Kitabı oku: «Die Regulatoren in Arkansas»
Vorwort
Wenige Worte werden genügen, diese Erzählung aus den westlichen Wäldern Amerikas bei dem Leser einzuführen und ihn darauf vorzubereiten, was er überhaupt darin zu erwarten hat.
Arkansas, von den Vereinigten Staaten seit 1836 in die Union aufgenommen, hatte sich in früheren Jahren den Ruf erworben, daß alles Gesindel aus dem Osten und Süden in seinen weglosen Wäldern und Sümpfen einen Zufluchtsort gegen den strafenden Arm der Gerechtigkeit gesucht und gefunden habe und dort auf eigene, freie Hand sein Wesen treibe.
Solche Gerüchte waren nicht ohne Grund, Spruch und Gesetze aber machtlos in diesen Wäldern. Ehe der Sheriff einen Verbrecher fassen konnte, hatte sich dieser auf dem Rücken seines eigenen oder eines fremden Pferdes in ein anderes County geflüchtet und wurde nicht mehr gesehen. Aber auch wirklich ergriffen, blieb es eine fast noch schwierigere Aufgabe, den Gefangenen festzuhalten. Entweder brach er sich selbst Bahn aus dem Blockhaus, in das man ihn gesperrt, oder er sah sich von einer Bande seiner Freunde, die es vielleicht kaum für nötig hielten, ihre Gesichter zu färben und unkenntlich zu machen, in der ersten Nacht befreit und trieb nach wie vor sein Unwesen.
Auf den Pferdediebstahl legten sich die Verbrecher besonders, da nach der westlichen Sitte die Tiere und Herden der Pioniere frei im Walde selbst ihr Futter suchten und also keiner so genauen, ja oft nicht der mindesten Aufsicht unterworfen waren. Als nun noch überdies im Jahre 1839 die Todesstrafe für Pferdediebstahl aufgehoben wurde, machten in verschiedenen Teilen des Staates manche ein wirkliches Geschäft daraus, und die Hinterwäldler sahen sich endlich zu ernsten Maßregeln gezwungen.
Die Gesetze vermochten nicht, sie auf ihren einzelnen, oft viele Meilen voneinander entfernten Farmen zu schützen, die »Männer von Arkansas« traten daher zusammen und bildeten den Regulatorenbund, ergriffen, was ihnen verdächtig erschien, peitschten die Gefangenen, bis sie ihre Vergehen gestanden und ihre Mitschuldigen nannten, und hängten oder erschossen die Missetäter, sobald das Verbrechen nur erst einmal hinlänglich bewiesen werden konnte.
Daß bei diesem willkürlichen Verfahren auch manches Unrecht geschah, läßt sich denken. Mehrere Male wurden sogar Unschuldige aus ihrer friedlichen Hütte geschleppt und gezüchtigt. Deren freies arkansisches Blut empörte sich dann natürlich gegen die unverdiente Mißhandlung, die sie nicht auf dem Wege der Gesetze, sondern durch eigene Kraft wieder zu rächen suchten und ihre Richter heimlich oder öffentlich niederschossen. Im allgemeinen erreichte aber doch dieses ernste Durchgreifen der Pioniere seinen Zweck, und als das Lynchgesetz, wie die Regulatoren ihr Gerichtsverfahren nannten, an verschiedenen Orten des Staates angewendet worden war, fingen die Pferdediebe an einzusehen, daß es in Amerika noch sicherere und wohnlichere Plätze für sie gab als gerade Arkansas, und die meisten flüchteten nach Texas.
Meine Erzählung fällt nun in jene Zeit, wo das Unwesen seinen höchsten Grad erreicht hatte und Selbstschutz den Farmern und Jägern zur Notwendigkeit wurde. Der größte Teil der Ereignisse ist keineswegs erdichtet, sondern hat sich, wenn auch auf verschiedenen Plätzen und in ausgedehnterem Zeitraum, wirklich zugetragen, besonders ist der Methodistenprediger eine geschichtliche Figur. Ich selbst war Zeuge mehrerer Szenen und schrieb einst an Ort und Stelle die Namen von sechsundwanzig solcher Ehrenmänner nieder, die durch die Regulatoren mit Hilfe des schwarzen »Hickorys« einem der aufgegriffenen Verdächtigen entlockt wurden.
So möge sich denn der freundliche Leser auf kurze Zeit mit mir zurückversetzen in die schönen Wälder jenes herrlichen Landstriches, und wenn er auch nicht gleich nach Durchsicht des Buches sattelt und aufsitzt und nach den fernen Regionen des Westens, wie die Hinterwäldler sagen, »Fährten macht«, so hoffe ich doch, daß er, neben einigen weniger angenehmen Bekanntschaften, auch recht gute und liebe Leute kennenlernen wird, die ihn mit den Schattenseiten der übrigen aussöhnen mögen.
