Kitabı oku: «Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser», sayfa 3

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„Höchste Zeit?“ rief der Koch, erschreckt aufspringend; „was ist nun wieder los?“

„Noch nichts“, sagte Meier, „aber es kommt, der Wind hat sich nach Nordwesten gedreht und – es riecht draußen nach Schwefel.“

„Ich hätte bald 'was gesagt“, brummte der Koch ärgerlich; „wenn der Steuermann den Alten wach haben will, wird er ihn schon selber wecken. Bis er nicht morgen früh das Frühstück verschläft, weck' ich ihn gewiss nicht.“

„Wir werden morgen früh wohl kein Frühstück brauchen“, sagte Meier ruhig und setzte sich wieder auf den Platz in die Ecke.

„Um Gottes willen, was ist vorgefallen?“ riefen ein paar der leicht geängstigten Frauen, die den Platz umstanden und der Erzählung des Kochs ebenfalls gelauscht hatten; „hat der Sturm wieder angefangen?“

„Unsinn“, sagte der Koch, der aufgestanden war und durch die Luke nach oben gehorcht hatte; „es ist totenstill draußen – man kann die Segel an die Masten schlagen hören.“

Die Zwischendecks-Passagiere waren aber, schon durch die Erzählung aufgeregt, ängstlich gemacht worden, tranken ihre Becher aus und stiegen nach oben, um selber zu sehen, wie es an Deck ausschaue. Die See lag totenstill und der Nebel noch immer dick und schwer auf der Flut. – Wie das so sehr unheimlich um sie her rauschte und schwoll und in dem zerrissenen Takelwerk klapperte und schlug! Vorn am Bug standen die wachthabenden Matrosen und hatten eben wieder das Senkblei ausgeworfen, das diesmal dreißig Faden gab. Mit einem Flaschenzug holten sie das schwere Blei herauf, und der Steuermann ging langsam auf dem Quarterdeck auf und ab.

Hinten an der kleinen Kompassglocke schlug es elf Uhr, die große Glocke vorn antwortete den Schlägen; der Mann am Steuer wurde abgelöst und das Log geworfen, die Fahrt des Schiffes zu prüfen; die Brise hatte sich ein klein wenig verstärkt und das Schiff lief drei Meilen durch's Wasser, aber dicht am Winde, der jetzt gerade von Nordwesten zu wehen anfing. Als Log- und Senkbleiwerfen vorüber war, nahm alles wieder seinen ruhigen Gang, und der Steuermann stieg in die Kajüte hinunter, um Lauf und Richtung des Schiffes wie vermutete Abdrift auf seiner Tafel für die letzte Stunde zu notieren.

Die Zwischendecks-Passagiere blieben eine Weile an Deck, da sich aber nichts Außergewöhnliches erkennen ließ und die Nachtluft kalt und unfreundlich über die See herüberkam, stiegen sie nach und nach wieder einzeln hinunter, ihre Kojen zu suchen.

Es war recht still unten geworden; die Passagiere lagen sämtlich in ihren Betten, der alte Meier ausgenommen, der noch immer angezogen vor seiner Koje auf der Kiste saß und den Kopf in beide auf die Knie gestemmte Arme gestützt hatte. Nur das Schnarchen und regelmäßige Atmen der Schläfer unterbrach die Ruhe, und dann und wann einmal das ängstliche Aufschreien eines Kindes, das von der Mutter wieder beschwichtigt wurde.

Ein hohler, brausender Laut tönte über das Wasser, dem die dröhnenden Schritte der rasch über das Deck laufenden Matrosen folgten. Meier hob den Kopf, horchte einen Augenblick und stieg langsam nach oben.

„Kapitän, kommt an Deck!“ rief der Steuermann mit lauter, fast ängstlicher Stimme in die Kajüte hinunter, dass die Kajüts-Passagiere ebenfalls in ihren Betten auffuhren und die Männer sich rasch ankleideten. Der Kapitän hatte unausgekleidet auf seinem Bett gelegen, sprang mit beiden Füßen aus seiner Koje, griff seinen Südwester und den dicken Überrock auf, sie unterwegs aufzusetzen und anzuziehen, und stand im nächsten Augenblick neben dem Steuermann und dem Ruder vor dem Kompass.

