Kitabı oku: «Nach Amerika! Ein Volksbuch. Vierter Band», sayfa 13
Capitel 9
Herrn von Hopfgartens Abenteuer
Hopfgarten erreichte nach einem kurzen und nicht unangenehmen Ritt das kleine Städtchen Hollowfield, von dem er aber im Anfang wirklich glaubte er sei wieder nach Grahamstown gekommen, so glich eins dem anderen. Nur das Wirthshausschild war anders: das scheußliche Brustbild irgend einer menschlichen Figur mit großer Allongenperrücke und in eine blaue Uniform eingeknöpft, dessen Unterschrift, den innerlich gewiß sehr verehrten, hier äußerlich aber traurig mishandelten Namen »George Washington« trug.
Zur rechten Zeit war er übrigens eingetroffen, denn die mailcoach oder Postkutsche stand gerade ausgefahren vor dem »Washington Hotel«, und in ein ledernes Behältniß, das hinten an dem etwas unbehülflich aussehenden Fuhrwerk angebracht war, wie vorn in den Kasten unter dem Kutschenbock (von den Engländern Stiefel genannt) waren ein paar junge Burschen eben beschäftigt kleine Koffer, Reisesäcke, Hutschachteln und andere Passagierübliche Gegenstände einzuschieben, und – wenn sie sich nicht gutwillig dem beschränkten Raum fügen wollten – mit den Füßen hineinzutreten.
Diese Postkutsche hielt in ihrem Innern neun Personen; acht Passagiere waren schon eingeschrieben, von denen jedoch außer ihm, nur zwei bis Vincennes fuhren, und nachdem der Deutsche sein Passagegeld bezahlt, hatte er die Genugthuung seinen eigenen Reisesack auf dieselbe Art und Weise behandelt zu sehn, wie das Gepäck seiner Postgefährten.
Mit etwas mistrauischen Blicken betrachtete er übrigens gleich von Anfang an dieses ihm noch neue Amerikanische Beförderungs-Mittel, das allerdings, mit seinen Schwestern in Europa verglichen, Manches zu wünschen übrig ließ. Stark genug schien übrigens der Kasten gebaut, auch den schwersten Wechselfällen ihrer Fahrt wacker zu begegnen. Die »Federn« bestanden aus Streifen roher Haut, und die Kutsche selber hatte nur, wie Herr von Hopfgarten bei näherer Besichtigung fand, eine einzige Thüre in der linken Seite. Drei Sitze waren im Inneren angebracht, jeder für drei Personen, wobei die mittelsten Passagiere auf eine bewegliche und ebenfalls in Rohhaut hängende Bank zu sitzen kamen, und ihre Rücken gegen einen anderen breiten ledernen Riemen legen durften. Statt der Polster in den Ecken – die Thür hatte eine Glasscheibe – hingen an den Seiten lederne Gardinen herunter, die nach Gefallen der Passagiere auf- und niedergelassen werden konnten.
Soweit war Alles gut, beim Einsteigen, was natürlich für sämmtliche Passagiere nur durch die eine Thür geschah, fand sich aber daß Hopfgarten, als letzter Passagier, den mittelsten Platz auf der mittelsten Bank bekommen hatte, und dadurch natürlich jedes Anhaltepunktes für seinen Kopf beraubt war. Er mußte denselben fortwährend in der Schwebe halten, und durfte nur hoffen in eine Ecke zu kommen, wenn einige der anderen Reisenden, die nicht ganz mit bis nach Vincennes fuhren, ausstiegen. Die Pferde waren vorgespannt, die Passagiere kletterten in ihre Sitze, der Deutsche als Vorletzter, der Schlag wurde zugeworfen. »All right!« rief der Hausknecht, oder ein dem ähnliches Individuum, das sich aber sonst sehr unabhängig zu fühlen schien, die vier munteren, ziemlich gut gehaltenen Rappen zogen an, und mit einem furchtbaren Stoß, der schon die Güte des ledernen Rückbandes probte, in Gang gebracht, rasselte der Wagen plötzlich unter dem Jubel der jugendlichen Bevölkerung von Hollowfield in voller Flucht zu dem kleinen Ort hinaus und in den Wald hinein.