1. Der Leser macht die Bekanntschaft von vier würdigen Leuten und erfährt etwas Näheres über ihre Lebensverhältnisse
Dem freundlichen Mai waren die wilden Frühlingsstürme gewichen. Blumen und Blüten drängten sich zwischen dem gelben Blätterlager hervor, das dicht den Boden bedeckte und nur hier und da von saftgrünen, lebensfrischen Grasflecken unterbrochen wurde. Aber Blüte an Blüte quoll auch aus den Zweigen der niederen Dogwoodbäume und Gewürzbüsche hervor. Blumen und Knospen hingen an den üppigen Lianengewinden, die sich von Baum zu Baum schlangen, nieder, verwandelten die Wildnis in einen Garten und erfüllten mit lieblichem Wohlgeruch den von riesigen Fichten-, Eichen- und Sassafrasbäumen überwölbten Waldesdom. Drängte sich die Sonne durch die dichtbelaubten Wipfel der gewaltigen Stämme, so ließ das Gewirr von Schlingpflanzen und Buschwerk kaum hier und da einen verstohlenen Strahl zur Erde nieder, und Dämmerung herrschte in diesem Teil der Niederung, während das Tagesgestirn schon hoch am Himmel glühte. Damit schienen übrigens die Gestalten, die sich hier am Fuß einer mächtigen Kiefer niedergelassen hatten, ganz einverstanden zu sein, denn der eine von ihnen reckte die Glieder und sprach, zu dem grünen Laubdach über sich emporschauend:
»Ein herrlicher Platz für vertrauliche Zusammenkünfte – ein ganz vorzüglicher Platz. Der Rohrbruch, nach dem Fluß hin, hält gewiß jeden vernünftigen Christenmenschen ab, seinen Weg in dieser Richtung einzuschlagen, und die dornigen Schlingpflanzen hier oben sind ebenfalls nicht so einladend, daß sich einer ganz nutzlos hineinwagen sollte – und nutzlos wär’s, denn daß kein Wild mehr in der Nähe weilt, dafür, denk ich, hätten wir gesorgt,«
Der Sprecher war, soweit es seine behaglich auf dem Laub ausgestreckte Gestalt erkennen ließ, ein Mann von über sechs Fuß, mit muskulösem Körperbau und freien, offenen Zügen, sein Blick hatte aber etwas unheimlich Wildes und irrte unstet von einem Ort zum andern. Sein ganzes Äußere verriet einen hohen Grad von Nachlässigkeit. Der alte, löchrige Filzhut war ihm vom Kopf gefallen, und das Haar stand struppig und ungekämmt empor: der borstige Bart schien eine Woche lang vernachlässigt zu sein, und ein sehr abgetragenes blauwollenes Jagdhemd, an dem einzelne einst gelb gewesene Fransen wild herabhingen, war mit alten wie neuen Blutflecken überdeckt. Diese wurden übrigens durch ein frisch abgestreiftes Hirschfell an seiner Seite erklärt. Überhaupt schien der Bursche den Wald zum Hauptaufenthalt zu haben. Die Büchse lag neben ihm am Boden; die Beine staken in vielfach ausgebesserten ledernen Leggins oder Gamaschen, und ein Paar Mokassins aus Rindshaut vollendeten den keineswegs kleidsamen Anzug.
Sein Gefährte, der neben ihm, mit dem Rücken gegen den Baumstamm gelehnt, saß und mit einem langen Messer (in der Landessprache gewöhnlich »Arkansas-Zahnstocher« genannt) Holzspäne schnitzelte, unterschied sich etwas, und zwar zu seinem Vorteil, von dem rauhen Nachbarn. Seine Kleidung war sauberer, sein ledernes Jagdhemd, das, wenn auch alt und viel gebraucht, doch mit besonderem Fleiß gearbeitet schien, etwas besser gehalten als das des ersteren, und sein ganzes Aussehen bewies, daß er eine bessere Erziehung erhalten als der wilde Waldbewohner oder doch wenigstens erst kürzlich aus dem elterlichen Haus gekommen sei. Das letztere wurde noch durch seine Jugend so viel wahrscheinlicher, da er kaum mehr als siebzehn Jahre zählen konnte.
