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Kitabı oku: «Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band», sayfa 14

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»Hallo Ihr Leute, Ihr sitzt ja da als ob Euch die Petersilie verhagelt wäre« sagte da plötzlich eine freundliche Stimme, in rein deutschem Dialekt – »ist Euch Jemand gestorben oder habt Ihr Euer Geld in den Strom fallen lassen?«

»Gestorben ist Niemand, und unser Geld fällt schon nicht weg; dafür sind wir sicher!« sagte der eine der Leute den Fremden finster und mistrauisch betrachtend, denn was sie bis jetzt von ihren Landsleuten gesehn, war gerade nicht geeignet sich sehr nach ihrer weiteren Bekanntschaft zu sehnen. Nur die Frauen schauten rasch und halb voll Hoffnung zu dem Deutschen auf, der sie so freundlich angeredet, und dabei so anständig in feiner weißer Wäsche und breiträndigem Strohhut, mit einer großen goldnen Uhrkette über die feingestreifte Weste, gekleidet ging.

»Oh Ihr wartet wohl auf einen Wagen, Euer Gepäck in die Stadt hinauf zu bringen« sagte aber der Deutsche wieder – »habt Ihr schon ein Kosthaus?«

»Kosthaus« – wiederholte der eine der verheiratheten Männer mit einem kaum unterdrückten Seufzer und einem halbscheuen Blick nach Frau und Kind – »Kosthaus – ich möchte wissen was uns ein Kosthaus helfen sollte – wenn wir nur erst einen Platz wüßten wo wir überhaupt Kost bekämen, das Haus wollten wir ihnen gern schenken.«

»Oh, so stehn die Sachen?« lachte der Deutsche wieder – »Ihr habt kein Geld? – ja dann müßt Ihr freilich arbeiten.«

»Habt Ihr Arbeit?« riefen die Männer rasch und zugleich.

»Ich gerade nicht« lachte der Deutsche, »aber wenn Ihr die haben wolltet, die wäre leicht genug zu bekommen.«

»Aber wo?« rief der Erste von den Oldenburgern wieder, »wir haben uns schon fast die Schuhsohlen abgelaufen durch die Stadt, und Niemand hat uns haben wollen.«

»Haben wollen« sagte der fremde Deutsche kopfschüttelnd – »Ihr seid nicht an die rechte Schmiede gegangen, das ist die ganze Geschichte; da möcht' ich die größte Wette eingehn, daß ich Euch alle miteinander in drei Tagen unterbrächte. Was habt Ihr für ein Geschäft?«

»Geschäft? – wir sind Bauern.«

»Bauern? – hm, das ist allerdings schon schwieriger, aber für eine Weile könntet Ihr auch schon einmal was anderes angreifen. Wenn der Mensch Lust hat geht Alles.«

»Hier werden wir auch wohl noch gefragt werden ob wir Lust haben« brummte der Erste wieder.

»Aber wo ist die Arbeit zu kriegen?« frug jetzt eine der Frauen, »lieber Gott wir wollen ja gerne arbeiten, wenn wir nur für uns und die Kinder Brod haben.«

»Brod?« lachte der Fremde, »um Brod allein wird man auch hier eine Hand regen – wenn nicht Fleisch und Gemüse und Kaffee wie das sonst Nöthige dabei ist, soll's der Henker holen; für Brod allein würden wir hier wenig Arbeiter bekommen. – Aber hier auf der Straße könnt Ihr doch nicht liegen bleiben« setzte er dann hinzu, indem er seine Uhr aus der Tasche nahm und nach der Zeit sah; »es ist jetzt eben halb zwölf, wenn Ihr Euch dazu haltet, könnt Ihr noch gerade zum Mittagsessen im Gasthaus sein.«

»Mittagsessen« seufzte aber eine der Frauen – »die paar Groschen die wir noch haben, dürfen wir nicht für Mittagessen hinauswerfen, wer weiß ob nicht Einer von uns krank wird in dem fremden Land, und dann brauchen wir sie nöthiger.«

»Ja krank – jetzt wird Niemand hier mehr krank« lachte der Deutsche, »jetzt haben wir hier die gesunde Zeit, da ist's in New-Orleans besser wohnen wie in New-York. Aber Ihr braucht kein Geld um in ein Wirthshaus zu gehn.«

»Na, umsonst werden sie uns auch nicht hier füttern.«

»Nein – das würdet Ihr auch gar nicht verlangen« sagte ihr neuer Freund ganz unbefangen, »aber Ihr geht ganz einfach in das erste beste Gasthaus, stellt Eure Sachen dort ein, eßt und trinkt was Ihr braucht, und zahlt so bald Ihr könnt. Glaubt Ihr denn nicht daß so etwas alle Tage hier vorkommt?«

»Ja aber wo würden sie uns denn da so aufnehmen?« frug der Mann verwundert.

