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Kitabı oku: «Südamerika», sayfa 16

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Was die Scenerie betrifft, so läßt darin Valparaise – wo doch gerade der Name etwas derartiges vermuthen ließe, allerdings sehr viel zu wünschen übrig, die Hügel die es einschließen sind vollkommen kahl, und nur hie und da mit einzelnen dürftigen Cactus bewachsen, doch zeigt das Land Spuren einer früheren stärkeren Vegetation, und einzelne der Thäler, mit ihren gepflegten Orangen, Feigen und schattigen Tamarindenbäumen bieten ein desto freundlicheres Bild.

Die Stadt selbst ist übrigens für den Fremden so interessant, und öffnet seinen Blicken so viel des Neuen und Ungewohnten daß mir die wenigen Wochen die ich dort verweilte, wirklich wie im Sturm verflogen, – es war ein fortdauernder Genuß, und Chile hat deßhalb auch wohl im Ganzen einen so sehr freundlichen und günstigen Eindruck auf mich gemacht.

Die Stadt selbst theilt sich in zwei sehr bestimmte Theile, der eine ist vollkommen europäisch und hierher gehört besonders der neuere Theil derselben wie die sämmtlichen am Hafen hingebauten Häuser und Waarenlager der Kaufleute die theils in durchaus europäischem, theils in südlichem Geschmack, mit Verandahs und luftigen Räumen errichtet sind. Je weiter sich diese aber von dem Geschäftstheile der Stadt entfernen, desto mehr laufen sie wieder in die kleinen einstockigen Häuser der früheren Bewohner aus, die einem doch einmal wieder eintreffenden Erdbeben nicht so keck die Stirne bieten wollten, wie der Fremde, der zwei und drei Stockwerke aufeinander und sich dadurch der Gefahr aussetzt, daß ihm beim nächsten »Schütteln« Dach und Stockwerke über dem Kopf zusammenpoltern.

Die Landung in Valparaiso ist von allen Stadttheilen jedenfalls nicht allein der belebteste und wichtigste, nein auch interessanteste Punkt. Die Landung für die Boote selber bestand damals freilich nur noch aus einem hölzernen, mit Brettern eben überlegten Ausbau, um den die Boote anlegen konnten, und von dem eine hölzerne Treppe niederführte, die gerade so aussah, als ob sie der erste tüchtige Norder mit hinwegschwemmen müßte; ein größeres Werk war aber im Bau und die Regierung beabsichtigte überhaupt, wie ich hörte, eine Art Damm in den Hafen hinein aufzuwerfen damit wenigstens ein Theil der Schiffe – denn alle zu schirmen wäre nicht möglich – gegen die besonders im Winter manchmal eintretenden Norder geschützt läge.

Nur eine Stelle ist bis jetzt im Hafen wo eine Anzahl Klippen eine Art natürlichen Damm gegen die eintretende Dünnung bildete, der Raum den diese aber schützen ist verhältnißmäßig sehr klein, und fremden Schiffen nicht erlaubt dort zu ankern.

An der Hauptlandung wimmelt es den ganzen Tag, von frühster Morgenstunde an, in dem lebendigsten Treiben dieser thätigen Stadt – es ist der Mittelpunkt des ganzen Geschäfts, zu dem sich hier alles drängt und um den sich Land- wie Seeleute den Tag über sammeln müssen, da Zollgebäude, Börse und Markt ihn in einem Halbmond umgeben.

Die Börse ist fast ebensoviel ein Leseclub als ein Versammlungsort für die Kaufleute Valparaisos – chilenische und argentinische Zeitungen liegen mit englischen und französischen Blättern in ziemlicher Anzahl aus, trotzdem aber daß sehr viel deutsche Kaufleute in Valparaiso leben und Mitglieder der »Börse« sind, sah ich dort oben nicht eine einzige deutsche Zeitung, die Deutschen halten sich diese lieber selber – sie haben ja keine Nation zu vertreten.

Mit der Börse in Verbindung steht der Telegraph der von dem westlich gelegenen Hügel aus, von dem man einen weiten Fernblick über das stille Meer hat, herübermeldet von welcher Richtung her ein Schiff sichtbar wird, und wenn es näher kommt, welcher Art es ist – Schiff, Barque, Brigg etc., und welche Flagge es führt. Dicht vor den Fenstern der Börse, die den Hafen überschauen und an denen mehrere vortreffliche Telescope aufgestellt sind, steht ein kleinerer Telegraph, die Meldung des ersteren augenblicklich wiederzugeben, und in einem oben ausliegenden Buch werden die gemeldeten Fahrzeuge dann sogleich eingetragen.