Der dritte war den beiden Beschriebenen total unähnlich, und was jene an Wildheit und Lebensmut besaßen, schien dieser durch Sanftmut und Leutseligkeit wieder ausgleichen zu wollen. Seiner Kleidung nach gehörte er der Klasse wohlhabener Farmer an. Der blaue, vom besten wollenen Stoff gefertigte Frack – die gewöhnliche Tracht der amerikanischen Landleute —, die saubere gelbe Weste, die sorgfältig geschwärzten Schuhe, der neue breitrandige Hut, alles bewies, daß er etwas auf sein Äußeres halte und, wenn auch in manchen anderen Stücken, doch keineswegs in jener Mißachtung jeder anständigen, reinlichen Kleidung mit der Gesellschaft, in der er sich gerade befand und zu der er offenbar zu gehören schien, harmoniere. Er lehnte, ein Bein übers andere geschlagen, an einer kleinen Eiche und sah sinnend zu dem Sprecher hinüber, der seinen Kopf wieder faul auf das die Wurzeln des Baumes bedeckende Moos zurücksinken ließ.
»Oder sorgt vielmehr jetzt noch dafür, Cotton«, beantwortete er dann mit etwas näselnder Stimme die Äußerung des Jägers, »wenn es auch nicht in Ordnung ist, daß Ihr selbst am heiligen Sabbat ohne dringende Not umhergeht und die friedlichen Tiere des Waldes erlegt.«
»O geht zum Teufel mit Eurer Predigt, Rowson!« fuhr der Jäger halb ärgerlich, halb lachend auf, während der junge Bursche einen spöttischen Blick auf die ernsthafte Gestalt des Mahners warf. »Spart die Moral, bis Ihr in die Ansiedlung kommt, und verschont uns hier mit dem Unsinn. Wo aber nur Rusch stecken mag – verdammt will ich sein, wenn ich mir das erklären kann. Er versprach, ganz bestimmt mit Sonnenaufgang hier zu sein, und jetzt ist die Sonne bald drei Stunden hoch – die Pest in seinen Hals!«
»Ihr werdet ihn mit Eurem gotteslästerlichen Fluchen nicht herbeirufen«, erwiderte kopfschüttelnd der andere: »aber«, fuhr er dann, etwas lebhafter werdend, fort, »auch mir dauert die Zeit zu lang. Ich muß um zehn Uhr in der Betversammlung sein und habe noch sechs Meilen bis dahin zu reiten.«
»Die beiden Geschäfte scheinen sich bei Euch sehr gut zu vertragen!« Der Jäger lächelte verächtlich. »Predigen und Pferde stehlen – hm, paßt wirklich recht gut zusammen, kann auch recht gut nebeneinander bestehen, denn der ’Sabbat‹, wie Ihr ihn nennt, ist doch ein schlechter Tag für unser Geschäft. Aber laßt die Faxen hier im Wald, wo wir unter uns sind. ‹s ist – das wenigste zu sagen – langweilig.«
»Nun, habt keine Angst, Ihr sollt nicht lange mehr damit belästigt werden«, entgegnete Rowson, während er mit Wohlbedacht eine Prise aus einer Muscheldose nahm. »Doch seht«, fuhr er dann lebhafter fort, »Euer Hund spitzt die Ohren – er muß etwas wittern.«
Ein grau- und schwarzgestreifter Schweißhund hatte sich, einige Schritte von den Männern entfernt, auf dem einzigen kleinen sonnigen Fleck zusammengeknäult, wo ein umgestürzter Baum in das dichte Laubdach eine Lücke gerissen. Vorsichtig windend hob der Hund jetzt die Nase einen Augenblick in die Höhe, knurrte dann leise, wobei er einen schwachen Versuch machte, mit dem Schwanz zu wedeln, und fiel wieder in seine alte Lage zurück. Sein Herr, der ihn indessen aufmerksam beobachtet hatte, sprang mit zufriedenem Blick auf und rief:
»Nun endlich – Zeit ist’s, daß er kommt. Deik kennt ihn auch gut genug, mag aber seinen warmen Fleck dort nicht verlassen. Hallo – da ist er schon! – Nun, Rusch, Ihr glaubt wohl, man hält sich hier der Annehmlichkeit wegen zwischen den Moskitos und Holzböcken auf? Was, zum Henker, hat Euch abgehalten, zur rechten Zeit hier zu sein?«
Der Letztgekommene zeigte sich als ein Mann in mittleren Jahren und ging, wie der Prediger, anständig und reinlich gekleidet. Außerdem trug er aber, obgleich sonst gerade nicht jagdmäßig angezogen, eine Kugeltasche an der rechten Seite und eine lange gezogene Büchse auf der Schulter.