„Was ist, Steuermann, was gibt's?“ fragte er mit ruhiger Stimme.

„Es kommt!“ sagte dieser lakonisch.

„Wie viel Faden?“

„Zwanzig“, lautete die Antwort.

„Böser Platz, wo es her weht“, sagte der Kapitän, nach dem Kompass sehend und seinen Rock dabei anziehend, „aber wir können mit bestem Willen nicht mehr Segel anbringen. Und wenn's zu arg wird, müssen wir sehen, dass wir irgendwo Anker werfen.“

„Wär' eine schlimme Geschichte“, brummte der Steuermann zwischen den Zähnen durch, „hallo, wie das zu heulen anfängt!“

„Werft das kleine Lot noch einmal“, sagte der Kapitän, während er den Fortgang seines armen Schiffes beobachtete und einen scheuen Blick nach Lee hinüber sandte. „Wenn man wenigstens die Leuchtfeuer erkennen könnte! Wie viel Uhr ist's?“

„Dreiviertel auf Zwölf“, sagte der Mann am Ruder, indem er sich bückte und nach der im Kompassgehäuse hängenden Uhr sah.

„In einer Viertelstunde wissen wir, woran wir sind“, meinte der Seemann – „wie viel Faden?“ rief er dem vorn postierten Matrosen zu.

„Bei der Mark neunzehn“, lautete die Antwort.

„Wie viel Kette haben wir oben, Steuermann?“ fragte der Kapitän.

„Ungefähr vierzig Faden.“

„Ist der zweite Anker klar?“

„Noch nicht.“

„Lasst ihn klar machen.“

Über die Wasser heulte es dabei in scharfem, pfeifendem Ton herüber und schäumte und zischte über die erregte Flut. So scharf als möglich lag das seiner meisten Segel beraubte Schiff dabei gegen den Wind an, aber nicht verkennen ließ es sich, dass es, mit zu wenig Kraft, den schweren Bau vorwärts zu treiben, unverhältnismäßig viel Abdrift machte und mehr und mehr nach Lee hinübersetzte.

Von den Kajüts-Passagieren kamen jetzt ebenfalls mehrere an Deck und fragten den Kapitän ängstlich, ob Gefahr vorhanden sei. So freundlich und zuvorkommend aber dieser auch sonst gegen seine Passagiere war, so kurze, abfertigende Antwort bekamen sie jetzt, wo er andere Sachen im Kopf hatte, und er bat sie mit ziemlich dürren Worten, in ihre Kojen wieder zurückzugehen, da sie an Deck doch nichts helfen könnten und nur im Wege ständen.

Es war zwölf Uhr, der Wind hatte sich wieder zu vollem Sturm erhoben und die leichterregte See rollte mit den kurzen aber schweren Wogen ärgerlich gegen den Bug des Schiffes an, über den sie die schäumenden Kronen an Deck spritzte; die weißen, zähen Nebelschwaden wälzten sich dabei in dichten Massen vor ihm her, dem Lande zu, und wenn sie auch, hier und da zerrissen, einen Blick nach den jagenden Wolken gestatteten, hüllten sie doch das leewärts gelegene Land noch immer in tiefe Nacht.

„Bei der Mark siebzehn!“ tönte der monotone Ruf des am Senkblei stationierten Matrosen, und die schwere Kette des Starbordankers rasselte, von der jetzt ebenfalls an Deck gerufenen anderen Wache gehoben, der Ankerwinde zu.

„Bei der Mark sechzehn –“

„Steuermann, wir müssen wahrhaftig den Anker fallen lassen!“ rief der Kapitän; „steht bei da vorn, Anker klar?“

„Alles klar, Kapitän!“ lautete die Antwort.

„Wie viel Faden jetzt?“

Der zischende Schlag des Senkbleis auf das Wasser antwortete der Frage, und gleich darauf tönte wieder der eintönige Ruf:

„Bei der Mark zwölf!“

Noch immer zögerte der Kapitän – sie konnten sich gerade hier an einer Bank befinden, die sie vielleicht im nächsten Augenblick passierten. Solcher Art in offener See zu ankern, wo die Wogen mit ungebrochener Kraft heranwälzen können, ist auch immer eine ängstliche, gewagte Sache; so lange er sich flott halten kann, tut es kein Seemann.

