Kitabı oku: «Ein Parcerie-Vertrag», sayfa 8
Neuntes Capitel.
Die Folgen des Contracts
Von da an gab es keine Sonntage mehr für die Familie, denn jeder freie Augenblick mußte benutzt werden, um ihren »Garten« in Stand zu setzen, und da sie Alle mit größtem Eifer angriffen, ja die nächste Familie ebenfalls dazugezogen wurde, um den Platz nachher gemeinschaftlich zu benutzen, rückten sie auch rasch vorwärts.
In zwei Monaten hatten sie schon die Bäume, die nothwendig gefällt werden mußten, umgeworfen und aus dem Weg gerollt, kleine Fruchtbäume konnten jetzt schon gepflanzt und der Boden hergerichtet werden, und noch zwei Monate, und ihr heiß ersehntes Ziel war endlich erreicht, – der Gartenplatz wenigstens fertig und wurde nun besäet und besteckt.
Die gewöhnliche Arbeit ging indessen fort, wieder ein ganzes Jahr, – aber die Frau fing an zu kränkeln, – das feuchte und doch so heiße Klima sagte ihr nicht zu, und sie wurde häufig von Fiebern heimgesucht, – auch das jüngste Kind wollte sich nicht recht kräftigen und machte ihnen viele Sorge.
Schweres Unglück hatte aber auch in diesem Jahr das Herrenhaus betroffen, denn Senhora Almeira war gestorben und von all ihren Sclaven und Dienern auf das Aufrichtigste beweint worden, – nur nicht von ihrem Gatten, der sich die letzte Zeit fast gar nicht um sie gekümmert, und ihre Pflege allein der jungen Deutschen und einer alten, treuen Negerin überlassen hatte.
Hannchen führte indessen drüben die Wirthschaft im Hause, und zwei Monate etwa schien das gut zu gehen, – da kam sie eines Mittags zu ihren Eltern mit verweinten Augen herüber, und erklärte, daß sie das Herrenhaus nicht wieder betreten würde.
Die Eltern frugen nicht weshalb, und als Mancal an dem Nachmittag herunter kam und sie wieder zu ihrem bisher besorgten Dienst schicken wollte, wies sie ihn mit so zornigen Worten ab und erklärte so bestimmt, nie wieder anders, als in Gemeinschaft mit ihren Eltern und Geschwistern zu arbeiten, daß er ordentlich scheu vor dem indessen hoch aufgeschossenen, bildschönen Mädchen zurücktrat und sie in der Hütte ließ. Von da ab wurde sie nie wieder in das Herrenhaus gerufen.
Senhor Almeira verließ am nächsten Tag seine Pflanzung. Sie sahen ihn nach dem Hafen zu reiten, und glaubten, daß er nur einen seiner gewöhnlichen Besuche dort abstatte, aber er kam nicht zurück. Woche nach Woche verging, Monat nach Monat, und er ließ sich nicht wieder da draußen sehen. Aber die Arbeit ging fort und Behrens, der indessen doch auch ein wenig Portugiesisch gelernt hatte, verlangte von ihrem Aufseher zu erfahren, wie ihre Rechnung stand. Dieser freilich zuckte die Achseln, und meinte, davon wisse er gar nichts. Sein Herr sei mit dem Dampfer nach Rio Janeiro gefahren und habe ihm nur den Befehl hinterlassen, die Arbeiten bis zu seiner Rückkunft in der gewöhnlichen Art fortzuführen. Er könne aber kaum mehr lange ausbleiben, und dann möge er mit ihm selber sprechen, – bis dahin müßten sie sich gedulden.
Die Frau wurde indessen kränker, und Behrens verlangte einen Arzt. Mancal versprach ihm, nach der Stadt zu schicken, und am nächsten Tag ging auch ein Zug mit einigen vierzig Maulthieren dorthin ab, um den vorräthigen Kaffee nach dem Hafenplatz zu senden, – aber es dauerte viele Tage, bis diese dort eintrafen, und als der Doctor endlich wirklich ankam, fand er Jammer und Thränen in der Hütte, aber keinen Patienten mehr.