»Wo? ich sage Euch ja im ersten besten Gasthaus – ich gehe mit Euch die nächste Straße hinunter, und ich wette wir sind noch keine tausend Schritt gegangen, so seid Ihr zu Haus und könnt Euere Beine unter einen gedeckten Tisch strecken.«

»Du, das ist Einer von denen wo sie uns in Deutschland von erzählt haben« flüsterte der eine dem anderen Bauer zu, »daß sie den Deutschen auflauern und sie seelenverkaufen.«

»Schaafskopf verkaufen hätte ich bald gesagt« brummte aber der Andere eben so leise – »ein gedeckter Tisch wird unseren Seelen wahrhaftig keinen Schaden thun – ich glaube nur nicht daß er's kann.«

»Aber wenn es nun doch Einer von denen ist, die einem armen Auswanderer auch das Letzte abjagen was er mitgebracht hat?«

»Und was soll er uns denn etwa abjagen, unser Geld? – da wird er sich schneiden, und unsere Sachen? – die dürfen sie uns nicht nehmen, das leidet die Regierung nicht.«

»Ja die Regierung wird sich was d'rum kümmern« meinte der Erste wieder.

»Na adieu Ihr Leute« sagte der Mann jetzt, indem er sich den Hut etwas fester in die Stirn drückte, und sich abdrehte, als ob er gehen wollte, »ich sehe es gefällt Euch hier auf der Levée, und hier in Amerika kann Jeder thun was er will; hier sind wir Alle freie Leute.«

»Aber warten Sie doch nur noch einmal einen Augenblick« rief die eine der Frauen ängstlich und besorgt – »lieber Gott, wenn Sie uns Arbeit verschaffen könnten, die wollen wir ja doch gar so gerne haben; sagen Sie uns nur wie.«

»Ja Kinder aus dem Ärmel kann ich sie auch nicht schütteln« lachte der Fremde, »aber ich habe eine Menge Bekannte hier, die viel Leute brauchen, und am liebsten Deutsche anstellen, und wenn Ihr Euch eben, wie ich das wohl glaube, keiner Arbeit scheut, so sollt Ihr da bald untergebracht sein, und zwar nicht etwa wie in Deutschland mit sechzehn oder achtzehn Thaler Lohn jährlich, und einer Kost die man hier kaum seinen Schweinen vorwerfen würde, sondern mit drei Mal Fleisch täglich, wie es überall Sitte ist, und mit Kaffee Morgens und Abends Thee.

»Und da sollen wir so lange in das Wirthshaus gehn?«

»Wenn Ihr lieber hier auf der Levée sitzen bleibt kann's mir auch recht sein« lachte der Mann, »wenn Euch aber Euere Kinder hier krank werden, könnt Ihr einem Doktor eben so viel bezahlen nach ihnen zu sehn, wie Ihr in Deutschland das ganze Jahr verdient habt – nachher ist Euer Geld gut angelegt. Aber wie gesagt, Jeder thut hier was ihn freut. Ich will mich aber doch für Euch nach Arbeit umsehn, und wenn Ihr hier bleiben wollt, so komme ich morgen oder übermorgen wieder her, und sage Euch Antwort.«

»Darf denn einmal Einer von uns mit Ihnen gehn?« frug da der Erste wieder, »daß wir nur erst einmal den Platz finden wo sie uns aufnehmen, denn unsere Sachen möchten wir nicht in Versatz geben; man weiß nachher nicht wie's wird.«

»Aber Euere Sachen müßt Ihr doch unter Dach und Fach bringen« lachte der Mann, »seid Ihr närrische Burschen! die könnt Ihr doch nicht derweile vor die Thür setzen, und wenn Ihr eine ganze Woche alle zusammen im Wirthshaus läget, zahlte die nächste Woche Arbeitslohn Euere sämmtlichen Schulden.«

»Und was bekommt man hier den Monat?«

»Das geht hier nicht Monatweis, das geht nach dem Tag; die Leute die an der Levée und auf den Dampfbooten arbeiten, bekommen einen Dollar pr. Tag.«

»Ja, aber da brauchen sie Niemanden mehr.«

»Seid Ihr überall an der Levée gewesen?« frug der Mann, »die Levée ist wohl sieben englische Meilen lang.«