Dem Leser, der noch nie in einer Amerikanischen Postkutsche gefahren, auch nur einen Begriff der stoßweisen Bewegung, selbst nur stoßweise beizubringen, wäre unmöglich, und Hopfgarten dankte schon nach der ersten Viertelstunde Gott, daß ihm in Hollowfield keine Zeit gelassen worden eine ordentliche Mahlzeit zu sich zu nehmen, er hätte sonst Höllenqualen ausstehen müssen.
Einer anderen Unannehmlichkeit entging er aber nicht; das Ausspucken der Amerikaner hatte er schon seit seiner ersten Dampfbootfahrt bemerkt, und es war ihm fatal gewesen, ohne daß es ihn weiter belästigte; hier aber, in dem engen Raum des Kutschkastens kam er mit den Leuten in so nahe Berührung, daß er dem ekelhaften Gebrauch nicht mehr aus dem Wege gehen konnte, und bald zu seinem Entsetzen fand, wie er sich wirklich in eine höchst fatale Lage muthwilliger Weise hineingebracht hatte. Daß die übrigen Passagiere durch das offene Fenster des Schlags ein ziemlich regelmäßiges Feuer von ausgespritztem Tabackssaft unterhielten, durfte ihn natürlich nicht in Erstaunen setzen, er war auch darauf, wenn auch nicht in dem Grade, vorbereitet gewesen. Das genirte ihn also weiter nicht, er schloß die Augen und überließ sich dabei, bis er sich etwas mehr daran gewöhnt haben würde, seinen eigenen Gedanken, aber der unglückselige Passagier zu seiner rechten, der mit ihm auf ein und demselben Bret saß, wie der in der vorderen rechten Ecke – und der letztere fast noch mehr als der erste – brachten ihn bald zur Verzweiflung. Die guten Leute nämlich, lange ungeschlachte Hoosier,17 die überdieß nicht wußten was sie mit ihren Beinen anfangen sollten, mußten, da das Leder an ihrer Seite niedergeschnallt war, schräg an ihm und über ihn wegspucken, das Wagenfenster zu erreichen, und wenn auch der Mittelpassagier im Anfang versuchte zwischen ihren beiden Knieen den Boden zu treffen, so war das noch eher schlimmer als das erste. Hopfgarten konnte jedoch nie den geringsten Grund zur Klage bekommen, denn auch nicht das kleinste Spritzchen traf ihn, so geschickt dirigirten die Burschen den braunen Saft wohin sie ihn wollten. Aber trotz dieser, in der nächsten Stunde vielleicht sechzig Mal gemachten Erfahrung, mußte er unwillkürlich nach jeder neuen Expectoration an sich hinunter sehn, um sich von dem status quo seines Rockes und seiner Beinkleider zu überzeugen, bis er endlich – der Mensch stumpft zuletzt selbst gegen Tabackssaft ab – eine mitgenommene wollene Decke um sich her zog und diese preisgebend sich fest vornahm auf Nichts weiter zu achten.
Sämmtliche Passagiere schienen Farmer aus der Umgegend oder aus Vincennes zu sein – selbst ein Quäker, der sich zwischen ihnen befand – die theils zum Viehhandel, theils zu anderen derartigen Zwecken den Ohio und dessen kleine Ansiedlungen zwischen Cincinnati und der Mündung des Wabasch besucht hatten. Das Gespräch drehte sich dabei, zwischen dem Spucken und Rasseln und Schütteln des Wagens, einzig und allein um Rinder und Schweine, Maispreise und »was Mehl und Whiskey werth waren.« Die Gegend blieb sich ebenfalls ziemlich gleich, Wald wohin das Auge reichte, nur dann und wann von kleinen Ansiedlungen unterbrochen, die sich immer schon auf einige Zeit vorher durch den schlammigen Weg bemerkbar machten. Es mußte hier überhaupt mehr geregnet haben als am Fluß, oder regnete vielmehr noch, wie ihnen bald einzeln niederkommende Schauer bewiesen. Die Wege, die dann und wann über kleine offene und natürliche Wiesenflecke – erste Ausläufer der Prairieen – führten, wurden immer weicher und unwegsamer, und der rüstige Galop mit dem ihre Fahrt begonnen, schrumpfte zuletzt zu einem zähen Schritt zusammen, in dem die keuchenden Pferde das unbehülfliche Fuhrwerk durch den schweren Lehmboden fortschleppen mußten.