Wieder wurde das Blei geworfen, und der Ruf zeigte dreizehn Faden.

„Gott sei Dank!“ rief der Kapitän mit einem aus innerster Brust herausgeholten Seufzer –, „das Wasser wird tiefer – es war richtig nur eine Bank.“

„Bei der Mark vierzehn –“

„Bravo, mein Bursche, fahr so fort!“

„Bei der Mark vierzehn ein halb.“

„Dort drüben, glaub' ich, sehe ich ein Licht durch den Nebel schimmern“, rief plötzlich der Steuermann – „dort nach der Richtung hin!“ Der Kapitän strengte seine Augen an, das Dunkel zu durchsuchen, und glaubte selber einen Schein zu erkennen.

„Bei der Mark fünfzehn!“ rief der Mann.

„Sobald wir das Licht ausmachen können, dass wir herausbekommen, wo wir sind,“ sagte der Kapitän, ohne auf das Senkblei jetzt weiter zu achten, „wollen wir die Peilung nehmen, und wenn der Sturm nicht nachlässt, wird uns nichts weiter übrig bleiben, als in Lee Schutz zu suchen.“

„Der Henker soll die Küste holen!“ brummte der Steuermann; „weiß es Gott, da ankere ich lieber hier mitten im Kanal.“

„Bei der Mark elf!“ schrie der Mann vorn.

„Elf?“ fuhr der Kapitän empor; „was ist das – bist du gewiss? – Steht klar bei eurem Anker da vorn.“

„Alles klar, Kapitän!“ rief der zweite Steuermann zurück.

„Bei der Mark sieben!“

„Nieder mit eurem Anker!“ gellte der schrille Ruf des Kapitäns über Deck, und zu gleicher Zeit rasselte die Kette donnernd durch die Klüsenlöcher. In demselben Augenblick aber auch, und noch ehe der Anker den Grund erreicht haben konnte, zitterte das Schiff bis in seinen Kiel hinab von dem furchtbaren Stoß, den es erhielt, und der Kapitän musste sich an den Kompasskasten halten, um nicht vorn überzustürzen.

„Heiliger Gott, wir sind verloren!“ schrie eine Stimme vom Bug aus, und eine See wusch hochaufbäumend an dem gestrandeten Schiff über Deck und schleuderte ihre Flut in die noch offenen Luken des Zwischendecks hinab.

Ein gellender Wehschrei antwortete von dort her, und in der nächsten Minute stürzten die halb entkleideten Passagiere aus Kajüte und Zwischendeck jammernd und wehklagend an Deck.

„Wir sind verloren – wir sind verloren!“ tönte der gellende Ruf von den bleichen Lippen, und Männer, das, was sie gerade im ersten Augenblick gefasst, Frauen, ihre Kinder auf dem Arm oder an den zitternden Händen, drängten dem höher gelegenen Quarterdeck zu, um Rettung, Hilfe von dem Kapitän zu erflehen.

„Die Luken zu – hinunter mit Euch!“ schrie dieser aber, der rasch seine Geistesgegenwart wiedergewonnen hatte, als eine neue Woge sich an der Seitenwand des Schiffes brach und ihre Flut die steilen Zwischendeckstreppen niederwusch – „die Luken zu – wir füllen sonst das Schiff – hinunter mit den Passagieren, sag' ich!“

Ja, der Befehl war wohl gegeben, aber wie auszuführen? – Nicht allein die eindringende Flut, sondern auch die wiederholten Stöße, die das seinem Untergang geweihte Schiff erhielt, und die es dermaßen erschütterten, dass sich weder Passagiere noch Matrosen auf den Füßen halten konnten, weckten auch den festesten Schläfer aus seinem Schlummer und donnerten ihm die furchtbare Wirklichkeit in das betäubte Ohr: – wir sind verloren! Wieder ein Stoß, der mit einer Wucht gegen den Kiel traf, als ob die Planken voneinander bersten müssten, und schäumend, schmetternd wälzten die mehr und mehr emporgerüttelten Wogen über Deck, wieder und wieder einzelne der Passagiere, die sich nach oben retten wollten, von den Treppen hinunterwaschend. Die Matrosen suchten jetzt die Klappen auf die Luken zu werfen, die übersteigende See zu verhindern, hineinzuschlagen, aber der von den Passagieren hatte noch ein Kind unten, der eine Schwester oder Mutter, und die Leute, in der Verzweiflung des Augenblicks ihrer Sinne kaum mächtig, warfen die Matrosen zurück und hielten den Eingang frei und offen.