»Guten Morgen, Gentlemen«, wandte er sich jetzt an die ihn begrüßenden Männer, »guten Morgen, und seid nicht böse, daß Ihr habt auf mich warten müssen, aber – ich konnte nicht früher kommen. Der junge Laffe, der Brown, und der alte Harper mit der verdammten Rothaut krochen mir im Weg herum, und ich wollte mich nicht gern nach dieser Richtung zu sehen lassen. Die guten Leute fangen mir überhaupt an zu gescheit zu werden, und das schleichende Skalpiermesser schnüffelt in einem fort im Wald – umher. Höll’ und Teufel, warum dulden wir den Indianer eigentlich hier in der Nachbarschaft! Ich habe fast so eine Ahnung, als ob die Kugel schon gegossen wäre, die ihm in seine Jagdgründe verhelfen mag.«
»Ich glaube selber, Rusch«, sagte Cotton, »daß das Stück Blei vortrefflich angewandt wäre.«
»Hört einmal, Cotton«, wandte sich der Neugekommene halb ärgerlich an den Jäger, »ich wollte, Ihr nenntet mich nicht immer bei dem verwünschten Namen. Er fährt Euch einmal heraus, wenn es Fremde hören, und dann käm’ ich in des Teufels Küche. Sagt ’Johnson‹, wenn wir auch unter uns sind – Ihr gewöhnt Euch besser dran.«
»Nun meinetwegen«, erwiderte spöttisch der andere, »mir auch recht, Rusch oder Johnson, dem Strick entgeht Ihr doch nicht, sowenig wie wir anderen. Aber fidel wollen wir sein, solange wir noch beisammen sind, und dann ans Geschäft, denn wir haben in den letzten vierzehn Tagen keinen Cent verdient. Es wird Zeit, daß wir wieder anfangen.«
Er hatte bei diesen Worten eine kleine Whiskyflasche aus seiner wollenen Decke herausgewickelt, drehte den Stöpsel heraus und setzte sie dann mit einem zufriedenen »Prost« an die Lippen. Erst nachdem er einen tüchtigen Schluck genommen, hielt er sie dem ihm am nächsten stehenden Rowson hin und rief:
»Da – stärkt Euch zu Eurer Predigt heute morgen, Ihr werdet’s brauchen können. Verdammt will ich sein, wenn ich nicht drei solche Flaschen im Leibe haben müßte, um ruhig zuhören zu können, und sogar dann würde ich noch die Bedingung stellen, daß ich eingeschlafen sein müßte, ehe Ihr angefangen hättet.«
»Danke«, sagte Rowson, den dargebotenen Trunk abweisend, »danke schön, ich möchte nicht gern heute morgen nach Whisky riechen. Gebt die Flasche an Johnson, der wirft ihr ohnedies schon sehnsüchtige Blicke zu.«
»Nichts besser als ein heißer Trunk am Morgen«, sagte der Neuankömmling, indem er ohne weitere Umstände dem Jäger Bescheid tat. »Aber Weston«, fuhr er dann, sich an den Jüngsten wendend, fort, »was habt Ihr denn, Ihr kratzt Euch ja, als ob Ihr wie eine Schlange die Haut abschälen wolltet; hat Euch ein Moskito gestochen?«
»Einer?« fragte der junge Mann ärgerlich, indem er hinzutrat und die Flasche aus Johnsons Hand nahm. »Einer? Die Luft ist hier dick voll von ihnen, und es kommt mir fast so vor, als ob Harper recht habe, der neulich behauptete, es wären so viele von diesen verwünschten, scharfgesichtigen Burschen hier, daß man bei Tisch, wenn man nur einmal mit dem Messer durch die Luft hiebe, den ganzen Teller voll Flügel und Beine hätte.«
»Hoho!« lachte Cotton. »Ihr gewöhnt Euch schon daran; kommt da freilich gerade aus den Missouri-Bergen herunter, wo, wie ich mir habe erzählen lassen, die Leute nachts ohne Rauch im Freien schlafen können; hier möchte ihnen das schwerfallen.«
»Gentlemen, denken Sie daran, weshalb wir hier sind«, bemerkte Rowson jetzt etwas ungeduldig, »die Zeit vergeht, und ich muß wahrhaftig fort. Überhaupt ist dies keineswegs ein so ungemein sicherer Platz, wenn Johnson wirklich den Indianer mit seinen Freunden hat in der Nähe herumkriechen sehen. Ich schlage also vor, daß wir ohne weitere Umstände ans Werk gehen und jetzt endlich verabreden, was wir eigentlich verabreden wollten.«