Hie und da hielten sie an kleinen dürftig genug aussehenden Wirthshäusern an, irgend eine Erfrischung die stets mit Brandy in allen möglichen Formen und Mischungen gewürzt wurde, zu sich zu nehmen, sonst aber ging die Fahrt ununterbrochen rasch vorwärts, und die verschiedenen Kutscher, mit stets guten Pferden, thaten wirklich ihr Möglichstes weiter zu kommen.
So brach die Nacht an; der Regen wurde stärker, die Straße unwegsamer; überall lagen dabei niedergebrochene Äste und Zweige, selbst umgeworfene Stämme, die zu umgehn es oftmals Viertelstunden kostete, kreutz und queer darüber hin, während schon die Hülfe einzelner Passagiere in Anspruch genommen werden mußte mit der, vorn im »boot« liegenden Axt, die schlimmsten Hindernisse aus dem Wege zu schlagen. Wenn sie manchmal eine tiefe Sumpfstelle in der Straße zu passiren hatten blieb ihnen sogar nichts Anderes übrig als darum hin eine neue Bahn zu haun. Hopfgarten hatte sich diesen »kleinen Hülfsleistungen« von denen die wackeren Hoosiers oft ganz durchnäßt und voll Schlamm zurückkehrten, und einen entsetzlichen Dunst im Wagen verbreiteten, bis jetzt noch immer zu entziehen gewußt, und war, trotz mehrfachen Sticheleien der Übrigen, bergauf und ab ruhig im Wagen sitzen geblieben. So lange er sich trocken erhalten konnte war die Sache auch noch zum Aushalten, und brauchten sie dann ein paar Stunden länger nach Vincennes und versäumten die Cincinnati-Post, was that's? dann blieb er einige Tage dort und besah sich die Umgegend, wie die hier beginnenden Illinois Prairieen.
Langsam rumpelte das schwerfällige Geschirr indessen, jetzt fast bei jedem Stoß von den Flüchen und Verwünschungen der ungeduldig werdenden Passagiere begleitet, durch die wilde stürmische Nacht. Der Wind heulte in den Bäumen, und der Regen schlug mit einer solchen Gewalt gegen die niedergelassenen Schutzleder an, daß selbst die Bereitwilligsten von heute den Kopf bedenklich über die Möglichkeit eines nochmaligen Aussteigens schüttelten. Wider Erwarten ging die Kutsche aber, jetzt auf besserem Wege, rasch und lebendig, dann wieder in weicheren Boden gerathend, langsam und schwer vorwärts, aber doch wenigstens vorwärts; der Wald war hier weit offener als an den Stellen, die sie am Abend passirt, und der Weg von Holz fast gänzlich frei.