»Überall wohl nicht, aber doch an vielen Plätzen.«

»Nun ja, vielen, das will Nichts sage; nein ich werde Euch gleich eine dray29 wie man hier sagt, oder einen Güterkarren besorgen, Euere Sachen in die Stadt zu schaffen, und dann sind wir in zehn Minuten untergebracht.«

»Oh dazu brauchen wir keinen Karren« riefen aber die beiden; »die packen wir auf und tragen sie selber, wenn's weiter Nichts ist – die Frauen tragen die zwei da, und wir die hier, mein Junge bleibt bei den Übrigen zurück und die holen wir dann nachher.«

»Gut, wie Ihr wollt; aber Leute das muß ich Euch gleich sagen, lange Zeit kann ich hier nicht mehr stehn bleiben, denn ich habe noch viel zu thun, und hier schon mehr Zeit versäumt als ich vor meiner eignen Familie verantworten möchte. Wir haben hier ein Sprichwort in Amerika »Zeit ist Geld« und das werdet Ihr wohl noch ebenfalls kennen lernen.«

Es bedurfte übrigens keines weiteren Zuredens von seiner Seite, denn den armen Teufeln, die sich noch vor wenigen Minuten vor Hunger und Noth gefürchtet hatten, stak der versprochene gedeckte Tisch jetzt im Kopf, auf dem sie im Geist jetzt schon alle geträumten Herrlichkeiten der neuen Welt aufgestapelt sahen, und nach kurzer Berathung untereinander griffen sie ihre großen, mit eisernen Henkeln versehenen Koffer auf und baten den Fremden, hinter dem sie gleich darauf herkeuchten, ihnen den Weg zu zeigen.

Sie hatten nicht weit zu gehn; gleich die nächste Straße hinauf, die nach der Vorstadt Lafayette hineinlief, über die zweite Queerstraße hin, leuchtete ihnen schon von fern ein großes weißes Schild entgegen, auf dem mit großen schwarzen Buchstaben die Worte »Deutsches Gasthaus zum deutschen Vaterland« standen.

»Dort ist gleich ein deutsches Wirthshaus; wollen wir anfragen?« frug sie ihr Führer.

»Ja wenn Sie glauben« meinte der eine Oldenburger.

»Eins ist so gut wie das Andere,« sagte Jener achselzuckend – »setzt nur erst einmal Euere Kiste vor die Thür, und wir wollen hinein gehn und mit dem Mann sprechen; nachher könnt Ihr ja dann noch immer thun was Euch gut dünkt.«

Dagegen ließ sich Nichts sagen, und die Männer betraten gleich darauf einen kleinen, ziemlich engen Saal, der als Schenkzimmer benutzt und durch einen etwas schmutzigen weißen Vorhang von dem nächsten Gemach, in dem sie viele Stimmen hörten, getrennt wurde. Ein Schenktisch war hier an der einen Seite aufgestellt, auf dem eine Masse umgedrehte leere Gläser und einige kleine Flaschen standen, während dahinter, auf langen Regalen, drei oder vier Reihen mit verschiedenen Spirituosen gefüllte gläserne Karaffen geordnet und mit dazwischengelegten Orangen und Citronen verziert waren. Hinter dem Schenktisch, oder der »bar« wie ein solcher Platz in Amerika genannt wird, stand ein junger stämmiger Bursche von vielleicht fünf oder sechs und zwanzig Jahren, mit glatt zurückgekämmten blonden Haaren, fast auffallend großen Ohren, stieren, aus dem Kopf ordentlich herausstehenden blauen Augen, und einem sehr runden, halb geöffneten Mund, was ihm ein sehr erstauntes überraschtes Aussehn gab, sonst aber so leicht und bequem an- oder vielmehr ausgezogen, wie das nur irgend möglich war. Er trug Sommerhosen und Weste, aber weder Rock noch Jacke, und die Hemdsärmel bis hoch über die Ellbogen aufgekrempelt, wobei er die sehnigen muskulösen Arme auf dem Schenktisch, etwas weit auseinander, aufgestemmt hatte, und mit vorgebeugtem Körper die Neuangekommenen gerade so anstarrte, als ob er sich nur erst einen von ihnen aussuchen und diesem dann augenblicklich auf den Hals springen werde.