„Sie wollen uns nicht herauf lassen – da unten sollen wir ersaufen und ersticken, während sie sich in den Booten retten!“ schrien sie dabei. „Nein, die Boote nieder – wir haben unsere Passage bezahlt – wir müssen ins Land gesetzt werden. Herr Kapitän, um Gottes willen, die Boote nieder!“

Der Kapitän hatte indessen mit vollkommener Ruhe die Wassertiefe um das Schiff her untersuchen lassen, und es blieb bald keinem Zweifel mehr unterworfen, dass sie auf einer weiten gleichhohen Sandbank aufsaßen, wo sie nicht hoffen durften, so bald wieder frei zu kommen. Ja, im Gegenteil schien die Bank in Lee höher, als zu windwärts, und jeder Stoß, den das unglückliche Schiff von den anprallenden Wogen bekam, setzte es höher und fester hinauf.

Die Passagiere, die jetzt über Deck schwärmten, ließen endlich, da sich keiner weiter von ihnen im untern Raum befand, die Luken schließen, die untersuchten Pumpen ergaben aber gleich darauf sieben Fuß Wasser im Raum; das Schiff hatte jedenfalls bei den furchtbaren Stößen einen Leck bekommen, und Rettung schien jetzt nur in den Booten möglich.

Aber, guter Gott; wie waren die zu benutzen? Die kleine Jolle hing allerdings unter den eisernen Krahnen, aber Dollen und Ruder fehlten und konnten in der jetzt herrschenden Verwirrung gar nicht gleich gefunden werden, und das große Boot, die sogenannte Barkasse, stand mitten auf Deck und musste erst mit Flaschenzügen über Bord gehoben werden.

Die Verwirrung, die indessen unter den Passagieren herrschte, war furchtbar; ein Teil von ihnen riss die Luken wieder auf, hinunter zu klettern und das im ersten Schreck unten vergessene Geld heraufzuholen und zu retten; Andere lagen auf den Knien und beteten und weinten. Die Frauen drängten, mit ihren Kindern auf dem Arm, der Kajüte zu, den Kapitän anzuflehen, nur diese, nur die Kleinen zu retten, und wieder andere standen, an irgend ein Tau oder Holz geklammert, in stumpfer, starrer Verzweiflung da, ließen die Sturzwellen über sich hinübergehen und sahen mit stierem Blick hinaus über die anstürmenden Wogen, die mit immer wachsender Kraft wieder und wieder gegen das Wrack anschmetterten und es wild und heftig auf die Sandbank aufstießen. Konnten doch in jedem Augenblick seine Rippen brechen und in Trümmer auseinander bersten.

„Heiliger Gott, Du wirst doch nicht wollen, dass wir hier so elend umkommen sollen!“ schrie eine Frau, die, ihre zwei Kinder fest an sich gedrückt, auf den Knien lag und mit einem umklammerten Tau sich vor dem Werfen des Schiffes zu schützen suchte. Da bäumte eine See, stärker als eine der vorigen, an dem Starbordbug des Fahrzeugs aus und riss, niederschlagend, die Kombüse und einen Teil der Wasserfässer, wie die ganze vordere Schanzkleidung des Larbordquater mit über Bord. Zehn oder zwölf Menschen, die sich dort angeklammert hatten, wurden ebenfalls mit in die See gewaschen, und ihr Wehgeschrei schlug dumpf und entsetzlich an das Ohr der noch Lebenden, denen sie vergebens die Arme nach Hilfe entgegenstreckten. Auch die Frau war von der Woge erfasst und an die andere Seite des Schiffes geschleudert worden, wo sie sich wieder festklammerte – aber ein Kind fehlte ihr, und ihr gellender Hilfeschrei übertönte selbst den Sturm. Eine neue Woge brach mit solcher Kraft gegen die Seitenwand des Wracks an, dass sie das Schiff ganz auf die Seite warf, und nur die strenge Disziplin an Bord eines Schiffes konnte noch einen Teil der Matrosen zusammenhalten, den Befehl des Kapitäns Folge zu leisten und die Barkasse klar zu machen.