So mochte es elf Uhr geworden sein; eben hatten sie wieder ein kleines Städtchen mit irgend einem großartigen Namen verlassen, und der abgehende Kutscher dem, ihnen neu überlieferten noch einige wohlmeinende Warnungen über den jetzt zu passirenden »green blossom swamp« (den grünen Blüthen-Sumpf) gegeben, als sie draußen Plätschern an den Rädern hörten. Rasch hinaussehend bemerkten sie, wie sie eben eine Reihe von Lachen oder Dümpel, die jetzt bei dem Regen einen ordentlichen kleinen See bildeten, passirten; das Land schien hier flach und eben, und die Räder schnitten tief in den schwammigen Boden ein. So fuhren sie etwa eine halbe Stunde, bis sie wieder verhältnißmäßig trockeneren Grund gewannen, das heißt Grund, der wenigstens nicht vollkommen unter Wasser stand. Hier begann auf's Neue Hügelboden, dessen ersten schlüpfrigen Hang sie sich gerade mühsam hinauf gearbeitet als der Wagen, wie sie auf der anderen Seite rascher hinunter fuhren, nach links zu auffallend tief zu gehen begann. Die von den Passagieren, die begonnen hatten ein wenig einzunicken, wurden rasch genug munter, und »Hallo driver! (Kutscher)« schrie jetzt Einer der Leute mit einer dünnen pfeifenden, näselnden Stimme – »was macht Ihr denn da draußen – Ihr werft doch nicht um? – ich habe nur noch etwa eine halbe Meile zu Wittwe Jones's zu fahren, bis dahin werdet Ihr doch den verdammten alten Kasten in Gang halten?«
»Verdamm Wittwe Jones's« lautete die eben nicht höfliche, halblaut gebrummte Antwort des Wagenlenkers, der allerdings in dem Wetter mit seinem Geschirr und den Pferden mehr zu thun hatte, als noch auf die Fracht, Koffer und Passagiere, Acht zu geben; »Wittwe Jones soll zu Grase gehn.«
»In der That Freund, der Wagen fängt an unverhältnißmäßig schräg zu gehn« sagte in diesem Augenblick der Quäker, der bis dahin, selbst an den Orten wo sie angehalten, noch keine zehn Worte gesprochen hatte, indem er sich, soweit das irgend möglich war, von der bedrohten Seite fort auf Herrn von Hopfgarten in einem unbestimmten Gefühl das Gleichgewicht wieder herzustellen, drängte – »Du wirst doch nicht umwerfen?«
Er hatte seinen Satz noch nicht ganz vollendet, als das rechte Vorderrad auf eine Erhöhung, einen Stein oder Ast, auflief; einen Moment noch rollte der Wagen, durch die rasch anziehenden Pferde fortgerissen, auf den beiden linken Rädern fort, um im nächsten Augenblick, unter dem Aufschrei sämmtlicher Insassen, schwerfällig nach links, und zwar auf die Seite überzuschlagen an der sich die einzige Thür befand.
Die Verwirrung die jetzt im Inneren entstand war furchtbar, Alles wühlte und drängte durcheinander, nur einmal erst auf die Füße zu kommen und das Geschrei nach dem Kutscher sie »aufzuknöpfen« daß sie »zu windwärts« aus dem »verdammten Kasten« kommen könnten, übertäubte alles Andere, und ließ sie natürlich in dieser ersten Zeit gar nicht hören was draußen vorging.
Der »Driver« der sich indessen während die Pferde glücklicher Weise still standen, wieder aus dem Schlamm, in den ihn der erste Stoß geworfen, aufgelesen hatte, trat jetzt zu dem Wagen hinan, den Nothschreien der Passagiere Folge zu leisten; nicht etwa aber diesen zu Gefallen, sondern weil er ohne deren Hülfe sein Geschirr natürlich gar nicht wieder hätte aufrichten können.
»Höll und Verdammniß« fluchte er dabei laut genug in den Bart jedes Wort zu verstehen, während er in der Dunkelheit nach den Knöpfen und Schnallen der ledernen Vorhänge fühlte, diese zu öffnen und seine Passagiere in's Freie zu lassen – »muß der Mensch da so eine verwünschte Bande müßiger Tagediebe und Faullenzer in Nacht und Nebel in der Welt herumfahren, und seinen eignen Hals, wie seine Pferde riskiren – wenn sie nur der Teufel holte, den ganzen Schwamm, wie sie dadrinn hocken. – Da Herzchen« schloß er dann seine schmeichelhafte Anrede, indem er das endlich geöffnete Leder zurückwarf, und den jetzt ordentlich nieder fluthenden Regen zwischen die unglücklichen Passagiere hineinließ – »jetzt könnt Ihr Euch auch eine Güte thun und einmal sehn wie's draußen ist – nun sind wir lange genug gefahren und dürfen ein Stück zu Fuße gehn.«
War der Kutscher übrigens übler Laune, so waren es die Passagiere noch mehr, und nur das Wetter und die Stockdunkelheit verhinderten vielleicht eine ernsthafte Schlägerei zwischen einem oder dem anderen der Schaar, mit dem groben Driver. Hier war aber keine Zeit zum Besinnen, denn je länger sie neben dem umgeworfenen Wagen standen, desto länger goß auch der Regen auf sie nieder und je eher sie den wieder aufhoben, desto schneller kamen sie wieder in's Trockene.
