Kitabı oku: «Ein Parcerie-Vertrag», sayfa 3
»Ich kann nicht,« sagte er deshalb freundlich, »ich muß erst noch meinen Contract in Richtigkeit bringen, daß ich mit komme; aber wohin geht Ihr?«
»In den Löwen; so komme nachher hin, daß wir den Abend beieinander sind! Hurrah, Brasilien soll leben!«
Und mit dem Halli, Hallo! des neu beginnenden Liedes setzte sich die Schaar wieder in Bewegung und marschirte die Straße hinab, dem ihrem neuen Reisegefährten bezeichneten Wirthshaus zu.
Behrens blieb mit seinem Begleiter, als ihn die Schaar verlassen hatte, noch eine ganze Weile wie betäubt auf der Straße stehen, denn wie ein Traum, wie ein Gruß aus der fernen, fabelhaften Welt, die er bis jetzt nur in seinen Träumen gesehen, kam ihm das Ganze vor. Ein Paradies! – und er selbst war im Begriff, dorthin aufzubrechen, – aber wer hatte nun Recht? Das junge, jubelnde Volk, vor dem das Leben noch offen lag und ihm nur seine bunten Bilder zeigte, oder der alte mürrische Herr, der voll Mißtrauen hinausblickte? Behrens wußte es nicht, und nur unwillkürlich legte er seine Hand wieder in Andres Arm und schritt mit ihm die Straße hinunter, dem Hause des Auswanderungsagenten zu.
Drittes Capitel.
Herrn Kollboeker's Comptoir
Sie brauchten nicht so lange mehr zu gehen, als sie das Haus, oder vielmehr das »Comptoir« des Agenten vor sich sahen, denn er selber wohnte draußen in einer kleinen Spelunke der Vorstadt, und hatte sich nur im »Geschäftstheil« der Residenz ein Local gemiethet, um inmitten des Verkehrs zu sein und sich keine »Gelegenheit« entgehen zu lassen.
Die Thür war auch kenntlich genug durch eine Anzahl von Schildern bezeichnet, die den verschiedensten Lebenszwecken zu dienen schienen. Den Mittelpunkt derselben bildete freilich ein großes, über der Thür angebrachtes und in Öl ausgeführtes Gemälde, das ein großes, dreimastiges Schiff unter vollen Segeln aber bei dem Winde zeigte. Plätschernde Wellen erhoben sich darum her, aber still und unbewegt verfolgte das Fahrzeug seine Bahn und eine Anzahl von Personen in rothen Hemden, die über Bord hinaus auf das Meer sahen, sollten andeuten, daß es reichlich mit Passagieren besetzt sei, die eine ruhige Fahrt nach einem fernen Welttheil hatten.
Das Schiff selber führte eine Bremer Flagge, – die roth und weißen Streifen und Quadrate, – darüber aber im blauen Himmel stand deutlich mit goldenen Buchstaben:
Schiffsgelegenheit nach allen Welttheilen,
und wie um das zu illustriren, waren links und rechts von der Thür noch große Tafeln aufgehangen, auf welchen die verschiedensten Reisen nach Nordamerika, Australien und Brasilien specificirt wurden.
Außerdem schien aber Herr Kollboeker, wie der Auswanderungsagent hieß, noch außerordentlich vielseitig in anderen Geschäftszweigen. Er hatte die Agentur für Sächsische Renten-, Berliner und Gotha'sche Lebensversicherung, ebenso eine Niederlage von Daubitz's Kräuterliqueur und aromatischer Gichtwatte, und Behrens wurde ganz irr an den vielen Schildern, die überall die Wand und sogar die aufgeschlagenen Fensterladen bedeckten. Aber es konnte nichts helfen, hinein mußte er doch, denn die Zeit verging, und nachdem er und Andres – während die Beiden indessen von drinnen durch ein paar junge kichernde Leute beobachtet waren – eine Weile die verschiedenen Placate durchbuchstabirt hatten, sagte Behrens, seines Begleiters Arm ergreifend: »So komm, Andres, hier werden wir doch nicht draus klug und drinnen müssen wir ja erfahren woran wir sind. Da oben ist ja auch das Schiff gemalt, mit dem wir fahren sollen, – guck einmal wie groß es ist; das sieht ordentlich gefährlich aus – und so weit übers Wasser muß man damit.«
Behrens schüttelte freilich mit dem Kopf, als er das Haus betrat; es war ihm noch so vieles bei der ganzen Sache, von der er sich gar keine richtige Idee machen konnte, unerklärlich, und er fühlte ordentlich das Bedürfniß, endlich einmal Jemanden darüber zu hören, der Alles ganz genau wußte.
Gleich rechts im Hausflur war eine Thür, an welcher auf einem ovalen schwarzen Schild das Wort stand: »Comptoir«, aber weiter befand sich kein Name oder sonstiges Abzeichen daneben, und die Beiden zögerten noch, ob sie hier anklopfen sollten, als die Thür aufging und ein blutjunger Mensch mit auf der Mitte gescheitelten fuchsrothen Haaren heraussah.
»Wollen Sie zu der Auswanderungs-Agentur?«
»Ja wohl«, nickte Behrens.
»Na, da kommen sie nur hier herein, – hier ist's.«
Beide betraten das Zimmer. Es war ein nicht sehr großes und etwas düsteres Gemach. In der Mitte stand ein hohes, doppeltes Schreibpult aus polirtem Erlenholz, an dem an jeder Seite zwei Menschen arbeiten konnten, und an den Wänden waren eine Menge Gefache angebracht, in welchen die verschiedenartigsten Dinge lagen: kleine Broschüren, Papiere, etiquettirte Flaschen, Packete und Gott weiß was sonst noch. An den Wänden aber hingen, wo nur noch irgend ein Platz frei geblieben, Fahrpläne von Eisenbahnen und Dampfschiffen, eine große Karte mit den beiden Erdhälften und andere von Australien, Südamerika, Brasilien, Nordamerika, Rußland und Ungarn, denn Herrn Kollboeker's Thätigkeit war eine sehr ausgebreitete, und er schaffte Menschen fort, wohin sie eben wollten, oder – wohin er sie gerade bereden konnte. Hatte er doch intime Verbindungen in allen Theilen der Welt, wenn er auch alle Theile der Welt nur dem Namen nach kannte.
Herr Kollboeker selber war leider gerade nicht zu Hause, und die beiden jungen Herren im Comptoir, – wahrscheinlich ein paar Lehrlinge, junge, aufknospende Auswanderungs-Agenten, die ihren Ehrgeiz darin setzten, später ebenfalls ein volles Schiff unter Segeln über ihrer eigenen Thür gemalt zu sehen, – schienen die freie Zeit benutzt zu haben, um an die Fenster zu hauchen und unmögliche menschliche Figuren darauf zu zeichnen. Beide trugen aber Federn hinter den Ohren, als Zeichen, daß sie jeden Augenblick zu deren Dienst bereit wären, und der Ältere von ihnen, der den Beiden auch die Thür geöffnet hatte, nahm jetzt das Wort und sagte: »Nun, Gevatter, wie geht's? Wollt Ihr nach Amerika oder nach Australien und Gold graben? Jetzt ist die Gelegenheit günstig; in der nächsten Woche geht ein Schiff.«
»Ist Herr Kollboeker nicht zu Haus?« frug Behrens, der durch die vertrauliche Anrede »Gevatter« etwas stutzig geworden war, denn er hatte den jungen Burschen, so weit er sich erinnerte, noch in seinem ganzen Leben nicht gesehen.
»Nein, Herr Kollboeker ist ausgegangen. Kann ich es nicht besorgen, wenn Ihr über irgend etwas Auskunft wünscht?«
»Ich weiß doch nicht,« sagte Behrens, »ich – ich komme wegen der Reise nach Brasilien.«
»Nach Brasilien, so? Wo seid Ihr denn her?«
»Von Groß-Emmen.«
»Ach, das ist die Familie, die mit der Rosalie nach Porto Seguro soll,« sagte der Jüngste, »wie heißt Ihr denn?«
»Behrens – Carl Gottlieb Behrens.«
»Ja, ganz Recht. Ihr habt ja wohl noch Euren Contract zu unterschreiben.«
»Ja – aber – ich wollte doch vorher gern erst noch einmal mit dem Herrn Kollboeker sprechen.«
»Ach, das ist nicht nöthig,« sagte der junge Mann mit den rothen gescheitelten Haaren, »das können wir auch besorgen. Habt Ihr den Contract mitgebracht?«
»Den hätt' ich schon,« meinte Behrens, indem er in die Tasche griff und das Papier herausholte, »aber –«
»Da kommt Ihr in ein prachtvolles Land,« nahm der Kleinste die Unterhaltung wieder auf, »Donnerwetter, da muß es himmlisch sein, – wo haben Sie denn den Brief, Meier, in dem die Beschreibung steht?«
»Dort auf dem Pult liegt er,« sagte Herr Meier, indem er selber darnach unter einem Haufen von Papieren herumwühlte und auch bald einen großen, auf bläulichem, sehr dünnem Papier eng geschriebenen Brief zum Vorschein brachte. »Ja, allen Respect, das muß ein Land sein, Kaffee, Vanille, Cacao, Alles wächst da wild, die Apfelsinen kann sich Jeder von den Bäumen schütteln, wo er nur will, und Ananas, wo hier das Stück drei Thaler kostet, wachsen wie bei uns die Kohlrüben und die Runkeln.«
»Und dort in den Bergen haben sie auch neulich die großen Diamanten gefunden, und ein Deutscher soll beim Graben einen Goldklumpen von zwei Pfund Gewicht herausgeschaufelt haben.«
»Hm,« sagte Andres, der dem Allen aufmerksam zugehört hatte, »das ist aber merkwürdig; und da zahlen Sie Einem noch Geld, wenn man nur hingeht?«
»Jawohl,« nickte Herr Meier, »weil es dort an ordentlichen deutschen Bauern fehlt, die was von der Landwirthschaft verstehen. Die Kerle sind da so dumm, und wissen gar nicht, was sie mit ihren Feldern anfangen sollen.«
Behrens hörte das Alles wie in einem halben Traum; es war ihm, als ob er von einem Zauberland sprechen, ein Märchen erzählen höre, und er konnte es sich kaum denken, daß er selber im Begriff stehe dort hinüber zu gehen und das Alles mit eigenen Augen zu sehen und zu erleben, – aber der Contract, –
»Ja,« sagte er verwirrt, »das ist Alles gewiß ganz wunderschön und herrlich, aber ich – ich muß doch vorher noch einmal mit dem Herr Kollboeker sprechen, denn –«
»Ach, da kommt er selber,« rief Herr Meier, der dabei zugleich hinter das Schreibpult an seinen Platz glitt und die Feder eintunkte; auch der Kleine war blitzschnell an seinen »Marterpfahl« gefahren, wie er den Ort, wo er zu arbeiten hatte, gewöhnlich nannte, wenn der Principal nicht zugegen, und beide jungen Leute schienen, als der Agent im nächsten Augenblick das Zimmer betrat, so emsig mit dem Copiren einiger Briefe beschäftigt, daß sie sein Kommen fast gar nicht bemerkten.
»Herr Kollboeker,« sagte Meier, von seinem Brief aufsehend, »da ist Behrens aus Groß-Emmen, der schon eine Weile auf Sie wartet, und Sie zu sprechen wünscht.«
Herr Kollboeker, der, ohne seinen Hut abzunehmen in das Zimmer getreten war und sehr eilig zu sein schien, sah über die Achsel nach den beiden Leuten hinüber und nickte, während er ein Packet Schriften auf den Tisch legte: »Oh, Behrens, das ist gut daß Ihr heute herein gekommen seid; es wird die höchste Zeit, und ich glaubte schon, Ihr wolltet Euch die Gelegenheit entschlüpfen lassen, ein brasilianischer Pflanzer zu werden.«
»Ja, Herr Kollboeker, – ich möchte Sie nur noch um Eins fragen,« sagte der durch das geschäftsmäßige Benehmen eingeschüchterte Mann. Herr Kollboeker hörte aber vor der Hand nicht auf ihn.
»Sind Briefe angekommen während ich fort war?«
»Ja, Herr Kollboeker,« sagte Meier, mit der Feder nach den auf dem Pult liegenden deutend.
Der Agent nahm sie in die Hand, es waren drei, – einen davon warf er wieder zurück. »Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, daß unfrankirte Briefe refüsirt werden.«
»Ich habe das Porto noch nicht dafür gezahlt.«
»Gut, er geht zurück, – das fehlte auch noch: man hat mit den Geschäften anderer Leute schon Auslagen genug an Geld. Nun, Behrens, was wolltet Ihr mir sagen?« frug er den Mann, ohne ihn aber anzusehen, denn er hatte den einen Brief erbrochen und fing an, darin zu lesen.
»Ja, Herr Kollboeker, – wegen des Contracts wollte ich Ihnen gern noch etwas sagen, – denn eigentlich ist es doch gar kein Contract, sondern nur eine Verpflichtung –«
»Nun, steht das nicht auch darüber?« frug der Agent, ohne von seinem Brief aufzusehen.
»Ja, allerdings, – aber – ich habe da mit einem Herrn Doctor gesprochen, und der meinte –«
»So? mit einem Herrn Doctor?« frug Kollboeker, den Mann ansehend, »und war der Herr schon einmal in Brasilien?«
»Nein, in Brasilien war er noch nicht.«
»Aha, und was weiß er denn nachher davon?« rief der Agent, »etwa mehr als wir hier, die täglich Briefe und Zeitungen von dorther bekommen, und das Land so genau kennen, wie unsere eigenen Taschen, heh?«
»Aber der Herr Frommann, unser Rittergutspachter –«
»Der hat Euch abgeredet, fortzuziehen, nicht wahr?« rief Herr Kollboeker triumphirend aus, »na, das versteht sich doch von selbst, denn daß es den Herren nicht recht ist, wenn ihre Knechte selber einmal Herren werden, läßt sich denken. Wo sollen sie denn nachher die Arbeiter hernehmen, wenn die Leute erst merken, daß sie nur über See zu fahren brauchen, um selbständige Gutsbesitzer zu werden, nicht blos Pachter. Also der hatte auch etwas dagegen einzuwenden? Es ist doch wirklich merkwürdig, was es für gescheidte Leute auf der Welt giebt,« und verächtlich mit dem Kopf schüttelnd, fuhr er in der Lectüre seines Briefes weiter fort.
»Abgeredet hat er mir eigentlich nicht«, sagte Behrens, »aber der Herr Doctor meinte, es wäre eigentlich gar kein Contract, und dann besonders die Stelle, wo von der ganzen Zeit und Aufmerksamkeit steht –«
»Kein Contract?« fuhr aber jetzt Herr Kollboeker auf – »so soll ich mich etwa heute auch noch mit Euch herumärgern, heh? – Was ist denn das, wenn Einer das Geld hergiebt und der Andere verspricht nachher dafür zu arbeiten, bis es abverdient ist, heh? – Was sind denn Eure Miethcontracte auf dem Lande, wo so ein armer Teufel von Ochsenknecht lumpige achtzehn oder zwanzig Thaler für's ganze Jahr bekommt und sich dafür das ganze geschlagene Jahr von Morgens früh drei oder vier Uhr bis Abends Glock sieben schinden und plagen und das Fleisch von den Knochen herunterarbeiten muß? Sind die etwa was Anderes und findet Ihr hier nur einen einzigen von all den großmäuligen Rittergutsbesitzern und Pachtern, die Euch nur so viel hundert Groschen vorschössen, um Euch zu einem bessern Leben zu verhelfen, als Ihr hier Thaler bekommt? Hab' ich Recht oder nicht?«
»Ach ja, Herr Kollboeker, wahr ist's schon und läßt sich Nichts dagegen einwenden; wenn man nur einmal zehn Groschen Lohn voraus haben will, so muß man vor Gott und nach Gott darum bitten, und kriegt's dann gleich in der nächsten Woche wieder bei Heller und Pfennig abgezogen.«
»Na also – und was wollt Ihr sonst noch?«
»Ja«, sagte Behrens verlegen – »eins liegt mir doch noch auf dem Herzen, und ich wollte Sie dringend darum gebeten haben.«
»Und das ist?« frug Herr Kollboeker, indem er den zweiten Brief hernahm und aufbrach.
»Ich wollte doch gern,« fuhr Behrens der sich ein Herz faßte, fort, »so nah wie möglich dorthin nach Brasilien kommen, wo mein Bruder drüben ist.«
»So? Ihr habt schon einen Bruder drüben? und wo steckt denn der?«
»In der Colonie Blumenau.«
»Na da geht doch hinüber,« meinte Herr Kollboeker kurz – »es hindert Euch Niemand daran. Dorthin gehn immer Schiffe.«
»Wo man seine Passage auch abarbeiten kann?« frug Behrens rasch.
»Ne,« lachte Herr Kollboeker, daß das kleine Comptoir dröhnte – »wenn Ihr direkt dahin wollt, müßt Ihr Eure Passage selber bezahlen. Aber seid Ihr unbehülfliches Volk,« rief er, indem er seinen Brief auf das Pult warf und sich gegen die an der Wand hängende kleine Weltkarte wandte. »Seht einmal hier,« fuhr er fort, und zeigte mit seinem Finger auf einen Platz auf dem Behrens gar Nichts erkennen konnte, als buntgemalte aber ihm vollkommen unverständliche Linien »hier ist Blumenau wohin Ihr gern wollt, und wo Euer Bruder sein soll, und hier gleich darüber, kaum mehr wie ein Zoll davon entfernt, fängt die Provinz Minas Geraes an, wohin Euer Contract lautet, nachdem Ihr unentgeldlich hinübergeschafft werdet.3 Verlangt Ihr noch mehr? und wenn Ihr dort Eueren Contract abgearbeitet und Geld in der Tasche habt, hindert Euch denn etwa wer, die kurze Strecke da hinunter zu gehen und Euch anzusiedeln wo Ihr Lust habt? – Es ist rein zum Verzweifeln wenn Menschen etwas nicht einsehen wollen, was so sonnenklar auf der offenen Hand liegt.«
»Aber der Herr Doctor,« sagte Behrens schüchtern, »meinte, die Provinz wäre so sehr groß.«
»Na, wenn Euch das genirt, ob die Provinz groß oder klein ist,« rief Herr Kollboeker, indem er wieder zu seinem Pult ging, »dann bleibt doch meinetwegen in Deutschland – was liegt mir dran. Der Herr Doctor wird dann wahrscheinlich für Euch sorgen, damit es Euch hier an Nichts fehlt und Ihr leben könnt, wie der liebe Gott in Frankreich.«
»Ja du lieber Gott,« seufzte der Mann, der damit an sein Elend zu Haus erinnert wurde – »für Unsereinen sorgt auch Jemand, wenn wir es nicht selber thun können. Also Sie meinen wirklich, daß es nicht so weit von da wäre, wo mein Bruder ist?«
»Na, ich habe die Karte doch nicht gemacht,« sagte Herr Kollboeker, »die lassen die Regierungen selber ausarbeiten und was da drauf steht, ist richtig und muß richtig sein – Und ist sonst noch etwas, das Ihr auf dem Herzen habt?«
»Ja sehen Sie, Herr Kollboeker,« sagte Behrens, da der Agent das Erstere als beseitigt zu betrachten schien, »wenn Sie nur einmal so gut sein wollten, den letzten Satz durchzulesen, der da im Contract steht. – Bitte schön.«
»Nun was ist mit dem?«
»Ja, da steht, so lange der Contract dauerte, sollten wir Alle mit einander für unsern Brodherrn in einem fort arbeiten?«
»Nun? – versteht sich denn das nicht von selbst?«
»Ja, in der Woche gewiß – aber doch Sonntags« –
»Dummes Zeug – glaubt Ihr denn, daß in Brasilien Sonntags gearbeitet wird?« rief Herr Kollboeker – »das ist ja ein streng katholisches Land und hat noch außerdem eine Masse Fest- und Feiertage, die Euch ebenfalls zu Gute kommen –«
»Danke Ihnen,« sagte der Mann – »aber von einem Gärtchen steht kein Wort drin, – ein klein Stückchen Land müßte unser Einer doch haben, damit er sich selber ein wenig Gemüse bauen und ein paar Hühner und Schweine halten könnte. Das haben wir ja sogar hier in Deutschland gehabt, wo das Land so theuer ist.«
»Du lieber Gott,« lachte Herr Kollboeker gerade heraus – »das macht Euch doch etwa keine Sorge – ein Stück Land, wo der ganze Acker ein paar Thaler kostet? Lieber Freund, das sollt Ihr haben, und das will ich Euch, auf eigene Verantwortung auch noch in den Contract setzen, in sofern Euch das beruhigen sollte. Gebt einmal her – da ist ja gleich noch Platz. »Der besagte Carl Gottlieb Behrens erhält von seinem neuen Brodherrn auch noch ein Stück Land zur eigenen Bebauung angewiesen, um sich darauf einen Garten anlegen zu können.« So, seid Ihr jetzt damit zufrieden?«
»Ich danke Ihnen recht vielmals, Herr Kollboeker, damit ist mir ein großer Stein vom Herzen. Wissen Sie, unser Einer ist an sein kleines Gärtchen gewöhnt, und es würde uns hart anthun, wenn wir es in dem fremden Land missen sollten.«
»Ei versteht sich von selbst, Behrens, versteht sich von selbst; aber Ihr müßt mich entschuldigen – ich habe noch sehr viel zu thun. Wenn Ihr also weiter nichts zu bemerken habt, so könnt Ihr ja den Contract unterschreiben und da lassen – da ich doch morgen Briefe nach Antwerpen schicke.«
»Ja, Herr Kollboeker,« sagte Behrens etwas bestürzt, denn das kam ihm zu rasch, und so weit war er noch nicht einmal mit sich im Reinen, ob er überhaupt gehen wollte oder nicht, »so geschwind geht's doch freilich nicht. Es ist gar so ein wichtiger Schritt, den ich vorher noch reiflich mit meiner Alten überlegen möchte.«
»Na ich dächte, Ihr hättet Zeit genug zum Überlegen gehabt, aber wie Ihr denkt; ich wäre der Letzte der Euch dazu drängte, denn was hab ich dabei, ob Ihr geht oder da bleibt; mir kann's einerlei sein. So überlegt Euch denn meinetwegen die Sache noch eine ganze Woche lang, bis Ihr selber abreist, und wenn Ihr wollt, könnt Ihr den Contract auch erst in Antwerpen selber unterschreiben, wenn Ihr einmal das Schiff gesehen habt. Das bleibt sich gleich, und bei uns geht Alles offen und ehrlich zu, aber in einer Sache kann ich Euch nicht helfen, wenn Ihr überhaupt mitwollt, – heute ist Mittwoch, bis morgen Abend spätestens muß Euer Gepäck, was Ihr unterwegs mitnehmen wollt, d. h. die großen Kisten, hier sein. Kleinigkeiten könnt Ihr bei Euch behalten, denn übermorgen früh mit dem Packzug um acht Uhr, geht Alles, was ich zu befördern habe, nach Antwerpen ab, um gleich verladen zu werden.«
»Morgen Abend schon?«
»Ja, spätestens,« sagte Herr Kollboeker, »denn wegen Euch allein und extra kann ich doch keine Fracht abschicken; das sieht ein Kind ein. Alles was später kommt, müssen die verschiedenen Eigenthümer auf ihre eigenen Kosten transportiren lassen, und viel später hilft's ihnen nicht einmal mehr was, denn wenn das Schiff erst einmal geladen ist, dann werden die Luken zugemacht und versiegelt, damit unterwegs nichts wegkommen kann, und dann wird keine Fracht mehr angenommen. – Sind Sie denn noch nicht mit den paar Briefen fertig, Meier, das dauert ja eine wahre Ewigkeit.«
»Wir hatten so viel Abhaltung, Herr Kollboeker.«
»Ja, ich kenne Eure Abhaltung schon, – Maulaffen feil halten, wenn ich den Rücken drehe. Eilen Sie sich ein bischen; in einer Viertelstunde bin ich wieder zurück, damit ich sie dann unterschreiben kann. – Also bis morgen Abend vor sieben Uhr, Behrens, denn pünktlich um sieben Uhr wird zugemacht. Bei mir geht Alles auf die Minute, und muß auch bei einem solchen Geschäft so gehen. Also auf Wiedersehen, Behrens. – Apropos, will der junge Mensch, den Ihr da bei Euch habt, auch mit?«
»Nein, Herr Kollboeker, das ist nur ein –«
»Na, gute Nacht Behrens, gehabt Euch wohl,« und ohne sich weiter um die Beiden zu bekümmern, verließ der Agent das Haus, es Behrens anheimgebend seine weiteren Maßregeln zu treffen, wie es ihm beliebe, – er wußte, daß das Gift jetzt wirkte.
Behrens war das gar nicht recht, denn er hätte am liebsten noch eine längere Zeit zum Überlegen frei behalten, auch wohl gern noch einmal mit dem Doctor gesprochen, und Andres, der bei der ganzen Unterredung auch nicht eine Sterbenssylbe gesagt oder gar einen Rath gewagt hatte, ging auch mit zurück. Der Doctor war aber noch nicht nach Hause gekommen, und Niemand wußte wann er wieder kam, da er, sehr ungleich dem Agenten Kollboeker, nichts auf die bestimmte Minute that, und in seinem Beruf auch nicht thun konnte.
Es war dabei schon spät geworden und Behrens mußte an den Heimweg denken, wenn er nicht in stockfinsterer Nacht nach Hause kommen wollte. Er nahm sich deshalb auch kaum Zeit, ein paar Bissen Brod und Käse mit Andres, der hier in gutem Verdienst stand, in der nächsten Restauration zu essen und ein Glas Bier dazu zu trinken, was ihm sein Vetter aufnöthigte, – dann wanderte er mit schwerem Herzen und von Zweifeln gequält den langen Weg nach Groß-Emmen zurück, um mit seiner braven Frau zu berathen, was sie nun thun, – ob sie bleiben und das bisherige karge Leben, das ihnen nur Noth und Mangel gebracht, fortführen oder auswandern sollten in ein fremdes, weit gelegenes Land, um die Heimath nie – nie wiederzusehen.
Und was hatte ihnen das Vaterland eigentlich bis jetzt geboten? Lieber Gott, sie verlangten ja wahrlich nicht viel, – nur leben wollten sie, – nur nothdürftig leben und sich satt essen und nicht ewig in Sorge und Angst sein, um das Nothdürftigste für sich und die Kinder herbeizuschaffen. Aber selbst das war der Mann in der letzten Zeit – und da noch ein Kind dazu gekommen – nicht mehr im Stand gewesen, zu erschwingen. Kinder sollten ein Segen sein, und sie wurden ihnen hier zur drückendsten Last, während noch außerdem die Frau an zu kränkeln fing, da sie in ihrem schwächlichen Zustand jeder stärkenden Nahrung und kräftigen Kost entsagen mußte.
»Schlimmer kann es dort auch nicht sein,« lautete auch zuletzt das Resultat der langen Verhandlung zwischen den beiden Gatten; schlimmer kann es nicht kommen, denn zu essen und zu trinken werden wir doch in dem fremden Lande haben und – wir brauchen nicht zu fürchten, daß unsere Kinder betteln gehen müssen, wenn ihnen der Vater einmal plötzlich wegsterben sollte.
Es ist das jene furchtbare Aussicht, die Tausende von braven, wackeren Menschen hinaus aus Deutschland in ein fernes Land treibt, und mit wie schwerem Herzen gehen sie fort! – O, wie gern, – wie gern wären sie daheim geblieben.