque in der Hütte zurück, und sie dürfen sich nicht beklagen, daß sie nichts zu essen hätten. Aber komm, die Zeit vergeht, und es ist bitter kalt hier oben; wenn wir uns tüchtig in Trab setzen, können wir die Estancia noch bei guter Zeit morgen früh erreichen.«
»War mir‘s doch, als ob ich da vorn ein Geräusch wie von knirschendem Schnee hörte«, sagte der Alte da plötzlich und schützte seine Augen mit dem Arme gegen den blendenden Schein der weißen Decke, »da wieder.«
»Mir kam es auch erst so vor«, sagte der Jüngere, seinen Poncho um sich herziehend und dann niederkniend, um das eine Schaffell, das er sich der Kälte wegen um seine Füße gewickelt, etwas fester zu binden, »aber es wird der Puma sein, der vor etwa einer halben Stunde quer vor mir über den Schnee sprang und hinunter nach dem Wasser zu hielt. Rosas müßte einen tüchtigen Preis auf das Einbringen unserer Gesellschaft gesetzt haben, wenn er die Gauchos bis hier in den Schnee hinter ihnen her treiben könnte. — So«, rief er dann, indem er, seine Fußbekleidung in Ordnung gebracht, wieder in die Höhe sprang und den Hut in die Stirn drückte, »jetzt bin ich fertig, und nun können wir doch sagen, daß wir unsern Weg bis hierher ganz anständig bezahlt bekommen haben.«
Felipe antwortete nichts, horchte nur noch einmal zurück, wo sie die, die ihrer Treue viel zu gutmütig vertraut hatten, ohne Ahnung zurückließen, daß die Führer und Wachen sie verräterischerweise im Stich ließen, und schritt dann dem Gefährten rüstig voraus durch den tiefen Schnee, um sobald als möglich die von diesem freie Passage wieder zu erreichen und von da ab rasch dem wärmeren Tal zueilen zu können.
»He, Felipe, rief‘s da nicht hinter uns?« sagte, stehenbleibend, plötzlich der junge Bursche.
»Was kümmert‘s dich?« brummte aber, die Schritte eher noch dadurch beschleunigend, der ältere Gefährte; »laß sie schreien, aber mach, daß du aus Schußweite -«
Seine Rede wurde hier auf etwas rauhe Art unterbrochen, denn neben ihm, wie aus dem Schnee heraus, sprang eine Gestalt, flog ihm nach der Kehle und hatte ihn auch im nächsten Moment, ehe er nur daran denken konnte, nach seinem Messer zu greifen, zu Boden geworfen, wo er wie in einen Schraubstock eingeklemmt und regungslos lag. Asistencia! wollte er rufen, aber schon bei dem ersten Laut blitzte ein blanker Stahl vor seinen Augen, und der Ruf erstarb ihm auf den Lippen. — Sein Angreifer sprach kein Wort — lautlos, doch mit riesiger Kraft hielt er ihn zu Boden. Wenige Minuten später hörte Felipe, daß sich jemand näherte, gleich darauf fühlte er sich selber von noch anderen gefaßt und aufgehoben, und als sie den nächsten Felsenvorsprung erreicht und hinter sich hatten, fand er sich plötzlich zu seinem Erstaunen ganz frei neben seinem jüngeren Gefährten stehend, der auf gleiche Weise überwältigt worden sein mußte, und nur sein erster Angreifer sagte mit leiser, aber nichtsdestoweniger drohend genug klingender Stimme:
»Du bist alt genug, zu wissen, Compañero, daß wir keinen Spaß verstehen — verhalte dich ruhig und sag uns, was du weißt, und du hast für dich selber nichts zu fürchten; mache dagegen einen einzigen Versuch, zu fliehen oder uns zu verraten, und du bist ein Kind des Todes.«