»Brav gesprochen, großer Prophet!« rief Cotton und schlug dabei dem Redner mit der Faust so kräftig auf die Schulter, daß dieser schmerzhaft das Gesicht verzog und dem Allzufreundlichen einen tückischen Seitenblick zuwarf, jedoch mit großer Selbstüberwindung seinen Ärger verbiß und, bedächtig die Männer ansehend, fortfuhr:
»Wir haben, dank den geschäftigen Schuften, die nicht allein in der Ansiedlung, sondern im ganzen County, ja im ganzen Staate umherstreifen und sich unter dem Namen ’Regulatoren‹ breitmachen, mehrere Wochen lang brachgelegen und nicht einen Pfennig verdient. Gestern ist, wie Ihr alle wißt, ein Botschafter von der Insel dagewesen, der dringend gute Pferde fordert, die zu einem Landtransport oder was weiß ich verwandt werden sollen, und wir kleben hier und legen die Hände in den Schoß. Das geht nicht länger. Ich brauche Geld, wie jeder von Euch, und mit Maisbau und Schweinezucht durch jahrelange Arbeit zu verdienen, was gewissermaßen auf dem Tischtuch vor uns liegt, wäre lächerlich; also zur Tat denn. Da ich durch den guten Ruf, den ich mir zu erwerben gewußt habe, obgleich ich doch eigentlich nur ein schwacher, sündhafter Mensch bin…«
»Höll’ und Teufel, laßt den Unsinn!« unterbrach ihn Cotton, ärgerlich mit dem Fuß stampfend, »plappert Euren Gebetkram her, wenn Ihr bei Roberts seid, aber schenkt uns hier reinen Wein ein.«
»Da ich durch den guten Ruf, den ich mir zu erwerben gewußt«, wiederholte Rowson und machte eine besänftigende Gebärde gegen Cotton, »auf vielen, sehr vielen Farmen Zutritt erhalten habe, so hat mir das natürlich Gelegenheit gegeben, den Vieh- und besonders den Pferdestand der Eigentümer genau zu untersuchen. Meiner Meinung nach also gibt es für uns keine ergiebigere Gegend als Springcreek, an der anderen Seite vom Petite-Jeanne. Husfield dort hat herrliche Tiere, und ich bin fest überzeugt, daß wir von der einen Farm allein acht Pferde wegholen können, wobei ich noch zwei Tage Vorsprung garantiere.«
»Nicht so übel«, meinte Johnson, »aber bedenkt auch, daß uns das wieder fast fünfzig Meilen weiter vom Mississippi fortbringt.«
»Höchstens fünfunddreißig«, erwiderte Rowson, »und zwei Tage und zwei Nächte Vorsprung. Hier in der Gegend müssen wir gewärtig sein, daß sie uns noch in derselben Stunde auf der Fährte sind, und das ist denn doch, das wenigste zu sagen, störend.«
»Wie wär’s, wenn wir den Zug bis auf nächste Woche verschöben?« meinte Johnson, »ich hätte gern einen kleinen Abstecher an den Washita gemacht.«
»Keine Stunde«, rief Rowson, »wozu die Zeit versäumen, die wir bald so sehr nötig brauchen werden.«
»Was, zum Henker, habt Ihr denn auf einmal für eine verwünschte Eile?« fragte Cotton verwundert, »das ist doch sonst nicht Eure Art.«
»Ich brauche Geld«, sagte Rowson lakonisch. »Mein Land ist vermessen, und wenn ich bis zum ersten Montag im Juni die volle Summe nicht einliefere, so kann es mir, wie Ihr alle recht gut wißt, vor der Nase weggekauft werden. Außerdem leben hier in der Gegend einige freundliche Seelen, die sich ein ganz besonderes Vergnügen daraus machen würden, mir diesen Gefallen zu tun. Da ist unter anderen dieser Mr. Harper – die Pest auf seinen Kopf!«
»Hahaha, Rowson«, Cotton lachte spöttisch. »Wenn Mrs. Roberts hörte, daß Ihr einem andern Christenmenschen die Pest auf den Schädel wünscht, ihre fromme Meinung von Euch würde ein bedeutendes Leck bekommen.«
»Spottet nur, Cotton, Ihr habt Euch das Recht dazu erworben, es ist ja Euer täglich Brot. Aber wenn ich nicht die Wahrheit rede, daß hier einige leben, denen ich selbst mit Wollust ein Messer…, doch das gehört nicht hierher«, fuhr er, sich schnell fassend, fort. »Sprecht Euch jetzt aus, wollt Ihr meinem Rat folgen, oder nicht? Wir können in acht Tagen jeder dreihundert Dollar verdienen, und das ist mehr, als sich auf ehrliche Art und Weise zustande bringen läßt.«