»Hallo Jimmy« rief der Fremde in ziemlich vertraulichem Ton, als er zwei von den Männern, die verlegen an der Thür stehn blieben, hier eingeführt hatte – »wie gehts Mann, immer noch frisch und munter?«

»Ja wohl Schentelmen« sagte Jimmy, drei frische Gläser auf dem Tisch umdrehend und die Frage etwa so beantwortend, als ob sich der Mann erkundigt hätte ob er noch etwas zu trinken habe – »was Ihr Herz begehrt – was solls sein?«

»Nun ich nehme einen Gin cocktail«30 sagte der Führer – »und was trinkt Ihr, Leute? – kommt nur herein, das geht jetzt in Einem hin, und trinken müssen wir doch.«

Die Deutschen bedurften erst noch einer Nöthigung, während sie der Ausschenker oder barkeeper, wie diese Leute sämmtlich heißen, mit immer höher steigenden Augenbrauen und immer stierer werdenden Augen, ohne einen Blick von ihnen zu verwenden, anstarrte. Endlich entschlossen sie sich nach einem Glas Bier zu fragen, das sie durch eine ihnen merkwürdig erscheinende Vorrichtung aus einem Zinnrohre eingeschenkt bekamen, das mit einem niedergebogenen Schlauch versehn aus dem Schenktisch auflief, und durch ein hinter demselben angebrachtes Pumpwerk aus dem Keller, oder wenigstens dem in die Erde gegrabenen Faß herauf, gespeißt wurde.

»Nun Jimmy trinkst Du Nichts?« sagte der Fremde.

»Thank you«31 sagte Jimmy, füllte sich in ein Glas ein paar Tropfen Brandy, und goß es auf einen Schwung hinter, fuhr dann mit den geleerten Gläsern blitzschnell unter den Schenktisch in einen dort angebrachten Kübel mit Wasser, schwenkte und trocknete die Gläser, die wieder auf ihren alten Platz kamen, und seinen Händen dann eine gleiche Gefälligkeit erweisend stemmte er die Arme wieder wie vorher auf den Tisch und sagte:

»Two bits!«32

Der Fremde rief ihm aber auf Englisch ein paar Worte zu, welche die Auswanderer nicht verstanden und der barkeeper, der sie jetzt noch viel stierer ansah als vorher sagte plötzlich.

»Hier boarden?«

»Die Leute verstehn noch kein Englisch Jimmy, und wissen nicht was boarden ist – wohnen wollen sie hier allerdings – habt Ihr Platz?«

»Lots« lautete die lakonische Antwort.

»Gut, dann zeigt ihnen einen Platz wo sie ihr Gepäck unterbringen und wohin wir die Frauen mit den Kindern schaffen können – wie viel macht es die Woche à person?«

»Drei Dollar ohne Bitteres – «

»Unsinn, Bitteres, wenn sie trinken wollen zahlen sie's apart; sie werden auch schwerlich eine Woche hier sein, sondern gleich auf Arbeit gehn – hier Nichts im Hause, Jimmy?«

»Arbeit?« lachte der Barkeeper mit einem breiten Grinsen wobei ihm die Augen fast aus dem Kopf herausfielen – »wir sind froh daß wir selber Nichts zu thun haben.«

»Nun macht Nichts, wollen das schon besorgen – Also schafft die Sachen nur hier herein, der Mann da wird Euch gleich eine Stelle zeigen, wohin Ihr sie bringen könnt, und Jimmy, seid so gut notirt es Euch – sieben Personen« setzte er dann auf Englisch hinzu »und die vier Kinder können wir zwei rechnen.«

»Alles in Ordnung Mr. Messerschmidt« antwortete ihm der barkeeper ebenso – »doch Alles sicher?«

»Alles – « sagte der Mann, der sich der Deutschen so freundlich angenommen, und dann sich wieder in ihrer Sprache zu ihnen wendend, setzte er hinzu – »Euere Tochter da, werde ich wahrscheinlich selber bei einer entfernten Verwandten von mir unterbringen können, darüber bringe ich Euch aber erst morgen Antwort; unter der Zeit laßt es Euch übrigens wohl sein und macht's Euch bequem. Ihr habt hier ein eben so gutes Recht zu wohnen wie jeder Andere und bezahlt eben so gut dafür, ob nun das gleich baar auf den Tisch oder erst in drei oder vier Wochen ist, bleibt sich ganz gleich. So goodbye Jimmy – adieu Ihr Leute – ich werde morgen einmal wieder nachfragen wie es Euch geht.«

Der Mann verließ mit einem freundlichen Kopfnicken gegen die Leute das Schenkzimmer, und die Oldenburger, von dem Barkeeper dazu angewiesen, vor dem sich die Kinder aber fürchteten, weil er ihnen heimlich Gesichter schnitt – schafften bald ihre großen hölzernen Koffer mit Geschirr und Allem, seitwärts von der Hausthüre über einen engen Hof, eine schmale wacklige Stiege hinauf und in ein kleines Käfterchen, das der Mann ein Zimmer nannte, und wo fünf Betten so dicht neben einander aufgestellt waren, daß sie auch eben so gut als eines gelten konnten. In die mittelsten mußte man auch in der That über die beiden Eckbetten hin oder über ihre Fußenden hinübersteigen.