„Hurrah, hurra!“ schrie in dem Augenblick der Koch, der – mit dem vollem Bewusstsein, nach der Flucht des Klabautermanns doch hier unterzugehen und zu ersaufen – in die ihm bekannte Vorratskammer der Kajüte geschlichen war und jetzt mit einem kleinen Anker Rum unter dem Arm auf dem Larbordgangweg hin nach vorn sprang, um seine Beute mit den Matrosen und den Passagieren zu teilen – „hurra, Jungens, hier ist der Stoff, der uns aus dem Wasser hilft; hier ist die richtige Mischung mit Salzwasser zu nehmen. Ein Spließeisen her, dass wir den Spund herauskriegen. Hol der Teufel die Boote und den alten Kasten, der Klabautermann ist fort, und die Latten gehen doch in der nächsten Viertelstunde aus dem Leim – hurra, der Rum soll leben!“

„Her mit dem Rum!“ schrien die Matrosen, in wilder Verzweiflung zu dem letzten Mittel greifend, ihre Todesangst zu betäuben, und der Zimmermann hatte rasch mit einem Spließeisen den Korkspund hinein gestoßen, als der Kapitän, ein Enterbeil in der erhobenen Rechten, zwischen sie sprang und aus voller Kraft einen mächtigen Hieb gegen den aufgedrehten und unter dem Schlag zusammenbrechenden Boden führte.

„Wahnsinnige!“ schrie er dabei, während er zu gleicher Zeit das Fass mit dem Fuße um- und in das dort strömende Seewasser stieß; „wollt Ihr Euch die letzte Möglichkeit rauben, unser Aller Leben zu retten, und wie feige Schufte, die sich vor dem Tode fürchten, in viehischem Trunk vor Euren Gott treten? An die Arbeit mit Euch, die Barkasse in See, und bei dem Himmel dort oben, der jetzt seine Schrecken über uns ausgießt, dem Ersten, der einen weiteren solchen Versuch macht, schlag' ich mit diesem Beil den Schädel ein, wie ich dem Fass den Boden ausgeschlagen habe. – In See mit dem Boot!“

„Schade um den Rum!“ brummte der Koch, der sich scheu vor der gehobenen Waffe hinter die Übrigen zurückdrückte; aber die Besseren der Schaar sahen doch ein, dass der Kapitän Recht hatte und warfen sich, trotz der jetzt mit immer wilderer Wut überschlagenden Wogen, in die Wanten hinauf, die Flaschenzüge oben an den Rahen zu befestigen und das Boot, das sie mit Armeskraft allein gar nicht hätten regieren können, empor zu heben und überzulassen.

Die Zwischendecks-Passagiere drängten indessen fast sämtlich dem Quarterdeck zu, das gegen den Anprall der Wogen noch am meisten geschützt lag, und herzzerreißend war der Jammer, das Elend der Unglücklichen. Mütter schrien nach ihren Kindern, Gatten nach ihren Weibern, und suchten die noch unter den Lebenden, die schon, von den wilden Sturzwellen erfasst, über Bord in ihr Verderben gerissen waren. Gerade die Männer aber, die sonst mit keckem Wort die Gefahr herausgefordert, betrugen sich am mutlosesten, am verzagtesten von Allen. Der Lohgerber, ein großer, starker Mann, mit ein paar Fäusten wie ein Bär, lag, das Gangspill umklammernd, auf den Knien und wimmerte zu Gott um Vergebung seiner Sünden und Rettung aus dieser Not, und der Schneider hing mit beiden Armen in der Starbord-Besanwant und weinte und schluchzte wie ein Kind.

Andere dagegen sahen dem Unvermeidlichen, das über sie hereinzubrechen drohte, mit stillem, entschlossenem Mut entgegen, und unter ihnen der Instrumentenmacher, der sein junges Weib und das zweijährige Kind fest umklammert hielt, sie gegen eine etwaige Sturzsee so viel als möglich zu schützen, während er der an seinem Halse weinenden Frau mit leiser Stimme Mut und Trost einsprach.