»Gut! Mir ist’s recht«, rief Cotton, »diesmal geht Ihr beiden aber; wir zwei, Weston und ich, haben das vorige Mal den Hals riskiert.«
»Ja, ja«, stimmte Weston bei, »’s ist wahr – wir wären auch beinahe noch erwischt worden. Diesmal ist die Reihe auszuruhen an uns.«
»O halt! Nicht so schnell«, unterbrach sie Johnson, »vorerst müssen wir über den Plan einig werden, und dann bitt’ ich, daß die beiden Herren bedenken mögen, welche Last wir mit dem Verkauf hatten, und daß ich selbst bis jetzt noch nicht einmal von jedem Verdacht frei bin. Erst also der Plan – wie hattet Ihr’s Euch gedacht, Rowson?«
»Nun seht«, erwiderte dieser, indem er ein breites Bowiemesser unter der Weste vorzog und damit zu schnitzeln anfing, »zwei von uns – (mehr dürfen es auf keinen Fall sein, um nicht Verdacht zu erwecken, wenn sie zufälligerweise gesehen werden sollten) – also zwei von uns gehen mit ihren Büchsen, und jeder mit drei oder vier Zügeln, die er auf irgendeine Art an sich verbergen muß, von hier aus über den Petite-Jeanne nach der Mühle am Springcreek zu. Die Zügel erwähne ich deshalb, damit wir nicht wieder solchen Ärger beim Verkauf der Pferde haben, da das letztemal die scharfe Baumrinde den Tieren die Mäuler blutig gerissen hatte und die Seelenverkäufer auf der Insel am Preis mäkeln wollten. Von der Mühle aus ist es nicht mehr weit, ein paar Meilen höchstens, zu Husfield, und an der ersten Fenzecke angelangt, haltet Euch nur gleich links auf dem ersten Fußpfad, der scheinbar in den Wald wieder hineinläuft; er biegt aber nur deshalb aus, um ein paar umgestürzten Eichen Raum zu geben. nachher wendet er sich wieder der Farm zu und läuft gerade nach dem Pferdehof hin, der auf der andern Seite mit dem Haus selbst in Verbindung steht.
Husfield hat etwa siebenundzwanzig Pferde, alles gerechnet, mit Füllen und Hengsten, von denen er gewöhnlich acht füttert. Die letzteren aber dürfen wir nicht berühren, er würde sie schon am nächsten Morgen vermissen und ist ein zu guter Waldmann, als daß er uns nicht auf der Fährte bleiben sollte. Die übrigen weiden, unter der Führung eines jungen, dreijährigen Hengstes, draußen im Freien.«
»Er darf ja im Frühjahr keinen Hengst frei herumlaufen lassen«, unterbrach ihn Johnson.
»Ich weiß wohl«, fuhr Rowson fort, »er tut’s aber doch. Jetzt wenigstens, dessen bin ich sicher, ist der Hengst noch draußen und kommt jeden Abend regelmäßig an die Fenz der Umzäunung – zu ein paar Stuten, denen er, außen herumtrabend, wiehernd seine Liebeserklärung macht, und kehrt dann wieder in den Wald, nach seinem gewöhnlichen Schlafplatz zurück. Ihm folgt der ganze Trupp, und das ist der Zeitpunkt, sich der besten zu bemächtigen, denn die Bewohner des Hauses achten nicht viel auf die Tiere. Ich bin zweimal dort eingekehrt, um dessen auch gewiß zu sein.«
»Wenn man die Stuten aus der Umzäunung holen könnte«, meinte Weston schmunzelnd, »dann hätte man nachher die ganze Herde und könnte so schnell reiten, wie die Tiere laufen wollten.«