Ungemüthlich genug sah der Platz ohne dem aus; die Betten waren noch nicht einmal gemacht, und das Bettzeug sah gelb und gebraucht aus, mit kleinen Blutflecken hie und da wie gesprenkelt, ein böses Zeichen vorhandenen Ungeziefers. Die Fenster waren ebenfalls seit Jahren nicht gewaschen, und die Spinnweben füllten die Ecken mit ihren Generationen. Zwischendeckspassagiere sind aber in der Art gerade nicht eigen, und an solche »Unbequemlichkeiten« wie sie es gewöhnlich nennen, noch vom Schiff aus viel zu sehr gewöhnt, wenigstens gleich in den ersten Tagen dagegen zu protestiren, besonders wenn sie wenig oder gar kein Geld bei sich haben, und sich dadurch gedrückt und nur geduldet fühlen. Die Oldenburger nun gar dachten nicht daran sich auch nur über das Geringste zu beschweren, hatten sie doch ein Dach gefunden unter dem sie gegen Regen geschützt lagen, und ein gedeckter Tisch war ihnen ebenfalls versprochen worden. Was konnten sie mehr verlangen, wo sie noch wenige Stunden vorher in Verzweiflung an der Levée draußen gesessen, und keinen Platz gewußt hatten ihr Haupt hinzulegen.

Noch waren sie übrigens mit dem Ordnen ihres Gepäcks nicht einmal fertig, als eine Klingel unten tönte, und der Barkeeper wieder in das Zimmer stierte und ihnen ankündigte es wäre »zu Dinner gebellt worden.«33

»Dinner gebellt?« rief der eine von den Männern erstaunt – »wir haben keinen Hund mit.«

»Hund mit? – wer spricht denn von einem Hund?« brummte aber der Barkeeper, »zu Dinner ist gebellt – das Essen ist fertig und Ihr müßt Euch bereit halten; wenn's wieder läutet wird gegessen; aber die Männer kommen zuerst dran, und nachher die Weibsen mit den Kindern – s'ist wegen dem Platz.«

»Ja so« sagte der Mann, »nun versteh' ich's – wir können noch kein englisch.«

Der Barkeeper sah sie wieder eine ganze Weile, ohne eine Miene zu verziehen stier an, drehte sich dann um, schnitt dem jüngsten Kind ein so furchtbares Gesicht daß dieses laut aufschrie, und schlug dann die Thür hinter sich in's Schloß daß die Scheiben klirrten.

»Ist das ein sonderbarer Mensch« rief die eine Frau, »und wie er spricht – aber wir sollen jetzt zum Essen hinunter gehn – ich fürchte mich ordentlich.«

»Fürchten? – vor dem Essen? na ja« sagte ihr Mann – »ich möcht' mir lieber die Ärmel dazu aufstreifen, so 'nen Hunger hab' ich; aber kommt nur, da bimmelts schon wieder – was der nur mit dem Bellen wollte?«

Es blieb ihnen indeß keine lange Zeit zu weiteren Betrachtungen, denn die Glocke unten läutete allerdings schon wieder, und die Männer schlugen sich deshalb rasch den Staub ein wenig mit den Händen von den Ärmeln, dem Rockkragen und den Hosen vorn herunter, und stiegen die Treppe nieder, wo ihnen das merkwürdige Gesicht des Barkeepers, der seine Nase an einer der Fensterscheiben des vorderen Gebäudes breit und weiß drückte, und dadurch nur noch wunderlicher aussah, schon zunickte sie sollten machen daß sie herein kämen. Das ließen sie sich denn auch nicht zweimal sagen, und betraten gleich darauf einen ziemlich geräumigen Speisesaal, in dem eine lange Tafel aufgestellt, mit Speisen bedeckt, und schon auch fast vollständig von Gästen besetzt war.

»Hallo die Oldenburger!« rief ihnen da eine bekannte Stimme vom anderen Ende der Tafel, wo noch ein paar freie Sitze waren, entgegen, »wo kommt Ihr her, vom Schiff?«

Die Leute schauten überrascht dorthin, und erkannten jetzt zu ihrem Erstaunen eine ganze Menge bekannte Gesichter an der Tafel, die, so wenig sie sich an Bord um sie bekümmert hatten, jetzt doch freundlich grüßend nach ihnen herübernickten, und ganz zufrieden damit schienen unter den vielen Fremden um sie her ebenfalls Bekannte zu treffen.