Am wildesten gebärdete sich einer der Kajüts-Passagiere – ein Kaufmann Wolf, der, in Unterkleidern aus der Kajüte gestürzt, in wirrer Todesangst kaum mehr wusste, was er tat. Von einem Ende des Decks taumelte er schreiend zum andern, warf sich vor den Matrosen auf die Knie und rief, er dürfe nicht sterben, er habe Geld, viel Geld, und sie sollten ihn retten – er würde sie reich, er würde sie steinreich machen. Die Seeleute stießen den Mann mit Ekel von sich, und winselnd lag er zuletzt lang ausgestreckt und mit dem Schwanken des Schiffs herüber und hinüber rollend auf dem Vordeck, kratzte sich die Nägel blutig an den Planken, raufte sich die Haare und fluchte und betete.

Der Einzige von Allen, der kein Wort sprach, keinen Klageruf, keinen Fluch über die Lippen brachte, war Meier. So ängstlich und besorgt er gewesen, ehe das Unglück geschehen war, so ruhig betrug er sich jetzt und trat zwischen die Matrosen hinein, um die von dem Kapitän gegebenen Befehle mit ausführen zu helfen. Er war auch der Erste, der nach oben lief, einen Block an der Rahe zu befestigen, um die Barkasse überheben zu können, und wie das Tau hindurchgebracht und an Deck eingeholt war, stieg er wieder nieder, fasste es auf und sang vor, wie das an Bord Sitte ist, als ob gar nichts vorgefallen wäre und sie sich auf sicherem Schiff draußen in offener See, statt auf einem zertrümmerten, gestrandeten Wrack befänden.

Sein Beispiel wirkte auch ermutigend auf den Rest der Seeleute, die sich über ihren früheren Kleinmut, wie darüber, dass sie jetzt ein Passagier beschämte, ärgerten, und unbekümmert um den heulenden Sturm, um die überstürzenden Seen, griffen sie wacker und unverdrossen zu.

Das Aufwinden des Bootes brachte aber eine eigentümliche Wirkung auf die Passagiere hervor. Da war Hoffnung; ein Mittel, eine Aussicht wurde ihnen geboten, das Land zu erreichen, die gefährdeten Planken, die in jedem Augenblick auseinander zu brechen drohten, zu verlassen, und ohne Verabredung, aber still und sicher, ja Jeder in der Angst, dass ihm der Andere zuvorkommen könnte, drängten die Unglücklichen der Stelle zu, wo das Boot über Bord gelassen werden sollte. Nur einmal in dem kleinen Fahrzeug, und sie waren ihrer Meinung nach gerettet.

„Ein Licht – dort ist der Leuchtturm!“ schrie Meier plötzlich, der bei der Arbeit fortwährend sehnsüchtig den Blick dorthin geworfen hatte, wo er Land vermuten musste.

„Ein Licht! – der Leuchtturm! Land!“ jubelten und schrien die Passagiere durcheinander. „Gott sei Dank, Gott sei ewig gelobt und gepriesen, oh, er konnte, er wollte uns nicht verlassen!“

Land? – Guter Gott! Noch eine weite Strecke stürmischer See lag zwischen ihnen und dem rettenden Lande, aber die Schiffbrüchigen begrüßten es, als ob sie den festen Boden schon unter sich fühlten.

Jetzt hob sich die Barkasse, von den starken Tauen getragen und von hundert Händen dabei in krampfhafter Angst gezogen, empor und schwang gleich darauf, durch die schräge Lage des nach Lee zu übergedrückten Schiffes begünstigt, über Bord. Der Kapitän erkannte aber ganz das Gefahrvolle ihrer Lage, wenn sich die Passagiere voll wilder Todesfurcht in das hinuntergelassene Boot, das sie nicht alle tragen konnte, geworfen hätten. Zwischen sie springend, bat und beschwor er sie deshalb, nur erst die Frauen und Kinder hinunter- und überhaupt nicht mehr Menschen hineinzulassen, als möglicher Weise in dem kleinen Fahrzeug sicher gegen die Wogen ankämpfen konnten – umsonst. Es war, als ob wilder Wahnsinn die Unglücklichen erfasst hätte und sie nicht hören wollten.

„Hinunter mit dem Boot!“ schrie und brüllte die Schaar – „hinunter damit – sie wollen uns zurücklassen – die Matrosen wollen sich allein retten – hinunter!“ Und die losgegebenen Taue ließen im nächsten Augenblick das breite, etwas schwerfällige Boot, rücksichtslos ob es schöpfe oder schwimme, auf die Wogen hinunterschlagen. Glücklicherweise kam es, nur wenig Wasser einnehmend, unten auf, und das Fahrzeug selber, in dessen Lee es lag, schützte es die ersten Augenblicke vor den anprallenden Wellen.

Ein Teil der Matrosen hatte indessen Ruder und Segel aufgegriffen und war hineingesprungen, wild und blind folgten ihnen dabei Männer, Frauen und Kinder in furchtbarem Gemisch, als ob sie sich an festes, schützendes Land retteten, und nicht in ein schwimmendes, gebrechliches Boot, das sinken musste, sobald es mehr bekam als es tragen konnte.

„Stoßt ab – kappt die Taue!“ schrien die unten Befindlichen dabei wirr durcheinander, als sich das Boot mit Menschen füllte – „zurück da – es kann Niemand mehr herein!“ – Aber, lieber Gott! was halfen die Rufe, was selbst die Gewalt, mit der sich die im Boot des weiteren gefährlichen Andranges erwehren wollten; die Todesgefahr gab den Schüchternsten Mut und Stärke, und ehe die Matrosen unten im Stand waren, die Taue zu kappen und die Barkasse abzustoßen, war sie bis zum Rand gefüllt. Ja, selbst noch, als sie das Schiff verließ, sprangen Einzelne in die unten kochende Flut, den Bootsrand teils mit den Händen fassend, teils um Hilfe und Rettung die Arme danach ausstreckend. Aber wo war Erbarmen von den selbst Verzweifelten zu hoffen – die Hände der sich Anklammerndem wurden abgeworfen, selbst mit Messern zerschnitten, wo sie sich krampfhaft eingehakt, und im nächsten Augenblick trieb das überfüllte Boot, von den ihm nachstürzenden Wogen gefasst und wild umhergeschaukelt, nach Lee zu.

Der Instrumentenmacher hatte mit seiner jungen Frau und dem Kind unwillkürlich mitgedrängt, dem Boot entgegen, als er sich am Arm gefasst und zurückgehalten fühlte. Wie er sich umsah, stand Meier neben ihm und flüsterte ihm zu:

„Bleibt da – das Boot ist verloren und wird nimmer das Land erreichen.“

„Aber wir hier?“ rief der Mann in Todesangst – „meine Frau, mein Kind –“

„Sind vielleicht auch verloren“, sagte der alte Mann erregt, „aber noch nicht so gewiss, als die da draußen. Wenn Sie meinem Rate folgen wollen, bleiben Sie auf dem Schiff – ich bleibe bei Ihnen.“

„Auf dem Wrack?“

„Immer besser auf einem Schiffswrack auf dem Sand sitzen, als auf den Trümmern eines untergegangenen Bootes draußen in solcher See schwimmen.“

Noch zögernd stand der Mann, als das Abstoßen des Bootes draußen ihm keine weitere Wahl ließ. Zu gleicher Zeit war auch das Kapitänsboot in See gelassen, in das sich die Steuerleute mit einem Teil Matrosen und vier oder fünf Damen aus der Kajüte retteten. Der Kaufmann Wolf war einer der Ersten gewesen, die, rücksichtslos um alles andere, in die Barkasse sprangen.

Der Kapitän, der alte Meier, der Instrumentenmacher mit seiner kleinen Familie und sieben oder acht Frauen aus dem Zwischendeck, die nicht gewagt hatten, in das Boot hinab oder über Bord zu springen, waren die Einzigen, die noch an Bord zurückgeblieben waren.

„Und Sie sind nicht mit in Ihr Boot gegangen?“ redete der alte Meier den Kapitän an, der auf der Reling des Quarterdecks stand und, den linken Arm um die Besanwant geschlagen, mit stieren Blicken den mit den Wogen kämpfenden Booten folgte.

„Ich darf mein Schiff nicht verlassen“, antwortete der Seemann, „aber ihr?“

„Wenn ich denn einmal ersaufen muss“, sagte der alte Meier ruhig, „will ich das doch gern so lange hinausschieben als irgend möglich.“

„So glaubt ihr nicht, dass die Boote das feste Land erreichen?“ rief der Kapitän mit einem tief aus der Brust geholten Seufzer.

„Eben so wenig, wie wir je mit der „CAPTAUBE“ wieder flott werden“, sagte der Alte – „seht Ihr die Woge, Kapitän, die da hinter der Barkasse herschäumt?“ – das ist die letzte – und die Jolle – wo ist die Jolle? – ich kann sie gar nicht mehr finden.“

„Großer, allmächtiger Gott!“ stöhnte der Kapitän, sein Antlitz in den Händen bergend – „sie sind verloren, alle verloren!“

Ein wilder, gellender Hilfeschrei schallte noch von dort herüber. In dem weißen Schaum, der durch die Nacht blitzte, war es fast, als ob sich dunkle, ringende Gestalten erkennen ließen – dann blieb alles still. Nur die wilden Wogen brachen und stürmten ärger als je gegen das jetzt fast ganz auf die Seite geworfene Wrack an, dessen vordere Planken von den ungestümen Wassern schon so auseinander gerissen waren, dass sie die gierige Flut unter sich konnten gurgeln und bohren hören.

Stoß folgte jetzt auf Stoß, und die drei Männer gingen daran, durch das Kappen der noch stehenden unteren Masten dem Schiff Erleichterung und vielleicht auf der Sandbank auch mehr Festigkeit zu geben. Die Masten, mit dem Übergewicht der schweren Rahen und zerrissenen Segel, die noch daran hingen, bedurften nur weniger Schläge, um einzubrechen und umzuschlagen, und Meier suchte nun, von den beiden anderen dabei unterstützt, was sie an Hölzern an Bord erreichen und losschneiden konnten, zusammenzubinden und eine Art Floß herzustellen. Die Möglichkeit war vorhanden, dass sich der Sturm mit Tagesanbruch legte und die See beruhigte, und sie durften dann doch wenigstens hoffen, wenn sie über Tag kein Schiff fand und rettete, die in Lee liegende, gar nicht so ferne Küste zu erreichen.

Entsetzlich war indes die Lage der armen Frauen, die, auf dem schrägen Deck zusammengedrängt, die See schon nach sich heraufzüngeln fühlten und jeden Augenblick erwarten mussten, von den überstürzenden Wogen erfasst und fortgerissen zu werden.

So brach der Morgen endlich an, und das Licht des jungen Tages beschien die wildempörte Oberfläche der See, beschien den Schauplatz der Zerstörung, wo Woge auf Woge noch an den lockeren Planken riss und zerrte und arbeitete, das ganze Wrack mit seinen letzten Insassen zu sich hinabzuziehen in Nacht und Tod. Aber der Sturm hatte schon vor Tag seinen Gipfelpunkt erreicht gehabt und sich fast unmittelbar nach der Zerstörung der Boote mehr und mehr beruhigt. Die See ging noch hoch, aber der dem Wrack so gefährliche Druck hinter den Wogen, die jetzt nur, durch ihre eigene Schwere getrieben, dem Land zurollten, fehlte, und die an Bord Zurückgebliebenen durften auf Rettung hoffen.

Aber noch ein langer Tag der Angst stand ihnen bevor, lange, furchtbare Stunden, an lockere Planken geklammert und über einem drohenden Abgrund schwebend, und erst gegen Abend kam ein Schiff in Sicht, von dem sie Rettung hoffen durften. Es war ein von Havre nach London bestimmter Dampfer, der glücklich das gestrandete Schiff mit seinem aufgesteckten Notsignal entdeckte, und jauchzend sahen sich die Unglücklichen endlich bemerkt – sahen, wie das Fahrzeug auf sie zuhielt, soweit es sich dem sandigen Ufer nähern durfte, sahen, wie es auch endlich beilegte und ein Boot aussetzte – und fanden sich schon dem sicher geglaubten Tod entrissen.

Von dem Wrack war aber nichts mehr zu bergen. Das Wetter sah noch viel zu drohend aus, um lange an solch gefährlicher Stelle zu weilen; das Postboot, an eine bestimmte Zeit gebunden, durfte sich auch nicht aufhalten, und der in der nächsten Nacht wieder losbrechende Sturm jagte das seinem Geschick verfallene Fahrzeug noch höher auf den Sand hinauf, schmetterte die riesigen Wogen gegen den geborstenen Bau, riss seine Planken auseinander und warf die Trümmer in seinem tollen Spiel der Küste zu.

* * *

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