»Ungeschicktes Vieh von einem Kutscher!« schrie indessen der eine Hoosier, der letzte der im Wagen stand, und vergebens im Innern nach seinem hinuntergefallenen Hute fühlte »fährt erst in's Blau hinein, und nimmt dann auch noch das Maul voll mit Grobheiten. Wo hast Du denn Dein Fahren gelernt, Langbein, heh? – Dich möcht' ich einmal auf acht Tage unter der Hand haben.«
»Nevermind Bill« rief ihm ein Anderer zu »komm heraus aus der Falle und drück Deine Schulter hier mit unter, daß wir das verdammte Ding wieder in die Höhe bringen. So hier – hebt Jungens – ahoy-y – Sie da, kleiner Dutchman Sie sind der kürzere von uns, kriechen Sie doch einmal drunter, daß er nicht wieder zurückfällt.«
Herr von Hopfgarten, dem diese gemüthliche Anrede galt, dachte aber gar nicht daran ihr Folge zu leisten, und seinen eigenen Rücken zum Ruhestuhl des ganzen Wagens herzugeben; mit anfassen mußte er aber doch, wollte er nicht die Nacht da im Schlamm halten bleiben, und den vereinten Anstrengungen der Passagiere gelang es denn auch endlich den schweren Wagen wieder auf seine Räder zu stellen und das herausgefallene Gepäck beim Schein der einen Laterne – die andere war schon vorher ausgegangen und dann auch noch zum Überfluß im Sturz gebrochen, zusammenzusuchen. Der Kutscher hatte indeß das verwickelte Geschirr der Pferde in Ordnung gebracht und kletterte, die Sorge für das Gepäck ganz den Passagieren überlassend, mit einem »Na so packt Euch wieder hinein, Alle mit einander, bis zum nächsten Loch« auf seinen Sitz zurück, von wo aus er, als das Zuschlagen der Wagenthür ihm dazu das Signal gab, mit erneuten Flüchen auf die Pferde einhieb.
Der Zustand der Passagiere im Inneren war übrigens, trotzdem daß sie jetzt wenigstens vor dem Regen geschützt saßen, ein sehr mislicher, denn naß bis auf die Haut, die Hände und Füße voll Schlamm, durften sie gar nicht daran denken sich irgend einer behaglichen Ruhe hinzugeben. Des Kutschers ominöse Worte – »sie sollten einsteigen bis zum nächsten Loch « klangen ihnen auch dabei noch immer in den Ohren, und in der That bewieß das Schleudern des Wagens, in dem sie herüber- und hinübergeworfen wurden, daß sie die schlechtesten Plätze keineswegs überstanden hatten.
Eine halbe Stunde später hielten sie allerdings bei Wittwe Jones, und konnten ihre halberstarrten Glieder – den Quäker ausgenommen, der keine Spirituosen trank – an einem nichtswürdigen Glas Cognac, halb Wasser und halb Schwefelsäure erwärmen, aber gehalten wurde hier nicht länger, und der eine Passagier der hier ausstieg rief ihnen noch lachend nach, »wenn sie gleich unten am Hügel wieder umwürfen, sollten sie nur rufen, und er wollte dann mit der Laterne hinunter kommen und sie zusammensuchen.«
Trotz der unangenehmen Fahrt übrigens, und trotz dem Regen, der immer schärfer anfing niederzupeitschen, während die Nacht dunkler und stürmischer wurde, schien der Humor in dem engen mit Menschen vollgepfropften Kasten doch endlich die Oberhand zu gewinnen; die Passagiere beschrieben untereinander die Situationen, in denen sie sich befunden als der Wagen umschlug, lachten über die einzelnen verzweifelten Ausrufe, und selbst über die unverschämte Grobheit des Kutschers, und wurden dabei bekannter zusammen, als sie es wahrscheinlich beim schönsten Wetter geworden wären. Sie fingen schon auch wirklich an sich wieder einem wohltuenden Gefühle der Sicherheit hinzugeben, als der Wagen auf's Neue einen Alles zusammenwerfenden Ruck that – und dann festsaß. Vergebens blieben alle Peitschenhiebe und Flüche des »drivers«; der Wagen stak und war nicht von der Stelle zu bringen, und die Passagiere mußten, trotz dem Wetter, noch einmal hinaus.
Hier zeigte sich nun allerdings, daß das rechte Vorderrad in eine alte Wurzel hineingefahren war, aus der es leicht wieder befreit werden konnte; als man es aber näher untersuchte, erwieß sich daß zwei Speicher gebrochen seien, die unter dem schweren Gewicht von acht Passagieren keine hundert Schritt weit mehr gehalten hätten. Das nächste ordentliche Wirthshaus war zugleich noch sieben englische Meilen entfernt, und sie sämmtlich gezwungen, wenn sie das beschädigte Rad nicht wieder zusammenflicken konnten, bis dorthin zu Fuß durch die Nacht zu laufen. Dem zu begegnen gingen die jungen Farmer und Viehhändler, die mit derartigen Sachen gut umzuspringen wußten, daran, den Schaden soviel als möglich wieder auszubessern. Auf ebener Straße hätte das Rad auch wohl die paar Meilen noch gehalten, und so versuchten sie's denn und stiegen wieder ein. Lieber Gott, der erste Baumstumpf an den sie kamen, machte die immer mehr aufgeweichten Riemen nachgeben, noch hielten die übrigen Speichen, aber nicht lang; über eine Strecke steinigen Boden dahinfahrend krachte und splitterte es wieder, und ehe die Hälfte der Passagiere hinausspringen konnte, schlug der Kasten zum zweiten Mal um.
An ein wieder einsetzen war jetzt nicht mehr zu denken; eine Stange wurde nur abgehauen, vorn befestigt und quer unter die rechte Axe gelegt, den Wagen aufrecht zu halten, und dann nach einigen Versuchen selbst das Gepäck zum großen Theil für zu schwer befunden, auf diese Weise transportirt zu werden. Der Kutscher machte nun allerdings den Vorschlag, sämmtliche Koffer und Säcke hier irgendwo unter einem Baum aufzustapeln, und Einen von ihnen als Wache dabei zurückzulassen. Hierzu aber wollte sich nicht allein Niemand verstehn, sondern auch Niemand sein Gepäck zurücklassen, und der Kutscher wurde soweit überstimmt, dem Passagiergut im Wagen so lange Raum zu gönnen, bis es effektiv nicht weiter gebracht werden konnte; dann wollte es Jeder tragen.
Das Gepäck war aber wirklich in dem schlammigen Weg wenn auch nicht zu schwer für das gebrochene Rad und die untergeschobene Stange, doch jedenfalls für die Pferde, die den Wagen mit dem scharfeinschneidenden Hemmschuh endlich kaum noch fortschleppen konnten. Die Amerikaner hatten zwar Stangen abgehauen, die als Hebebäume dienen mußten, den Wagen, wo er stecken blieb wieder herauszuheben, und nicht ganz auf der Straße sitzen zu bleiben, aber es ging das endlich auch nicht mehr, und das Gepäck mußte heraus und geschultert werden. Die Pferde konnten es nicht weiter bringen. Hopfgarten wie der Quäker, die eben nur leichte Reisesäcke hatten, bekamen dazu noch eine der Stangen zu tragen, während die Amerikaner mit Axt und Hacke – Amerikanische Posten sind schon darauf eingerichtet – nebenher gingen, und dem Wagen fortwährend freie Bahn machten, Holz aus dem Weg zogen, oder auch die Hebebäume von den Schultern ihrer Leidensgefährten nahmen und die angeschleifte Stange über irgendwelche Hindernisse hinüberhoben.
Hier war es Hopfgarten, der sich zuerst widersetzte, und gegen solche Behandlung mit Erfolg Protest einlegte.
»Ich habe« sagte er zu dem erstaunt ihn ansehenden driver »meine volle Passage noch dazu bis Vincennes bezahlt; ich bin jetzt, den halben Weg fast, zu Fuß gelaufen – nicht das allein, ich habe auch mein Gepäck geschleppt, und gearbeitet wie ein Pferd den verwünschten Kasten in Gang zu halten. Ich bin dabei erbötig weiter zu marschiren und mein Gepäck selber zu schultern – aber die verdammte Stange trag ich keinen Schritt mehr!« und das Holz dem Mann vor die Füße werfend, stiefelte er ruhig weiter durch den Schlamm.
Die Situation hatte viel komisches, und ein paar Leute lachten, das Wetter war aber doch zu entsetzlich irgend etwas gerade sehr spaßhaft zu finden. Die kleine Caravane hatte sich indessen eben wieder in Bewegung gesetzt, als Hopfgarten zu ihrer Linken ein Licht durch die Bäume schimmern sah, einen der Mitpassagiere darauf aufmerksam machte, und ihn frug, ob er wisse wer da wohne.
»Oh hol's der Teufel« brummte der Mann, »dort können wir nicht bleiben, das ist ein wüster Ort, mit dem Niemand gern Verkehr hat.«
»Wie so?« frug rasch der Deutsche, neugierig gemacht durch die Bemerkung.
»Ein alter Jude wohnt dort mit seiner Mutter« sagte der Amerikaner, einen scheuen Blick nach dem Licht hinüberwerfend, »und handelt am Tag in der Gegend herum; die Leute sagen auch er hätte eine Masse kostbarer Waaren bei sich aufgehäuft, wo er die aber her und womit er sie bezahlt hat weiß kein Mensch, und es mag auch Niemand seine Schwelle betreten.«
Der Mann schritt weiter; während das Wetter aber immer wüthender wurde, der Regen immer toller niederpeitschte und der Sturm in den Baumwipfeln raste, als ob er die alten Riesenkronen, die ihm Jahrhunderte getrotzt, bei dem Armvoll niederwerfen wollte, zog sich der Weg wieder in eine Niederung hinab, in der sie bis an die Knie fast in Schlamm und Morast waten mußten. Das Licht kam dabei näher, obgleich man deutlich unterscheiden konnte daß es links etwas von der Straße ab lag und Hopfgarten, an solche Beschwerden nicht gewöhnt, und mit der Möglichkeit ihnen zu entgehn vor sich, beschloß endlich mit seinem Gepäck, das er ja überdieß auf dem Rücken trug, querfeldein auf das Haus zuzugehn, und die Gastfreundschaft der Leute, mochten sie sein was sie wollten, für diese Nacht in Anspruch zu nehmen. Morgen fand sich dann schon Gelegenheit weiter zu kommen, oder er gab auch seine ganze Reise nach Vincennes und von da mit der Post weiter nach St. Louis auf, und kehrte auf dem nächsten Weg nach dem Ohio zurück – er hatte das Postfahren satt bekommen.
Der eine Farmer rieth ihm allerdings, als er den Entschluß hörte gar eifrig ab, und tröstete ihn damit, daß sie höchstens noch fünf Miles bis zum nächsten Wirthshaus hätten; Hopfgarten war aber fest entschlossen seinen einmal gefaßten Plan auszuführen, unangenehmere Gesellschaft konnte er dort auch nicht finden, und da die Leute noch Licht hatten, also auch folglich noch auf waren, würden sie ihm doch wenigstens einen Platz am Feuer nicht versagen. Ohne sich also weiter an die Übrigen zu kehren, und Postkutsche nebst Passagieren ihrem Schicksal überlassend, wandte er sich links ab dem Lichte zu, und kam nach etwa viertelstündigem Wandern, wobei er die Post noch immer konnte durch den Schlamm rasseln und sogar das Fluchen der Passagiere hören, an eine niedere Fenz, die er mit einiger Mühe überkletterte. Er war durch die Anstrengungen der Nacht und die naßkalte bösartige Witterung ordentlich steif und gelenklos geworden, und konnte kaum hinüberkommen.