In der That hatten sich aber wirklich ein paar ganze Coyen von den Zwischendeckspassagieren der Haidschnucke hier versammelt, von denen die meisten schon am ersten Morgen nach ihrer Ankunft, und zwar durch einen in der Stadt gefundenen Deutschen herrecommandirt, eingezogen waren.

Herr Messerschmidt mußte in dieser Zeit ungemein thätig gewesen sein, und die Oldenburger sahen die Leute hier richtig wieder Coyenweis, alter Gewohnheit nach, neben einander sitzen und erkannten die Herren Steinert, Mehlmeier und Schultze, und neben diesen den schwärmerischen Theobald, während nur ein paar Stühle weiter, durch ein paar fremde Gesichter getrennt, auch Herrn Theobalds anderer Coyengenosse und Schlafkamerad der finstere schwarze Gesell der sich Meier an Bord nannte, Platz genommen. Aber seine Frau saß nicht neben ihm, obgleich mehrere andere Frauen zugegen und keineswegs, wie der Barkeeper gegen die Oldenburger angedeutet hatte, von der ersten Tafel ausgeschlossen waren.

Diese ließen sich aber immer noch mit einer gewissen Scheu an dem, für ihre Begriffe kostbar besetzten Tische nieder; das verlor sich jedoch schon bedeutend nach der Suppe, und verschwand gänzlich wie sie die rege Geschäftigkeit der um sie her Essenden bemerkten, bis sie eben so tapfer zulangten als irgend Einer der Übrigen.

Das Gespräch bei Tisch führte indessen fast allein ihr früherer Reisegefährte Steinert, der hier schon so zu Hause schien, als ob er seit Jahren Stammgast gewesen, und mit allen Leuten bei Tisch auch bekannt geworden sein mußte, denn er nannte sie sämmtlich bei Namen, und lachte und erzählte nach Herzenslust. Mehlmeier amüsirte sich dabei am meisten über seine Witze, die er aber etwas schwer begriff, und gewöhnlich erst dann an zu lachen fing, wenn die Übrigen das Erzählte schon beinah wieder vergessen hatten. Da er aber bei seinem Lachen ein sehr weinerliches Gesicht schnitt, merkten das nur seine nächsten Bekannten.

Schultze beobachtete wieder nach seiner gewohnten Weise die ganze Tischgesellschaft, hielt, wenn das heimlich und unbemerkt geschehen konnte, seine aufgehobene und breitgedrehte Hand halb unter die verschiedenen Physionomieen und Profile und fuhr dann, wenn sich Einer der also auf's Korn genommen zufällig nach ihm umdrehte, so zusammen und griff rasch nach Messer oder Gabel oder seinem Glase, als ob er irgend etwas Böses begangen hätte und dabei erwischt wäre.

Theobald auf der einen Seite und Meier auf der anderen sprachen bei Tisch kein Wort und beendeten, wie die meisten der Gäste, so rasch als möglich ihre Mahlzeit, und als Alle aufgestanden waren, wurden die Teller und Messer und Gabeln gewechselt, dann die Frauen und Kinder mit den Hausgenossen in den indeß von den Übrigen geräumten Speisesaal gerufen, und die zweite Tafel hielt, unter dem Vorsitz des Barkeepers der einen mächtigen Rinderbraten unter sie vertheilte, ihre Mahlzeit.

Nach Tisch zerstreuten sich fast sämmtliche Gäste durch die Stadt, ein Theil seinen Geschäften nachgehend, ein anderer, der noch keine hatte, zum Vergnügen oder aus langer Weile durch die Straßen zu schlendern, die für sie des Neuen und Eigenthümlichen auch genug boten. Das Abendessen war auf sechs Uhr angesetzt worden, und verlief dann in eben der Ordnung wie der Mittagstisch, nur mit dem Unterschied daß die meisten der Gäste nicht mehr ausgingen, oder nach einem kürzern Spatziergang durch die Stadt oder über die Levée, die um diese Tageszeit den Sammelplatz der vornehmen Welt von New-Orleans bildet, wieder in das Gasthaus zurückzukehren, und dort bei einem Glase gutem französischen Wein oder schlechtem Cincinnati-Bier die Erlebnisse des Tages zu besprechen.

Heute aber ging es besonders lebhaft in der kleinen, hinter dem Schenkzimmer gelegenen Gaststube her, denn der Dampfer von New-York war mit neuen deutschen Zeitungen eingetroffen, und den eben erst angekommenen Passagieren, die seit ihrer Abfahrt von dort auch keine Sylbe aus der Heimath gehört, war es besonders ein ganz eigenthümliches Gefühl, Berichte von Monate alten Daten als eben Geschehenes zu erhalten, und sich darüber zu freuen.