Mich interessirten natürlich gerade in jener Zeit die einlaufenden Schiffe ganz besonders, und ich verbrachte manche Stunde oben in dem freundlichen lichten Local, in das Fremde durch die Mitglieder der Börse eingeführt werden können und dieselbe, einen gewissen Zeitraum hindurch, unentgeltlich benutzen dürfen.

An der anderen Seite des Platzes ist der Markt, oder eigentlich besser gesagt die Marktstraße, da Valparaiso ein eigentliches und allgemeines Marktgebäude nicht hat und die Stände meist alle in dieser Gegend in die unteren Räumlichkeiten der Häuser hineingebaut sind.

Früchte und Gemüse spielen da eine sehr bedeutende Rolle, und die auslaufenden Schiffe finden hier einen sehr günstigen Platz Erfrischungen einzunehmen. Orangen sind besonders in ungeheuren Quantitäten aufgehäuft, ebenso zu dieser Jahreszeit viele Feigen und Trauben vorräthig – Pfirsiche waren noch nicht reif, oder vielmehr erst in Blüthe. Für tropische Gewächse und Früchte ist Valparaiso aber keinesfalls der Platz, denn wenn man auch hie und da Bananen auf dem Markt sieht, so kamen diese fast stets von Peru herunter, und für eine Annanas wurden mir zwei Thaler abgefordert. Viele leben überhaupt in dem irrigen Glauben, Chile sey ein tropisches Land, wie sich Manche auch Amerika überhaupt gar nicht anders als mit Palmen bewachsen denken können, sey das nun Kanada oder Brasilien, ja ich habe sogar in einem älteren Conversationslexicon unter Valparaiso gefunden, daß die Küste dort mit Cocospalmen dicht bewachsen wäre – wer aber eine Cocospalme an der Küste in der Nähe von Valparaiso, oder überhaupt am ganzen chilenischen Ufer finden wollte, sollte schwere Arbeit bekommen.

Chile liegt auch gar nicht in den Tropen, denn es erstreckt sich vom 45. Grad etwa, auf dem die Insel Chiloe liegt, hinauf, bis zum 26. oder 27. südliche Breite, also vollständig noch der gemäßigten Zone gehörend. Der obere oder nördliche Theil des Landes wie der südliche von Peru, ist eine unfruchtbare Sand- und Salzwüste.

Gemüse spielen auf dem Markt eine Hauptrolle, und mit Recht, denn die chilenischen Bohnen, Kartoffeln und Zwiebeln sind berühmt, und das chilenische Mehl wurde besonders in Californien ungemein gern gekauft.

Californien übte aber auch damals auf die Preise einen wirklich californischen Einfluß aus, denn jene fabelhaften dorthin verschifften Massen von Mehl und Vegetabilien hätten ein weniger fruchtbares Land förmlich ausgesogen, und mußten natürlich, selbst wo genug Nahrungsmittel vorhanden waren, ihren Werth um ein Bedeutendes steigern. Chile hatte für den Transport dorthin auch, gleich nach den Sandwichsinseln, die günstigste Lage, und die ersten Sendungen machten enormen Profit, später gab es aber auch wieder, wie sich das gar nicht anders erwarten ließ, manchen Rückschlag, und gerade während ich mich dort befand lauteten die Nachrichten für Waarentransporte dorthin so entmuthigend, daß die Kaufleute anfingen ängstlich zu werden, ja es kamen sogar schon Vorräthe besonders an fertigen Kleidungsstücken, wieder zurück und auch Lebensmittel fingen deßhalb wieder an etwas im Preise zu fallen. Die nächsten günstigen Nachrichten steigern das aber auch eben wieder so schnell, und der Ackerbauer kann sich noch lange eines guten Nutzens seiner Produkte erfreuen.

Auch der Verkehr nach Californien ist noch eben so stark, ja vielleicht stärker als je; es laufen täglich dorthin bestimmte Schiffe ein, und die Kaufleute hier, besonders solche die mit dem Seehandel zu thun haben, machen glänzende Geschäfte. Die Wechsler discontiren dabei nur mit 15 Procent, und Vermögen werden nicht selten – wie im Eldorado selber – in wenigen Monaten erworben.