»Ja, und hätte am nächsten Morgen etwa zehn oder zwölf von den Schuften, mit Büchsen und ellenlangen Messern, auf einer Fährte hinter uns her, der ein Blinder mit dem Stock folgen könnte«, rief Rowson. »Nein, wir müssen sichergehen, denn wir wollen nicht allein nicht erwischt werden, sondern auch jeden Verdacht vermeiden, und das können wir nur dadurch bezwecken, daß wir die Sache so vorsichtig wie möglich anfangen. An der Mühle dürfen die, welche die Pferde entführen sollen, sich ebenfalls nicht blicken lassen. Am besten ist’s, man geht gleich da, wo die Straße den Springcreek berührt, hindurch ans andere Ufer, was zufällig des Weges Kommende zu der irrigen Meinung veranlassen wird, die Reiter hätten hinüber nach Dardanella gewollt. An der Ecke der Fenz, eben da, wo der Weg links abbiegt, ist noch dazu ungemein steiniger Boden, und eine Fährte, über den Weg zurück, kann kaum bemerkt werden. Was nachher zu tun ist, wenn man sich erst einmal an Ort und Stelle befindet, brauche ich Euch nicht weiter zu sagen, das wißt Ihr gut genug.«
»Wer geht aber?« brummte Cotton unwillig. »Ihr gebt uns so gute Lehren, als ob Ihr selbst gar nicht mit zur Partie gehörtet. Wir haben’s das letztemal riskiert, es ist nicht mehr als recht und billig, daß jetzt zwei andere ihren Hals dransetzen.«
»Noch dazu, da Ihr so sehr gut dort in der Gegend bekannt seid«, warf Weston ein. »Andere, die alle jene beschriebenen Pfade erst suchen müssen, würden sehr viel Zeit dabei verlieren.«
»Wahr – wahr, in vielen Stücken«, meinte Rowson lächelnd, »aber, junger Mann, Johnson und ich haben, wie schon gesagt, das letztemal fast mehr Angst und Gefahr ausgestanden als Ihr beiden, die Ihr bloß die Pferde abholtet. Doch es sei – ich biete mich als einen der ’Abholer‹ an, bestimmt Ihr den andern; doch nur unter der Bedingung, daß ich bloß verpflichtet bin, die Tiere bis an die Mamelle zu schaffen, das heißt bis auf den Bergrücken, der die Wasser der Mamelle vom Fourche la fave trennt. Dort an den Quellen des Creeks wollen wir zusammentreffen, und von da an mögen die anderen beiden die Pferde nach der Insel befördern.«
»Dann wär’s das beste, daß Ihr und Johnson den ersten Teil übernähmt; Weston und ich wollen sie dann schon in Sicherheit bringen.«
»Halt!« rief Johnson, »dem schurkischen Husfield gehe ich nicht freiwillig aufs Land. Ihr wißt vielleicht nicht, daß wir vor vierzehn Tagen einen Streit miteinander hatten, in dem ich… das verdammte Pistol schnappte, und der Schuft schlug mich nieder. Ich bin der Kanaille dafür etwas schuldig«, fuhr er zähneknirschend fort, »möchte das aber nicht auf seinem eigenen Grund und Boden abmachen, das spräche nachher vor Gericht gegen mich. – Nein, laßt lieber das Los bestimmen, wer gehen soll, wir können ja Grashalme ziehen.«
»Ach was, Grashalme«, brummte Cotton, »die Jagd soll entscheiden. Wir wollen morgen früh alle vier, oder vielmehr drei, da Rowson diesmal Freiwilliger ist, nach verschiedenen Revieren aufbrechen, und kommen hier am Dienstagmorgen wieder zusammen. Wer morgen die meisten Hirsche schießt oder überhaupt die beste Jagd macht, ist frei.«
»Einverstanden!« rief Rowson, »das ist ein guter Einfall, da gehe ich auch mit, und wenn es nur des Spaßes halber wäre.«
»Meinetwegen«, sagte Johnson, »wir sind alle gute Jäger, und das Glück mag entscheiden, wer von uns diesseits oder jenseits der Mamelle Pferdefleisch zu befördern bekommt; also morgen früh. Wir müssen aber auch eine Gegend bestimmen, daß wir einander nicht in die Schußlinie laufen. Ich meinerseits will den Fluß ein Stück Weg hinaufgehen und in der Niederung jagen.«
»Da kommt Ihr mir in mein Revier«, entgegnete Weston, »ich muß dort hinauf, denn ich habe mein Lager noch, mit Decke, Kochgeschirr und zwei Hirschhäuten, da oben.«
»Gut – dann gehe ich hinüber an den Petite-Jeanne; Jones von drüben sagte mir gestern, er hätte Unmassen von Fährten gesehen.«
»Und ich gehe ebenfalls nach der Gegend zu«, sagte Rowson, »werde aber nicht den ganzen Tag jagen können, weil ich der Mrs. Laughlin versprochen habe, gegen Abend hinüberzukommen und Betstunde zu halten.«
»Und wo tut Ihr indessen Eure Büchse hin?« fragte Johnson.
»Nun, zu Mrs. Fulweal, denk’ ich. Dort ist ja auch Cottons Schwester, und wenn ich abends nach Hause reite, nehme ich sie wieder mit.«
»Rowson, Rowson«, rief Cotton, lachend mit dem Finger drohend, »mit der Witwe Fulweal ist mir die Sache nicht so ganz geheuer. Ihr kriecht und schwänzelt in der Gegend umher, und wie ich neulich einmal so unverhofft zu Eurer Betversammlung kam, da knietet Ihr beide mir sehr verdächtig nahe zusammen.«
»Unsinn!« sagte Rowson, schien aber doch ein wenig verlegen zu werden und wandte sich jetzt schnell an Weston, dem er zurief: »Apropos, junger Mann, die beiden Felle, die Ihr schon im Lager habt, zählen aber nicht mit.«
»O bewahre«, erwiderte dieser, »ehrliches Spiel – morgen früh, wenn es hell genug wird, das Korn auf der Büchse zu erkennen, geht die Jagd an.«
»Jetzt ist es aber Zeit aufzubrechen«, sagte Rowson, die Hände in die Tasche schiebend, »also Gentlemen, auf ein fröhliches Wiedersehen!«
»Halt, noch eins«, rief ihm Cotton zu, als er sich schon nach der Richtung hin, wo er an der Außenseite des Dickichts sein Pferd angebunden hatte, entfernen wollte, »wir dürfen nicht auseinandergehen, ehe wir nicht einen festen Entschluß gefaßt haben, wie wir uns verhalten wollen, falls die vermaledeiten Regulatoren uns auf die Spur kämen. Hölle und Gift, ging’s nach mir, so lebte morgen abend um diese Zeit keiner von den Schuften mehr.«
Rowson kehrte wieder um und blieb, an den Nägeln kauend, neben Cotton stehen. »Ich hätte bald vergessen, Euch etwas mitzuteilen«, sagte er dann nach einer kleinen Pause, indem er einen Seitenblick auf seinen stämmigen Nachbarn warf, »da Cotton aber gerade von den Regulatoren anfängt, fällt es mir wieder ein.«
»Und was ist das?« fragte Johnson eifrig.
»Nichts mehr und nichts weniger, als daß der Sheriff von Pulasky County einen Verhaftsbefehl für unsern guten Cotton in der Tasche trägt.«
»Der Teufel!« fuhr dieser auf, »und weshalb?«
»Oh – ich weiß nicht, ob gerade irgend etwas Besonderes erwähnt ist, es waren aber so verschiedene Sachen. Ich hörte etwas von einer Fünfzigdollarnote munkeln, und von einem Heiratsversprechen in Randolph County, und von einem Menschen, den man eine Zeitlang vermißt habe und dessen Leichnam dann später aufgefunden sei, und so mehrere Kleinigkeiten.«
»Die Pest!« rief mit dem Fuß stampfend der Jäger, »und das hättet Ihr beinahe vergessen? Mich ganz arglos in die Ansiedlung hineintraben lassen? Ja, es wird Zeit, daß ich mich hier fortmache – Arkansas möchte mir ein wenig zu warm werden, oder ich bekomme vielmehr zu viele Bekannte hier.«
»Habt wohl eine recht ausgebreitete Bekanntschaft?« schmunzelte Rowson.
»Ja, leider«, entgegnete nachdenklich der Jäger. »Aber was tut’s«, fuhr er dann plötzlich, sich hoch aufrichtend, fort, »was tut’s, in wenigen Tagen ist unser Geschäft beendet, und mit dem Geld kann ich bis an den Mississippi und von da aus bequem nach Texas kommen.«
»Warum geht Ihr nicht lieber von hier zu Land? Da kostet’s Euch keinen Cent und ist nicht den zehnten Teil so weit.«
»Wohl recht, ich habe aber meine Gründe, den nördlich lebenden Indianern nicht so besonders nahe zu kommen.«
»Alle Wetter, Cotton, erzählt uns die Geschichte«, bat Weston, »ich habe schon so viel davon reden hören und möchte gar zu gern wissen, wie das alles zusammenhängt. Was hattet Ihr mit den Cherokesen?«
»Jetzt wär’ die Zeit dazu, eine Geschichte zu erzählen«, brummte der Gefragte.
»Man soll an Euren Armen«, sagte Rowson spöttisch, »noch die Spuren von eisernen…«
»Geht zum Teufel mit Eurem Kindergeschwätz – wir haben jetzt wichtigeres zu tun. Nicht allein auf mich ist’s gemünzt, sondern auf euch alle. Die Regulatoren haben durch irgendeinen Schuft Wind bekommen und uns alle auf dem Korn!«
»Mich nicht«, erwiderte Rowson, »in dem frommen, gottesfürchtigen Methodistenprediger sucht keiner den Wolf.«
»Keiner?« Cotton lächelte ihn höhnisch an. »Keiner? Was meinte denn neulich Heathcott, als er Euch einen Lügner und Schurken nannte?«