Vor allem Anderen wurde die Politik durchgenommen – die Leute durften sich hier eine Güte thun und frei und ungescheut über Verhältnisse schimpfen, denen sie dort entgangen waren; dann kamen die Hofnachrichten aus einem Königlichen Blatt, in dem die Privatnachrichten über die hohen und höchsten Herrschaften, und wann allerhöchst dieselben zu speisen geruht etc., etc., etc., laut vorgelesen und mit Jubel begrüßt wurden. Die Ordensverleihungen wurden ebenfalls laut und gewissenhaft vorgelesen bis die Leute die spaltenweisen Austheilungen satt bekamen und Anderes hören wollten.

»Oh hören Sie auf mit dem Unsinn,« rief Herr Schultze endlich, sich die Hände reibend, »wir sind hier froh, daß wir nichts mehr damit zu thun haben; Herr Steinert, lesen Sie uns etwas Gescheuteres vor.«

»Etwas Gescheutes verlangen Sie aus einer deutschen Zeitung sehr verehrter Herr Reisegefährte?« rief aber der Weinreisende über das Blatt nach ihm hinüber lachend, »da thut es mir leid Ihnen nicht willfahren zu können, ich müßte Ihnen sonst hinten die Subhastationen oder Steckbriefe vorlesen, von denen ich da drüben in der Weserzeitung eine ganze Menge gesehen habe.«

»Apropos Steckbriefe,« rief Mehlmeier mit seiner feinen Stimme, »haben Sie wohl schon nachgesehn, ob sie dem armen Jungen keinen hinterher schicken, der mit der Haidschnucke so glücklich fortgekommen ist? – wie hieß er doch gleich, Berger glaub ich?«

»Ja wohl Carl Berger,« rief Steinert, »da wollen wir doch gleich einmal sehen, bitte – erlauben Sie einen Augenblick« sagte er dabei, seinem Nachbar, einem kleinen dürren Männchen mit einer Brille, der ungeheuere Ähnlichkeit mit einem kleinen deutschen Beamten hatte, sich aber schon längere Zeit in New-Orleans aufhielt, die Zeitung, in der dieser gerade las, ohne weiteres aus der Hand nehmend.

»Bitte tausend Mal um Entschuldigung,« sagte der kleine Mann sehr artig, »ich glaubte sie würde nicht gebraucht.«

»Bitte – bitte« – murmelte Steinert zerstreut, mit den Augen dabei die klein gedruckten Spalten der gerichtlichen Ankündigungen überfliegend – »Über den Nachlaß des am 12. Februar verstorbenen Fuhrmanns; – das ist Nichts – auf den herrschaftlichen Gütern zu Hellbhausen sollen am 5. nächsten Monats – auch Nichts – hier kommen die Steckbriefe – der Korbmacher Carl Christoph Hinterleben von Ehlstein – der war's nicht, aber halt wahrhaftig« – rief er plötzlich, mit der linken Hand dabei auf den Tisch schlagend – »hier haben wir ihn« —

»Der unten signalisirte Lohgerber, Carl Eduard Berger, zwanzig Jahr alt, hat sich seiner Militairpflicht heimlicher Weise durch die Flucht entzogen, und werden sämmtliche Justiz- und Polizeibehörden ersucht – ja wohl – versteht sich von selbst – alle Justiz- und Polizeibehörden ersucht den besagten Carl Eduard Berger zu arretiren und hierher abzuliefern!«

»Dem fuhr es damals übrigens verdammt dicht am Leder vorbei; wenn sie ihn erwischt hätten wär es ihm schlecht gegangen. Wetter noch einmal es muß doch ein ganz wundervolles Gefühl sein, wenn man irgendwo was ausgefressen hat, mit den Rothkragen auf der Ferse am Ende glücklich Salzwasser erreicht, und nun draußen frank und frei, mit einem Schlage jeder Furcht vor Verfolgung enthoben, »durch die Wellen streicht, Fridolin«.«

»Nun sogar gefährlich sind die Leute doch auch nicht immer,« lächelte Herr Schultze freundlich vor sich hin, »wissen Sie die Gesellschaft, die uns die Herrn mit den egalen Mützen selber noch im Hafen an Bord brachten?« —

»Oh Doris, wärst Du nur verschwiegen,« citirte Steinert seinen Lieblingsschriftsteller; »was hilft es solche Sachen an die große Glocke zu schlagen.«

»Nein, das seh ich aber gar nicht ein,« sagte Herr Schultze, »wenn die Regierungen indiscret genug sind ehrlichen Menschen zuzumuthen mit solchem Gesindel eine solche Reise zusammenzumachen, weiß ich auch nicht warum wir so discret sein sollen nicht darüber zu sprechen, oder vielmehr darüber zu schimpfen.«