Der Hafen, schon früher wohl das ganze Jahr hindurch von zahlreichen Schiffen besucht, bietet in Folge dieses neuen Verkehrs gerade jetzt ein besonders reges Bild geschäftigen Lebens. Die meisten der nach Californien bestimmten Schiffe von allen Häfen des atlantischen Oceans laufen hier ein, Wasser und Erfrischungen an Bord zu nehmen, und die Landung wimmelt fortwährend von Amerikanern, Franzosen und Engländern. Speculirende Yankees aber haben vorzüglich hier ihre Angeln ausgeworfen Vortheil aus den eben eintreffenden Fremden zu ziehen, ehe die Chilenen selbst dazu kommen. Den landenden Booten sticht schon von fern ein großes Schild »California chophouse« in die Augen, und der eigenthümliche, den Amerikanern aber bekannte Name des Gasthauses »The hole in the wall»(das Loch in der Mauer)« zieht besonders diese an. Es ist jedoch wie »The golden lion« der ebenfalls sein Schild auf dem Hintergebäude dem Wasser zukehrt, von geringerer Gattung. Das beste englische Gasthaus ist jedenfalls das »Star hotel«, dicht an der Landung; doch sucht ihm jetzt ein von einem jungen Belgier neu errichtetes, das »Ship hotel,« den Rang abzulaufen, und die Fremden die dort einkehren, sind sicherlich sehr zufrieden mit Kost wie Wohnung. Der Preis ist in beiden 1 ½ Dollar täglich für Kost und Wohnung. Das Victoriahotel (1 ¼ Dollar per Tag) von einem Italiener gehalten, stand in einem etwas schlechten Ruf, seiner Reinlichkeit wegen. Einen sehr guten Namen hatte dagegen das Hotel de Chile und ein französisches Kost- und Logishaus.

Auch mehrere französische Kaffeehäuser sind hier errichtet, die Deutschen aber haben, um doch etwas wenigstens zu ihrer Vereinigung zu thun und nicht ganz zu vergessen, daß sie eben Deutsche sind, einen deutschen Club gegründet. Dieser Club ist besonders für die Abendstunden bestimmt, obgleich die Mitglieder auch über Tag jede Stunde Zutritt haben, und befindet sich in einem sehr eleganten freundlichen Local, in dem die deutsche Flagge aufgepflanzt ist und die mit schwarz-roth-goldverzierte Namensliste der Mitglieder hängt. Hier werden nur deutsche Zeitungen gehalten, und ich sah auf dem Tisch die Allg. Zeitung, das Ausland, Morgenblatt wie viele andere. Die Sendung dieser Zeitungen schien aber leider nicht regelmäßig betrieben zu werden, denn trotzdem, daß in letzter Zeit mehrere Schiffe direkt von Hamburg und Bremen gekommen waren und das europäische Dampfboot regelmäßig alle vier Wochen eintrifft, waren die neuesten Nachrichten, die ich dort fand, vom December 1848, während in der Börse schon englische Zeitungen vom 17. Mai 1849 auslagen. Die Schuld davon tragen wohl jedenfalls die lässigen Absender in den Seestädten.

Der Zweck dieses deutschen Clubs ist, was ich davon erfahren konnte, die Deutschen in Valparaiso soviel als möglich zu vereinigen und sich gegenseitig Gelegenheit zu geben, einander kennen, zu lernen – jedenfalls ein wackeres Unternehmen, dem man den besten Erfolg wünschen muß. Im Uebrigen darf uns aber die schwarz-roth-goldene Fahne, die im deutschen Club aufgesteckt ist, nicht über die Gesinnung der Deutschen selbst täuschen. Ich bin zwar fest davon überzeugt, daß sie die deutsche Einheit, falls ihr der Sieg im Anfang gleich gelungen wäre, mit Freude, ja mit Jubel begrüßt hätten; sie leben hier in einer Republik und haben keine Sympathien für die deutsche Vielstaaterei, aber sie sind auch fast Alle – ja ich glaube, ich kann sogar sagen, Alle – Kaufleute, denen das eigene Geschäft und Fortkommen näher am Herzen liegt als der politische Zustand des fernen Vaterlandes, in dessen nähere Verhältnisse sie eben der großen Entfernung wegen nicht sehr eingeweiht seyn können. Kommt z. B. heute ein Dampfboot an und bringt Zeitungen bis zu einem gewissen Datum, so werden die mitgetheilten Neuigkeiten nicht selten schon wieder durch »Privatnachrichten,« die mit ebendemselben Fahrzeug kommen und etwas später datirt sind, widerlegt oder durch Gerüchte in den Hintergrund gedrängt. Dadurch kommt man hier nie zu einem wirklich klaren Bewußtseyn der dortigen Verhältnisse, und das schon müßte das Interesse am »Fremden« lähmen, selbst wenn nicht das Eigene so bedeutende Rechte geltend machte. Die deutschen Kaufleute aber, die hier wohnen (denn die deutschen in Valparaiso lebenden Handwerker sind von diesem Club, wahrscheinlich die deutsche Einigkeit recht treu darzustellen, ausgeschlossen, scheeren sich übrigens auch den Henker um deutsche Politik), stehen mit nur wenigen Ausnahmen mit dem deutschen Handel in sehr enger Verbindung, und diese können durch längere Unruhen in Deutschland nur Schaden leiden, nie aber einen Nutzen daraus ziehen. Die natürliche Folge ist, daß sie – was man in Deutschland »Fanatiker der Ruhe« nennen würde, sind, und unter jeder Bedingung ein rasches Wiedereintreten der Ordnung und dadurch ungestörte Handelsfreiheit wünschen. Die Republik scheint ihnen, nach einem gewissen Instinkt, nicht der beste Weg zu jenem Ziel. Die meisten springen also zum Extrem über, und die natürliche Folge ist, daß sie – zuerst auf die Landsleute in Deutschland schimpfen, weil diese nicht gleich von Anfang an durchgegriffen hätten; dann wünschen sie, »zur Strafe« möchte jetzt die Militärgewalt siegen und endlich einmal dem zwecklosen Krawall ein Ende machen. Ueber diesem Wunsch hängt die schwarzrothgoldene Fahne, und darunter sitzen die Leute und lesen die deutschen Zeitungen vom December 1848.

Doch lassen wir die Politik, Jeder hat da seine Ansichten und mag die auch vertreten; im Uebrigen sind die Deutschen Valparaisos gar wackere Leute und stehen hier in Südamerika (sehr verschieden von Nordamerika) in großer Achtung. Nicht allein die Regierung begünstigt sie vor anderen Nationen und wünscht ihre Einwanderung, sondern die Chilenen selber sind freundlich gegen die deutschen Nachbarn und führen sie mit vieler Herzlichkeit in ihre Familien ein.

Ich selber bin von den hiesigen Deutschen ebenfalls, und zwar ohne Ausnahme, auf das freundlichste aufgenommen worden. Herr Fehrmann besonders öffnete mir in so herzlicher Weise Haus und Familie, daß ich es ihm sicherlich nie vergessen werde, und Valparaiso kann mir nur ein liebes Andenken froh verlebter Stunden bleiben.

10. Wanderung durch die Straßen der Stadt

In dem belebteren Stadttheil Valparaisos sowohl, wie in den wunderlich gebauten und gelegenen Vorstädten Valparaisos fällt dem Fremden gar Manches auf, das er im alten Vaterlande nicht gesehen hat, und das ihm durch die ganze eigentümliche Umgebung oder Einfassung des Bildes um so viel anziehender, fesselnder erscheint. Hat der Leser Lust, so folgt er mir einmal einen Tag, und wenn ich ihn führe, auch wohl bis spät in die Nacht hinein – ich hoffe ihn nicht zu ermüden.

Morgens mit Tagesanbruch beginnt schon das Leben in den Straßen – die Leute kommen zu Markt – theils mit ziemlich schwerfälligen Ochsen bespannten Karren, theils ihre Pferde und Maulthiere mit Packen und Körben beladen.

Selbst die Tracht des Landmanns fesselt hier das Auge des Fremden: der kurze, meist blaue Poncho mit gemustertem Rand und der breitrandige, an den Seiten etwas aufgebogene, niedere Strohhut, das hohe, von oft fünf bis sechs Schaffellen aufgestapelte Sattelzeug, die großen niederhängenden Sporen und unförmlichen Holzblöcken gleichenden Steigbügel, schaut eigenthümlich genug aus, und der in Fellschläuchen gefüllte Wein, der hinter ihnen auf den Hüften des Thieres liegt, wie die riesigen Trinkhörner, die an beiden Seiten niederhängen, geben ihm einen noch wunderlicheren Anstrich.

Ungestört wandert man durch die stillen Straßen, es ist noch kühl und schattig, und über die Gartenmauern schauen schweigend die fruchtbeladenen Orangenzweige und schütteln den Thau auf das Pflaster – Pflaster? – was ist das für eine eigenthümliche Verzierung hier mit kleinen Pflastersteinen und Knochen, statt den Trottoirs – Kreuze und Steine bilden sie, und das Weiß der letzteren sticht freundlich gegen das Grau der Steine ab – welch sonderbare Idee, mit Knochen zu pflastern – ja, lieber Leser, Du hast recht, noch dazu mit Menschenknochen. Diese Sterne und Kreuze sind die Hand- und Fußwurzeln der damals, als sich Chile vom spanischen Joche freikämpfte, erschlagenen Tyrannen und Feinde, und so weit ging damals der Haß gegen die früheren zu strengen Herren, daß die Sieger sich nicht einmal damit begnügten, sie von der Erde zu vertilgen, nein, sie wollten auch noch etwas von ihnen über der Erde behalten, das sie mit Füßen treten konnten – wenn sich doch alle zu strengen Herren daran ein Beispiel nehmen wollten.

Die Erbitterung gegen diese soll damals wahrhaft furchtbar gewesen seyn, und noch jetzt mag der Südamerikaner nichts von dem Spanier wißen; »wir sprechen nicht spanisch,« sagen sie selber, wir sprechen castilianisch. —

Aber vorbei – wir tragen keine Schuld, daß unser Fuß die Reliquien der Erschlagenen schändet, der Fanatismus that es, und Mephisto, der nun einmal seinen Spaß daran hat Glauben und Unglauben in der Welt durcheinander zu schütteln, läßt in der einen Ecke unseres kleinen Ameisenhaufens, den wir die Erde nennen, verehren, was an der anderen in den Staub getreten wird.

Wir fangen schon an, die äußeren Gärten zu erreichen, – was für ein wunderlicher zierlicher Weihnachtsbaum, der über die Mauer schaut – geradablaufend, so egal, als ob sie mit Zirkel und Horizontalwage gesetzt wären, stehen die Zweige daran hinaus, und die Krone steigt fein und scharf abgeschnitten aus den breiten federartigen Armen empor. Das ist eine Norfolktanne, wie sie hier genannt werden, denn der Baum kommt von einer kleinen Insel unfern der australischen Küste, einer jetzigen Verbrechercolonie, und wird hier, seiner ungemeinen Zierlichkeit wegen, gern in den Gärten angepflanzt und enorm bezahlt. Ein junger Baum von zehn bis zwölf Fuß Höhe soll oft mit acht und mehr Unzen gekauft werden.

Ein anderer, bei uns in Treibhäusern ziemlich häufig gezogener Stock, die Camelia scheint hier ebenfalls förmliche Summen zu kosten; die Damen tragen die Blumen zum Schmuck im Haar, und zahlen für eine einzelne zwei bis drei Dollar, während ein schöner Camelienstock voll Blüthen und Blumen ebenfalls mit fünf bis sechs Unzen 80—90 Dollar verkauft wird – eine enorme Summe für einen Blumenstock.

An uns vorbei gehen ein paar in groben schwarzen Wollenstoff gekleidete Frauen, eine eben solche Kaputze oder ein Tuch, über den Kopf geworfen, daß kaum die dunkeln feurigen Augen darunter sichtbar werden, aber die Hand die den groben wollenen Stoff vorn unter dem Kinn zusammenhält, ist von blendender Weiße und mit edlen Steinen besetzte Ringe funkeln daran. – Und könnten das Büßerinnen seyn.

Nein, das ist die Kirchentracht der señoras und señoritas der Stadt, die noch vor einigen Jahren einen solchen Schmuck und Schauputz mit riesigen Kämmen und kostbaren Schleiern und Spitzen zur Kirche trugen, daß sich die frommen Väter bewogen fühlten sie zu einer bescheidenen Tracht zu nöthigen, und wenn ich irgend etwas in der Welt nachahmungswerth gefunden habe, so ist es dieß. Weßhalb geht jetzt, nicht allein in einem, nein in allen Theilen der Erde, das schöne Geschlecht nur zu häufig in die Kirche? – seinen Schmuck – seine Kleider zu zeigen und – gesehen zu werden – behauptet so viel Ihr wollt das Gegentheil die Sache bleibt doch wahr und kann nicht abgestritten werden – das schwarze Tuch aber verbirgt Alles – wie die Seelen die vor Gott gebeugt liegen und vor ihm gleich sind, so knieen die Körper, von gleichem schwarzem Stoff umhüllt, in der Kirche – wer dann nicht der Andacht wegen die heilige Schwelle betritt, hat seinen Zweck verfehlt, und kann daheim bleiben.

Meinst Du, lieber Leser? – aber Du irrst – denn manches Rendezvous wird noch, selbst unter der schwarzen Hülle, in der Kirche gegeben, doch das ändert auch die Tracht nicht – und wenn sie in Sackleinwand gingen, das Herz schlägt ja doch darunter.

Wir nähern uns hier einem kleinen Bergwasser, das die Stadt, wenigstens den oberen Theil derselben durchströmt und hier in einem gemauerten Canal seinem Ausfluß, der See, zugeführt wurde. Kleine niedere Hütten fassen die eine Uferseite ein, und die Familien sitzen draußen vor der Thür und trinken ihren Kaffee. – Doch die Familien nicht allein setzen sich hier zu Tisch, sondern dieß sind auch, wie es scheint, Kaffeestände für die in die Stadt kommenden Guassos und Farmer. Mit den Pferden halten sie an dabei, und lassen sich die Tasse hinaufreichen oder steigen ab und rücken den schmalen Sessel, den Zügel dabei nicht aus der Hand lassend, zum niederen mit bunten dampfenden Kannen und Tassen besetzten Tisch. Und selbst diese ärmlichsten Stände verrathen mehr Reinlichkeit als jene Hütten der Pampas mit ihrer wohl gastlichen aber für den Fremden entsetzlichen Bombilla.

Noch ein kleines Stück weiter hinaus hören die Häuser auf und einzelne Gärten begrenzen die Stadt – ein Schwarm von Kettengefangenen beginnt hier die Straßen zu fegen – sie sind an Hand und Fuß mit einer dünnen Kette geschlossen, und von Soldaten bewacht; auch findet man unter ihnen hie und da wohl eine richtige Galgenphysiognomie der man es, ohne langes Studieren ansieht, wie sie unter der Kette, schon wieder auf neue Unthaten brütet. – Zwischen diesen aber schreitet auch stolz und verächtlich unter der Kette, ein wohlhabender Guasso, dessen Hand in heftigem Zank mit dem Nachbar, der alten Sitte gedenkend, und der neuen vergessend, nach dem Messer zuckte, und der sein schlechtes Gedächtniß mit vierzehn Tagen Kettenstrafe büßen mußte. Das Gesetz kannte keinen Unterschied und jetzt sticht das rauhe Eisen gar traurig gegen den feinen blauen Poncho, die weiße Wäsche und den gestickten Unterärmel des Gefangenen ab, dessen Hand nun den Besen führt, die Straßen der Stadt rein zu halten, durch die er sonst auf schäumendem muthigem Thier dahingesprengt wäre. – Trotzig begegnet er dabei dem Blick des Vorübergehenden und er lacht wenn sein Blick auf die Kette fällt – er weiß die Stunde seiner Erlösung schlägt bald wieder, und er ist dann so geachtet als früher, denn die Kettenstrafe schändete ihn nicht.

Das Gesetz scheint mit dieser Strafe ziemlich flink bei der Hand zu seyn, und selbst Ausländer finden sich gar nicht selten unter diesen »Sträflingen« unter denen schon Franzosen, Engländer und Amerikaner den Handschmuck trugen, nur die Deutschen sind bis jetzt stolz darauf, daß von ihren Landsleuten noch keiner diesem Gesetz verfallen gewesen.

Nur noch wenige hundert Schritt weiter oben, gerade an jenem freundlichen Gärtchen vorbei, in dem die Pfirsiche so reizend blühen, kommt der Bach aus den Bergen und springt schäumend über Felsgestein und Kiesel fort. Das klare Wasser blitzt und funkelt aber wirklich über eine Masse goldschimmernden Glimmer hin, der hier mit dem schwereren Sande aufgewaschen, diesen an manchen Stellen oft schichtenweis bedeckt.

Man erzählt sich hier daß von einem nach Kalifornien bestimmten Schiff mehre Golddurstige in die Berge gewandert seyen, die Gegend um Valparaiso kennen zu lernen, und an diesen Glimmer gekommen wären, den sie augenblicklich für wirkliches Gold gehalten und in ihren Taschentüchern eine ganze Quantität – in Todesangst dabei entdeckt zu werden, an Bord geschleppt hätten. Die Leute waren kaum zu überzeugen daß sie eben nur Glimmer gefunden, und wollten schon Californien aufgeben und in Chile bleiben, bis sie später ihren Irrthum doch wirklich einsahen.

Chile ist übrigens ebenfalls goldreich und selbst die nächsten Hügel müssen das edle Metall enthalten, da nach heftigem Regen die armen Leute sogar in den Straßen, nächst zu den Hügeln, Gold waschen und etwa einen halben Dollar Tagelohn dabei verdienen sollen. In den Cordilleren liegen noch reiche Schätze begraben, deren Enthüllung späteren Generationen vorbehalten bleibt. Die Minenspekulation bildet aber auch schon jetzt einen Hauptzweig des hiesigen Geschäfts und Mancher ist durch einen glücklichen Wurf über Nacht zum reichen Mann geworden, während Andere mühsam und unermüdlich Dollar nach Dollar in Schachte und Stollen warfen und endlich sehen mußten wie die unerbittlichen Schlünde auch das Letzte erbarmungslos verschlangen.

Doch wir kehren zurück. – In den Straßen ist es jetzt schon lebhafter geworden, und dort drüben, über dem Canal scheint sogar ein Wettrennen zu seyn – nein, nur die Pferde werden geübt zu dem, den Chilenen eigenen Ansprung beim Rennen, und eine Masse von Zuschauern hat sich darum versammelt, mit anzusehen was für Fortschritte die gelehrigen Thiere machen werden.

Dieser Ansprung beim Wettrennen der Pferde ist hier besonders wichtig, da bei sehr kurzen Distancen die hier gebräuchlich sind oft der ganze Vortheil allein vom ersten Sprunge abhängt – die Chilenen gewöhnen deßhalb ihre Pferde zu diesem Zweck schon in die Stellung des Sprungs, die Vorderhufe dicht vor die Hinterhufe, wie eine Ziege fast, die oben auf einem Steine steht, und mit dem gegebenen Wort, dem üblichen Zeichen zum Ablauf ist schon der ganze Körper der Thiere, wie die gespannte Sehne des Bogens, zum Vorschnellen bereit und gerichtet.

Die chilenischen Pferde sind eine nicht sehr große, aber kräftige und lebendige Race und besonders zäh im Aushalten. Der Chilene galoppirt fast stets, doch nicht in einem so wilden Carriere wie der Argentiner, und er scheint auch seine Thiere mehr zu schonen und besser zu füttern, als jener.

Der Lasso fehlt aber auch hier selten am Sattel eines Guasso, wie die Landleute genannt werden, und schon die kleinsten Kinder fangen an, sich im Gebrauch desselben zu üben. Jungen von kaum vier und fünf Jahren laufen in den Straßen mit kleinen, aus Bindfaden selber angefertigten Lassos herum, und werfen und fangen damit Hühner und kleine Hunde, bis sie es einmal einem größeren um den Hals schleudern und dieser, der kaum eine Schlinge am Nacken fühlt, erschreckt mit dem Lasso und manchmal auch noch eine Strecke mit dem Jungen daran, fortläuft.

Wie alle Thiere nämlich in den Ländern, in denen der Lasso im Gebrauch ist, diese für sie so furchtbare Waffe kennen und fürchten, so haben auch hier vorzüglich die Hunde, die besonders von ihm bedroht sind, eine sehr heilsame Angst, wenn sie nur ein Seil geschwungen, ja nur die Bewegung des Arms sehen, und ich mußte dabei immer wieder des ersten Morgens gedenken, den ich in Valparaiso mit meinem rothen, oder doch reich mit roth durchwirkten Poncho spazieren ging. Nirgend in einer Stadt der Welt, gibt es aber, glaub’ ich, mehr Hunde in den Straßen als in Valparaiso, und Hunde von so toll und bunt durcheinander gemischten Racen, daß man den ganzen Tag zwischen ihnen herumlaufen kann, und nicht zwei ähnliche findet. Einer von diesen hatte kaum, in dem ungewohnten Roth etwas besonderes entdeckend, den Alarm gegeben, als sie auch von allen Seiten herbeiströmten und ich mich in kaum einer halben Minute von mehreren Dutzend großer und kleiner Kläffer bedroht sah, die am Ende auch mehr gethan hätten, als nur zu bellen, da noch dazu ihre Zahl in jedem Augenblick zu wachsen schien, als nur einfach einer der nächsten Peons zwischen sie trat und den rechten Arm ein paarmal um seinen Kopf schwang. Er hatte ihn aber noch nicht zum drittenmal herum, als es wie ein panischer Schrecken zwischen die ganze Schaar kam, und den Schwanz zwischen die Beine nehmen und die Straße hinunter pirschen, als ob der böse Feind hinter ihnen sey, war eins. Ja die Hunde sogar, die ihnen unterwegs begegneten, schienen genau zu wissen, was vorgegangen wäre, und folgten, augenblicklich mit umkehrend, dem Beispiel der Flüchtigen, ohne sich auch nur einmal nach der Ursache solcher Eile zu erkundigen.

Heute sollte mir die Lösung des damaligen Räthsels werden, denn ich sah einen etwas ruppig ausschauenden Gesellen, in einem abgetragenen Poncho, der langsam in so früher Morgenstunde durch die Straßen ritt, und den in der Hand bereit gehaltenen Lasso vorsichtig, so viel das gehen wollte, mit dem Poncho zu decken suchte. Er sah sich weder rechts noch links um, und selbst das Pferd schien seine Gleichgültigkeit zu theilen, und ließ den Kopf, nur dann und wann einmal eine Fliege abschüttelnd, lässig hängen. Mehrere Hunde waren in der Nähe, sie mußten den Mann mit dem alten blauen Poncho aber kennen, denn sie ließen plötzlich das, woran sie genagt, im Stich, und gingen langsam, mit hängendem Schwanz, um die nächste Ecke, kaum aber aus Sicht war es plötzlich, als ob sie neues Leben gewännen, und wäre der grimmigste Feind hinter ihnen gewesen, sie hätten nicht schärfer laufen können.

Der Mann mit dem alten Poncho sah sich aber gar nicht nach ihnen um, auch das Pferd nahm nicht die mindeste Notiz von ihnen, und ein fremder Hund, der zum Besuch heut Morgen wahrscheinlich in die Stadt gekommen war, blickte mißtrauisch erst hinter den davon gelaufenen Kameraden her, und dann dem Mann entgegen, der mitten in der Straße heraufritt. Dieser war etwa noch dreißig Schritte entfernt, und schien in der That im Sattel eingeschlafen zu seyn; nur das Pferd spitzte, als es dem Hunde näher und näher kam, langsam das linke Ohr – aber nur das linke, denn der Hund stand an der rechten Seite.

Jetzt waren beide bis in etwa zehn Schritte herangekommen, und befanden sich dem Hund beinahe gegenüber in der Straße – dieser, der wohl nirgends etwas verdächtiges entdecken konnte, dem aber doch die ganze Stille in der Straße und auch vielleicht das fast zu friedliche Aussehen des Mannes nicht gefallen haben mochte, hatte eben den Knochen wieder aufgehoben und wollte ihn lieber mit sich fort, nach einem besser bekannten Orte nehmen, als die erste Bewegung des Reiters seine Aufmerksamkeit blitzesschnell anzog. Diese Bewegung des erst so lässigen Mannes zu Pferd war aber nichts geringeres als das Emporfahren des rechten Armes, und im nächsten Moment wirbelte schon die gefürchtete Schlinge in der Luft. Den Knochen fallen lassen und fliehen, war natürlich der erste Gedanke, aber das arme bestürzte Thier rannte im ersten Ansturz erschreckt gegen die Häuser an, und es war auch überhaupt zu spät – das erst so schläfrige Pferd sprang mit gespitzten Ohren nach vorne, der Reiter bog sich im Sattel vor – der Lasso flog – in derselben Secunde fast warf sich das Pferd auf den Hinterbeinen herum, und gleich darauf sprengte der Reiter, den armen, nur zu sicher geworfenen Hund in dem Lasso hängend, hinter sich her schleifend, die Straße nieder.

Galoppiren darf aber nur die Polizei oder ein Arzt in den Straßen der Stadt. Jeder Andere, der es dennoch versuchen sollte, wird augenblicklich von den fast an allen Ecken zu Pferd haltenden Dienern der Gerechtigkeit angehalten und abgeführt, seine Strafe zu zahlen.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
380 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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