Das Kind war zuerst gestorben und die Mutter, deren Zustand der furchtbare Schmerz nur noch verschlimmerte, ihm bald gefolgt.
Und wieder vergingen Monate – Monate voll schwerer Arbeit, als Senhor Almeira eines Tages – so plötzlich, wie er gegangen, auf sein Gut zurückkehrte und eine neue Frau, eine junge Französin, mitbrachte. Begleitet war er dabei von einer ganzen Gesellschaft von Herren und Damen aus Porto Seguro, und die Festlichkeiten nahmen kein Ende. Die Deutschen wollten jetzt mit ihm sprechen, aber wo hätte er Zeit gehabt sie anzuhören; sie wurden auf später vertröstet, und er ließ ihnen nur sagen, sie sollten sich beruhigen, ihre Zeit sei noch nicht um – wenn sie es wäre, würde er es ihnen selber mittheilen.
Die Deutschen weigerten sich jetzt zu arbeiten, aber sie verschlimmerten nur dadurch ihren Zustand, denn Mancal drohte die Neger gegen sie zu bewaffnen und Militär aus der Stadt holen zu lassen; dazu wurde das frische Fleisch und Mehl zurückgehalten und die wenigen Menschen fühlten wohl, daß sie hier nichts mit Gewalt ausrichten konnten. Sie waren auch schon geistig wie körperlich so gebrochen, daß sie nicht wagten, es auf das Schlimmste ankommen zu lassen.
Senhor Almeira verkehrte von da an nie wieder selber mit ihnen, oder erwiderte nur selbst ihren Gruß, wenn sie ihm begegneten, und seine junge Frau dachte nur an Putz und Festlichkeiten. Sie waren auch nur selten zu Hause, denn das Leben auf der abgeschiedenen Hacienda mochte ihr wohl, als sie der Besuch verlassen, zu einsam sein. Bald ritten sie da, bald dort hin und dann kamen große Sendungen aus dem Hafen, ganze Maulthierzüge mit neuen Meublen, Tapeten, Geschirren und anderen Dingen, um die stille Pflanzerwohnung in einen Palast zu verwandeln.
Behrens der jetzt wohl fühlte wie sie mit ihrem Herrn standen, dachte auf Flucht – aber er hätte doch nicht mit seiner ganzen Familie entfliehen können, und sollte er allein fliehen, um in der Hauptstadt des Landes Schutz und Recht bei seinen Landsleuten zu suchen, wie wäre es indessen den Seinen ergangen, und wie durfte er selber hoffen, ohne die geringsten Mittel die ferne Stadt zu erreichen? Es wäre ein verzweifeltes und völlig nutzloses Unternehmen gewesen.
So vergingen wieder anderthalb Jahr, in denen die Verschwendung des Brasilianers den höchsten Grad erreichte. Trotzdem gab ihnen sein Aufseher – denn er selbst ließ keinen der Deutschen mehr vor sich – nur immer auf alle Fragen die eine Antwort: Die Kaffeeernte habe nicht die erhofften Preise gebracht, und sie müßten sich noch gedulden. Allerdings klagte der andere Deutsche, der noch manchmal mit Transporten in den Hafen geschickt wurde, dem dortigen Kaufmann jedes Mal ihr Leid, aber auch der war nicht im Stande etwas für sie auszurichten, und sie sahen in der That ihres Jammers kein Ende.
Da geschah das Äußerste, was Behrens bis jetzt für möglich gehalten, denn der Mulatte kam eines Morgens zu ihm und kündigte ihm an, daß sein Garten, dem sie jetzt Jahre lang jeden Sonntag geopfert, nothwendig zu der Kaffeeplantage geschlagen werden müsse, an welche er stieß. Die Deutschen sollten aber dafür ein ebenso großes Stück Land dicht daneben angewiesen bekommen, um sich einen anderen herzustellen.
Behrens lief jetzt, wahrhaft außer sich, nach dem Herrenhause hinüber, und wäre in diesem Augenblick vielleicht zu Allem fähig gewesen. Herr und Madame aber waren den Morgen fortgeritten und wurden auch vor acht Tagen nicht zurück erwartet, und schon am nächsten Morgen stellte der Mulatte seine Neger an, um die als Umzäunung dienenden Hölzer fortzuschaffen, welche zwischen dem Garten und dem Cafezal lagen, und junge Kaffeebäume dicht neben einander dort einzupflanzen.
Als Behrens an dem Tag nach Hause zurück kam, ergriff ihn ein hitziges Fieber, das ihn Wochenlang an sein Lager gefesselt hielt. Er phantasirte dabei und fing ein paar Mal an so zu rasen, daß ein paar Negerburschen zu Hülfe gerufen werden mußten, um ihn nur zu bändigen. Endlich, nach einer der schlimmsten Nächte dieser Art, verhielt er sich ruhig, – es war die Krisis gewesen, und als ihn der Arzt, der jetzt öfter, der jungen Frau wegen, auf die Hacienda kam und oft eine ganze Woche dort blieb, wieder besuchte, erklärte er ihn außer Gefahr und verordnete nur noch gute Pflege.
Behrens erholte sich in der That rasch, nur matt war sein Körper noch, und er hatte mit den Übrigen noch nicht wieder an die Arbeit gedurft. So saß er eines Tages bleich, abgemagert und zusammengebrochen, die Stirn mit einem Tuch umwunden, vor der Thür seiner Hütte im Schatten, und sog, seinen trüben und düsteren Gedanken nachhängend, an einer Apfelsine, als Pferdegetrappel laut wurde und ein einzelner Reiter den Weg herabsprengte, der auf das Herrenhaus zuführte. Als er den Mann dort vor der Hütte sitzen fand, zügelte er sein Pferd ein und frug, ob Senhor Almeira zu Hause sei.
»Ich weiß es nicht, Herr,« sagte der Deutsche in sehr gebrochenem Portugiesisch, »wir erfahren hier nichts davon.«
Der Fremde betrachtete ihn aufmerksam eine kleine Weile und sagte dann plötzlich in deutscher Sprache: »Seid Ihr etwa Einer von den deutschen Parcerie-Arbeitern auf der Hacienda?«
»Leider, Herr,« erwiderte Behrens, den nicht einmal die deutsche Sprache aus seiner Apathie aufrütteln konnte. Was lag auch daran, es war vielleicht wieder ein Consul, und was ihnen der vorige genützt, hatten sie erfahren.
»Leider?« frug der Fremde, blieb aber nicht auf dem Pferd sitzen, sondern stieg ab, hing den Zügel seines Thieres über den nächsten Baumzweig, und trat näher zu dem Deutschen. »Ihr seid krank, Freund?«
»Ich war krank, Herr; jetzt geht es, Gott sei Dank, etwas besser, bin aber doch noch zu schwach zum Arbeiten und deshalb hier allein in der Hütte zurückgeblieben.«
»Ist das Eure Wohnung?«
»Ja, Herr.«
»Und wie lange haust Ihr jetzt schon etwa hier?«
»Es wird nahe an die sechs Jahre gehen.«
»Sechs Jahre? Das ist eine lange Zeit. Und habt Ihr Euch indessen was Ordentliches verdient?«
»Verdient?« frug der Mann, und ein eigenes, trübes Lächeln zuckte um seine Lippen, »wenn wir nicht noch in Schulden wären, brauchten wir wenigstens nicht länger unter einem Mulattenaufseher zu arbeiten, wie die anderen Sclaven auch.«
»So?« sagte der Mann, und sah ihn rasch und aufmerksam an, »und habt Ihr fleißig gearbeitet in der Zeit?«
»Wie wir's von daheim gewohnt waren, Herr, – wir haben als rechtschaffene Leute unsere Pflicht gethan. Der einzige Fehler war nur, daß ich meinen Namen unter eine Schrift auf ein Stück Papier setzte. Ich wußte wohl, was drin stand, aber doch nicht so recht, die Sache hatte einen kleinen Haken, und was mir gute Menschen darüber sagten, glaubte ich nicht, – oder doch wenigstens nicht, daß andere Menschen so schlecht sein könnten. Mit meinem Namenschreiben habe ich damals mich und meine Familie für ewige Zeit verkauft, – verauctionirt wurden wir auch gleich, so wie wir nur nach Brasilien herkamen.«
»So?« sagte der Fremde wieder und sah dabei still vor sich nieder, »und habt Ihr vielleicht das Papier oder eine Abschrift davon bei der Hand, auf daß Ihr Euren Namen gesetzt?«
»Nein, Herr, das Papier haben sie uns abgenommen; es war auch eigentlich nicht für uns, sondern für den Käufer; aber mein Name steht richtig darauf und jetzt ist an der Sache nichts mehr zu thun, wie sie mir es auch in Deutschland vorhergesagt. Wir sind einmal verkauft und bleiben verkauft.«
Der Deutsche schwieg; er hatte sich neben Behrens – sehr zu dessen Verwunderung – auf die Bank gesetzt und sah still vor sich nieder, endlich frug er: »Wie viel seid Ihr Eurer?«
»Nun,« sagte der Mann, »ein Paar wenigstens haben's schon hinter sich. Jetzt sind wir noch unser Fünf.«
»Ist Jemand von Euch gestorben?«
»Nur die Mutter der Kinder, Herr, – es hat nicht viel zu bedeuten,« lachte Behrens bitter vor sich hin, »und dann das Jüngste, – war ein kleiner, lieber herziger Kerl und unser Aller Freude, – jetzt ist ihm wohl; er hat's überstanden, und wir – werden's ja mit Gottes Hülfe auch einmal überstehen.«
Der Fremde sprang von seinem Sitz auf und ging ein paar Mal mit raschen Schritten vor dem Mann auf und ab.
»Und hat Niemand in der ganzen langen Zeit nach Euch gesehen?« sagte er nach einer Weile.
»O ja, doch,« lautete die Antwort, »es war einmal ein deutscher Consul hier, sind aber schon viele Jahre her, ein sehr vornehmer Herr; dort an derselben Stelle, wo Sie Ihr Pferd angebunden haben, da hielt er, und wir durften wohl eine halbe Stunde mit ihm sprechen. Nachher habe ich freilich nichts weiter von ihm gesehen; er hatte wohl viel zu thun und konnte sich nicht so lange um solche arme Teufel bekümmern.«
»Er stieg gar nicht vom Pferde?«
»O ja, doch, – oben beim Haus, und da haben sie mitsammen gegessen und getrunken.«
»So? Ja, lieber Freund,« sagte der Fremde, »dann will ich nur auch einmal zum Haus hinaufreiten, – aber ich komme wieder,« setzte er hinzu, als er den schmerzlichen Blick bemerkte, den der Mann ihm zuwarf, und damit trat er zu seinem Pferde, warf den Zügel ab und sprengte zum Haus hinauf.
»Das hat der Andere auch gesagt,« nickte Behrens vor sich hin, »ich komme wieder, – ich glaube, es waren genau dieselben Worte, aber er soll heute noch wieder kommen. Ja, wenn ich nur an dem unglückseligen Tag nicht meinen Namen unterschrieben hätte.«
Es dauerte aber in der That nur wenige Minuten, als er das Pferd schon wieder hörte. Es war der Fremde, der aus dem Sattel sprang und dabei ausrief: »Das ist eigentlich schneller gegangen als ich dachte, aber vielleicht auch besser so. Euer Herr ist nicht zu Haus, – er ist einmal hinaus zu seinen Arbeitern geritten und unter der Zeit können wir mitsammen plaudern: Übrigens habe ich hier in meiner Satteltasche noch eine halbe Flasche Wein, – ein Glas Wein, sollte ich meinen, müßte Euch gut thun, – es ist vortrefflicher Medoc. Habt Ihr ein Glas im Haus?«
»Eins muß noch da sein,« sagte Behrens, ganz bestürzt über das Anerbieten, »die meisten haben die Kinder freilich in den langen Jahren zerbrochen, aber eins war neulich wenigstens noch ganz. Wir brauchen sie hier nicht viel; wir trinken unser Wasser aus den Kalebassen, und die wachsen ja glücklicher Weise an den Bäumen.«
Er war aufgestanden und in das Haus gegangen, kam auch gleich darauf mit dem gefundenen Glas zurück und der Fremde betrachtete sich indessen, in der Thüre stehend, den öden inneren Raum.
In diesem Augenblick kam ein junges Negermädchen, was es nur laufen konnte, den Weg entlang vom Herrenhaus herunter, und redete, ganz außer Athem, den Fremden an.
»O, Senhor, – die Senhora läßt Euch bitten, zum Haus zu kommen, der Herr muß gleich zurückkehren; die Senhora ist sehr böse, daß die anderen dummen Schwarzen den fremden Herrn wieder fortgeschickt haben.«
»Sage Deiner Senhora, mein Töchterchen,« erwiderte der Fremde, »daß sie mich gar nicht fortgeschickt hätten, ich wäre von selber gegangen, weil ich hier mit dem Mann etwas zu sprechen habe. Wenn es mir die Senhora erlaubt, werde ich ihr nachher meine Aufwartung machen.«
»Aber das Frühstück steht auf dem Tisch, Senhor.«
»Ich danke Dir, mein Kind, ich habe schon gefrühstückt,« und dabei schenkte er Behrens ein Glas Wein ein, und reichte es ihm.
Das kleine Negermädchcn sah vor lauter Erstaunen mit offenem Munde zu. Der fremde Senhor gab dem »weißen Nigger« Wein; so etwas hatte sie noch nie erlebt, und noch viel rascher, als sie von dem Haus herunter gekommen, lief sie dorthin zurück, um die merkwürdige Neuigkeit zu erzählen.
Der Fremde, ohne sich weiter um das Negermädchen zu bekümmern, trat mit dem Deutschen in das Haus, und sich dort einen Stuhl zu dem roh gearbeiteten Tisch rückend, sagte er ruhig und freundlich: »Und nun, Kamerad, wie heißt Ihr gleich?«
»Behrens, Herr –«
»Also nun, Behrens, erzählt mir einmal Eure ganze Lebensgeschichte, wenigstens von der Zeit an, wo Ihr den Entschluß gefaßt habt, nach Brasilien auszuwandern. Macht es so kurz und einfach wie möglich, denn ich weiß auch schon ein wenig Bescheid, und brauche die Einzelheiten nicht alle zu wissen, und scheut Euch nicht im Mindesten, mir die volle Wahrheit zu sagen. Ich meine es gut mit Euch, und es ist möglich, daß ich Euch nützen kann.«
Behrens schüttelte dazu freilich den Kopf, der Fremde aber, indem er seine Brieftasche und einen Bleistift herausnahm, drängte noch einmal: »Erzählt mir nur, ich werde Euch nicht unterbrechen, aber ich muß eben Alles wissen, und wir haben vielleicht nicht so sehr lange Zeit.«
Behrens sah noch eine kleine Weile still vor sich nieder. Lang vergangene, schon fast vergessene Bilder tauchten vor ihm auf, – sollte er noch einmal in die alten Wunden greifen? Und weshalb nicht? Wühlte er doch das ganze Jahr darin herum, und der Fremde sah ihn ja so gut und freundlich an. So faßte er sich denn ein Herz und erzählte ihm von Anfang bis zu Ende die Geschichte seiner Auswanderung, und wie es ihm hier gegangen. Er setzte dabei nichts hinzu, ja, er ging sogar in einem ganz richtigen Gefühl über eine Masse von Nebensachen leicht hinweg, und war deshalb im Stande, dem Besucher in kurzen aber scharfen Umrissen ein Bild all ihrer Schicksale zu geben. Der Fremde unterbrach ihn auch mit keinem Wort, – nur manchmal, wenn er irgend eine Ergänzung brauchte, warf er eine kurze Frage ein, die ihm dann Behrens eben so kurz und bündig beantwortete.
So hatte er denn in kaum einer halben Stunde die Schicksale der armen Auswanderer genau und vollkommen kennen gelernt, aber er hörte ihm nur zu, und versprach ihm nicht etwa, daß er ihm helfen und die Familie aus ihrer traurigen Lage befreien wolle. Er war nur ein Reisender, wie er sagte, der zufällig in diese Gegend gekommen, um das Land kennen zu lernen und sich mit den Zuständen desselben bekannt zu machen. Was aber in seinen Kräften stand, versprach er zu thun, um den Leuten Recht zu verschaffen, sie sollten nur nicht glauben, daß das so schnell gehen könne. Brasilien sei ein zu großes Land, und man müsse immer eine weite Strecke von einem Ort zum anderen reisen, wenn man irgend etwas erreichen wolle.
In dieser Zeit kamen auch die übrigen Leute von der Arbeit zurück, und Behrens sah, wie Senhor Almeira ebenfalls an ihrer Hütte vorüber seinem Hause zusprengte, plötzlich aber sein Thier herumwarf, als er das fremde Pferd am Hause bemerkte.
»Das ist der Herr,« sagte der Arbeiter scheu zu seinem Gast, indem er hinaus deutete, »der wird Sie jetzt mit sich hinauf nehmen.«
»Ach,« lächelte der Fremde, »da werde ich mich ihm vorstellen müssen; – also habt guten Muth, Freund; es ist allerdings eine schwere Zeit, die Ihr hier durchgemacht, aber vielleicht wird doch noch einmal Alles besser. Ist das Eure Tochter?«
»Ja, Herr, meine Älteste.«
»Ein liebes, freundliches Kind. Nun, lebt wohl für jetzt; der Herr da draußen wird ungeduldig, und wir dürfen ihn nicht böse machen –« und damit nickte er den Deutschen zu und schritt hinaus zu seinem eigenen Thier, neben welchem Senhor Almeira hielt und die Hütte schon mehrmals mit »Hallo! He da drinnen!« angerufen hatte. Der Brasilianer schien auch eben nicht besonders erfreut, den fremden, sehr anständig gekleideten Herrn aus der Hütte seiner Arbeiter kommen zu sehen. Was hatte er mit denen zu schaffen, daß er sich nicht vorher an ihn selber gewandt? Und seine Stirn zog sich zuerst in düstere Falten. Der Fremde schien das aber gar nicht zu beachten oder nur zu bemerken.
»Habe ich das Vergnügen, Senhor Almeira zu sehen?« sagte er, indem er hinaustrat und ihn höflich, aber auch nur leicht grüßte.
»Das ist allerdings meine Name,« sagte der Brasilianer, »aber hier nicht meine Wohnung, – mein Haus liegt dort.«
»Ja, ich weiß,« lächelte der Fremde, »könnte mir auch nicht denken, verehrter Herr, daß Sie selber in solch einem Stall wohnen würden.«
Es lag ein so eigener, trotziger Spott in den Worten, und doch war das ganze Wesen des Fremden dabei so achtungsvoll und höflich, daß Almeira nicht gleich wußte, was er aus ihm machen sollte. Jedenfalls mußte er aber herausbekommen, was der Fremde hier bei ihm wolle, oder ob sein Besuch nur eben zufällig, vielleicht auf der Durchreise nach irgend einer anderen Facienda sei; auch sprach er das Portugiesische so fließend, daß er über seine Landsmannschaft ganz irre wurde. Übrigens verstand es sich, der gastlichen brasilianischen Sitte nach, ganz von selber, daß jeder anständig gekleidete Reisende auch ohne Weiteres in das Herrenhaus geladen wurde, wo er so lange blieb, als es ihm gefiel. Die Facienderos im Inneren, auf ihren einsam und vereinzelt gelegenen Plantagen, freuen sich ja nur überdies, die Monotonie ihres täglichen Lebens manchmal durch einen Besuch unterbrochen zu sehen; hören sie dann doch auch immer wieder etwas von der Welt da draußen.
»Darf ich Sie dann bitten, mich zu begleiten?« sagte der Brasilianer deshalb auch mit einer einladenden Bewegung seiner Hand nach dem Haus hinauf, »wir haben nicht weit.«
»Wenn Sie mir erlauben, Senhor, mit dem größten Vergnügen,« und der Fremde ging zu seinem Pferd, das schon einer der rasch herbeigesprungenen Negerburschen losgemacht hatte, während er ihm die Steigbügel hielt, und gleich darauf sprengten die beiden Herren dem großen Hause zu.