»Aha,« sagte ein anderer Deutscher, der ebenfalls mit ihnen an einem Tisch saß und bis jetzt den Gesprächen der Einwanderer aufmerksam zugehört hatte, indem er immer die Sprecher mit seinen kleinen lebendigen Augen fest und stechend ansah; der Mann trug einen großen rothen Schnurrbart, hatte sonst aber, außer einer rothen Nase und etwas bramarbasirend zusammengezogenen Stirnfalten, viel Gutmüthiges im Gesicht – »aha,« sagte dieser jetzt, »wieder eine Sendung von Correktionsfleisch mitgekommen? – könnte es der Regierung der Vereinigten Staaten wahrhaftig nicht verdenken, wenn sie Gleiches mit Gleichem vergälte und auch einmal eine Sendung ihres Auswurfs mit guten Pässen versehn nach Deutschland hinüberschickte. Drüben schimpft das Gesindel auf unser Land, und thut dabei alles Mögliche was in seinen Kräften steht die Bevölkerung hier zu vergiften – hilft ihnen aber doch Nichts, den Neidpilzen, die sich über unsere freie Verfassung ärgern, und denen es ein Dorn im Fleische ist daß wir hier in einer Republik glücklich leben; es ist als ob sie den Ocean mit ein paar Eimern Schmutz trüben wollten.«

»Sie sehn die Sache zu schwarz an, verehrter Herr,« nahm Steinert das Gespräch auf, »den Leutchen daheim liegt weniger daran hier in Amerika eine wesentliche Veränderung hervorzubringen, als nur die einzelnen Individuen los zu werden. Ihr Vergleich mit dem Meer ist aber vortrefflich. Amerika nimmt diese Körper in sich auf, verarbeitet sie, theilt ihnen seine Reine mit und läutert sich selber – halb zog sie ihn, halb ging er mit, und ward nicht mehr gesehn.«

»Papperlapapp!« rief aber der Mann mit dem großen Schnurrbart, dem an Steinert's Beistand in seiner Ansicht gar Nichts gelegen schien, »das klingt auswendig vernünftig, und ist inwendig baarer Unsinn – läutert sich – ja wohl läutert es sich, nimmt aber »diese Körper«, wie Sie das Gesindel nennen, nicht in sich auf, sondern hängt sie an Galgen oder Baum, was gerade am bequemsten und nächsten ist.«

»Hängen,« sagte Steinert, der sich durch die Bemerkung beleidigt fühlte, unwillig mit dem Kopfe schüttelnd – »Nürnberger – hat sich was – für einen Schurken liefert Deutschland auch dafür dem rohen Lande hier tausend ehrliche Hände und geistreiche Köpfe dazwischen, die Schwung hier in die Geschäfte bringen, die den Amerikanern zeigen müssen, wo Barthel eigentlich den Most holt.«

»Die haben Sie wohl mit herüber gebracht?« sagte der Rothbart wieder mit einem boshaften Blick auf den Weinreisenden; dieser aber hielt es unter seiner Würde sich mit dem »ungebildeten Menschen« in weiteres Gespräch einzulassen und nahm, ohne etwas auf die Frage zu erwiedern, und indessen Herr Schultze aus einem anderen Blatte jetzt einige politische Neuigkeiten vorlas, seine Zeitung wieder vor.

»Beim Obertribunal kam kürzlich folgender interessanter Proceß in Kassationsinstanz« – las Schultze – »zur Entscheidung – Kläger war das Handlungshaus J. M. Oppenheimer in Rodach am Main – Verklagter der Justiz Commissar Ohnewetter in – «

»Scheußlich – niederträchtig!« unterbrach Steinert da plötzlich, ohne sich weiter um die Vorlesung zu kümmern, den erstaunt zu ihm aufsehenden Schultze, »nein das ist nichtswürdig.«

»Was ist denn, was giebts?« frugen die Andern dazwischen, neugierig durch die Ausrufungen gemacht.

29.Die kleinen Güterkarren.
30.Eine eigene Mischung von Genevre, Wasser, Zucker und bitteren Tropfen.
31.Dank Euch.
32.Zwei Bit – der Bit eine Amerikanische, im Süden der Vereinigten Staaten sogenannte Geldmünze von 12½ Cent, etwa 5 Silbergroschen an Werth.
33.Dinner Mittagessen bell die Glocke in dem schauerlich verderbten Dialekt der Amerik. Deutschen »zum Mittagsessen geläutet.«
Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
270 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain